Wenn der Bacchus ein Bierfest eröffnet …

… dann muss das gute Gründe haben. Und so war es: Der Oberbürgermeister von St. Ingbert im Saarland hatte den Bacchus von Radebeul auf das St. Ingobertusfest gebeten. Natürlich wollte der nicht alleine dorthin fahren – er nahm sich auf das Vereinsfest der Partnerstadt Mitglieder des Fördervereins Internationales Wandertheaterfestival Radebeul mit, um bei den Partnern Punkte für den Wein zu sammeln. Mehr »

Wandeln zwischen Himmel und Hölle

23. Herbst- und Weinfest Radebeul-Altkötzschenbroda mit XVIII. Internationalem Wandertheaterfestival vom 27. – 29. September 2013

Der Herbst zieht ins Land, die letzten warmen Sonnenstrahlen des Jahres fallen auf die Radebeuler Weinberge und die Winzer fahren ihre Ernte ein. Diese besondere Zeit des Jahres wird in Radebeul mit dem 23. Herbst- und Weinfest mit Internationalem Wandertheaterfestival gefeiert. Mehr »

Editorial September

Im Monat September erhält der Rebensaft in der Weinstadt Radebeul unweigerlich seine durchaus willkommene Dominanz. So findet in den Wochen der Weinlese in Altkötzschenbroda das nunmehr 23. Herbst- und Weinfest statt. In den festlichen Reigen mischt sich in kongenialer Verbindung seit 18 Jahren das Wandertheaterfestival ein, das dem Fest sein unvergleichliches Gepräge verleiht. Mehr »

Praktizierte „Schöpfungsverantwortung“

»Lebensraum Kirchturm«, mit dieser Plakette des NABU Deutschland wurde am 9. Juni die Radebeuler Lutherkirche ausgezeichnet. Sie ist die 60. Kirche auf dem Gebiet der Landeskirche Sachsens, die diese Würdigung erfährt. Damit befindet sie sich im statistischen Mittelfeld, in der Nähe von Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, von Hessen und Mecklenburg. Nur Thüringen mit 105 und Baden-Württemberg mit 170 Kirchen liegen schier uneinholbar an der Spitze dieser Naturschutzinitiative.
Nun müsste man die Zahlen natürlich in Relation setzen zur Größe der jeweiligen Landeskirche und der Anzahl ihrer Kirchen. Solche Rechnerei soll hier nicht weitergeführt werden. Aber eins sei doch noch gesagt: In der Statistik der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens werden 770 Kirchgemeinden mit insgesamt 1600 Kirchen und Kapellen ausgewiesen. Zumindest diese Angaben zeigen, dass nur eine verschwindend kleine Zahl von Kirchgemeinden sich dieser Aktion angeschlossen hat. Das muss nicht heißen, dass Tiere, – zumeist sind es ja Vögel –, auf deren Türmen nicht geduldet wären. Vielleicht hat sich nur keiner bisher darum gekümmert, oder sie gehören so selbstverständlich zum Kirchturm, dass niemand Aufhebens davon macht. Eigentlich wäre das schade. Aber es gibt leider auch Kirchgemeinden, die im Zuge ihrer Rekonstruktionsmaßnahmen von Kirche und Kirchturm ganz entschlossen darauf Wert legen, dass die oft seit Jahrzehnten dort lebenden Gästen ausgeschlossen werden, ihnen kein Platz mehr zum Nisten und Brüten gewährt wird. Das ist besonders bedauerlich, weil diese Vogelarten angewiesen sind auf hohe Gebäude, dass sie halt nicht anders existieren können als in dieser luftigen Höhe.8-2013_lebensraum-kirchturm1
Da ist zum Beispiel die Schleiereule. Sie bewohnt mit Vorliebe die »Laterne«, die von Säulen oder Pfeilern getragene Turmspitze. Wenn die Luke, die in diesen Hohlraum führt, verschlossen wird, bleibt sie ausgesperrt. Und es ist leider eine Tatsache, dass die Zahl der Schleiereulen in unseren Siedlungsgebieten, auch dadurch, dramatisch abgenommen hat.
Nicht ganz so alarmierend steht es mit den Turmfalken. Ab und zu hört man einen, wenn er sein wie eine Klage klingendes kiii-eee-eee ausstößt. Dadurch aufmerksam gemacht, sieht man ihn dann vielleicht auch, rüttelnd, in der Luft stehend und nach Beute ausschauend.
Seit einigen Jahren nun nistet ein Falkenpaar am Turm der Lutherkirche, in der kronenartigen, kupfernen Spitze des östlichen Seitenturms. Eine Webcam war auf ihren Brutplatz gerichtet und so konnten wir miterleben, wie die vier rotbraunen Eier vom Weibchen warmgehalten und bebrütet wurden, wie vier kleine, hilflose Küken daraus hervorkrochen und rasch heranwuchsen unter der Pflege ihrer Eltern und nach wenigen Wochen, flügge geworden, das Nest verließen und selbst auf Nahrungssuche gingen. Leider ist in diesem Jahr daraus nichts geworden. Die Altvögel fanden sich pünktlich ein, umflogen den Turm, saßen da und dort auf einem Sims und Vorsprung. Aber mit dem Brüten wurde es nichts, das Nest blieb verwaist. Zwar lassen sie sich auch jetzt noch hin und wieder sehen oder hören. Aber wir mussten uns an den Gedanken gewöhnen, dass diesmal nicht mit Nachwuchs zu rechnen ist. Und es bleibt nur die Hoffnung, dass im nächsten Jahr wieder angeknüpft werden kann an die vergangenen Jahre mit ihren erfolgreichen Bruten.
Dass Turmfalken an der Lutherkirche brüten, war der Anstoß, sich um den Titel »Lebensraum Kirchturm« zu bewerben.  Dazu wurde die Radebeuler »Fachgruppe für Ornithologie und Naturschutz« einbezogen, die sich dieser Bewerbung gern anschloss. Und am Sonntag, dem 9. Juni war es dann so weit. Eine Mitarbeiterin der Regionalgeschäftsstelle kam aus Leipzig und übergab im Gottesdienst mit einer kleinen Rede die Plakette an Pfarrer Christian Mendt und einen Pfadfinder. Die Predigt bezog, aus aktuellem Anlass, das Elbehochwasser mit ein und verband es mit der Sintflutgeschichte aus dem ersten Buch der Bibel. Und dies war auch ein sinnvoller gedanklicher Rahmen für die Plakettenübergabe.
»Lebensraum Kirchturm«, das bezieht sich an der Lutherkirche nicht nur auf Turmfalken: Um doch einmal Schleiereulen in unserer Nähe heimisch werden zu lassen, ist besagte Luke in der Laterne geöffnet worden, mit speziellen Vorkehrungen, die Stadttauben abhalten und nur Schleiereulen den Zugang attraktiv machen sollen. Und auch an Mauersegler ist gedacht worden: knapp über der Uhr in Richtung Osten sind vier Kästen für sie aufgestellt worden. Im vorigen Jahr hat es den Eindruck gemacht, dass zwei von ihnen zum Nisten in Anspruch genommen wurden. Es fanden sich leichte Grashalme darin, Nistmaterial, das Mauersegler, die fast ausschließlich in der Luft leben, fliegend aufgesammelt hatten.8-2013_lebensraum-kirchturm2
Und für Fledermäuse wurde eine Luke in einen kleineren Turmraum geöffnet, mit einer fachkundig angefertigten und ganz auf sie zugeschnittenen Zugangsmöglichkeit. Bis jetzt haben sich noch keine eingestellt. Aber bei solchen Bemühungen muss man halt Geduld haben. Selten zahlt sich schon im ersten Jahr aus, was man an Gedanken und Bemühungen für die Tierwelt eingesetzt hat.
Was hier beschrieben wurde, soll nicht als große Leistung herausgestellt werden. Es ist ein kleiner Beitrag dafür, dass Tiere, die seit Jahrhunderten auf Kirchtürmen leben, auch jetzt und in Zukunft eine Bleibe in unserer Nähe haben. Es wäre wunderbar, wenn die Radebeuler Lutherkirche nicht die einzige Kirche in ihrer näheren und weiteren Umgebung bliebe, die dem vielbeschworenen Wort von der Schöpfungsverantwortung auch praktische Maßnahmen folgen lässt.
Johannes Woldt, Pfr. i.R.

Hoffnungsvolle Grüße

In den letzten Julitagen konnte Frau Ingeborg Hauptmann ihren 90. Geburtstag feiern.
Als ich die lebensvolle Enkelin von Gerhart und Marie Hauptmann vor vielleicht fünfzehn Jahren kennenlernte, hat sie mich binnen weniger Minuten von dem Irrtum befreit, nur junge Frauen wären interessant. Was uns seither verbindet, was die Bekanntschaft zur Freundschaft reifen ließ, ist ein gemeinsames Anliegen: die Pflege der Erinnerung an ihre Grußmutter Marie. Wir alle kennen jenes Sommermärchen, das im goldenen Herbst 1881 seinen ersten Höhepunkt hatte in ihrer heimlichen Verlobung mit dem damals noch völlig unbekannten Breslauer Kunstschüler Gerhart. Wir alle kennen auch den Ort des Geschehens: Hohenhaus in Radebeul. Ein volleres, unbeschwerteres Liebes- und Jugendglück ist gewiß nie von jemand genossen worden, schwärmt Gerhart Hauptmann noch in seinen Lebenserinnerungen. Ebensowenig, fährt er fort, wird der alte, herrliche Bischofssitz nachher auch nur ähnlich frohe, überschwängliche Tage gesehen haben.
Doch schon Ivo, der älteste Sohn der beiden, beklagt in seinen Memoiren, die Rolle der Mutter für das Wachsen des Vaters zum Nobelpreisträger sei immer unterschätzt worden. Ingeborg, die Enkelin, hat sich vorgenommen, ihrer Großmutter posthum Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen. Für dieses Anliegen hat sie Verbündete auch in Radebeul und speziell im Hohenhaus gefunden.
Als die Bemühungen unseres Vereines scheiterten, das Haus in öffentliche Trägerschaft zu überführen – weder die Stadt noch das Land wollten sich mit dem Denkmal belasten – waren es Inge und Torsten Schmidt, die sich des kulturellen Erbes annahmen. Wie die meisten von uns kannten sie das Werk Hauptmanns nur aus der Schullektüre. Im Hohenhaus, und nicht zuletzt durch die Begeisterung Ingeborgs haben sie gelernt, die literarische Tradition und die Erinnerung an Marie zu ihrer eigenen Angelegenheit zu machen. Sie haben sich ergreifen lassen von der Verehrung für den Lebensweg einer tapferen Frau. Gerhart Hauptmann hat in seinem Werk mehrfach anklingen lassen, dass und wie der seinerzeitige Verkauf von Hohenhaus für Marie und ihre Geschwister einem Paradiesesverlust gleichkam. Schmidts haben sich anstecken lassen von der Begeisterung einer interessierten Öffentlichkeit. Doch sie konnten nicht ahnen, welche Kraft das Erbe von ihnen fordern würde.
Seit bald zehn arbeitsreichen Jahren ist Hohenhaus nun ihr Lebensmittelpunkt. Sie haben den alten Glanz des Hauses wieder sichtbar gemacht. Sie haben den Gedenkstein für Marie Hauptmann nach Radebeul überführt, haben einen Gedenkraum geschaffen und im ehemaligen Weinkeller ein Forum für Musik und Literatur geschaffen. Ihr Wirken, an dem auch wir Anteil nehmen konnten, hat dazu geführt, dass Marie Hauptmann in der literarischen Öffentlichkeit heute ganz anders wahrgenommen wird, als noch vor zwanzig Jahren.
Die Möglichkeiten, die das Forum bietet, sind durch unsere monatlichen literarischen Spaziergänge und die sporadischen Veranstaltungen längst nicht ausgeschöpft. Doch die Unterhaltung ist kostspielig. Schon die Heizkosten sind durch Kultur allein nicht zu refinanzieren, vom Dach – das in diesem sonnenarmen Sommer seine ganze Durchlässigkeit zeigt – ganz zu schweigen.
Es ist an der Zeit, den einstigen Wirtschaftsteil, die alte Gärtnerei, wieder wirtschaftlich zu nutzen – ganz wie wir es vorhatten, als wir noch träumten, Hohenhaus könnte allen gehören. Schließlich steht es jetzt allen offen.

Der Plan, Ingeborg Hauptmann zum Jubiläum ein literarisches Fest auf Hohenhaus zu schenken, mußte aus gesundheitlichen Gründen fallen gelassen werden. Am Plan, in ihrem Sinne das literarische Erbe, das auch ihr Erbe ist, mit Leben zu erfüllen, halten wir gemeinsam fest, denn wir wissen, dass die erforderliche Kreativität und die nötige Toleranz in der Stadt vorhanden sind.
In solch froher Hoffnung senden wir herzliche Geburtstagsgrüße aus Radebeul zu ihr nach Wiesbaden.
Thomas Gerlach

 

Über Leben und schaffen des Malers Professor Heinz Werner (2. Teil)

Selbstbildnis Prof. Heinz Werner  vom 17.02.2013

Selbstporträt, 2013

Heinz Werner hat auch neben seinen schulischen Aufgaben zu Hause immer gemalt. Sein Können fiel auf. Der Malereileiter Rudolf Lauschke fragte ihn: „Werner, will er Vögel malen?“ Werner wollte, und so kam er schrittweise in die Gruppe der Maler, die Motive auf die produzierten Porzellangegenstände bringen, die hohes malerisches Können erfordern. Fast zehn Jahre führte er diese reproduzierende Arbeit aus, kreatives Malen nur nach Feierabend.
Man erkannte seine Fähigkeiten und berief ihn zum Dekorgestalter (1957). Jetzt konnte er schöpferisch auf Porzellan malen, eigenständig Motive entwerfen. Unter seinen Händen entstanden in den folgenden Jahren Hunderte einzigartiger Dekore. Gemeinsam mit dem Plastiker Peter Strang und dem Formgestalter Ludwig Zepner rang er darum, Geschirr, Plastiken und Raumschmuck von hohem künstlerischen Wert zu schaffen, bei denen Material, Form und Bemalung zusammenwirken (1960 ff). Sie trugen entscheidend dazu bei, den Weltruf des Meißner Porzellans auszubauen.
Neben seiner Arbeit studierte Heinz Werner 6 Jahre an der „Hochschule für Bildende Künste Dresden“ u.a. bei Prof. Bergander und Prof. Damme und schloss das Studium als Diplom-Maler ab. Später unterrichtete er selbst an der „Hochschule für Kunst und Design Burg Giebichenstein Halle“ und wurde dort zum Honorarprofessor berufen.

Um das internationale Ansehen der Porzellanmanufaktur zu pflegen, durften deren Künstler in die Länder Reisen, zu denen fachliche und wirtschaftliche Verbindungen bestanden. Professor Werner konnte diese Möglichkeit nutzen. Eine Aufzählung seiner Reiseländer muss hier genügen: Frankreich (1972, 1991), Japan (1975, 1984/85), Ungarn (1976/77), Indien (1980), Hongkong (1990), Italien (1993/1998). Überall zeichnete und malte er, notierte Motive – aber besonders sammelte er Eindrücke von anderen Kulturen, die dann direkt oder auch indirekt in sein Schaffen einflossen. Seine künstlerischen Leistungen erhielten international Anerkennung, seine berufliche Wirkungsstätte, die Porzellanmanufaktur Meißen, zeichnete ihn aus, sogar seine Heimatstadt, die Große Kreisstadt Coswig, verlieh ihm die Ehrenbürgerwürde (31.3.2009).

Tanzpaar

Tanzpaar

Professor Werner liebt die Menschen. Er will sie froh und heiter sehen, wie er sie z.B. in seinen Bildern vom Stadtfest in Coswig oder dem Karneval in Venedig darstellt. Es ist kein leichter Spaß in den Bildern, sondern heitere Achtung vor den Menschen.

Seine Bildnisse von Frauen strahlen trotz Charme und Erotik stets Würde aus. Achtung vor den Frauen; zweifellos auch ein Abbild seiner Erfahrungen. Rettete ihm doch einst eine Frau das Leben. Seine Ehefrau Elfriede (geb. 28.2.1933, gest. 3.8.2010) umsorgte ihn über fünfzig Jahre lang mit Liebe, begleitete sein Schaffen mit Aufmerksamkeit, Verständnis und Anteilnahme. Sie schenkte ihm seinen Sohn Klaus (geb. 29.1.1956, gest. 14.7.1996) – er gab ihm Freude, Hilfe, aber auch großen Schmerz durch seinen frühen Tod. Doch er hinterlässt ihm zwei liebe Enkeltöchter. Nach dem Tode seiner Ehefrau holte ihn Frau Karla Vogelsang aus der Einsamkeit. Sie liebt seine Eigenheiten, sie liebt seine Kunst. Sie wendet die Kümmernisse das Alltags von ihm ab und sorgt, dass er sich seiner Kunst voll widmen kann.

Professor Heinz Werner zeigt uns in seinen Bilden seine Erlebniswelt. Die Vielfalt seiner Bildthemen berührt auch unser Erleben. Auch wir sehen Landschaften, Pflanzen, Tiere, Menschen in ihrem Zusammenleben, schöne Frauen, kennen Liebe und Sexualität. Die Umwelt sendet ständig unzählige Informationen, schöne und hässliche. Wir lassen sie auf uns wirken. Unsere fünf Sinne registrieren sie, unser Hirn bildet Emotionen, und wir lassen uns von diesen führen. Künstler filtern aus der Summe der Informationen diejenigen heraus, die sie am meisten bewegen. Diese formen sie zu eigenen Emotionen und versuchen uns diese zu vermitteln. Bei Heinz Werner sind es uneingeschränkt die schönen Informationen, gegenständliche und geistige. Alles Hässliche blendet er aus. So entstehen aus Motiven, deren Besonderheit wir gar nicht erkennen, Bilder von großer Schönheit. Emotionen von Schönheit, gepaart mit Liebe, will er uns vermitteln. Sein ausgeprägtes ästhetisches Empfinden wählt Farbe und Form, seine geübte Hand setzt jeden Punkt genau an die richtige Stelle. Die Sicherheit seines ästhetischen Empfindens und die Sicherheit seiner Hand verleihen den Bildern eine scheinbare Leichtigkeit. Er sagt: „Es ist, als führte mir eine höhere Macht die Hand.“ So entstehen seine Bilder während des Malens. Und die Freude, die Malen für ihn ist, springt aus den Bildern auf uns Betrachter über.

Tänzerin in Grün

Tänzerin in Grün

Professor Werners Arbeiten auf Papier und Leinwand sind von seiner beruflichen Tätigkeit als Dekorgestalter weit entfernt. Die Ausstellungen in Radebeul und Coswig zeigten uns nur einen winzigen Teil dieses, seines Schaffens. Wer genau hinschaut, erkennt: Jedes Blatt hat seine eigene Schönheit, jedes Blatt hat seine eigene Aussage. Da blickt uns ein Gesicht kess, ein anderes kritisch an oder fragend, nachdenklich, einladend oder scherzend – jedes anders, und man weiß, dass in der nächsten Sekunde ein Wort oder eine Geste von ihm kommen wird. (Meine Herren, haben Sie schon beobachtet wie vielfältig sprechend Frauenblicke sein können? Professor Werner zeigt es uns!)
Personengruppen sind in Bewegung; man erkennt ihre Tätigkeit – was sie soeben gemacht haben und was sie als nächstes tun werden. Landschaften laden zum Besuch ein. Alles ist wie ein Märchen – lässt den Beschauer träumen – und ist dabei doch so realistisch. Jedes Blatt sagt: „Komm in meine Welt“. –
Jedes Blatt strahlt Heiterkeit aus und die Liebe, mit der Professor Werner den Betrachtern, den „Konsumenten“, seine Arbeiten darreicht. Seine Freude am Zeichnen und Malen springt auf uns über. Wir vergessen beim Schauen den Alltag und werden ruhiger, ausgeglichener, heiterer. Genießen Sie die Freude, die uns Professor Heinz Werner mit seinen Arbeiten schenken will.

Dank an Herrn Prof. Diplom-Maler Heinz Werner, Dank an Frau Diplom-Forstwirtin Karla Vogelsang für schöne, inhaltsreiche Ateliergespräche, die Vorstellung vieler Bilder aus dem Fundus des Künstlers und die Leihgabe für diese Veröffentlichung.

Prof. Dr. S. Grunert

Literatur:
Sabatier, Eduard, Heinz Werner, Rita Gründel, Helmut Stelljes: Heinz Werner.
-Verlag der Galerie Pro Art. 1. Auflage 1993

Nachruf für Gottfried Reinhardt

Die Liebe ist des Menschen größtes Licht

Gedanken zum Ableben von Gottfried Reinhardt

Gottfried Reinhardt und Helmut Heinze im Gespräch zur Buchpräsentation 2008 in der Stadtgalerie

Gottfried Reinhardt und Helmut Heinze im Gespräch zur Buchpräsentation 2008 in der Stadtgalerie

Es war ein seltsames Gefühl, als ich zum ersten Mal eine Aufführung von Gottfried Reinhardt erlebte. Die offene Spielweise in ihrer versachlichten Form hatte längst im Figurentheater Einzug gehalten. Und plötzlich stand da in dem kleinen Raum der Radebeuler Galerie eine barock anmutende Guckkastenbühne mit bunten Tüchern und teppichartigen Stoffen behängt, mit Spitze verziert und kleinen Kronleuchtern, die einen in ferne Zeiten zurückversetzte. Puppentheater für Erwachsene von Gottfried Reinhardt war selbst 1988 noch ein Geheimtipp in der Dresdner Szene und anderswo.
Eingeladen hatte ich den Puppenspieler zur Jubiläumsfeier anlässlich des 5-jährigen Bestehens der »Kleinen Galerie Radebeul« auf ausdrücklichen Wunsch der Radebeuler Künstlerschaft, welche an diesem Abend auch den Großteil des Publikums bildete. Schon das mag die Besonderheit Reinhardt`scher Aufführungen unterstreichen. Die Stimmung war recht ausgelassen. Claus Weidensdorfer, Maler und Grafiker aus Radebeul, stieg auf einen Tisch, um lustvoll den Programmzettel zu verlesen. Der Bildhauer Detlef Reinemer bereicherte die Vorführung seinerseits durch den wiederholten Zwischenruf »Machse naggsch, mach se naggsch!«. Ein Ruf, der noch häufig erschallen sollte und jenen reichlich eigenwilligen weiblichen Figuren Reinhardt`scher Schöpfung galt. Weniger das Spiel, schon eher die Texte waren es, die das Publikum vor Entzücken aufjuchzen ließ und immer wieder zu Gelächter und Zwischenrufen veranlasste. Mit einfachen Knittelversen wurden selbst erfundene Stücke vorgetragen, Opernstoffe und Theaterklassiker parodiert, in denen oft harte politische Wahrheiten und menschliche  Weisheiten verpackt waren. Seine hintersinnigen Wortspielereien entsprachen dem Code, mit dem man sich in der DDR zu verständigen wusste. Unerträgliches wurde durch Humor erträglich, »denn Freiheit wie ihr wisst, der Mensch als Narrenfreiheit nur besitzt«. Und so  ging  es  in  der  Guckkastenbühne  mitunter recht ruppig zu. Die Helden seiner Dramödien waren verstrickt in Mord und Totschlag, Hass und Leidenschaft, Lust und Liebe, Komplott und Intrige. Kasper, Tod und Teufel hatten alle Hände voll zu tun.
Es war der 30. Dezember 1972, als Gottfried Reinhardt in der Schinkelwache am Dresdner Theaterplatz erstmals mit zwei von ihm verfassten Puppentheaterstücken vor Studienfreunden auftrat. Damals waren seine Aufführungen mehr als geheim, denn er spielte ohne behördliche Zulassung, bis er schließlich zu Beginn der 1980er Jahre eine Einstufung als »Volkskünstler« erhielt. Seine Stücke schrieb er selbst, gestaltete  Figuren  und  Kulissen,  führte  Regie  und schlüpfte natürlich auch in alle Rollen. Über 2.000 Aufführungen in Privatwohnungen, Gaststätten, Gärten, Ateliers, kirchlichen Räumen, Museen und Galerien sollten diesem ersten Auftritt folgen.
Gottfried Reinhardt ist tot, gestorben am 23. Juni in einem katholischen Alten und Pflegeheim in Dresden. Die Nachricht verbreitete sich entlang des Elbhangs von Loschwitz bis in die Lößnitz wie ein Lauffeuer. »Das kleine Welttheater bleibt geschlossen« schrieb Birgit Grimm in der Sächsischen Zeitung. Zur Beerdigung am 2. Juli hatten sich noch einmal Freunde und Familie, vor allem aber Vertreter der Puppen spielenden Zunft, Maler, Bildhauer, Architekten, Ärzte, kurzum Bürger mit kultureller Bildung sowie zahlreiche Mitglieder der Russisch-Orthodoxen Gemeinde auf dem Loschwitzer Friedhof versammelt, um Abschied zu nehmen von einem eigenwilligen Künstler, der bereits zu Lebzeiten eine Legende war und, der sich selbst immer treu geblieben ist. Am Nachmittag traf sich dann ein kleinerer Kreis in den »Bühlauer Waldgärten«. Der Bildhauer Helmut Heinze verlas Gottfried Reinhards selbstverfassten »Lebenslauf«, welcher in mindestens drei unterschiedlichen Fassungen existiert. In der Niederschrift aus dem Jahr 2013 formuliert er etwas abständig zu sich selbst: »Die Person, um die es sich handelt, heißt Gottfried Reinhardt. Sie war zum Leben verurteilt worden; das Urteil wurde am 30. Mai 1935, dem Himmelfahrtstag des Jahres, in der Dresdner Südvorstadt, Bayreuther Straße 24 vollstreckt. Er war ein dünnes Kind mit dünnen Beinchen…Die Beine des Kindes wurden im Kinderwagen stets sorgsam zugedeckt, damit sie von den Leuten auf der Straße nicht bemerkt würden.« Dass er mit diesen Beinen mehrere Berge bestiegen hat, war sein später Triumph. Und so schließt sich bei ihm der Kreis auch mit den Worten »Das Ende wird als ein schönes ersehnt, wie in der Oper. Am liebsten auf einem Berg in schöner Landschaft oder in einem Garten.«
Der Zweifel am menschlichen Verstand, vor allem an den sich autoritär gebärdenden Institutionen, regte sich bei ihm schon früh. Hatte er doch als Zehnjähriger die Zerstörung Dresdens miterleben müssen. Auch fand er manche Lehrer zum Kotzen, andere wiederum schätzte er sehr, weckten sie doch in ihm das Interesse für die Antike, die Architektur und die Kunst. Das Architekturstudium soll er allerdings recht lustlos absolviert haben. Stattdessen folgte Reinhardt dem eigenen Dämon und wendete sich dem Theater zu. So war er zunächst als Gestalter im DEFA-Studio für Trickfilme in Dresden tätig, später dann als Bühnenbildner an verschiedenen kleinen Theatern. Er selbst bezeichnete sich als Opernmensch, was wohl nicht nur der Vorliebe für dieses Metier sondern seiner generellen Lebensauffassung entsprach.

Aus dem Buch: »Puppentheaterstücke«, 2008

Gottfried Reinhardts Guckkastenbühne

 

Vier Jahrzehnte verbrachte Gottfried Reinhardt in Loschwitz bis er sich in Obergruna ein kleines Fachwerkhaus kaufte, um wie er meinte, aus der konservativen Enge Dresdens zu entfliehen. Katzen waren seine Gefährten und wie Ikonen malte er ihre Porträts auf alte Kuchenbretter und Türen. Allerdings lies er sich stets eine Hintertür offen. Der Kontakt zur Elbhangbohème riss nie ab. Denn, das war ihm klar, zum Puppenspiel brauchte er nicht nur »Puppen als Schauspieler« sondern es bedurfte auch der »Spielschauer«. Sein Ein-Mann-Wandertheater hatte ihn davor bewahrt, ein eigenbrötlerischer Misanthrop zu werden. »Traurig wäre unser Leben, tät es kein Theater geben…Wir aber wollen nur erreichen, dass ihr erkennt, wie sich die Bilder gleichen.«
Noch viele Male hatte ich das Vergnügen, Gottfried Reinhardt nach Radebeul einladen zu können. Ein Höhepunkt, den ich wohl nie vergessen werde, war zweifelsohne die Buchpräsentation am 13. Juni 2008 in der Stadtgalerie, verbunden mit der Aufführung des Stückes »König Ödipus«. Der Radebeuler NOTschriften-Verlag brachte unter dem Titel »Puppentheaterstücke von Gottfried Reinhardt« das gesamte dramatische Werk des Künstlers heraus, welches 16 Stücke umfasst. Es ist zweifelsohne der Verdienst des Herausgebers Uwe Arnold, die nur handschriftlich vorhandenen Originaltexte, die durch den jahrelangen Gebrauch teilweise unleserlich oder beschädigt waren, für das Buch aufbereitet zu haben. Einige der Textblätter schrieb Reinhardt noch einmal neu und nahm dabei kleine Änderungen vor. Das Buch enthält auch ein Interview, welches der Autor mit sich selbst führte. Das Vorwort verfasste Prof. Helmut Heinze.
Ein Schlaganfall im September 2008 veränderte für Gottfried Reinhardt alles. Er sollte nie mehr eine Handpuppe führen und in seiner Guckkastenbühne hockend, den letzten Applaus abwarten können. Nach dieser traurigen Nachricht habe ich ihn mit meinem Lebenspartner Karl Uwe Baum in Obergruna besucht. Uns bewegte die Frage, was würden wir vorfinden? Die Türen standen offen. Ungewohnte Geräusche drangen aus dem Inneren des Hauses. Handwerker machten sich daran, ein wenig Komfort zu schaffen, um künftig die alltäglichen Verrichtungen zu erleichtern. Im Untergeschoss befand sich ein Kastenbett. Durch die kleinen Fenster des Fachwerkbaus fiel nur wenig Licht. Zu sehen war ein grauer Haarschopf, der sich im Rhythmus des ruhigen Atems bewegte. Wir warteten. Als Gottfried Reinhardt schließlich erwachte, freute er sich uns zu sehen. Da war er noch voller Hoffnung und meinte, wenn ihr das nächste Mal kommt, trinken wir aber zusammen ein Bier. Doch zu einem nächsten Mal in Obergruna sollte es nicht kommen…
Alles fand schließlich ein gutes Ende. Der Tod kam in friedlicher Absicht. Das Lebens-Werk gelangte in die richtigen Hände. Mitschnitte seiner Puppentheateraufführungen wurden archiviert, seine Texte gedruckt und veröffentlicht, ein großer Teil vom Fundus fand im Depot der Puppentheatersammlung einen sicheren Platz. Öffentliche Anerkennung und Würdigung empfing Gottfried Reinhardt im Jahr 2011, als ihn die Große Kreisstadt Radebeul mit dem Kunstpreis für sein künstlerisches Werk und Wirken als Puppenspieler, Autor, Maler und Grafiker auszeichnete. Die Kunstpreistrophäe, ein Hermaphrodit, geschaffen von der Radebeuler Bildhauerin Gabriele Reinemer, dürfte ihm in seiner Mehrdeutigkeit gefallen haben.
Gottfried Reinhardt hat sich nie verkauft, er hat sich immer verschenkt. Honorare stiftete er dem Tierschutzverein. In der Russisch-Orthodoxen Kirche wirkte er ehrenamtlich als Diakon. Die russische Seele lag ihm wohl näher als die deutsche. Als er dann krank wurde, fanden sich Menschen, die ihm zur Seite standen. Der Bildhauer Prof. Helmut Heinze und seine Frau, die Bühnen- und Kostümbildnerin Erika Simmank-Heinze, sowie deren Söhne mit Familie und vor allem auch die Zahnärztin Dr. Inka Reuther sowie viele Freunde blieben ihm bis zuletzt innig und hilfreich verbunden. »Die Liebe ist des Menschen größtes Licht, und ist es noch so hell, es blendet nicht.«
Wenn auch Gottfried Reinhardts Passion als Maler und Grafiker in diesem Beitrag zu kurz gekommen ist, sollte doch noch erwähnt werden, dass eine kleine Kollektion seiner Arbeiten bis zum 10. August in der Kunstausstellung Kühl in Dresden zu sehen ist. Der Aufforderung, die Erinnerung an Gottfried Reinhardt mit Leben zu füllen, wollen wir, mein Lebenspartner und ich, gemeinsam mit Uwe Arnold gern nachkommen. So laden wir schon heute anlässlich des einjährigen Todestages von Gottfried Reinhardt am 23. Juni 2014 in das Kunsthaus Kötzschenbroda zum Lieder-, Lese-, Spiel- und Filmabend ein.
Karin Gerhardt

 

 

Ein Platz, gern dort gewesen zu sein

„Als das Kind noch reichlich klein war, saß es oft im riesigen Armlehnstuhl der Großmutter, blätterte versunken im ehrwürdigen Weltatlas, nahm das alte, von ferner Nässe verzogene Holzlineal, legte es mal so und mal anders über die Seiten und verspann damit die farbengedruckte Erde in seine Gedanken.“

In diesen Zeilen wird es um Wein gehen, Elbwein, aber weder aus Radebeul, Meißen noch Diesbar. Eine weinkundliche Ausführung? Nein, nein, dafür hat dieses kleinfeine Heft weitaus kompetentere Autoren. Ich möchte den Besuch einer Weinkulturlandschaft anregen, den Wassern der Elbe ein paar Dutzend Kilometer stromauf ins Böhmische folgend. Aus pragmatischen Gründen (es soll ja auch Wein getrunken werden…) wähle ich die Bahn und außerdem einen Wochentag außer montags, den Öffnungszeiten von Museen und einer Weinschänke geschuldet. Also zeitig in die S1 Richtung Bad Schandau zum ersten Elbe-Labe-Sprinter des Tages, Fahrtzeiten tagesaktuell recherchiert. Zielbahnhof Litoměřice město. Willkommen in Leitmeritz!
Linker Hand vom Bahnhof weisen Barbakane und Mauerreste der alten königlichen Stadt (erste urkundliche Erwähnung 1227, der Stein zur 700-Jahr-Feier befindet sich im Außenbereich der Nordböhmischen Galerie für Bildende Kunst) den Weg ins Zentrum. An Stelle eines Stadttores ziehen den Besucher der Turm und die Zeltdächer der Allerheiligenkirche und das alte Renaissancerathaus geradezu hinein.radobyl-schild
Mírove Náměstí (Friedensplatz) heißt der zentrale Stadtplatz heute. Bissl enttäuscht wird sein, wer an die Kuschelichkeit böhmisch-mährischer Plätze gedacht hatte, denn mit ca. 1,8 ha ist der hiesige Platz vielleicht etwas zu groß geraten und im Sommer ist die mittige Pestsäule (Epidemie von 1680)  vor lauter Bäumen kaum zu sehen. Blickfang wird bald das Kelchhaus. Der Kelch, in meinen Augen eher eine stilisierte Blüte, kann sommers als Aussichtsturm bestiegen werden. Doch stopp, noch davor, unter den Lauben, gleich hinter der GE Money Bank und beinahe etwas unscheinbar, befindet sich die kleine Vinný Šenk. Übersetzen muss ich das wohl nicht, nur kurz erklären, es ist keine Schänke, eher ein kleiner Laden, in dem Wein aus dem Gebiet von Leitmeritz, Groß Tschernosek und dem Berg Radobýl gekauft und getrunken werden kann. Der Fasswein gleicht einem Müller-Thurgau, andere Weine wie Riesling, Burgunder (weiß und „grau“) und Traminer werden aus der Flasche ausgeschenkt, auch örtliche Rotweinsorten sind im Angebot für den, der mag. Ich bitte die freundliche Dame hinterm Tresen jeweils nur um „einen Dezi“ (diese aus k.u.k-Zeiten geläufige Maßeinheit hat sich bis in die heutige Tschechische Republik traditionell erhalten), denn, ich mag schon mehrere Sorten verkosten. Mit Pausen versteht sich und so lasse ich nach der Weintrinkepraxis im Museum der Gotischen Burg (…naja, Palas und Teil eines älteren Zylinderturmes sind erhalten, heute Teile eines modernen Kulturhauskomplexes) die Theorie über die Geschichte des hiesigen Weines folgen. Bereits 1057 wurde am Hang unterhalb des jetzigen Domplatzes mit dem Stephansdom (ja, ja, ein „Steffl“ nicht bloß an der Donau…) bereits Weinbau betrieben, also noch deutlich vor den Zeiten in unseren heimischen Lößnitzbergen. Ich mags glauben, ist es doch e i n möglicher Grund, weshalb die Stadt später Bischofssitz wurde und u.a. auch ein Diözesen-Kunstmuseum beherbergt. Lucas Cranach d.Ä. gibt sich hier die Ehre und sein Hl. Antonius der Eremit kund, offensichtlich mit Hieronymus Bosch vertraut gewesen zu sein, zu ähnlich jedenfalls sind die skurrilen Monster über dessen im Gebet verharrender, charismatischer Gestalt.
Es lohnt sich, durch die Straßen und Gassen der Stadt zu laufen, die Blicke aus den Höfen hinter den Bildermuseen zum Domhügel sind einzig. Unten fließt träge die Elbe dahin. In 4km Entfernung läge Europas letztgebaute Barockfestung mit kapitelschwingendem Namen: Theresienstadt. Details und Winkel, Blickfänge und Geschichten, wer mag, kann auch gern ein verlängertes Wochenende in Leitmeritz verbringen und z.B. im sgraffitiverzierten Hotel SALVA GUARDA (= Rettungswacht, ein 1650 von Kaiser Ferdinand III. dem aus dem 14. Jh. stammenden, jedoch auf älteren Gewölben errichteten Haus verliehene „Schutzmarke“ ritterlicher Tradition) wohnen. Ich behaupte mal, die Zeit wird hier nie lang. Man begegnet auch Spuren von Karel Hynek Mácha oder Felix Holzmann, dem böhmischen Romantiker und dem deutsch-böhmischen Komiker. Oder Kaiser Franz Josef I. Am 17. Juni 1901, so erzählt eine Tafel vorm Eingang der ehemaligen Brauerei stolz, soll er dort einen Ehrentrunk genommen haben und ich höre förmlich seinen Spruch „Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut!“ und glaube, Majestät musste vor lauter hilflos-schwülstiger Reden „Es ist uns, ähm, eine hohe Ehre…“ lange auf sein Bier warten.
Ich mag noch zu einer Wanderung aufbrechen, hab mich nach dem dritten Besuch in der Vinný Šenk verabschiedet, nicht, ohne noch eine Flasche mit Fasswein füllen zu lassen. Vom Oberen Bahnhof/Horní Nádraží führt der gelb markierte Wanderweg (4km) zum Gipfel des Berges Radobýl mit Blick über Wein- und Obstgärten, hinüber zum Lobosch und Milleschauer, bald vorn die engste Stelle im Elbtal des Böhmischen Mittelgebirges, seit Urzeiten Porta Bohemica genannt. Radobýl, deutsch auch Radobil, Radebeule…. Finde ich hier die slawischen Wortstämme für „Freude“ und „war“ bzw. „gewesen“ wieder? Nun, ich weiß nicht so recht und mag die Eisfläche des Fachsimpelns unbetreten lassen, zumal ich im Zug zurück noch eine Begegnung mit einem Typ „böhmischer Stadtindianer“ habe. Er spricht deutsch mit stark österreichischem Akzent und gemahnt meine Mutmaßungen in das Reich der Vorsicht, schließlich wären auch die Kelten hier gewesen und das reichlich vor unsereinem. Aber beim nächsten Besuch sollte ich gleich früh den Rychlik (Schnellzug) Nr. 777 namens Radobýl ab Tetschen-Bodenbach/Děčín hl.n. nehmen und den Elbwein in Melnik und Rudnitz…..
Mein Zug nach Hause fährt an Brna vorbei. Bis Pirna ist es noch ein Weilchen. Wöllte ich noch nach Malá Vele?, käme ich am Ende des Tages nicht mehr an Stadt Wehlen vorbei. Vom Dom in Leitmeritz immer den Fluss und den Wein entlang bis hinter den Dom zu Meißen, Misna….

„Als bewegte sich ein doppelter Spiegel überm Fluss, der die Bilder auf der einen Seite aufsaugt, um sie dann stromschnellenweit wiederzugeben. Gleich? Ja, ganz gleich, nur in anderen Farben, Gebilden und Klängen, Düften und anders streichelnder Luft. Sich dies-zeits begegnen.“

Tobias Märksch

„Überqueren Sie den Kiesweg!“

Nachdenkliches, Skurriles und Erheiterndes bei der Abschiedshow des Balletts der Landesbühnen Sachsen

feistel-portraitWäre es nach dem Willen des Publikums gegangen, dann hätte der Abend wohl die doppelte Länge gehabt. An Repertoire herrschte jedenfalls keinerlei Mangel. Allein das eingesetzte Maß an physischer Kraft schob nach mehr als zweieinhalb Stunden Programm der Abschiedsshow des Ballettensembles sowie des Ballettmeisters und Choreographen Reiner Feistel einen Riegel vor. Dennoch machte der Abend zugleich auf eindringliche Weise deutlich und sichtbar, welch großartige Entwicklung die im Vergleich zu anderen Theatern relativ kleine Radebeuler Ballettcompagnie in den vergangenen mehr als zehn Jahren genommen hat. Keine andere Sparte des Radebeuler Theaters kann auf solch üppige Zuschauerzahlen verweisen wie das Ballett. Keine andere Sparte hat eine solch große Zahl an treuen Fans an sich binden können wie das dem Ballett gelungen ist. Und keine andere Sparte spricht ein Publikum an, das quer durch alle Altersgruppen reicht.
Nun zieht der Choreograph Reiner Feistel von dannen, wechselt mit Beginn der neuen Spielzeit 2013/14 an das größere und auch bedeutendere Theater nach Chemnitz. Einige der Tänzerinnen und Tänzer gehen mit ihm. Das ist von alters her unter dem „fahrenden Volk“ so üblich. Und schmerzt in der Endkonsequenz dennoch ziemlich deutlich.
Zu all dem kommt nun auch noch die gelungene großartige Abschiedsgala, die dem Theater am Abend des 7. Juli 2013 eine restlos ausverkaufte Vorstellung bescherte.
Querbeet wandelte der Choreograph dabei mit seinen Protagonisten durch das Repertoire der letzten 15 Jahre. Holte die Ballettabende auf der Studiobühne ins Gedächtnis zurück (bspw. die Choreographien zu „Business Time“ nach Musik von Philip Glass, zu „Linie Vierzehn“ mit Musik von Bobby Mc Ferrin oder auch die zur „Frommen Helene“, für deren Choreographie Feistel eine Musik von Jaques Offenbach nutzte) und erinnerte außerdem natürlich an die Ballettabende auf der großen Bühne des Theaters wie es bspw. „Dornröschen“ und „Schwanensee“ (beides mit Musik von P.I. Tschaikowski) oder auch die so eindringlich und wirkungsvoll für das Ballett choreographierte Musik von Carl Orff zur „Carmina Burana“ waren.
Reiner Feistel selbst tat an diesem Abend haargenau das, was er eigentlich immer tat. Das heißt, er nahm sich aus dem Geschehen nicht heraus. Er stand nicht am Rande und mimte den Leiter bzw. den Chef, sondern war – ganz im Gegenteil – immer mittendrin. Er wirbelte selbst mit Tempo, Verve und jederzeit professionellem Habitus auf der Bühne herum. Und zeigte zugleich seinen ausgeprägten Sinn für die Komik. So machte er bspw. ein Interview mit sich selbst. Er verwandelte sich dafür in den urkomischen Moderator Reinhard Speiche vom „Radweg TV“, der mit einem in der Gasse verborgenen Reiner Feistel ein Interview führte. Das tat er ohne jeden Funken von Eigenlob. Ihm war es immer schon um sein Ballett gegangen und nicht darum, vordergründig zu zeigen, was ein Choreograph so alles können muss.
Nicht nur die gesamte Mixtur des Abends war bestens gelungen, auch die in Feistels Compagnie innewohnende Begeisterung für den Tanz war buchstäblich in jeder Sekunde sicht-, spür – und so für den Zuschauer miterlebbar. Die wunderbare Komik bspw. im Umgang mit den Tücken eines Autonavigators produzierte Lachtränen im Publikum. Wer hat das nicht schon einmal erleben müssen, dass einen die Navigatorstimme nicht zum ersehnten Ziele, sondern in eine imaginäre Irre führt. Und dass man u.a. dabei auch den unlogischen Befehl bekommen kann „Überqueren Sie den Kiesweg!“

Eröffnungsshow der Spielzeit 2012/2013

Eröffnungsshow der Spielzeit 2012/2013

Kein anderer Bereich des menschlichen Miteinanders erlebt eine ständige und zugleich so gewaltige Fluktuation, wie es der Bereich der Bühnenkünste ist. Das aber ist Usus, seit Theater, Kabaretts Orchester und Opernhäuser existieren. Und diese Fluktuation macht von daher gewissermaßen auch Sinn. Kunst muss stets aufs Neue Funken sprühen, sonst stirbt sie irgendwann. An den Landesbühnen Sachsen in Radebeul steigt nun ein neuer Choreograph in den Ring. Der Zuschauer sollte ihn nicht an der Qualität des vorherigen messen. Er sollte ihn mit Sympathie empfangen und annehmen und sollte auf sein Talent vertrauen.

Wolfgang Zimmermann

 

Eine schöne Tradition lebt weiter

Neue Kunstglasfenster in der Naundorfer Schule

Märchen: Rumpelstilzchen

Märchen: Rumpelstilzchen

Vor drei Jahren schrieb ich im Monatsheft Mai über das schönste Märchenglasfenster Ostdeutschlands, das sich hier in Radebeul im Treppenhaus der Naundorfer Schule befindet. Die Bewertung dieses Fensters stammt von Erhardt Remmert, der sich deutschlandweit mit dem Thema Jugendstilglasfenster beschäftigte. Er äußerte sich in einem seiner Bücher voller Erstaunen über den Zustand der Naundorfer Fenster und schrieb: „Es grenzt fast an ein Wunder, dass die Treppenhausfenster einer Schule einhundert Jahre ohne Schäden überdauert haben. Wie sehr mögen die Kinder das Fenster gemocht haben, dass sie so sorgsam darauf acht gaben.“ Oder lag es vielleicht daran, dass diese Märchenmotive das Schönheitsgefühl der Kinder besonders ansprachen? Dabei wusste bis vor zwanzig Jahren kaum jemand, dass die Glasfenster mit Spendengeldern der Naundorfer Schulkinder und ihrer Eltern finanziert worden waren. Angeregt durch den kunstinteressierten Musiklehrer Walter Nietzsch  sammelten die Schulabgänger des Jahrganges 1918 Geld für das erste Bild, „Sterntaler“. Weitere Bilder folgten in den nächsten zwei Jahrzehnten. Dann war das neunteilige Fenster im unteren Treppenhaus komplett.

In der Werkstatt von Kunstglaser Tilo Starke

In der Werkstatt von Kunstglaser Tilo Starke

Fast einhundert Jahre mussten vergehen, bis wiederum ein Lehrer, die Klassenlehrerin der Klasse 4 , Frau Nadja Ruffani, auf die Idee kam, weitere Glasfenster stiften zu lassen. Der 100.Geburtstag der Schule stand vor der Tür und die Eltern ihrer Klasse hatten vor, der Schule etwas Bleibendes zu schenken. Das neunteilige Flurfenster im oberen Stockwerk war, bis auf ein Ornament im Mittelteil, frei und bot Raum für neue Gestaltungen. Nach eingehender Beratung mit dem Klassensprecher, den Eltern und dem Coswiger Kunstglaser Tilo Starke, wurde die Idee veröffentlicht. Alle Beteiligten nahmen den Vorschlag so freudig an und die  Spendenbereitschaft aller Eltern der Schule war so groß, dass in diesem Schuljubiläumsjahr noch ein zweites Fenster finanziert werden konnte. So entstanden 2005 die ersten beiden Märchenfenster: „Froschkönig“ und „Aschenputtel“. Immerhin kostete jedes Fenster zwischen 400 und 600 Euro. Trotz der hohen Summe wollten nachfolgende  Schulabgänger ebenfalls ein Fenster stiften. So entstand im Jahr 2008 das Fenster „Die Gänsemagd“ und im Jahr 2009 „Der Rattenfänger“. Die vier oval gefassten Motive bestimmten nun die vier Ecken des großen Treppenhausfenster im 2. Stockwerkes. Alle bekamen die gleiche dekorative Einfassung, ähnlich den Jugendstilfenstern im unteren Stockwerk.
Bei der Wahl der Motive gab es zuerst unterschiedliche Meinungen, bis sich alle dann doch entschlossen, auf Paul Heys liebenswürdige Märchenillustrationen zurückzugreifen, nach deren Vorlagen auch die historischen Fenster entstanden  waren. Der Münchner Maler und Kunstprofessor Hey war vor allem in Sachsens durch den Meinholdschen Verlag bekannt geworden.
Auch beim bisher letzten Märchenglasfensters „Rumpelstilzchen“, das am 14. Juni 2013 feierlich enthüllt wurde, stammt der Entwurf von Paul Hey. Die Elternsprecherin und Architektin Ditte Maike Busch hatte sich im Auftrag des Elternrates und der Klassenleiterin Gabriele Stein besonders stark für eine schnelle Realisierung eingesetzt und wurde zudem vom Tischlermeister Handrack und durch eine Spende des Vereins für Deutsche Sprache unterstützt.
Sie und die Klasse nutzten das Angebot von Tilo Starke, sich in seiner Werkstatt die Entstehung des Fensters einmal genau anzusehen. Er zeigte, wie klassische Glasmalerei funktioniert, wie unterschiedlich farbiges Antikglas, geschnitten, zusammengesetzt und durch Bleischienen gefasst wird, wie die Metalloxyde verschiedener Herkunft wirken, auf welcher Basis leuchtendes Gelb oder Rot entsteht und wie Oberflächenstrukturen geätzt werden.

Etwa 100 Arbeitsstunden brauchte der Meister, um ein Bild dieser Größe (90cm * 60cm) zu fertigen. Das Material sponserte er großzügig, hatte er doch schon seit den 80er Jahren durch die Restaurierung der Bleiverglasungen der alten Fenster  besondere Beziehungen zur Schule.

Nun ist das Bild eingesetzt , eingeweiht und für jeden sichtbar. Im Zentrum des Bildes das tanzende und sich freuende Rumpelstilzchen, eingehüllt und betont durch helle und warme Farben, dahinter im Kontrast dazu der Wald mit seinen steil aufragenden Bäumen in kalten Grün- und Blautönen. Das ganze Bild wird durch einen farbigen Rahmen gehalten, der wiederum zu den andern Fenstern und hoffentlich zu weiteren neuen Bildern in Beziehung steht. Ideen gibt es bereits , können doch so Schüler und Eltern der Grundschule Naundorf ihre Verbundenheit zu „ihrer Schule“ am besten dokumentieren.

Gudrun Täubert

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