Glosse

Elbaugemeinde

Neulich habe ich mal meinen Wohnort verlassen. Ich weiß, das ist jetzt schwierig. Aber die 15-Kilometer-Sperrzone ist ja aufgehoben. Außerdem muss man heutzutage keinen Fuß mehr vor die Tür setzen, wenn man sich in der Welt umschauen will.

Also, ich war im „schönen Vogtland“ in einer Kleinstadt, die ich noch aus meiner Jugendzeit kenne. Da bin ich aus dem Staunen nicht herausgekommen. Die Stadt wächst und wächst und wächst – nicht so sehr an Bauten, denn da gibt es aktuell viele Lücken, wohl mehr in der Fläche. Seit 1990 nahm diese um ca. 37 Prozent zu. Da hat so manches Dorf seine Selbständigkeit eingebüßt. Trotzdem verlor die Stadt über 20 Prozent an Einwohnern in der Zeit. Wie man sieht, reicht es nicht, wenn man sich immer mehr ausbreitet. Radebeul kann sich nicht weiter ausdehnen, höchstens aufplustern. Aber mehr Fläche braucht es ja auch gar nicht. Die Stadt wächst auch so – an Einwohnern und an Bauten sowieso. Freilich wollen die neuen Häuschen nicht allen gefallen. Aber da sollte man nicht so kleinlich sein, und wenn in 20 Jahren die heute noch kleinen Bäumchen groß sind, wirkt die Sache schon viel freundlicher, wie man in Gorbitz sehen kann. Bei den modernen Bauten mit einem Sehschlitz vorn und einem hinten, weiß man ohnehin nicht wo sich die Schauseite befindet. Meine Vermutung ist, dass die überhaupt keine haben, weil sie von innen nach außen entworfen wurden. Auch scheint das Geheimnis des Wachsens eher darin zu liegen, etwas abzugeben, wie zum Beispiel die Denkmalpflege, die Jugendbetreuung, den Bürgertreff, die Immobilien und dafür lieber etwas anzumieten oder anderes gar nicht erst erwerben zu wollen. Wer erinnert sich nicht noch an den „Ziehauf“ mit den Bahnhöfen. Schwamm drüber!

Da hatte es mich schon gewundert, dass diese vogtländische Kleinstadt früher gleich zwei Bahnhöfe hatte, die ganz verschiedene Strecken bedienten. Radebeul hingegen hat zwar vier „Milchrampen“, wie der Vogtländer sagen würde, aber die Fernzüge rauschen halt durch. Wer in die „Welt“ will, muss schon nach Coswig. Die haben zwar über 10.000 Einwohner weniger, aber hatten offensichtlich bei der Verteilung der Fernzughaltepunkte die Nase vorn. Überhaupt ist zu beobachten, dass sich die Stadt Radebeul immer mehr an Coswig kuschelt. Das scheint mir nicht nur am alten Reflex wegen der einstigen Dresdner Annexionsgelüste zu liegen. Vielmehr hat man nun begriffen, dass die Sonne seit geraumer Zeit eben doch im Westen aufgeht. Selbst die Gleichstellungsbeauftragte teilen wir uns mit der Nachbarstadt. Bekommt das die Stadtverwaltung nicht selber hin oder sind wir so gut, dass dafür eine halbe Stelle ausreicht? „Wer viel fragt, geht viel irre“, sagt ein altes Sprichwort. Aber in dieser Angelegenheit gibt es sowieso keinen Stillstand. Und wenn erst einmal die Hirne der Beamten in Bewegung geraten sind, gibt es kein Halten mehr.

Jetzt kursiert sogar gegenwärtig die Idee, ein gemeinsames Hallenbad bauen zu wollen und das alte wegzureißen. Um den Synergieeffekt zu steigern, schlage ich deshalb vor, dass das Bad unbedingt in Coswig errichtet werden sollte, da könnte man gleich noch Weinböhla mit ins Wasser holen. Das würde die Haushaltskasse von Radebeul enorm entlasten. Vielleicht hat Coswig auch einen pfiffigen Stadtmanager zu bieten, der wird, wie ich hörte, ja auch gesucht. Wer könnte in heutigen Zeiten nicht ein Zubrot vertragen? Und was ist eigentlich aus den Abrissplänen für die Ballspielhalle in Altkö geworden? Das wäre doch auch ein wunderbares Kooperationsprojekt.

Als ich mir die ganze Sache so recht durch den Kopf gehen ließ, kam mir zwangsläufig ein nahezu genialer Gedanke. Radebeul sollte, auch um den imaginären Eingemeindungswünschen von Dresden zu entgehen, möglichst schnell gleich mit Coswig fusionieren. Alle unnötigen Verhandlungen und Verträge würden entfallen. Viele Ämter könnten ersatzlos gestrichen werden, denn wir brauchen ja nicht von allem das Doppelte. Der Name des so entstandenen Gebildes könnte evtl. „Gemeinde Coswig-Radebeul“ oder „Elbaugemeinde“ lauten. Bitte nicht „Elbgaugemeinde“, denn da könnte man etwas in den falschen Hals bekommen. Aber für die Namensfindung sollte unbedingt ein Wettbewerb ausgeschrieben werden. Da hätten wir dann auch gleich noch die Bürgerbeteiligung untergebracht, die ja immer irgendwie dabei sein sollte.

Ende gut alles gut, wieder was gespart, meint

Euer Motzi

4.356

Leserzuschriften

1. Zum Thema: „Mohrenstraße/ Mohrenhaus Debatte“

Von den Beiträgen im Märzheft haben die „Mohren“- Artikel wirklich das Zeug zum Aufreger. Das Thema entspricht dem gegenwärtigen Zeitgeist und hat in Deutschland bei einer Minderheit ein solches Echo gefunden, dass man nur staunen kann.

In der Thüringer Landeshauptstadt Erfurt gibt es ebenfalls seit etwa zwei Jahren eine Initiativgruppe, die sich gegen den Straßennamen „Nettelbeckufer“ mit verschiedenen Aktionen wendet. Joachim Nettelbeck (1738-1824) war ein deutscher Seefahrer, der mit seiner Biografie heute als Sklavenhändler bezeichnet wird und eine neue Bewertung erfährt. Deshalb soll diese Straße umbenannt werden, nach einem deutschen Bürger, der einen farbigen, afrikanischen Vater hat, der aber sein gesamtes Leben in Deutschland verbrachte. — Diese Sache ist noch nicht entschieden, da die Stadtpolitiker dazu eine differenzierte Meinung haben.

Gern wird hier in Thüringen auf den Beispielfall Martin Luther verwiesen, der in seinen späteren Lebensjahren bösartige, antisemitische Standpunkte vertreten und veröffentlicht hat. Bewertet man diese Luther – Äußerungen nach dem Kenntnisstand unserer Generation, müssten alle Luther – Kirchen, Straßen – und Institutionen, wie auch meine Radebeuler Taufkirche, umbenannt werden. Hieran wird die Problematik sehr deutlich und, ich denke, wir brauchen dazu einfach etwas mehr Geduld und Stehvermögen, um dem gesunden Menschenverstand wieder zum guten Normativ in unserem Leben zu verhelfen.

Und so kann ich Ihren beiden Autoren Dietrich Lohse und Thomas Gerlach nur zustimmen, deren Argumenten ist nichts mehr hinzuzufügen.

Übrigens gibt es in meinem Wohnort Neudietendorf ein traditionsreiches Gymnasium, das auf die Evangelische Brüdergemeine zurück geht. Diese Schule führt seit 1997 den Namen der Schwestern Frieda und Margarethe von Bülow, welche vor rund 150 Jahren lebten und dieses Gymnasium ebenfalls besuchten. Margarethe von Bülow gilt als die Begründerin des deutschen Kolonialromans. Gegenwärtig untersucht ein Germanistikstudent, ob dieser Name noch verantwortbar ist. Da ich eine dieser Studentenarbeiten beurteilen durfte, erlebte ich ein großes Erstaunen, als ich erklärte, diese Zielstellung nicht zu teilen.

Dieses Gymnasium wurde auch von den drei „reichen“ Thienemann – Schwestern, Töchter eines Bankers und Unternehmers, besucht, die später die drei „armen“ Hauptmann – Brüder heirateten, wovon Gerhard der bekannteste wurde. Dadurch entstand eine witzige Verbindung vom Thüringer Pietisten — Neudieten – Dorf zur Kultur – und Wein — Stadt Radebeul. Aber das ist schon wieder eine andere Geschichte.

Abschließend mein Wunsch an Ihre großartige Truppe von Vorschau & Rückblick, von denen die Mehrzahl doch sicher ehrenamtlich jeden Monat Zeit finden muss, um das Heft zur Welt zu bringen: Lassen Sie sich nicht klein kriegen, solch ein Kulturverein wird dringend gebraucht !!!

Arndt Dietmar Schumann (v.d. Red. gekürzt)

2. Zum Thema: Holzbildhauer Reinhold Langner in den Heften 1-3, 2018

Sehr geehrter Herr Lohse,

Weinhandlung in Dresden Foto: Fam. Duckwitz

Sie können sich meine Freude nicht vorstellen als ich Ihren Artikel im Internet fand über einen Fassboden des Weinhändlers Valentin Franz, der sich in Radebeul in der Hoflößnitz befindet.

Ich bin die Tochter, und dieser Fassboden ist ein Teil meiner Jugend und unserer Familie. Meine Mutter ist Dresdnerin, mein Vater gebürtig aus Gau-Algesheim in der Nähe von Bingen am Rhein. Er kam als Weinfachmann nach Dresden und die beiden haben 1934 geheiratet. Das Ladengeschäft in der Grunaer Strasse 32 haben sie am 1. April 1936 eröffnet und sich zu diesem Anlass von Reinhold Langner diesen Fassboden mit dem Motiv „Die Geschichte des Weines nach der persischen Sage von König Darius“ schnitzen lassen. Beim heraussuchen der alten Photos (es gibt nur 4 als „Heiligtum“ in der Familie gehütete Photos) bemerke ich mit Erstaunen, dass zu diesem Zeitpunkt dieser noch ohne den Namen meines Vaters war.

Innenausstattung mit Fassboden Foto: Fam. Duckwitz

Der Fassboden hatte einen Ehrenplatz im neuen Zuhause meiner Eltern in Rüdesheim und wurde viel bewundert. Leider mussten wir ihn verkaufen und es macht mich unendlich glücklich, zu wissen, dass er nun genau dort ist, wo er hingehört, in Radebeul.

Diese und noch ein paar sehr wenige „Heiligtümer“ konnten nur gerettet werden, weil meine Eltern sie im Erzgebirge ausgelagert hatten. Sie haben alles, wirklich alles an diesem 13./14. Februar verloren, aber meine Mutter hat mit ihren beiden Kindern wie durch ein Wunder überlebt.

Evelyn Duckwitz geb. Franz (v.d. Red. gekürzt)

Ein Leben für den Tanz

Ein persönlicher Abschied für die Tänzerin, Choreographin und Regisseurin Ute Raab

Es war eine schöne, wie beiläufige Begegnung die ich mit Ute zwischen den Gemüsezeilen eines Ladens vor langen Monaten hatte. Nach schwerer Erkrankung war sie wieder auf dem Weg der Besserung und hatte mit ihrer gefeierten Regiearbeit von „Der gestiefelte Kater“ an den Landesbühnen Sachsen wieder hoffnungsvoll ins Leben zurückgefunden. Sie fragte mich noch, ob ich nicht von einer kleinen schönen Wohnung wüsste, sie wolle umziehen. Mit diesen Worten gingen wir mit einem freundlichen Lächeln auseinander – ein letztes Mal.

Mit nur 56 Jahren hat sie Anfang März ihren langen Kampf gegen die tückische Krankheit schließlich doch verloren.

Es ist hier leider nicht der Raum um ihr umfängliches Wirken an den zahlreichen Bühnen deutschlandweit detailreich wiedergeben zu können, daher nur skizzenhafte Stationen ihres Lebensweges. 1964 in Halle geboren, studierte sie 1982-87 Choreographie an der Theaterhochschule „Hans Otto“ in Leipzig. Ihr erstes Engagement führte sie als Ballettmeisterin an das Theater Plauen, wo sie einige Jahre später Chefchoreographin wurde und die Plauener Tanztage gründete. Schon während dieser Zeit und insbesondere seit ihrer freiberuflichen Tätigkeit ab 1998 hinterließ sie an vielen Theatern und Stücken ihre tänzerische Handschrift.

Über viele Jahre war ihr Lebensmittelpunkt in Radebeul am Fuße der Weinberge, kein Wunder also, dass sie u.a. viele Inszenierungen am Staatsschauspiel in Dresden, am Theater Junge Generation und schließlich an den Landesbühnen Sachsen mitprägte. Sie arbeitete sprichwörtlich spartenübergreifend, mit Oper und Chor, Schauspielern und ambitionierten Laien.

In letzterer Rolle habe ich sie als langjähriger Komparse und Kleindarsteller bei verschiedenen Theaterstücken als Mensch und Künstlerin schätzen gelernt. Die schweißtreibendste Zusammenarbeit war 2008: für das Musical „Sugar – Manche mögen’s heiß“ wurden sechs „Tänzer“ für fünf durchaus anspruchsvolle Choreographien in wechselnden Rollen gesucht. Mit meiner Zusage war mir damals nicht im Mindesten klar, wie viele Stunden und Wochen ich im Ballettsaal zubringen würde. Denn naturgemäß waren die Fortschritte nicht immer so zügig wie von professioneller Hand, respektive Bein geplant. Mit Dankbarkeit blicke ich auf ihre Engelsgeduld zurück, die gleichzeitig vom nicht ablassenden Willen geprägt war. Und das Ergebnis hat sich durchaus gelohnt, wie ich kürzlich, fast ungläubig einem vorhandenen Videomitschnitt der Premiere entnehmen konnte. Ihre große Gabe war es, ihre Schützlinge bis zur Premiere „auf den Punkt“ zu bringen.

In Erinnerung bleibt eine aparte Frau mit einer liebenswerten, kumpelhaften Art. Eine Künstlerin, die ohne Attitüden mit zauberhaften tänzerischen Momenten das Theater beseelte und eine tiefe Lücke reißt.

Sascha Graedtke

Die Stechpalme – Baum des Jahres 2021

Erfreulicherweise ist es in vielen Ländern der Erde zu einer Tradition geworden, jedes Jahr einen Baum des Jahres auszurufen, um auf Bäume aufmerksam zu machen und zu ihrem Schutz anzuregen. In manchen Ländern handelt es sich dabei um einen konkreten Baum, in anderen, so auch in Deutschland, um eine ausgewählte Baumart. Der erste Baum des Jahres in Deutschland wurde 1989 gekürt, es war die allbekannte Stiel-Eiche (Quercus robur). Der Baum des Jahres 2021 ist die Gewöhnliche Stechpalme (Ilex aquifolium), auch Hülse oder Stechhülse genannt. Gewöhnlich ist an ihr eigentlich nichts. Es wird damit nur zum Ausdruck gebracht, dass diese europäische Art die in Deutschland einheimische und auch am häufigsten in Kultur anzutreffende Stechpalme ist (weltweit gibt es etwa 400 Arten der Gattung Ilex). Dabei ist sie keineswegs in ganz Deutschland verbreitet, ihr Areal reicht vom atlantisch beeinflussten, wintermilden Westeuropa bis in das westliche Deutschland, von hier über Niedersachsen bis Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern, wo sie vor allem im Einflussbereich der Ostsee vorkommt.

Weiblicher, reich fruchtender Baum der Stechpalme Foto: P.A. Schmidt

Die immergrüne Stechpalme kann als Baum 10–15 m hoch und bis 300 Jahre alt werden, wächst aber auch strauchförmig. Auffällig sind die ledrigen, glänzend grünen, stechend zugespitzten Blätter, deren welliger Rand stachelig gezähnt oder ganzrandig sein kann. Nicht weniger ins Auge fallen die leuchtend roten Steinfrüchte, die aber nicht alle Bäume zieren, denn die Stechpalme ist zweihäusig. Es gibt also männliche und weibliche Pflanzen. Fruchtschmuck tragen natürlich nur die weiblichen Bäume, aber Voraussetzung für die Ausbildung samenhaltiger Früchte ist eine Pollen spendende männliche Pflanze in deren Umgebung. Die Früchte werden von Vögeln, vor allem Amseln, Sing- und Wacholderdrosseln, Rotkehlchen oder Mönchsgrasmücken verzehrt, die Steinkerne jedoch ausgeschieden und damit die Ausbreitung der Pflanze gefördert. Für den Menschen sind die Früchte und Blätter giftig. Die Stechpalme ist eine sogenannte Schattenbaumart, sie erträgt Schatten und wächst in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet im Unterwuchs von Wäldern. Wer gern an die Ostsee fährt, wird sie vielleicht schon im Waldschatten gesehen haben, so bildet sie im Ahrenshooper Holz (Darß) dichte Bestände unter dem Kronendach des Buchenwaldes. Sie kann aber auch auf lichten, sonnigen Standorten gedeihen, wobei es jedoch im Winter Probleme geben kann. Obwohl die Stechpalme Frost bis zu –15° C erträgt, kann es bei starker Sonneneinstrahlung im Winter zu Schäden kommen. Da die Blätter und die Rinde der jungen Zweige grün sind, wird die Photosynthese angekurbelt. Eine Zufuhr von Wasser aus dem gefrorenen Boden ist jedoch unmöglich, so dass Trockenschäden (Frosttrocknis) die Folge sind. Dies ist bei der Pflanzung von Stechpalmen zu beachten.

Zweig der Stechpalme mit Früchten und
stachelig gezähnten Blättern Foto: P.A. Schmidt

Warum heißt nun ein in Deutschland einheimischer Baum Stechpalme? Stechend erklärt sich leicht, da ein Teil der Blätter, meist die im unteren Teil der Krone, am Blattrand stechend spitze Blattzähne aufweist. Aber Palme? Die Blätter sind doch weder fächer- noch fiederförmige Palmwedel! Der Namen erklärt sich aus der christlichen Tradition, denn am Sonntag vor Ostern, dem Palmsonntag, wurde mit einer Prozession an den Einzug Jesu in Jerusalem, wo er mit Palmwedeln begrüßt wurde, erinnert. In Ermangelung von Palmen und überhaupt von grünen Zweigen zu dieser Jahreszeit in Mitteleuropa wurden Zweige der Stechpalme verwendet. Heute ist jedoch die Stechpalme weniger mit der Osterzeit verbunden, sondern findet eher Weihnachten Beachtung. Die in Großbritannien traditionelle Verwendung der grünen Zweige mit ihren roten Früchten zur Weihnachtszeit hat inzwischen auch bei uns Liebhaber gefunden. Die englische Bezeichnung der Stechpalme ist „holly“, ein Name, der auf einen gemeinsamen Wortstamm (althochdeutsch „hulis“) mit Hülse, dem vor allem in Nordwestdeutschland verwendeten Namen für die Stechpalme zurückgeht. Wer bei Holly an Hollywood denkt, liegt richtig, denn dieser weltbekannte Ort in den USA ist tatsächlich nach der Stechpalme benannt, heißt also übersetzt „Stechpalmenwald“.

Die wildwachsenden Vorkommen der Stechpalme stehen in Deutschland unter Naturschutz, denn es ist eine nach der Bundesartenschutzverordnung besonders geschützte Art. Sie wurde früher vielseitig verwendet, so das Holz für Tischler-, Drechsler- und Schnitzarbeiten, Spazierstöcke wurden ebenfalls daraus gefertigt. Auch Goethe soll einen Spazierstock aus dem Holz der Stechpalme besessen haben. In den ehemaligen Hutewäldern war die Art nicht beliebt, denn die Weidetiere mieden wegen der stacheligen Blätter die Pflanzen, wodurch sie sich ausbreiten konnten. Deshalb wurden sie von den Landnutzern zurückgedrängt. Zum Rückgang trug aber vor allem die Verwendung der attraktiven Zweige für Kranzbinderei, als Grabschmuck oder für Dekorationen bei. Heute wird dafür auf kultivierte Pflanzen zurückgegriffen.

Stechpalmen im Unterwuchs des Waldes Foto: P.A. Schmidt

In Sachsen ist die Stechpalme nicht einheimisch, wird aber gern als Zierpflanze in Gärten und Parks kultiviert. Heute begünstigen die meist milden Winter eine Ansiedlung außerhalb der Kulturstandorte, indem nach Vogelausbreitung in siedlungsnahen Wäldern natürliche Verjüngung aufkommt, so z.B. im Kapitelholz im Spaargebirge zwischen Meißen und Sörnewitz. Wesentlich häufiger aus Kultur verwildert tritt die ebenfalls immergrüne Stechdornblättrige Mahonie (Mahonia aquifolium) auf, die nicht mit der Stechpalme verwechselt werden darf. Sie besitzt Fiederblätter mit stachelig gezähnten Blättchen. Die Ausbreitung der in wintermilden Gebieten West- und Mitteleuropas und im Mittelmeerraum beheimateten Stechpalme ist vielerorts zu beobachten. Als Folge der Klimaerwärmung dehnt sich auch das natürliche Verbreitungsgebiet aus, so von bisherigen Arealrändern in Norwegen nach Norden oder im Ostseeraum nach Osten, wo sie sich von Dänemark bereits nach Schweden oder von deutschen Vorkommen nach Polen ausgebreitet hat.

Die Baumart Gewöhnliche oder Europäische Stechpalme ist nicht nur der Baum des Jahres 2021 in Deutschland, sondern ein Exemplar der Stechpalme ist auch der Rekordbaum oder Champion Tree des Jahres 2021 in Deutschland. Die Deutsche Dendrologische Gesellschaft und die Gesellschaft Deutsches Arboretum küren jedes Jahr einen Baum, der den stärksten Stamm seiner Art in Deutschland besitzt, als Champion Tree des Jahres. In diesem Jahr ist es eine 271 Jahre alte Stechpalme in Braunfels (Hessen) mit einem Stammumfang von 2,93 m (gemessen in 1,3 m Höhe über dem Boden). Dieser Baum wird anlässlich des Internationalen Tages des Baumes, der jedes Jahr am 25. April begangen wird, geehrt. Die Stechpalme mit dem stärksten Stamm in Sachsen (etwa 1 m Stammumfang) steht im Forstbotanischen Garten Tharandt.

Prof. Dr. Peter A. Schmidt, Ehrenpräsident der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft e.V., Am Wasserwerk 24, 01640 Coswig, OT Sörnewitz

Stilles Finale im Radebeuler Festbüro

Cornelia Bielig verlässt die Schaltzentrale (Teil 1)

Cornelia Bielig im Gespräch, Foto: Karin Baum

In der kulturellen Szene von Radebeul hatte es sich schnell herumgesprochen, dass Cornelia Bielig am 1. April 2021 in Rente geht. Einige ihrer Kollegen (w/m) fragten mich: Kannst du mal was über sie in der Vorschau schreiben? Na klar, das hatte ich doch ohnehin schon vor. Also trafen wir uns mit Mund- und Nasenschutz, redeten über die Sinnhaftigkeit von Kultur, über Illusionen und Ambitionen, verstrickten uns in gemeinsame Erinnerungen, tauschten uns aus über erfolgreiche und gescheiterte Projekte und wie das denn so sei, ein Leben ohne dienstliche Verpflichtungen im sogenannten Ruhestand.

Über Künstler, Preisträger, Politiker und A/B/C-Prominente schreiben sich Scharen von Journalisten die Finger wund. Aus dem Internet quellen unzählige Selfies und widersprüchliche Postulate. Doch über Cornelia Bielig habe ich im Netz nicht allzu viel gefunden. Und wenn, ging es zumeist um Eintrittspreise, Straßensperrungen, Gläserpfand, Besucherzahlen usw., usf. …
In der öffentlichen Wahrnehmung bediente sie den weniger angenehmen Part, den des Puffers zwischen Kreativität und Bürokratie. Wobei sich Letztere auf unergründliche Weise selbst zu befruchten schien. Denn der Verwaltungsaufwand wuchs von Fest zu Fest und nahm der Kultur die spielerische Leichtigkeit. Aus rein kommerzieller Sicht hätte es diese Art von kulturlastigen Stadtfesten ohnehin niemals geben dürfen.

In den Abschied von einem langen Arbeitsleben mischt sich wohl immer etwas Nostalgie. Und wann, wenn nicht jetzt, sollte man auch darüber sprechen oder schreiben, was sich zwischen und hinter den Kulissen der großen Stadtfeste ereignet hat?

Zur Eröffnung des Weihnachtsmarktes 1990, auf der Bühne vor dem Magnetkaufhaus in Radebeul-Ost: Stadtrat Dr. Johannes Jacob, Bürgermeister Eberhard Schmidt, Direktor der Puppentheatersammlung Dr. Olaf Bernstengel als Weihnachtsmann (3., 4., 5. v.l.n.r.), Foto: Karin Gerhardt

Selbstinszenierungen waren nie „Connys“ Ding. Auf der Bühne standen immer Andere. Als ich fragte, ob sie das je gestört habe, winkte sie gleich lachend ab. Auf manche mag das vielleicht etwas altmodisch wirken, bei mir weckte das eher Sympathie. Was mich mit Cornelia Bielig verbindet, reicht über drei Jahrzehnte zurück. Die Rollen und Konstellationen sollten später noch mehrfach wechseln. Bis 1990 war sie mal kurz meine Chefin, dann ein paar Jahre ich die ihre und schließlich befanden wir uns beide auf der gleichen Ebene, in der sogenannten Sandwichposition als Sachgebietsleiterinnen der Radebeuler Stadtverwaltung im Amt für Bildung und Kultur. Die Dimension der Radebeuler Stadtfeste machte schon bald ein eigenes Sachgebiet erforderlich und Cornelia Bielig war nun zuständig für „Feste und Märkte“, ich wiederum für die Förderung von „Kunst und Kultur“.

Erstmals begegnet sind wir uns im Oktober 1987. Der damalige Stadtrat (heute Amtsleiter) für Kultur, Jugend und Sport, Hans-Georg Meißner (1947–2006), sollte eine andere Funktion übernehmen und fragte mich, ob ich seine Nachfolgerin werden wolle. Das löste bei mir keine allzu große Begeisterung aus, war ich doch mit meiner Tätigkeit als Leiterin der „Kleinen Galerie“ in Radebeul-Ost recht zufrieden. Kurze Zeit später meinte er: „Entspanne Dich, wir haben jemanden gefunden. Du wirst sie bald kennenlernen. Das ist so eine Kleine mit großer Brille und blondem Zopf.“ Die Zusammenarbeit gestaltete sich überwiegend unproblematisch, manchmal auch recht turbulent. Klein aber stur! Naja, schuldig sind wir uns beide nichts geblieben. Kulturleute sind von Natur aus robust. Cornelia Bielig kam vom Fach und erwies sich als Pragmatikerin, frei nach dem Motto „Geht nicht – gibt’s nicht“, was innerhalb der vorgegebenen Strukturen mal mehr und mal weniger gelang.

Ihr beruflicher Werdegang schien vorgezeichnet: In Meißen 1956 geboren, dort aufgewachsen und Abitur, unmittelbar danach Beginn eines Studiums (möglichst weit weg) an der Universität Greifswald. (Als Tochter von zwei Pädagogen, natürlich in der Fachrichtung Pädagogik.) Das Intermezzo währte allerdings nur kurz. Brav war gestern. Sie brach das Studium ab. Im zweiten Anlauf entschied sie sich für ein Studium an der Klubhausleiterfachschule in Siebeneichen. Sie gehörte zum 3. Jahrgang, der im Direktstudium zum staatlich geprüften Kulturwissenschaftler (Klubhausleiter) ausgebildet wurde. Dank der engagierten Dozenten erhielt sie von 1977 bis 1980 eine fundierte und praxisorientierte Ausbildung. Rückwirkend schätzt sie ein, dass sie dort sehr viel über die Methodik der Kulturarbeit gelernt habe, was für ihre spätere Arbeit eine wichtige Grundlage bilden sollte, aber nach 1990 keine offizielle Anerkennung fand.

Obwohl Meißen zusehends verfiel, galt diese kleine Stadt als ein spannender Ort. Zahlreiche Denkmalpfleger kämpften dort recht öffentlichkeitswirksam um den Erhalt der historischen Gebäudesubstanz. Und die Studenten bzw. Absolventen der Klubhausleiterschule prägten das kulturelle Leben nicht unwesentlich mit. Vom Jugendklub „Wendelsteinkeller“ und dem „Liedermarkt“ wird noch heute geschwärmt. Helmut Raeder, der in Siebeneichen einige Jahre später studierte, initiierte zum Beispiel im Rahmen seines Praktikums den Meißner „Kinderjahrmarkt“, welcher selbst in Radebeul als heißer Insidertipp galt. Auch Cornelia Bielig, die zu dieser Zeit bereits in der Meißner Kulturverwaltung tätig war, wurde auf ihn aufmerksam. Die besondere Atmosphäre dieser ungezwungenen Veranstaltung hatte ihr Interesse geweckt, so dass sie zu ihm Kontakt aufnahm. Damals ahnte sie nicht, dass das der Beginn einer über Jahrzehnte währenden Arbeitsbeziehung werden sollte.

Eingang des Grundstücks Altkötzschenbroda 50 zum Herbst- und Weinfest 1994, Foto: Privatarchiv

Die neue kulturelle Offenheit hatte allerdings auch Grenzen. Eines Tages bekam Cornelia Bielig in ihrer damaligen Dienststelle ominösen Besuch. Ihr wurden Fotos vorgelegt, auf denen man sie und ihren Ehemann als Besucher der provokanten „Intermedia I“ in der Coswiger „Börse“ identifiziert hatte. Die folgenreichen Zusammenhänge begriff sie erst viel später. Während die mitwirkenden Maler, Filmer, Performer, Tänzer, Free-Jazzer und Punks durch die Szene gefeiert wurden, traf den damaligen Klubhausleiter Wolfgang Zimmermann das wohl weniger populäre Schicksal von allzu experimentier- und risikofreudigen DDR-Kulturorganisatoren. Er wurde gefeuert.

Im Jahr 1985 erfolgte der Umzug nach Radebeul. Auf der Suche nach einer kulturell anspruchsvollen Tätigkeit, strandete Cornelia Bielig schließlich in der Abteilung Kultur und Soziales des Arzneimittelwerkes Dresden. Zuständig war sie dort für die Kultur- und Bildungspläne der Kollektive, organisierte Veranstaltungen zum Frauentag sowie zu sonstigen betrieblichen und gewerkschaftlichen Höhepunkten. Innovative Kulturarbeit hatte sie sich anders vorgestellt. Mit dem Stellenangebot der Radebeuler Stadtverwaltung bot sich eine neue Herausforderung. Auch hier trat sehr schnell Ernüchterung ein. Im Rathaus saß sie in einem kleinen Zimmer unterm Dach so „zwischen allen Stühlen“, die man sich überhaupt denken kann. Die vorrevolutionär gestimmten und sehr selbstbewusst auftretenden Leiter der unmittelbar nachgeordneten Einrichtungen von Weinbaumuseum, Stadtgalerie, Stadtbibliothek Ost und West befanden sich auf der einen Seite. Die Neue von der Kulturverwaltung auf der anderen. Zuständig war sie u. a. auch für die innerstädtische Zusammenarbeit mit den Kulturabteilungen ortsansässiger Betriebe, der Abteilung Kultur beim Rat des Kreises Dresden-Land, dem Kreiskabinett für Kulturarbeit, dem Pionierhaus, dem Klub der Intelligenz, den Kulturhäusern wie „Haus der Werktätigen“, „Völkerfreundschaft“, „Heiterer Blick“, „AWD-Klubhaus“ und dem Jugendklubhaus „Sekte“ (Nachfolgeeinrichtung des Jugendclubhauses „X. Weltfestspiele“) sowie den Filmtheatern „Freundschaft“ und „Union“.

Der Blick zurück in die „Vorwendezeit“ offenbart Gescheitertes und Gelungenes. Während die Aktion zur Rettung des Filmtheaters „Freundschaft“ im Jahr 1988 letztlich erfolglos blieb, wirkt eine ihrer Unterschriften bis heute nach. Die setzte sie, quasi in letzter Minute, noch als Stadträtin für Kultur, Mitte April 1990 unter ein sehr wichtiges Dokument. Dabei handelte es sich um den Antrag auf Rechtsträgerwechsel für das volkseigene Grundstück Altkötzschenbroda 21, zum Zwecke der künftigen Nutzung als städtische Galerie. Die Zustimmung hierzu wurde durch den damaligen Bürgermeister Dr. Volkmar Kunze und die Stadtverordneten erteilt. Das war knapp!

Festeinzug zum Herbst- und Weinfest 1992, Jürgen Karthe mit Bandoneon, Foto: Frank Hruschka

Nach den Kommunalwahlen am 7. Mai 1990 erfolgte die Ablösung des amtierenden Bürgermeisters. Etwas später wurden dann auch alle Stadträte von ihren Funktionen entbunden. Und so kam es, dass meine Chefin zu meiner Mitarbeiterin wurde. Der Weg aus der Kernverwaltung im Rathaus führte auf der Karriereleiter hinab in die „Kleine Galerie“ auf der Ernst-Thälmann-Straße 20 (heute Hauptstraße). In Ermangelung anderweitiger Räume mutierte diese bei laufendem Ausstellungs- und Veranstaltungsbetrieb immer mehr zu einer Art Basislager für Stadtteilkultur und bot Cornelia Bielig einen Interimsarbeitsplatz. Von hier aus wurde 1990 der erste Nachwende-Weihnachtsmarkt und 1991 das erste „echte“ Radebeuler Herbst- und Weinfest organisiert. Die Galerie wurde Treffpunkt für Initiativgruppen verschiedenster Art, wo auch die aus dem „Neuen Forum“ hervorgegangene Bürgerinitiative Kultur zusammenkam, welche schließlich den Verein Radebeuler Monatsheft „Vorschau und Rückblick“ gründete. Dass Cornelia Bielig am 12. November 1991 zu den sieben Gründungsmitgliedern gehörte, hatte ich längst vergessen.

Das neue Unterstellungsverhältnis war zunächst recht ungewohnt, wurde von der einstigen Stadträtin aber weniger als Degradierung, wohl eher als Erleichterung empfunden. Hatte sie doch zwei Kinder, musste nun nicht mehr ständig an endlosen Beratungen teilnehmen, an Abenden und Wochenenden auf Achse sein. Endlich konnte sie mal wieder praktische Kulturarbeit leisten. Hinzu kam, dass im Jahr 1990 ohnehin sehr Vieles durcheinander geraten war. Einstmals stabile Strukturen begannen sich allerorten aufzulösen. Das betraf auch die Handelsorganisation (HO), welche bisher (wohl gemeinsam mit dem Konsum) für die Organisation und Ausgestaltung des Weihnachtsmarktes auf dem Einkaufsboulevard in Radebeul-Ost zuständig war. Den Weihnachtsmarkt ausfallen zu lassen, war allerdings für uns Kulturleute keine Option. Doch bis zum „Budenzauber mit Lichterglanz“, dem Weihnachtsmarkt in Altkötzschenbroda, wie man ihn heute kennt, mussten noch einige Hürden genommen werden.

Den Vorgeschmack, wohin sich die Radebeuler Festkultur hätte entwickeln können, bot vom 21. bis 24. September 1990 ein Herbst- und Weinfest nach bayerischer Art auf der Radebeuler Vogelwiese mit bayerischem Bierzelt, Bierfassanstich, Schmankerln, Brillant-Feuerwerk, Westernmusik und Super-Bingo. Nach dem der Zusammenschluss beider deutscher Staaten am 3. Oktober 1990 vertraglich vollzogen war, gab es kein Halten mehr. Glücksritter witterten „fette Beute“. Doch das Heft wollten wir uns nicht so schnell aus der Hand nehmen lassen. Und so konzipierten wir ein erstes Herbst- und Weinfest nach eigenen Vorstellungen. Inspiration boten die „Bunte Republik Neustadt“ und das „Dresdner Elbhangfest“. Ob so etwas in Altkötzschenbroda funktionieren würde, war allerdings ungewiss. Cornelia Bielig und ich zogen auf dem Dorfanger gemeinsam von Hof zu Hof. Wir baten die Bewohner ihre Tore zu öffnen und bei einem städtischen Fest mitzuwirken. Die Reaktionen waren zunächst sehr harsch: „Mädels woher kommt ihr? Von der Stadt? Mit der Stadt machen wir gar nichts mehr. Die hat uns jahrelang verarscht!“

Doch wir ließen uns nicht beirren. Die Veranda einer Zillervilla auf der Dr.-Schmincke-Allee wurde Anfang Juli für einen Tag zur Ideenschmiede umfunktioniert. Wir kochten uns mehrere Kannen Kaffee und Conny hatte sich vorsorglich einen Zigarettenvorrat angelegt. Dann schrieben wir gemeinsam ein Festkonzept. Unsere Vorgesetzten, die Dezernentin für Soziales und Gesundheit, Bildung und Kultur Frau Dr. Ellen Brink sowie Herr Dr. Dieter Schubert (1940–2012), der im Januar 1991 seine Funktion als Amtsleiter für Bildung und Kultur angetreten hatte, ließen sich recht schnell überzeugen und sagten ihre tatkräftige Unterstützung zu. Zwei Monate mussten für das erste Radebeuler Herbst- und Weinfest, welches vom 27. bis 29. September 1991 stattfinden sollte, als Vorbereitungszeit reichen. (Fortsetzung folgt)

Karin (Gerhardt) Baum

Coronatorial

Liebe Leserinnen und Leser,

wer mag es noch hören und lesen, das leidige C-Wort? Aber wussten Sie, dass inzwischen über tausend neue Worte, sogenannte Neologismen, in diesem thematischen Umfeld in der deutschen Sprache Eingang gefunden haben? Nicht alle sind bierernst, sondern von wohltuendem Humor geprägt. So sei Ihnen zum Amüsement ein kleines ABC auf den österlichen Weg gegeben:

Abstandsbier
Balkongesang
Coronasünder
Dauerhomeoffice
Ellenbogengruß
Fußgruß
Glühweinstandhopping
Helikoptergeld
Impfdrängler
Jo-Jo-Lockdown
Klopapierhysterie
Lockdownlockerung
Mundschutzmoral
Nullsemester
Onlinegottesdienst
Präsenzkultur
Quarantänekonzert
Risikotourist
Schnutendeckel
Todesküsschen
Verweilverbot
Wirrologe
Zoom-Party

Wir wünschen Ihnen trotz alledem frohe und besinnliche Ostertage! Und, halten Sie durch!

Im Namen der Redaktion

Sascha Graedtke

Interessantes aus Flora und Fauna

Der Eisvogel war Vogel des Jahres 1973 und 2009 Foto: Winfried Nachtigall

Wussten Sie schon, dass es neben dem bei uns schon mehrfach vorgestellten Vogel des Jahres oder auch dem Baum des Jahres weitere 31 Rubriken gibt, in denen von verschiedenen Organisationen jeweils ein Favorit des Jahres gekürt wird? So sind 2021 zum Beispiel der Fischotter Wildtier des Jahres, die Zauneidechse Reptil des Jahres, der Hering Fisch des Jahres, der Große Wiesenknopf die Blume des Jahres und der Grünling der Pilz des Jahres.
Weiter geht es mit der Wasserpflanze des Jahres über die Mikrobe des Jahres bis zum Waldgebiet des Jahres. Diese und alle weiteren »Jahreswesen« finden sie unter www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/aktionen-und-projekte/natur-des-jahres/ 2021.html. Schauen Sie doch mal rein und lassen Sie sich überraschen. Baum des Jahres 2021 ist übrigens die Stechpalme, über die im nächsten Heft berichtet werden wird. Die Entscheidung über den Vogel des Jahres ist noch nicht gefallen. In diesem Jahr gibt es erstmals eine Stichwahl unter zehn Kandidaten, an der auch Sie sich beteiligen können. Ca.130.000 Personen haben an der Vorauswahl teilgenommen. Folgende 10 von 307 Arten liegen an der Spitze:
1. Stadttaube (8937 Stimmen),
2. Rotkehlchen (5962 Stimmen),
3. Amsel (5088 Stimmen),
4. Feldlerche (5069 Stimmen),
5. Goldregenpfeifer (4772 Stimmen),
6. Blaumeise (4532 Stimmen),
7. Eisvogel (3764 Stimmen),
8. Haussperling (3734 Stimmen),
9. Kiebitz (3680 Stimmen),
10. Rauchschwalbe (3574 Stimmen).
Wenn Sie also Lust haben, können Sie bis zum 19. März beim Endausscheid mitmachen. Ich habe schon gewählt, verrate aber nichts!
Ilona Rau
Informationen beim NABU unter Telefon: 030 284984-0, E-Mail: nabu@nabu.de

Mit Bernhard Theilmann poetisch durch das Jahr

Altkötzschenbroda 70

Altkötzschenbroda 70

Das westliche Ende des Dorfangers von Altkötzschenbroda wird vom ehemaligen Hirten- oder Schäferhaus gebildet. Der Hirte war im Dorf ein Dienstleistender, der selbst keinen Bauernhof besaß und sich mit einem kleinen Bauernhaus begnügen musste. So hat dieses Haus eine Sonderstellung – nutzungsmäßig und städtebaulich – im Dorf. Da der Hirte, der nur die Schafe und Ziegen einiger Bauern betreute, kaum reich war, dürfen wir an seinem Haus keine baukünstlerischen Besonderheiten erwarten. Deshalb sind Sandsteingewände im EG schon etwas Besonderes und das Fachwerk im OG erfüllt allein eine statische Funktion.
Aber gerade in der Schlichtheit des verlassenen und verfallenden Gebäudes liegt nach der Sanierung von 1998/ 99 durch den neuen Eigentümer Andreas Dietze der besondere Charme, der noch eine Steigerung erfährt, wenn man über die Jahreszeiten hinweg den kleinen, immer schön bepflanzten Vorgarten betrachtet. Kerstin Dietze betreibt seit 2000 hier ein Beratungs- und Planungsbüro für Garten- und Landschaftsgestaltung. Die Raumerweiterung nach Südwesten ist als Neubau erkennbar, korrespondiert aber gleichermaßen gut mit dem um 1850 erbauten Altbau.
Dieses kleine Kulturdenkmal ist ein wichtiges Element innerhalb des Sanierungsgebietes Altkötzschenbroda.

Dietrich Lohse

Radebeuler Miniaturen

Selbstversuch mit Überraschung

Die vornehmste Aufgabe dieser Tage heißt Kontakt zu halten ohne Kontakt zu haben. Das Zauberwort dafür heißt: Videokonferenz.
Es gibt Menschen, sogar in meiner unmittelbaren Umgebung gibt es die, die schwören drauf wie früher auf die Bibel. Das spart Wege, sagen sie; da wird nicht mehr so viel palavert, sagen sie; da fallen die lästigen Handreichungen weg, sagen sie; da sparen die Gastgeber Mineralwasser, sagen sie; und sie sagen sonst noch so manches, wenn der Tag lang und die Konferenz vorbei ist.
Du kannst dich, sage ich schließlich zu mir selber, du kannst dich dem Fortschritt nicht auf Dauer verschließen, sonst sind eines Tages die anderen alle fort geschritten, und nur du bist, also ich bin noch hier – ganz alleine sozusagen, und die Kneipe ist auch zu. Also, sage ich mir, stell dich nicht so an, sage ich mir, nimm Anlauf und spring, so hoch ist sie vielleicht gar nicht, die Ekelschranke.
Gesagt getan.
Das erste Mal will gut vorbereitet sein. Da rufe ich also zuerst den Gastwirt meines Vertrauens an, um ihn in dasselbe zu ziehen. Ein virtuelles Treffen in deiner Kneipe, sage ich, als wir uns in gebührendem Abstand gegenüber stehen, nur eben am Fernseher. Du stehst, sage ich, wie früher hinterm Tresen und spülst Gläser. Ich komme rein, setze mich auf meinen Stammplatz ganz rechts, wie früher, und du stellst mir wie früher ein Bier hin – und alles virtuell im Fernsehn, und prost, sage ich.
Der Wirt, der mich schon so lange kennt, wie ich ihn, blickt mich lange an, ohne auch nur eine Minute an meinem Verstande zu zweifeln. Am Verstand der Schulämter, die Fernunterricht per dings für machbar halten, zweifelt schließlich auch keiner. Okay, sagt er dann, das machen wir – und gibt mir auch schon einen Zugangskot durch…

Drei Tage später ist es dann so weit.
Da ich, wie früher, ein paar Minuten zu früh bin, sehe ich noch eine Person auf meinem Platz hocken, ein Persönchen eher, das schnell zur Seite huscht, allerdings nicht, ohne mir einen neugierig vielsagenden Blick zuzuwerfen. Unvergeßlich, der Blick – die Augen, also, ich bin ja nicht so schnell, und ich hänge auch nicht am Detail, das Gesamte macht das Einzelne vollkommen – und umgekehrt.
Doppelt verwirrt – schließlich trete ich zum ersten Mal in meinem Leben durch den Fernseher in ein Lokal – grüße ich etwas verhalten den Wirt, die übliche Umarmung fällt natürlich auch weg, und dann tue ich so, als setzte ich mich auf den virtuellen Hocker. Da steht auch schon das Bier vor mir, ein schönes, frisch gezapftes – wie früher…
Nur – das trockene Gefühl unter der Zunge will nicht weggehen, und das virtuelle Bier läßt sich nicht mal virtuell wegnehmen: Es steht und steht und wird ganz real – schal.

Also, das ist nicht mein Weg. Sollen sie schreiten wohin sie wollen, die virtuelle Realität – schon der Begriff ist ein Monster, denn das eine schließt das andere aus – ist mir viel zu trocken. Wäre da, ja, wäre da Ulrike nicht, Ulrike mit dem neugierigen Blick. Es wäre einfach schade, wenn auch sie einfach fort schritte. Denn sie hat nicht nur schöne Augen, sie könnte es vielleicht sogar schaffen, daß Sonja irgendwann nicht mehr alleiniges Stadtgespräch ist …
Thomas Gerlach

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