Radebeuler Miniaturen

Kluge Tiere?

„Glühwürmchen lassen sich nicht fotografieren …“

Es ist gegen Mitternacht, als mich der Satz erreicht. Eine Freundin hat ihn mit flinker Hand der Tastatur anvertraut. Gleich sehe ich sie vor mir, die grünlich fluoreszierend schwirrenden Punkte, die in dunkler Nacht von Leben künden – so hat mich das Bild auf Umwegen doch erreicht.

Der Satz freilich erinnert mich an ein Erlebnis, das nun einige Jahre zurückliegt.

Mit einem der Enkel besuchen wir den Tierpark in E. Es soll dort ein Gehege geben, in dem sich die Besucher frei zwischen (relativ) frei lebenden Affen bewegen dürfen. Die Attraktion wollen wir uns nicht entgehen lassen. Auf dem Weg dort hin überlegte ich, wer wohl den größeren Spaß dabei hätte, die Tiere oder wir?

Das flache hölzerne Einlaßhäuschen mit seiner Torgasse erinnert durch seinen zentralen Turmaufbau fatal an ein Lagertor. Aber das fällt wohl nur mir auf. Schon von draußen jedenfalls mahnen uns große Schilder, unsere Bratwurst aufzuessen und alle bewegliche Habe vor dem Betreten der Anlage gut zu verstauen. Am Gittertor aber erwartet uns das enttäuschende Schild „heute geschlossen“.

Gemeinsam mit einigen anderen Besuchern versuchen wir, durch die Gitterstäbe hindurch einige der Insassen wenigstens aus der Ferne zu Gesicht zu bekommen. Aber sieh! Gleich hinterm Eingang sitzt einer auf einem Pfahl und mustert interessiert die Leute vor der Tür. Staunt er, daß sie nicht eintreten? Seine Blicke gleiten mit überlegener Neugier über uns hinweg, bis – ja, bis mein Nachbar die Kamera vors Auge hebt. Betont langsam dreht uns der andere den Rücken zu. Da sitzt er nun und blickt offenbar in das gleiche Grün wie wir, wo er seine Kameraden weiß, deren Anwesenheit wir bestenfalls ahnen können. Zwei, vielleicht drei Minuten hält mein Nachbar durch, dann läßt er die Kamera sinken und geht mit einem gebrabbelten, „dann eben nicht“ seiner Wege. Und siehe, kaum ist er weg, nimmt der Affe auf dem Pfahl seine bisherige Stellung wieder ein und tut, als wäre nichts gewesen. Wer freilich will kann den Schalk in seinen Augen blitzen sehen.

Affen brauchen keine Datenschutzverordnung, kluge Tiere lassen sich nicht fotografieren…

Thomas Gerlach

Glosse

Kräht der Hahn…

Das sind die Dinge, die den Menschen seit Gedenken umtreiben: wie wird morgen das Wetter? Er, von mir aus auch sie, tritt aus der Höhle, schaut nach dem Himmel – damals noch ohne höhere Gedanken – und will einfach nur wissen, ob es regnet und ob das Elefantenohr Marke Riesen-Taro mitgenommen werden muss oder nicht. Freilich kannten sie damals das technische Wunderding „Regenschirm“ und auch den weisen Spruch „Kräht der Hahn auf dem Mist…“ noch nicht, sonst hätten sie sich den Gang vor die Höhle gleich sparen können. Fairerweise muss aber zugestanden werden, dass der Hahn zu dieser Zeit noch nicht erfunden war!

Aber eigentlich ist das alles von niederer Bedeutung, denn seit tausenden von Jahren hat sich einfach nichts geändert. Zugegeben, statt dem Elefantenohr nehmen wir heute den vollautomatisch öffnen- und schließenden DAVEK SOLO UMBRELLA von davek New York für günstige 135,95 Euro mit. Nur an der nächsten deutschen Eiche sollten wir ihn nicht stehen lassen…

Wir laufen nicht mehr, fahren lieber mit dem eigenen Wagen und lassen uns dafür von unserem Physiotherapeuten des Vertrauens beibringen, wie wir den Fersensporn doch noch wieder wegbekommen können. Sonst aber hat sich wirklich nichts geändert. Wir hauen uns immer noch gegenseitig die Jutebeutel oder eben die Taschen Marke BALENCIAGA für schlappe 3.233,20 Euro von Monnier Paris voll. Man gönnt sich ja sonst nichts! Aber selbst in dieser Klasse werden die Dinge schon verramscht, denn das gute Stück hatte unlängst noch 17 Prozent mehr gekostet.

Wo man hinschaut herrscht Titanic-Stimmung, da will ich jetzt gar nicht erst in die große Politik einsteigen. Es reicht vollkommen, wenn ich mich in Radebeul einmal im Kreis drehe. Schon 1893 war bekannt, wenn man an der richtige Stelle angekommen ist, kann man das ganze Elbtal von Böhmen bis Meißen übersehen, vorausgesetzt, man schaut in alle Richtungen. Aber aktuell habe ich immer mehr den Eindruck, dass nicht wenige Zeitgenossen vor sich hinstarren und nur ihre Fußspitzen im Blick haben. Man sieht mehr, wenn man in die Ferne schaut. Wirklich!

Ob die Leute in der Lößnitzregion vor etwa 150 Jahren schlauer waren, kann ich wirklich nicht mit Sicherheit behaupten, zumindest wussten sie, was im Nachbardorf los war. Die Jugend aber war damals genauso beschäppert und unbelehrbar wie heute. Die Beispiele schenk mich mir. Und die Taschen hat man uns damals wie heute vollgehauen. Erst neulich sah ich ein Gemälde aus dem 18. Jahrhundert von der Loschwitzer Kirche in Dresden, die sich in den Wassern der Elbe spiegelte. Dabei ist der Bau über 500 Meter vom Ufer weg! Darüber habe ich lange nachgegrübelt.

Auch wenn man Sachse ist, muss man nicht gleich alles glauben, was in der Zeitung steht. Danach soll in Radebeul in Sachen Kultur ja alles paletti sein, nur mit dem Klo hätte es nach der Zeitung anfangs nicht so geklappt. Das habe sich aber auch erledigt. Warum nun daraus Nachteile erwachsen sind, steht für mich in den Sternen. Aber ich muss ja nicht alles verstehen. Entwicklung jedenfalls ist für die nächste Zeit nicht vorgesehen. Wir sollen froh sein, wenn wir behalten, was wir haben. Es ist zwar viel vom Geld und steigenden Ausgaben in dem SZ-Beitrag vom 3 Juli die Rede. Doch in der Hauptsache betrifft das die großen Dampfer. Was aber beim kleinen Verein ankommt, kann der Bürger selbst aus dem Haushalt der Stadt nicht herauslesen. Da kann einem im Festjahr schon das Jubilieren im Hals steckenbleiben, auch wenn die Kulturamtsleiterin liebend gern ein Lied für alle anstimmen würde. Mir klingt das mehr nach Flötentöne. Und wenn dann noch der geliebte Lößnitzdackel als „graue Maus“ durch die Landschaft zuckelt, ist auch dem letzten gutwilligen Radebeuler die Petersilie oder wohl eher der Lößnitzwein gehörig verhagelt, etwa so wie am 3. September 1884, als auf die Region Haselnuss große Hagelkörner niederging und die ganze Obst- und Weinernte versauten, meint

Euer Motzi.

Herzliche Einladung an Radebeuler Künstlerinnen und Künstler und die lokale Kunstszene

Die neue Internetplattform atelierluft.de macht die lokale Kunstszene noch sichtbarer und Kunstworkshops ganz einfach buchbar.

Alles begann vor zwei Jahren mit der Idee, die Tourismus- und die Kreativwirtschaft noch stärker miteinander zu verknüpfen, Kunstschaffenden eine neue Art der Sichtbarkeit zu ermöglichen und kreative „Hotspots“ in Sachsens Regionen zu präsentieren. Die Idee wurde beim sachsenweiten Tourismuswettbewerb „Sachsen geht weiter“ 2022 eingereicht und gewann den Innovationspreis für Tourismus. Mit dem Preisgeld konnte die Internetplattform www.atelierluft.de umgesetzt werden, die seit wenigen Wochen online ist. Gerade während und nach Corona hatten es Kunstschaffende schwer, ihren Lebensunterhalt mit eigenen Kunst- und Kulturangeboten zu bestreiten. Sachsen ist reich an bekannten kulturellen Schätzen und besitzt darüber hinaus eine einmalige Kunstszene, die oft im Verborgenen schlummert. Dies möchte ich mit der neuen Plattform sichtbarer machen, um den Künstlerinnen und Künstlern bei der Vermarktung ihrer Kreativangebote zu helfen. Als Radebeuler Unternehmer betreibe ich seit 5 Jahren eine Marketing- und Eventagentur, bin mit der Konzertreihe „Klassik Deluxe“ in den Kirchen der Region unterwegs und als Mitglied im Radebeuler Kultur e.V. engagiert. Mit atelierluft.de möchte ich mein kulturelles Engagement weiter ausbauen.

Die Funktion von atelierluft ist einfach: Künstlerinnen und Künstler werden mit eigenen Profilen über eine Landkarte sichtbar und geben außerdem Insider-Tipps für ihre Region. Das Einstellen des Profils ist kostenfrei. Zusätzlich können eigene Workshop- und Kreativangebote eingestellt werden, die auf atelierluft.de über ein integriertes Buchungssystem unkompliziert buchbar werden. Das Besondere: Kunst da erleben, entdecken und gestalten, wo Sie entsteht, bei den Künstlerinnen und Künstlern in deren Ateliers. Außerdem werden Regionen vorgestellt und Kunstspots wie Galerien und Museen. Um das Projekt weiter mit Leben zu füllen, möchte ich die lokale Kunstszene einladen, mit eigenen Profilen die Webseite zu bereichern und so noch sichtbarer für ein überregionalen kunst- und kulturinteressiertes Publikum zu werden.

Steffen Schuster
______________
Wenn Sie mehr wissen möchten oder Interesse an dem Projekt haben, schreiben Sie mir: info@atelierluft.de oder rufen mich an: 0179 2409 744. Ich freue mich darauf, Sie persönlich kennenzurlernen.

Leserbrief

Sabine Krauss aus Dresden hatte den Artikel „Der Waldhof auf Dresdner Flur“ (V&R 05/23) erst dieser Tage im Internet entdeckt und mir ihre persönlichen Erinnerungen an eine frühe Zeit im Kinderheim Waldhof geschildert. Da die Erinnerungen einen anderen, freundlicheren Eindruck wiedergeben, als Darstellungen der 60er und 70er Jahre als „geschlossene Anstalt“, möchten wir, trotz des zeitlichen Abstands von über einem Jahr den Brief auszugsweise abdrucken. So kommt zum Ausdruck, dass das Kinderheim während seines Bestehens unter anderen Leitern verschiedene pädagogische Konzepte verfolgt hatte:

… über den Waldhof kann ich Folgendes sagen, ich war mit meiner Schwester 1946 und 1947 jeweils von Januar bis Mai im Waldhof in Obhut der Leiterin Frau Waldeck. Meine Eltern brauchten für uns ein sicheres Zuhause, da sie mit ihrem politisch – satirischen Kabarett in Sachsen unterwegs waren und Frau Waldeck war bereit, uns aufzunehmen. Zu dieser Zeit war der Waldhof ein Auffanglager für Kinder, die ihre Eltern in Zeiten der Flucht verloren hatten. Es kam so auch zur glücklichen Zusammenführung von drei Geschwistern mit ihren Eltern, die ich miterlebte. Der Waldhof hat mir eine sehr glückliche Zeit beschert mit seinem wunderschönen Gelände, in dem man sich als Kind frei und sicher bewegen konnte, mit lieben Erzieherinnen, ordentlichem Essen und interessanten Freizeitunternehmungen – ich liebte es! … (Frau Krauss v. 28.6. 2024)

Wir bedanken uns sehr herzlich bei Frau Krauss, die auch mal in Radebeul gewohnt hatte, für ihren Brief zum Waldhof.

Dietrich Lohse

12. Thematischer Filmclubabend

Die Filmauswahl des Wanderkinos „Film Club Mobil“ korrespondiert im Radebeuler Jubiläumsjahr mit städtisch relevanten Themen. Gezeigt wird am 15. August 2024 um 19 Uhr in der Kunstscheune Naundorf der DEFA-Film „Bürgschaft für ein Jahr“. Die Vorlage für den Film bot der gleichnamige Roman von der Radebeuler Schriftstellerin Tine Schulze-Gerlach. Für ihr umfangreiches Lebenswerk wurde sie 1999 mit dem Kunstpreis der Großen Kreisstadt Radebeul geehrt.

Die Autorin Tine Schulze-Gerlach (1920-2011) verbrachte Ihre Kindheit und Jugend in Dresden-Hellerau. Der Vater, Kurt Gerlach, war Lehrer und Schriftsteller (1889 – 1976). Nach Radebeul-Niederlößnitz zog Tine Schulze-Gerlach mit ihrer Familie 1954. Als Mutter von vier Kindern, fing sie relativ spät mit dem Schreiben an. Ihr erster Roman erschien 1963. Obwohl sie als Schriftstellerin schon längst Anerkennung gefunden hatte, arbeite sie zusätzlich als Sprechstundenhilfe in der Mütterberatung. Das lokale Umfeld und die nicht immer unkomplizierte eigene Lebenssituation spiegeln sich in ihren zahlreichen Veröffentlichungen. Der Roman „Bürgschaft für ein Jahr“ erschien 1978 im Union-Verlag. Die Lektüre des empfindsam geschriebenen Buches ist empfehlenswert.

Wie es zu der Romanverfilmung kam, ließ sich leider nicht ermitteln. Dass sich der Drehbuchautor und Regisseur Herrmann Zschoche (geb. 1934) mit dem Stoff befasste, ist zweifellos ein Glücksfall. Bemerkenswert sind zahlreiche seiner Kinder- und Jugendfilme sowie gesellschaftskritische Spielfilme.

„Bürgschaft für ein Jahr“ hatte 1981 Premiere und erhielt mehrere Auszeichnungen. Der Film ist unbequem und bietet keine fertigen Lösungen. Dessen Protagonisten kollidieren nicht selten mit den Idealvorstellungen vom „sozialistischen Menschenbild“. Wie es im Umschlagtext zu Tine Schulze Gerlachs Roman heißt: „Das Leben bleibt voller Widersprüche – wie eintönig wäre es auch ohne sie!“. Nach dem gesellschaftlichen Umbruch wirkte Zschoche u.a. bei der Fernsehreihe Tatort mit, stellte aber seine Regietätigkeit ab 1997 ein.

Die Schauspielerin Katrin Sass (geb. 1956) hatte ihr Filmdebüt bereits mit 23 Jahren in „Bis das der Tod Euch scheidet“. Der Durchbruch gelang ihr mit dem Spielfilm „Bürgschaft für ein Jahr“. Für die Darstellung der jungen alleinerziehenden Mutter Nina Kern erhielt sie auf der Berlinale 1982 in West-Berlin den Silbernen Bären. Neben Katrin Sass ist der Film mit weiteren hochkarätigen Schauspielern besetzt.

Bürgschaft für ein Jahr
1981, Spielfilm, DDR, DEFA, Studio für Spielfilme, 93 Minuten
Regie und Drehbuch: Herrmann Zschoche; Musik: Günther Fischer; Besetzung (Auswahl): Katrin Sass, Monika Lennartz, Jacki Schwarz, Jan Spitzer, Christian Steyer, Barbara Dittus, Ursula Werner, Angelika Mann

Seit ihrer Scheidung kommt Nina Kern mit ihrem Leben nicht mehr klar. Sie geht keiner geregelten Arbeit nach, verbringt die Nächte mit Feiern und Trinken. Sie vernachlässigt ihre drei Kinder. Obwohl sie ihnen eigentlich eine gute Mutter sein will, schafft sie es nicht, den Alltag zu strukturieren. Als die Kinder bereits Verhaltensstörungen zeigen, ihr das Sorgerecht entzogen, die Kinder in einem Heim untergebracht und zur Adoption freigegeben werden sollen, beginnt die junge Mutter um ihre Kinder zu kämpfen. Zwei Schöffen werden ihr als Bürgen für ein Jahr zur Seite gestellt. Das Schicksal hat drei unterschiedliche Menschen zusammengebracht und was ursprünglich als einseitige Hilfsleistung geplant war, entwickelt sich zur Lehr- und Lernzeit für alle. Schließlich darf das jüngste Kind auf Probe bei der Mutter wohnen. Alles scheint auf einem guten Weg zu sein. Doch eine gescheiterte Liebesbeziehung wirft sie wieder aus der Bahn. Einer der beiden Schöffen fühlt sich überfordert und zieht sich zurück. Obwohl die Verantwortung jetzt nur noch bei einer Person liegt, gibt diese nicht auf und steht der jungen Frau bei. Der Film endet mit einem Kompromiss. Die zwei jüngeren Kinder sollen künftig bei der Mutter leben. Die älteste Tochter wird zur Adoption freigegeben. Vieles bleibt offen.

Karin Baum und Michael Heuser
Sprecher der Cineastengruppe „Film Club Mobil“ im Radebeuler Kultur e. V.
Anmerkung: unter Verwendung von verschiedenen Filmbegleitmaterialien und Wikipedia-Eintragungen.
Information und Reservierung unter: 0160-1038663.

Herr 2024

Ich hatte einen Traum:

Pünktlich zum 31. August im Jahre des Herrn 2024 stellte das Lügenmuseum seinen Dienst an den Menschen ein. Schon am Folgetag aber eröffnete der Herr 2024 an gleicher Stelle das „Schaudepot für alternative Wahrheiten“.

Wer das Pferd nicht ehrt, ist den Apfel nicht wert.

Wer aber nun ist dieser Herr 2024?

Indem er eine Zahlenkombination an Stelle des Namens als Identifikationsgröße benutzt, setzt Herr 2024 alias Richard von Gigantikoff endlich um, was George Orwell für 1984 vorgezeichnet hatte. Es ist der 2024ste Schritt in Richtung alternative Zukunft. Die anderen Schritte hatten junge und nicht mehr so junge Pioniere vor ihm schon getan, die ihre persönlichen Angelegenheiten vom Zähneputzen bis zum Abendbrot bereitwillig und unaufgefordert der künstlichen Intelligenz übertrugen. Sie achteten nicht auf den Trug beim Tragen, denn es kommt vor allem auf den Status an. Der ist, nämlich der Status, im Gegensatz zur Wahrheit alternativlos, wobei der Selbstoptimierungseffekt zu jeder Zeit garantiert ist.

Der Apfel hat seinen Namen nach dem Baum, von dem er apfelt; und auch die Titanic ist nicht untergangen. Sie ist im Überwasser gegendert. Die Sonne über Deck blieb unversehrt. Den Rest überdeckt alternatives Schweigen.

Als ich erwachte, war das Tauchboot implodiert. Inzwischen sind wir einen großen Schritt weiter gekommen.

Thomas Gerlach

FOTOMOSAIK „Bilder in dreieckigen Rahmen“

Hauptschmuck von Häusern um 1900 in Niederlößnitz und Kötzschenbroda waren Dreiecke mit Medaillons, Girlanden, Blattwerk, Fabeltieren und Engelsköpfen in Stuck. Schöne, vielfältige Motive verwendet von den Baumeistern Große.

Heinrichstraße 9 (= K.-Liebknecht-Str. 17)

Meißner Straße 241

Käthe-Kollwitz-Straße 16

Moritzburger Straße 19

Ledenweg 2

Heinrich-Zille-Straßé 68

Karl-Liebknecht-Straße 12

Meißner Straße 237

Ludwig-Richter-Straße 17

Dietrich Lohse

Mit Stephan Krawczyk poetisch durch das Jahr

Geschichten aus der Kindheit – (Teil 1/12)

Meine Mutter, Christa Stenzel, geborene Stiller, wuchs mit ihren Geschwistern Wolfgang und Jutta im „Weißen Roß“ auf. Ihre Eltern Maja und Kurt Stiller waren die letzten privaten Betreiber der bekannten Gaststätte in Radebeul-Mitte. 1959 mussten sie unter staatlichem Zwang den Betrieb an die HO verpachten. So endete nach hundert Jahren und vier Generationen die Geschichte eines traditionellen Ausflugslokals.

Wie gesagt, verbrachte meine Mutter in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts eine unbeschwerte Kindheit in dem ehrwürdigen Haus. Sie hinterließ mir ihre Erinnerungen, welche sie als monatliche Streifzüge durch ein Kindheitsjahr gestaltete und die als zeithistorisch und voller Lokalkolorit ich den Lesern der „Vorschau“ nicht vorenthalten möchte.
So lassen wir denn diese zwölf Monate in loser Reihenfolge an uns vorüberziehen und ich hoffe, dass sie Ihnen ebenso viel Vergnügen bereiten wie mir, zumal sie für ältere Leser viel Wiedererkennungswert und für jüngere einen neuen Blick auf die damalige Zeit beinhalten.

Der August

Es war auch immer ein Ereignis, wenn wir mal zu Heyls Großeltern nach Buchholz durften. Hinzu fuhren wir mit der Kleinbahn, wie ich mich erinnern kann, heimzu wurde meistens gelaufen, wahrscheinlich weil kein passender Zug fuhr, übers Spittelholz und Jägerhofstraße. Günthers hatten ein kleines Häuschen mit einer Veranda dran, in der gegessen wurde. Oben war noch ein Zimmerchen draufgebaut, das von außen über eine Holztreppe und Dach zu erreichen war. Dort schliefen Inge und ich, für mich eine tolle Sache. Der Garten war wie eine kleine Plantage, Opa Günther baute viel Erdbeeren auf dem sandigen Boden an. Oma Günther stellte uns eine große Schüssel mit gezuckerten Erdbeeren auf den Tisch, die mit Milch gegessen wurden. Der Erdbeername „Mieze Schindler“ wurde mir damals zu Begriff. Es war lecker. Über dem Weg war eine große Sandkuhle, in der man prima die Hänge herunterrutschen konnte. Von da ging eine Röhre unter der Straße weg, durch die wir auch gerne krochen. Einmal nahm uns Opa Günther mit in die Pilze und wir fanden in den dichten Kiefernschonungen viele Pfifferlinge, die Oma Günther dann zu Mittagessen briet. Heute ist dort vieles zugebaut. Im August war auch die Zeit der Kornäpfel, eine frühe Sorte, die sich nicht zum Aufheben eignete. Wir aßen die saftigen Äpfel, bis uns der Bauch weh tat. Der Baum stand an der Laube, die wir mittels Leiter bestiegen und waren quasi mittendrin im Apfelparadies. Wenn die Kornäpfel überreif waren, war das Kerngehäuse voller Saft.

Gastwirtin Maja Stiller mit ihren Kindern v.l. Christa, Jutta und Wolfgang Stiller, ca. 1940


Im August war die Olympiade in Berlin. Wir Kinder hatten keine rechte Vorstellung, aber die Erwachsenen waren mächtig aufgeregt, denn der Fackelträger auf der Etappe von Athen nach Berlin kam durch Radebeul auf der Meißner Straße. Lippmanns und Wellers (Anm. Familienzweig aus Saron/Pal.) waren extra aus Palästina angereist, mit dem Auto durch den Balkan. Die kleine Irene war noch ein Baby und machte die lange Reise in einer Hängematte mit, die durch das Auto gespannt war. Onkel Fritz und Onkel Rudolf fuhren weiter nach Berlin, während die Familien im „Weißen Roß“ blieben. Ich kann mich noch erinnern, dass Vater längs des Zaunes im Grasgarten Stühle aufstellen ließ. Der Grasgarten liegt etwas höher als die Straße, ein kleiner Abhang grenzt am Zaun. Und dies war mit das Verhängnis. Ingrid und ich, wie schon erwähnt etwa gleichaltrig, saßen zwischen unseren Müttern und harrten der Dinge, die da kommen sollten. Ingrid hatte ausgerechnet einen Klappstuhl aus der Laube erwischt, der bei unsachgemäßer Verlagerung des Körpergewichtes sofort unter einem zusammenklappte. Als nun die Rufe ertönten „er kommt, er kommt“, nämlich der Fackelträger, beugte sich Ingrid interessiert nach vorn und als der Sportler in etwa auf unserer Höhe war, flog Ingrid mitsamt dem zusammenklappenden Stuhl hinunter an den Zaun. Unsere Mütter haben von diesem großen Ereignis leider nicht viel mitbekommen, denn sie mussten die schreiende Ingrid bergen. Opa konnte aber mit der 6×9 Box den Fackelläufer auf dem Foto festhalten. Das ist meine einzige Erinnerung an die Olympiade 1936.

Weißes Roß, ca. 1935. Im Vordergrund das Bottenfuhrwerk Nollau


Wir hatten noch das große Glück, etwa sagen wir ländlich aufzuwachsen. Dazu gehörten auch Nollaus Pferde, Bubi und Hanne, zwei ruhige Kaltblüter. Vater Nollau betrieb mit seinen Söhnen Arno und Paul ein Fuhrgeschäft. Der jüngste Sohn Erhard lernte Fleischer in Lindenau. Im Hof hinten links war der Stall, wo wir gerne auf der Futterkiste saßen. Im Hof vor der Rolle, der Raum mit der prähistorischen Wäschemangel, stand der große Planwagen, unter dem gern die Katzen spielten. Ich kann mich noch dunkel erinnern, dass uns Arno und Paul einmal mitnahmen, als sie die Pferde an die Elbe zur Schwemme ritten. Nollaus fuhren auch für die Gummifabrik an der Ecke Dresdner Straße/Seestraße, kurz die Gummibude genannte. Manchmal brachten sie von dort einen Sack mit aussortierten bunten Bällen mit und wir durften uns welche aussuchen. Leider währte die Freude immer nur kurz, weil Paul und Arno mit den Fahrern von Bischoffs sämtliche Bälle zerbebbelten. Wolfgang wurde viel von Tante Paule Bischoff betreut, er war gerne hinten in dem kleinen Büro, während ich lieber bei Urgroßmutter Pauline auf dem Schoß saß.

Dies soll es für den August gewesen sein.

Christa Stenzel

Zum Thema: Als die Läden noch Namen von Leuten trugen

Die vielen Zuschriften, die unter dieser Rubrik bereits erschienen sind, bewiesen, dass dieses Thema den Nerv vieler Leser trifft. Heute möchte auch ich etwas zu dieser Reihe beitragen.

Ich denke gern an meine Kindheit in den 70er und 80er Jahren zurück. Meine Familie wohnte auf der Hoflößnitzstraße. Das Geschäft, welches meinem Elternhaus am nächsten lag, war der sogenannte „Grundkonsum“ an der Ecke Lößnitzgrundstraße/Weinbergstraße. Ich erinnere mich noch gut an die beiden netten Verkäuferinnen Frau Neupert und Frau Harzer. Beide wohnten ganz in der Nähe. Sie hatten ihre Freude an mir kleinen Kundin, denn ich durfte schon als 5jährige allein dahin einkaufen gehen. Der Konsum war recht klein. An den beiden Fensterfronten standen halbhohe Regale, in der Mitte befand sich ein hohes Regal und ein ebensolches an der Wand gegenüber des Eingangs. An dieses schloss sich ein Durchgang an, der in den Warenannahme- und Leergutraum führte. Diesen Raum durfte man in der Regel als Kunde nicht betreten. Im Türrahmen war in ca. 1 m Höhe ein Brett angebracht, welches meist heruntergeklappt war, damit man dort sein Leergut abstellen konnte. Rechts daneben befand sich die Kasse, und dann war man auch schon wieder am Ein- bzw. Ausgang.

Konsum (Weinbergstr. 4)


An der Rückseite des Hauses befand sich im Erdgeschoss die Wäschemangel von Frau Martin, die auch im Haus wohnte. Ich begleitete manchmal meine Mutter, wenn sie mit dem kleinen Handwagen die sogenannte Schrankwäsche dahin brachte und rollte (es war Selbstbedienung). Ich erinnere mich an eigenartige Holzgeräusche, wenn dieses seltsame Gerät mit dem noch seltsameren Namen in Betrieb genommen wurde.

Bäckerei Göhler (Nizzastr. 21)


Schräg gegenüber befand sich die Obstaufkaufstelle von Flacks. An diese kann ich mich jedoch nicht mehr erinnern, sondern kenne sie nur aus Erzählungen.

An der Ecke Lößnitzgrundstraße/Mühlweg ging es 3 Stufen runter zu Fährmanns, die einen Tante-Emma-Laden führten. Dieser hat zu der Zeit, als ich in den Grundkonsum einkaufen ging, aber längst nicht mehr existiert.

Auf der Nizzastraße gab es gab es die Bäckerei Göhler – vormals Lohse, wie ich erst jetzt durch diese Laden-Reihe mitbekam. Da der Verkaufsraum recht klein war, stand besonders am Samstagmorgen die sozialistische Wartegemeinschaft draußen die Stufen hinunter bis auf den Fußweg. Außer den Göhlers arbeitete Frau Grahl als angestellte Verkäuferin viele Jahre dort, auch noch lange als Rentnerin. Ein recht einschneidenes und peinliches Erlebnis hatte ich bei ihr mal als Teenager. Ich sollte Brot, Brötchen und Gebäck holen. Meine Mutter hatte mir das bereits abgezählte Geld dafür bereitgelegt, denn die Preise waren ja immer die selben. Als ich dann bezahlen wollte, stellte sich heraus, dass das Geld nicht reichte! Es fehlten vielleicht nur 20 Pfennige, aber ich wäre am liebsten in den Boden versunken. Der Laden war zwar nicht voll, aber 3, 4 Kunden waren bestimmt hinter mir. Da mich Frau Grahl kannte, durfte ich die Ware trotzdem mitnehmen und ich bezahlte meine Schulden beim nächsten Einkauf. Irgendwo hatte sich meine Mutter mit dem Geld also verrechnet. Seitdem hat sie es nicht mehr passend rausgelegt, sondern immer etwas reichlicher.

Auf der Ecke Nizzastraße/Augustusweg befand sich auch ein Konsum. In unserer Familie hieß er „Fischkonsum“. Ich weiß nicht, woher dieser Name stammt und ob ihn andere Leute vielleicht auch verwendeten. Dieser Konsum war größer als der Grundkonsum und es gab – zumindest in den 80ern – auch kleine Einkaufswagen (während der Grundkonsum nur Körbe führte).

An der Ecke gegenüber gab es die Klempnerei von Herrn Kostlan. Allerdings entsinne ich mich nicht mehr an diese. Eine seiner Töchter betrieb im selben Haus ein Kurzwarengeschäft und führte auch Schneiderarbeiten aus. Ich glaube, mehr als 2 Kunden passten nicht in den winzigen Raum.

Von der Rosenschänke und der Fleischerei Paul auf der Nizzastraße wurde schon einmal berichtet. Den Laden von Pauls habe ich noch gut in Erinnnerung mit seinen weißen Fliesen und der langen Theke. Im Laden standen die Kunden oft in U-Form (eine Reihe hin, die andere zurück). An das Eisengeländer draußen rechts entlang der Hauswand und vor dem Schaufenster erinnere ich mich gut, denn es war perfekt zum Fahrrad abstellen und anschließen. Herr und Frau Paul habe ich als kleine, stämmige Leute in Erinnerung, die auch recht schlagfertig waren. Kinder bekamen hin und wieder mal ein Wiener Würstchen geschenkt.

Soweit mein kleiner Streifzug durch einen Teil der Oberlößnitz.

Carola Schulze

Copyright © 2007-2025 Vorschau und Rückblick. Alle Rechte vorbehalten.