Reinhold Langner – „zum Zweiten“ (Teil1)

Ist eine komische Überschrift, oder? Wenn es hier um einen Künstler geht, könnte man an die Versteigerung eines Bildes denken. Ja, könnte man, aber ich habe die Überschrift gewählt, weil mein Vorschau-Kollege Wolfgang Zimmermann in V+R 10 und 11/94 zu Reinhold Langner bereits ein paar biografische Daten und Aussagen zu seiner Kunst – er war in erster Linie Bildhauer – veröffentlicht hatte, sozusagen Langner zum Ersten. In der Zwischenzeit ist zu Langner, er starb 1957, zwar nicht viel Neues hinzugekommen. Ein wenig aber schon und ich will versuchen, eine eigene Sicht auf den Künstler und sein vielseitiges Werk zum Ausdruck zu bringen.

Foto: E. Kesting

Ein Schwerpunkt war für mich die Tatsache, dass es meines Wissens mindestens drei plastische Arbeiten Langners in Radebeul gibt, bzw. gab, er aber nie hier gewohnt hatte. Hinzu kam auch der Besuch einer sehenswerten Ausstellung über Langner im Einnehmerhaus Freital vor einem Jahr.
Geboren worden war Gottlob Erich Reinhold Langner am 21. November 1905 in Weinböhla. Seine Biografie ist nicht restlos erschlossen, so dass ich in unterschiedlichen Quellen voneinander abweichende Angaben fand, so war sein Geburtsort mal Dresden-Cotta, ein anderes Mal Weinböhla, was ich vom dortigen Standesamt / Archiv bestätigt bekam. Seinem Vater, er war Holzbildhauer gewesen, wollte Reinhold nacheifern, erlernte aber erst einmal den Maurerberuf. Er hatte auch kurz überlegt, nun Architekt zu werden. Da er an Vaters künstlerischem Handwerk aber immer noch Interesse hatte, folgte nach dem ersten Beruf des Maurers der eines Holzbildhauers und anschließend ein Studium an der Kunstakademie Dresden. Eine Assistentenstelle bei Prof. A. Winde an dieser Akademie musste er aber nach 1933 aufgeben, weil er Mitglied in der SPD-nahen Arbeiterjugend war. Es folgten schwierige Jahre der Selbständigkeit in der Kunst, ohne Ausstellungen und mit wenig Gewinn. Im Untergrund arbeitete er im antifaschistischen Widerstand mit, so versteckte Langner 1939 eine verfolgte jüdische Person eine Woche lang im Atelier an der Bürgerwiese. Langner bezog mit seiner Familie, Frau Gertrud und den zwei Töchtern Ute und Isa, ein Haus in Dresden-Briesnitz, Hammeraue 27. 1943, mitten im 2. Weltkrieg, wurde er überraschend wieder an die Akademie berufen und mit leitender Tätigkeit betraut. Später folgte die Berufung zum Professor. Das kann man eigentlich nur der Not zuschreiben, die an der Akademie herrschte, als fast alle anderen Akademieangehörigen einberufen oder gefallen waren. Und gleich nach dem Krieg folgte die Berufung zum kommissarischen Leiter der Dresdner Kunsthochschulen. So eine Karriere über das Kriegsende hinaus findet man nicht so oft und spricht für sein großes fachliches Vermögen und einen festen Charakter, glaube ich. 1946 schließlich wurde ihm eine gehobene Tätigkeit als Referent der Kunstverwaltung des Landes Sachsen angetragen, die jedoch schon ein Jahr später erlosch. In der Zeit wurde er Mitglied der SED, hoffte aber vergeblich auf eine „demokratische Kultur“ im Osten und die deutsche Wiedervereinigung. Ab 1947 übernahm Langner dann einen Lehrauftrag für Bauplastik / Architektur an der damaligen TH Dresden, was ihm wohl mehr Freude machte als die Arbeit in der Landespolitik. Hier galt es zunächst Trümmer zu beseitigen, aufzubauen und den Lehrbetrieb wieder zum Laufen zu bringen. Schließlich kam 1951 noch die Leitung des Volkskunstmuseums (früher Oskar-Seyffert-Museum) hinzu, was ihm bis zu seinem Lebensende aber eher eine Herzenssache gewesen sein dürfte. Er widmete sich besonders der erzgebirgischen Volkskunst und räumte ihr einen breiteren Platz im Museum ein. Ein viel beschäftigter Mann also und es blieb noch Zeit, künstlerisch zu arbeiten. Prof. Reinhold Langner starb kurz nach dem Tod seiner jüngeren Tochter am 11. Januar 1957 mit nur 51 Jahren viel zu früh.
Dass er an der Technischen Hochschule sehr geschätzt wurde, erklärte mir ein ehemaliger Student. Mein Freund Architekt Klaus Kaufmann, der damals eine Assistentenstelle an der TH hatte, half 1958 mit, eine Langner-Gedächtnis-Ausstellung im Albertinum aufzubauen, die am 11. Januar 1958 geöffnete wurde. Nach dieser Ausstellung von künstlerischen Arbeiten Langners geriet er m.E. zu Unrecht bald in Vergessenheit, andere Kunstrichtungen wurden vom Staat bevorzugt, bald kam dann der „Bitterfelder Weg“!
In Radebeul hatte Langner nie gewohnt, aber was verband ihn mit unserer Stadt? Es waren zwei Freunde: da waren der Architekt Otto Röder und auch der damalige Intendant der Landesbühnen Sachsen Herbert Krauss.
Mit Röder zusammen, der in Radebeul auf der August-Bebel-Str. 16 wohnte, schuf er in den späten 30-er Jahren mindestens für drei Trafohäuser hölzerne Stützen mit Figuren – am Dürerplatz in Dresden ein größeres Haus mit 8 Figuren aus dem Volk (1945 Totalverlust), an der Dresdner Grundstraße ein Trafohaus mit Wartehalle und 4 Figuren und schließlich das Trafohäuschen in Radebeul an der Kreuzung Augustusweg / Nizzastraße mit 2 solchen Figuren, einer Gärtnerin und einem Winzer – durchaus passend für Radebeul. Die beiden Figuren waren in den 80-er Jahren plötzlich demontiert worden und verschwunden. Nun sah jeder, dass die Stützen gar keine statische Funktion hatten, aber der Schmuck fehlte eben. Nach längeren Bemühungen des damaligen Aktivs für Denkmalpflege konnten die Holzfiguren in einer Werkstatt wieder aufgefunden werden, einen Auftrag zur Aufarbeitung hatte jedoch niemand erteilt – irgendwie mysteriös!
Interessant ist, dass Langner auf ein günstiges Altmaterial – ausgemusterte Holz-Elektromasten (zumeist Kiefer) – zurückgriff und es für seine Schnitzkunst sekundär verwendete und so veredelte. Er muss wohl zu dem Zeitpunkt in einer
wirtschaftlichen Lage gewesen sein, die ihm den Weg zu edlerem Ausgangsmaterial versperrte. Röder und Langner ergänzten sich in ihrem Schaffen über mehrere Jahre, man kann von einer Partnerschaft sprechen.
Es existiert eine weitere vergleichbare figürliche Schnitzerei in Radebeuler Privatbesitz, die jedoch aufgrund des Zuschnitts nie als Stütze vorgesehen war. Hier erkennen wir eine junge Frau, die ein kleines Tier (Wiesel?) trägt. Langner bezog die Struktur des Holzes, also auch Astansätze, in die Gestaltung bewusst ein und erreichte so eine Steigerung des weiblichen Ausdrucks. Wenn man genau hinschaut, erkennt man an Farbresten, dass Langner diese Figur ursprünglich in Farbe (wohl Lasur) angelegt hatte, diese jedoch inzwischen abgewittert ist. Zuerst hatte Otto Röder diese Plastik besessen.

Dietrich Lohse (Fortsetzung folgt)

Weitere Literatur:
„Reinhold Langner“, Katalog zur Gedächtnisausstellung 1957/58, Herausgeber TH Dresden
„Reinhold Langner“, Verl. der Kunst Dresden, 1960
„Dresden – von der Königlichen Kunstakademie zur Hochschule für Bildende Künste“

Teil 2 des Beitrages

Die Post denkt mit!

Ein Nachtrag zum Grafikmarkt Anfang November 2017

Besucher des Grafikmarktes Anfang November 2017 staunten nicht schlecht, als sie an unserem Stand Exemplare der

Foto: B. Kazmirowski

originalen Hefte von „Vorschau und Rückblick“ aus den 1950er und 1960er Jahren ausliegen sahen, die gegen eine kleine Spende mitgenommen werden konnten. Davon wurde gern Gebrauch gemacht, schon vor dem Mittag waren unsere Vorräte verschwunden. Sascha Graedtke und ich hatten während einiger ruhiger Minuten am Vormittag auch unsere Freude daran gehabt, in den alten, hervorragend erhaltenen, beinahe druckfrisch anmutenden Heften zu blättern. Wir staunten wiederum nicht schlecht, als aus einem Heft des Jahres 1954 (!) eine grüne, in zeittypischem Dreckgrün gehaltene Werbepostkarte heraus fiel, womit die Landesbühnen Sachsen Leser ein Konzertanrecht schmackhaft machen wollten. Uns interessierte aber weniger dies als vielmehr das Adressfeld. Danach sollte die Karte an die Abteilung Anrecht und Werbung der Landesbühnen Sachsen in Radebeul 2 auf der Stalinstraße 152 geliefert werden. Also an eine Adresse in einer Straße, deren Namensnachfolger auch schon 27 Jahre nicht mehr existiert… Außerdem fehlte die Postleitzahl. Ein Gedanke durchschoss mich: Was wäre wenn… man die Karte einfach so heute in den Kasten werfen würde!? Natürlich ordentlich frankiert, aber ohne verbesserte Adresse? Lediglich mit einem Adresszusatz versehen, der erkennbar macht, wer die Karte erhalten soll, nämlich die Pressesprecherin der Landesbühnen, Frau Grubitzsch (siehe Foto). Sascha Graedtke ließ sich gern auf eine kleine Wette ein, er hatte eher Zweifel, ich glaubte an den Erfolg der Aktion. Gesagt, getan. Wenige Tage später informierte ich Petra Grubitzsch, von unserem Plan und bat sie, die Poststelle der Landesbühnen vorzuinformieren. Würde die Karte eintreffen? Am Donnerstag, 9.11., warf ich die Karte in Dresden-Zschertnitz in einen gelben Postkasten, bereits einen Tag später hatte sie Frau Grubitzsch in Radebeul auf dem Schreibtisch! Danke, liebe Post, fürs Mitdenken und für den Beweis, dass Postsendungen offenbar doch nicht (nur) maschinell gelesen werden, sondern wenigstens in diesem Fall denkende Menschen am Werke waren, die Radebeul auch ohne Postleitzahl bzw. die Landesbühnen bei der Zustellung korrekt zuordnen konnten!
Bertram Kazmirowski

 

Fingerzeige aus dem Gangstermilieu

Zur Premiere von Brechts „Arturo Ui“ an den Landesbühnen am 25./26.11.2017

»Der aufhaltsame Aufstieg des Aturo Ui«, Szene mit Michael Berndt-Cananá und Sebastian Reusse Foto: H. König

Worin besteht die Aufgabe von Theater? Diese Frage ist seit den antiken Anfängen ganz unterschiedlich beantwortet worden. Ging es zunächst darum, in der öffentlichen Vergegenwärtigung krisenhafter Szenarien die Zuschauer in einen Zustand der Katharsis („Reinigung“) zu versetzen, damit sie selbst von unheilvollen Affekten befreit würden, wurden im Mittelalter über Jahrhunderte hinweg überwiegend lustige und handfeste Stoffe unters Volk gebracht. Später dann raunte Schiller vom Theater als moralischer Anstalt, in der die Sittlichkeit und Tugend aus dem Menschlichen bühnenwirksam destilliert werden könnte. Doch diese Hoffnung war spätestens zu Beginn des 20. Jahrhundert endgültig zerstoben, als sich die Gräuel des 1. Weltkrieges mit den Erfahrungen einer zunehmend lebensfeindlich empfundenen Technisierung des Lebens zur ersten großen Erschütterung der Moderne verbanden. Die Folgen für Europa sind bekannt: Revolutionen, Wirtschaftskrise, Stärkung der politischen Ränder. Vor diesem geschichtlichen Hintergrund musste eine neue Theaterauffassung her, die ihren Finger in die Wunden der Gesellschaft legt und dem Theater tagesaktuelle Relevanz verleiht. Wenn man also – wie jüngst die Landesbühnen – Brechts bekannte, im finnischen Exil geschriebene Parabel „Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui“ (1941) auf den Spielplan setzt, geht davon, auch ohne dass man eine einzige Szene gesehen hat, das Signal aus: Es ist etwas faul im Staate Deutschland.
Die Inszenierung von Peter Kube verlegt die Story, die sich – für diese Theaterform typische Verfremdungseffekte nutzend – auf reale Vorkommnisse und beteiligte Personen rund um die Machtergreifung Hitlers und die Ausbreitung des Nationalsozialismus bezieht, in eine verrauchte Hinterzimmerwelt im von Bandenkriegen erschütterten Chicago jener Zeit (Ausstattung: Stefan Wiel). So sehr das der brechtschen Vorlage entspricht, wird meines Erachtens eine Chance vertan: Denn um auf Bedingungen hinzuweisen, die den Aufstieg eines Uis erst ermöglichen bzw. erleichtern, müsste man nicht in der Geschichte kramen und nach Nordamerika zeigen, denn leider bietet auch die Gegenwart reichlich Anschauung. Die Stärke dieser Parabel von Brecht ist ihre Übertragbarkeit auf andere Zusammenhänge, und wer wollte bestreiten, dass es heute viele kleine, aber leider auch einige große und gefährliche Uis gibt auf der Welt? Und dabei denke ich nicht zuerst an den ewigen Alexander Lukaschenko, in dessen Weißrussland immer noch die Todesstrafe verhängt wird, und auch nicht an den notorischen Kim Jong Un mit seinen atomaren Drohgebärden, sondern vor allem an einen Rodrigo Duterte auf den Philippinen, der sich in seinem fanatischen Kampf gegen Drogen selbst stolz mit Hitler vergleicht und begonnen hat, drei Millionen Abhängige umzubringen. Die Inszenierung hätte also mutig(er) sein und darauf (im doppelten Sinne des Wortes) „anspielen“ können, dass nicht nur in Deutschland etwas im Argen liegt, sondern auch andernorts – und zwar in weitaus schlimmeren Maße. Ein Versuch, in dieser Richtung Akzente zu setzen, findet sich wenigsten im Programmheft, denn dort ist von den sogenannten „Paradise Papers“ die Rede, deren Aufdeckung die maltesische Journalistin Caruana Galizia im Oktober dieses Jahres mit ihrem Leben bezahlen musste.
Nun ist es also doch das traditionelle amerikanische Gangstermilieu geworden, und folglich ist die Hälfte der Rollen diesem entlehnt. Michael Berndt-Cananá als Arturo Ui präsentiert sich in bewunderungswürdiger Ausdauer körperlich elastisch, mimisch und gestisch wandlungsfähig sowie sprachlich variabel. In Erinnerung bleibt vor allem die Szene, in der Arturo Ui als menschliches Hakenkreuz etwa fünf Minuten im braunen (!) Ledersessel sitzt. Sebastian Reusse, Grian Duisberg und Marcus Staiger haben dankbare Rollen als einander sehr unterschiedlich markierte Gangster auszufüllen, die sich gegenseitig misstrauen und die Drecksarbeit für Ui erledigen. Tom Hantschel als Dogsborough (lies: Hindenburg) ist staatstragend eitel, dabei aber mächtig machtlos gegen ein Kartell, dass sich einen Dreck um bürgerliche Konventionen schert und munter drauf los erpresst, zündelt und mordet. Ebenso wie sich Dogsborough wider Willen (und besserer Ahnung) zum Steigbügelhalter des Aufstieg Uis macht, so wird dies auch ein völlig unbedarfter Schauspieler, bei dem sich Ui Rat in Rhetorik holt. Diese Szene kostet Matthias Henkel mit Lust zur großen Geste und delikater Dramatik bis zur Neige aus, während Uis zunächst dürftige Voraussetzungen auf diesem Gebiet erst demaskiert werden, nach der Pause aber dessen Wandlung zum gut situierten Gangsterboss sichtbar wird, der auch Worte als Waffen gebraucht. Erwähnt werden sollten auch Sandra Maria Huimann und Julia Vincze, die mit ihren je zwei Rollen weibliche Akzente der unterschiedlichsten Art setzen. Felix, Lydike, Johannes Krobbach und Luca Lehnert ergänzen das Set ebenso wie am Premierenabend Christian Schöbel am Klavier, der mit einem bisweilen ins Dissonante verzerrten Verschnitt von zumeist Scott Jopin-Klassikern das Geschehen kongenial untermalt.
Was bleibt von dieser Produktion? Je nach eigener politischer Haltung und Offenheit dem Thema gegenüber mag es darauf viele Antworten geben. Die Erfahrung, für Mechanismen der Machtanmaßung sensibilisiert worden zu sein. Der Appell zur erhöhten Wachsamkeit bezüglich aller Strömungen, die einen Arturo Ui womöglich auch hierzulande noch einmal nach oben spülen könnten. Die Mahnung, nicht zu vergessen, was einmal war. Das Angebot, in Auseinandersetzung mit dem Bühnengeschehen über sich grundsätzlich als homo politicus nachzudenken. Die Beschwichtigung, dass eine solche Story in einer stabilen Demokratie doch gar nicht mehr möglich ist. Die Frage, wie man den Uis dieser Welt den Boden unter den Füßen wegziehen kann. Das resignierte Seufzen, dass auch politisches Theater trotz aller Aktualitätsbezüge („Lügenpresse!“) immer nur Theater ist und die Bühne nicht mit der Realität verwechselt werden darf. Die Befriedigung darüber, für gutes Geld gut unterhalten worden zu sein. Die Idee, dieses Stück weiterzuempfehlen. Was immer auch jeder einzelne Zuschauer im fast ausverkauften Saal empfand: Der lang anhaltende Schlussapplaus bestätigte, dass die Landesbühnen mit dieser Inszenierung den Nerv des Publikums getroffen zu haben scheinen.
Bertram Kazmirowski

Weitere Vorstellungen: 30.12.17, 5.1., 13.1. und 26.1. und 3.3. jeweils im Stammhaus Radebeul.

Anlässlich ihres 150. Geburtstages einen würdigenden Blick auf Käthe Kollwitz

„Ich bin einverstanden damit, dass meine Kunst Zwecke hat. Ich will wirken in dieser Zeit, in der die Menschen so ratlos und hilfebedürftig sind,“ so Käthe Kollwitz.

Sterbezimmer, 1945 Foto: E. Höhne

Ein Werk von der Künstlerin, eine kleine Plastik von 38 Zentimeter Höhe, bekannt unter dem Namen „Pietá“, sorgte Jahrzehnte nach dem Tod von Käthe Kollwitz (1867-1945) für Aufsehen. Die damalige Bundesregierung kam auf die Idee das Original auf das Vierfache zu vergrößern und als Mahnmal gegen den Krieg in der Neuen Wache in Berlin aufstellen zu lassen. Die ungewöhnliche Kunstvergrößerung, so die Erben von Kathe Kollwitz, dürfe nur umgesetzt werden, wenn die Standbilder von den Generälen Scharnhorst und Bülow vom Ausstellungsort entfernt würden.
Berühmt sind ihre Zyklen Weberaufstand (1896-1898) angeregt durch den Dichter Gerhard Hauptmann und sein gleichnamiges Stück. Immer wieder sind Frauen und deren gesellschaftliche Rolle ihr Thema. Besonders Mütter mit Kindern und Mütter die ihre Söhne im Krieg verloren haben, gibt sie in ihren grafischen Arbeiten eine Stimme. Sie ahnte damals nicht, dass ihr jüngster Sohn Peter, erst achtzehnjährig, im Oktober 1914 zwei Tage nach dem Einsatz an der Front fiel. Die Künstlerin entwickelte sich von Schmerz und Trauer überwältigt zur leidenschaftlichen Kriegsgegnerin.(Pietá) Ein weiteres Werk, das ihr Engagement für den Frieden bildlich zeigt, ist das berühmte Plakat mit der Aufschrift „Nie wieder Krieg“ und den mahnend hochgestreckten Arm einer Frau.
Käthe Schmidt, so ihr Mädchenname, wurde am 8.Juli in Königsberg (Ostpreußen) geboren. Sie wuchs in gut situierten bürgerlichen Verhältnissen auf. Ihr Vater erkannte die Begabung seiner Tochter und förderte ihre künstlerische Entwicklung. Trotz des bürgerlichen Elternhauses interessierte sich die junge Frau früh für die Welt der Arbeiter. „Wenn meine späteren Arbeiten durch eine ganze Periode nur aus der Arbeitswelt schöpfen, so liegt der Grund dafür in jenen Streifereien durch die enge, arbeitsreiche Handelsstadt. Der Arbeitertypus zog mich mächtig an,“ sagt die Künstlerin. Käthe Schmidt ging 1988 zum Studium nach München. Dort entstanden ihre ersten Radierungen. Sie lernte den Arzt Karl Kollwitz kennen und heiratete ihn 1881. Die Patienten ihres Mannes, der als Armenarzt eine Praxis am jetzigen Kollwitzplatz in Berlin hatte, bilden oft Vorlage und Anregungen für ihre Kohle- und Kreidezeichnungen. Häufig ist auch die Künstlerin ihr eigenes Modell. Es existieren in ihrem Nachlass mehr als einhundert Selbstportäts.Nach der Machtübergreifung des Nazis (1933) wird Käthe Kollwitz gezwungen aus der Preußischen Akademie der Künste auszutreten. Es folgen Ausstellungsverbote und sogar ein Verhör durch die Gestapo. Ihr Mann stirbt 1940 und die gemeinsame Wohnung in Berlin wird bei einem Bombenangriff zerstört. Sie erhält eine Einladung aus dem Hause Wettin (Nebenlinie) 1944 für Moritzburg. Dort verbringt sie ihre letzten Monate.Sie stirbt 1945 im Alter von 77 Jahren in Moritzburg bei Dresden. Im Moritzburger Rüdenhof erinnert eine Gedenkstätte an die außergewöhnliche Künstlerin und ihr Schaffen. Verschiedene Drucktechniken sind für die Museumsbesucher unter Anleitung (erste Kenntnisse) erfahrbar. Ihre Blätter zeugen von existenziellen Erfahrungen, die zeitlos sind und uns heute nach wie vor berühren.
Als Nachtrag bleibt noch zu erwähnen, dass das Kupferstich-Kabinett in Dresden 252 Druckgrafiken und vier Mappenwerke beherbergt. Unter der Leitung von Max Lehrs (1855-1838) hat das Haus als erstes öffentliches Museum die Arbeiten der Künstlerin durch systhematischen Ankauf gefördert.
„Wenn ich glaube überzeugt zu sein vom Unsinn des Krieges, dann frage ich mich, nach welchem Gesetz die Menschen zu leben haben?“

Angelika Guetter

Editorial 01-18

Geschätzte Leserinnen und Leser!

Zunächst möchte ich Ihnen im Namen der Redaktion, und aufgrund der traditionell früheren Auslieferung des Heftes im Monat Dezember, ein geruhsames Weihnachtsfest und einen guten Start in das kommende Jahr wünschen. Und, so banal es auch klingen mag: Möge der Frieden uns bewahrt bleiben!
Für die Freunde unseres Heftes haben wir ab 2018 eine Besonderheit zu bieten. Wie sich erst kürzlich herausstellte, schlummern im Radebeuler Stadtarchiv noch zahlreiche Kisten unserer „Vorschau“ aus den 90’er Jahren. Viele langjährige Leser sind um die Vervollständigung ihrer Sammlung bemüht. Die „Schätze“ würden wir nun gern mit Ihnen teilen.

Foto: M. Gündel

Wie Sie wissen, werden unsere Hefte monatlich an vielen Stellen zur Mitnahme verteilt. Wundern Sie sich also nicht, wenn ab 2018 nun auch einige ältere Ausgaben neben den aktuellen Heften ausliegen.
Gern können Sie auf Nachfrage über die Redaktion gewünschte Jahrgänge auch über uns beziehen.

Sascha Graedtke

 

Klänge der Hoffnung Eine Gedächtnisausstellung zum 90. Geburtstag des Malers Max Manfred Queißer in der Deutschen Bank

Mit „Inspirationen in Farbe“ begann die Deutsche Bank Radebeul vor nunmehr zehn Jahren die Reihe ihre Ausstellungen regionaler Künstler. Mit diesem Auftakt gratulierte sie damals zugleich dem Maler Max Manfred Queißer zu seinem 80. Geburtstag.
Nun, zehn Jahre später, nahm man den 90. Geburtstag des Malers zum Anlaß für eine Gedächtnisausstellung, die bis weit ins nächste Jahr hinein, voraussichtlich sogar bis Februar 2019 zu sehen sein wird. Zuvor war bereits in Dresden und Gödelitz mit Ausstellungen des Jubiläums gedacht worden.
Unter dem Titel „Klänge der Hoffnung“ sind hier nun vorwiegend musikalisch inspirierte Arbeiten des im Vorjahr verstorbenen Künstlers zu sehen.
In Bilder wie „Ein Maler hört Musik“ nahm er sich selbst dabei gern auch mal ein wenig auf den Arm. Bilder wie „Improvisation am Cello“ oder „“Saitenklänge zeigen, wie er auch das eigene Spiel farblich zu fassen verstand. In „Mazurka“, „Musette“ und anderen Bildern sind zugleich vielfältige Eindrücke seiner Reisen mit seiner Frau Gerlinde verarbeitet. Die Orchestersuite „Die Planeten“ von Gustav Holst hat ihn von Anfang an stark beeindruckt. Nach ihr ist eine ganze Bildserie entstanden:
In beschwingten Farbtönen flattert Merkur, der geflügelte Bote durch den Raum. Neptun, der Mystiker, löst sich auf in den sphärischen Klängen eines, wie Karin Weber es ausdrückte, „transzendenten Blaus mit Untiefen“.
Schließlich erscheint Saturn, der Bringer des Alters, in Gestalt einer vielfarbigen, vielstimmigen Herbstmelodie, mit der er hoffte, sein eigenes Alter begrüßen zu können.
So gerieten Auge und Hand des Malers unversehens zum Kaleidoskop, Töne, Farben und Linien aufnehmend, vermischend und zu neuen Bildern in stets sich erneuernder Farbkraft fügend. Wer ganz still ist, kann die Musik in den Bildern sogar hören.
Nr. 5 Holst – Saturn – II Zyklus

Nr. 5 Holst – Saturn – II Zyklus        Repro: H. Boswan

Der promovierte Soziologe konnte auf mehr als zwanzig Jahre wissenschaftlicher Arbeit zurückblicken, als er nach 1990 begann, sich ganz der Malerei zu widmen.
Ein solch farbmächtiges Leben war ihm freilich nicht an der Wiege gesungen worden. Der Fluch der frühen Geburt wollte, dass er das Schicksal seiner Altersgenossen teilte: gerade siebzehnjährig waren sie von einer Clique von Verbrechern und Idioten in das schwarze Loch des Krieges geworfen worden. Manfred sprach später eher sanft von „gestohlenen Jahren“ und sah weder Anlass noch Gelegenheit darauf etwa „stolz“ zu sein. Im Gegenteil: die traumatischen Ereignisse verfolgten ihn sein langes Leben lang Nacht für Nacht.

Die Hoffnung hatte Schwerstarbeit zu verrichten, all die vom Kriege gezeichneten Seelen in einem Leben zu halten, das mehr war, als bloßes Überleben.
Manfred Queißer jedenfalls wollte danach nur noch malen. Es waren die Maler des Impressionismus, die ihn bewegten. Die in Farbe gegossene lichtvolle Lebensfreude etwa eines Renoir, so stelle ich mir vor, wirkt mit doppelter Wucht auf eine empfindsame aber vom Kriege gezeichnete junge Seele.
Mit der in den Bildern aufblitzenden Farbwut der letzten Jahre wehrte sich der Maler mit aller Macht gegen die Finsternisse seiner Träume. Zugleich spürte er, daß die hinter den Finsternissen tätigen Mächte auch in unserer Wirklichkeit wieder stärker werden. Als einer, „der wohl strebte, dass alle Wein und gute Früchte haben“, wie er als Credo in seinen letzten Tagen niederschrieb, hat Max Manfred Queißer in den reichen Farben purer Lebensfreude diesen Finsternissen die Klänge der Hoffnung entgegengesetzt.
Wir werden diese Hoffnung gut gebrauchen können, denn, wie Brecht sagte, „denn die Güte ist im Lande wieder einmal schwächlich, und die Bosheit nimmt an Kräften wieder einmal zu“.
Thomas Gerlach

 

 

 

Ehre, wem Ehre gebührt

Sächsischer Amateurtheater-Preis 2016 vergeben

Drei Retro-Damen vor einem Mikro. Darunter Robert Richter mit Gitarre, der einen Song intoniert. Im Hintergrund prangt bühnengroß in Leuchtschrift sein Name. Der Versuch von Florian Geißner, Richter zu erschießen misslingt ein weiteres Mal.

Szene aus den preisgekrönten Stück „DER AMATEUR Schauspieler ODER: Are you lonesome tonight“ von der Theatergruppe „die bühne – das Theater der TU Dresden“. Im Vordergrund das Mitglied Robert Richter in der Rolle des Robert Richters.
Foto: K. U. Baum

Diesen und andere Ausschnitte zeigte das Amateurtheater „die bühne – das Theater der TU Dresden“ unter dem Titel „DER AMATEUR Schauspieler ODER: Are you lonesome tonight?“ zur Verleihung des „Sächsischen Amateurtheater-Preises 2016 im Theaterhaus Rudi Dresden am 12. November dieses Jahres. Eine dreiköpfige unabhängige Jury hatte nach eingehender Beratung unter 20 möglichen diese Inszenierung für die Auszeichnung vorgeschlagen.

Seit 2007 lobt der Landesverband Amateurtheater Sachsen e. V. (LATS) den nun mit 2.000 Euro dotierten Preis aus. Damals belächelt, gibt es mittlerweile nicht nur in acht Bundesländer einen derartigen Wettbewerb. Für die Bundesrepublik hat seit 2010 der Bund Deutscher Amateurtheater e.V. den „Deutschen Amateurtheaterpreis“ in mehreren Kategorien geschaffen. Dass bisher allein vier Preise an Inszenierungen von Amateurtheatern des Freistaates gingen, mag das hohe künstlerische Niveau der sächsischen Szene verdeutlichen.

Mit „DER AMATEUR“, erster Teil einer Trilogie, zeichnete die Jury ausgerechnet eine Arbeit aus, die sich durchaus spöttisch bis sarkastisch mit dem Thema „Amateurtheater“ auseinandersetzt. Die von der Gruppe unter der Leitung von Andreas Mihan, freier Regisseur und bis 2016 Leiter der TU-Bühne, selbst entwickelten Stücke, entstanden aus Anlass des 60jährigen Bestehens des Theaters im vergangenen Herbst. Die Teile „Der Amateur Regisseur“ und „Der Amateur Zuschauer“ stehen ebenfalls noch auf dem Spielplan der Gruppe.

Der große Theatersaal im Rudi war voll besetzt und die Stimmung ausgezeichnet, als die Vorsitzende des Landesverbandes, Sophie Renz, mit einleitenden Worten die Preisverleihung eröffnete. Dabei war es durchaus nicht vorhersehbar, dass diese Veranstaltung ein Erfolg werden würde, fanden doch bisher die Ehrungen im Rahmen eines Theatertreffens statt. Das Vorstandsmitglied, der Regisseur und Schauspieler Ulrich Schwarz, informierte die Zuschauer über die Gegebenheiten des Preises und würdigte in diesem Zusammenhang die Bedeutung des Ortes für die sächsische Amateurtheaterszene. Selbst der Bundesverband Deutscher Amateurtheater e.V. hatte durch das Präsidiumsmitglied Sandra Wirth anerkennende Worte übermitteln lassen.

Übergabe des Preises und der Skulptur »Kassandra« durch das Vorstandsmitglied Ulrich Schwarz an Mitglieder der Theatergruppe »die bühne – das Theater der TU Dresden«, unter ihnen der Regisseur, Andreas Mihan (1. v. r.)
Foto: K. U. Baum

Die von dem Leipziger Schauspieler und Regisseur Armin Zarbock über Video gehaltene Laudatio für „die bühne“ würdigte die Produktion, hob neben der Erschaffung der dramatischen Vorlage besonders die schwierige kritisch-selbstkritische Auseinandersetzung mit dem Stoff hervor, die dieser Inszenierung zwangsläufig vorausgehen musste.

Gewürdigt wurde an diesem Abend aber nicht nur der Empfänger des „Sächsischen Amateurtheater-Preises 2016“. Der LATS vergab auch zwei „Lobende Anerkennungen“. Sie gingen an die Inszenierungen „Heimatabend. Ein Tauchversuch“ von der Theatergruppe Spielbrett e.V. Dresden und an „König Ödipus“ von der Theatergruppe Thea(l)ternativ Stollberg e. V. und wurden durch den Förderverein „Freunde des LATS“ mit je 250 Euro bedacht.

Die Spielbretter zeigten eine Art politische Revue zum Thema „Heimat und deutsche Geschichte“, die von sechs Akteuren in einem wahren Feuerwerk an Spielfreunde geboten wurden. Die Szenen aus über 100 Jahren wurden zusammengehalten von einer Geschichten erzählenden Großmutter.

Die Stollberger, einst aus dem Kinder- und Jugendtheater „Burattino“ hervorgegangen, hatten mit der erfrischenden Inszenierung einer Variante über König Ödipus eine andere Seite aufgeschlagen. Die Neuverdichtung von Bodo Wartke mit Zutaten der Gruppe zeigte eine Sicht auf diesen antiken Stoff aus der Rapper-Szene in moderner Sprache in Gedichtform. Ein ausgeklügeltes Bühnenbild, aufwendige Kostüme und Masken wurden nicht benötigt. Getragen wird die Inszenierung durch einen überaus agilen wie temperamentvoll spielenden Christian Schreier in der Hauptrolle des Ödipus. Der Ödipus-Darsteller gibt gleichzeitig auch den eigenen Vater, König Laios, und bringt sich also selbst um und spielt gleich danach als Ödipus weiter. Die Komik lässt sich hier kaum überbieten.

Insgesamt eine gelunge Veranstaltung, wie es auch die Vertreter des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst einschätzten.

Karl Uwe Baum

Die katholische Gemeinde zeigt „Flagge“

Errichtung eines Kreuzes neben der Kirche

Foto: D. Lohse


Foto: D. Lohse


Foto: D. Lohse

Seit der Neubau einer Kirche für die Christkönig-
Gemeinde 2001 in der Borstraße 11 in Radebeul
fertig geworden ist, fehlten eigentlich noch zwei
Elemente, die üblicherweise zu einer Kirche gehören:
ein Kreuz und Glocken. Mit Ersterem wurde Ende
September begonnen und im Oktober 2017 war
das Kreuz fertig gestellt. Das hohe, den Kirchenbau
überragende, Kreuz aus Stahl wirkt in den Straßen-
raum und ist nicht zu übersehen. Architekt Matthias
Klut vom Büro Klut und Hauswald, Meißen war
für den Entwurf verantwortlich. Die farbigen Gläser
im oberen Teil des Kreuzes kamen aus der bekannten
Dresdner Glaswerkstatt Körner. Ob und wann Glocken
im Grundstück klingen können, steht z.Z. noch nicht fest.
Mit diesem christlichen Symbol, dem Kreuz, werden
nun diejenigen, die ein Problem hatten, den Neubau
als Kirche wahrzunehmen, eines Besseren belehrt.
Jetzt kann die katholische Gemeinde mit einem neuen
Kreuz in die Weihnachtszeit gehen!

Dietrich Lohse

Dem Frieden auf der Spur

Über Namen, die man ernst(er) nehmen sollte

»Haus Friedeborn«, Weinbergstraße 36
Foto: S. Graedtke

Am Heiligabend werden sie wieder voll sein, die Kirchen. Dieses eine Mal im Jahr zieht es mehr Menschen dahin als zu den anderen Festtagen wie Ostern oder Pfingsten, ganz zu schweigen von den normalen Sonntagen. Warum ist das so? Die einen gehen, weil „das eben zu Weihnachten dazugehört“. Andere, weil sie die besinnliche, stimmungsvolle Atmosphäre schätzen und sich inmitten des Trubels dieses Tages eine Stunde lang in der Kirche Ruhe und Innehalten verschaffen wollen. Und dann gibt es natürlich auch noch die regelmäßigen Gottesdienstbesucher, die aktiven Christen, die gehen zu Weihnachten sowieso. Was auch immer die Beweggründe für einen Kirchbesuch sein mögen, allen wird an diesem Tag durch Wort und Gesang gleichermaßen verkündet, dass die Geburt Jesu die Menschwerdung des „Friedensfürstes“ bedeutete und Gott Jahr um Jahr dieses Heilsversprechen den Menschen gegenüber erneuert. Auch in wenigen Tagen wird es wieder so zu hören sein. Ich kann mir vorstellen, dass das für viele Zeitgenossen ein ziemlich abstrakter Gedanke ist. Denn fragen sich nicht insbesondere viele Erwachsene, wie man die Weihnachtsbotschaft vom „Frieden auf Erden“ mit der Realität unserer Zeit in Einklang bringen kann? Mir ging es jedenfalls in den letzten Jahren auch oft so. Der Friede im Kleinen wie im Großen, an den wir so gern glauben möchten, den wir herbeisehnen, den wir brauchen und ohne den alles nichts ist, scheint – ist er tatsächlich einmal erreicht – uns gleich wieder zu entgleiten, sich aufzulösen, zu vergehen. Man könnte mutlos darüber werden, würde nicht der „Friede“ an vielen Orten heraufbeschworen, in Radebeul etwa an vielen Stellen buchstäblich in Stein gemeißelt sein. Denn einige Straßen und nicht wenige Häuser tragen Namen, die wir womöglich einmal bewusster wahrnehmen sollten. Denn Namen sind eben nicht Schall und Rauch, sondern werden überwiegend sorgsam gewählt und verliehen, denn ihre Bedeutung soll im besten Fall vom Bezeichneten ausstrahlen.

Foto: S. Graedtke

Folgen Sie mir doch einmal in Gedanken von der Straße des Friedens in Serkowitz quer durch die Stadt über Oberlößnitz, Niederlößnitz nach Naundorf zur Friedsteinstraße. Es geht zuerst hinan Richtung Weinberge, dann vom Augustusweg in die Friedlandstraße der Bennostraße zu. Wenige Schritte nur sind es bis zur Nummer 11, dem „Haus Friedland“. Wie sehr wünschte man, dass das „Land“ ein möglichst großes sei, für das dieses Haus den Frieden bezeugt. Und weiter geht es auf die Weinbergstraße. Das Haus Nr. 36 trägt den verheißungsvollen Namen „Friedeborn“. Was für ein Segen müsste allein von diesem Haus ausgehen, wenn es seinem Namen alle Ehre machte! Westwärts schreitend und nach dem Tal wieder hinauf geht es am Krankenhaus vorbei zur Karl-Liebknecht-Straße, auf der unter der Nummer 13 die „Villa Friedheim“ geführt wird. Wie behaglich müsste es dort zugehen, wie gern würde man dort einmal zu Gast sein, um der Wirkung des Namens nachzuspüren! Den Blick nach Norden wendend kommt die „Friedensburg“ ins Blickfeld, die seit einigen Jahren leider für alles andere als für Frieden steht. In ihrem Namen werden zur Zeit zwischen Eigentümer und Stadt Radebeul Gerichtsprozesse geführt, Verfügungen erlassen, Unterlassungsklagen zugestellt. Sollte man sie nicht also, bis zur abschließenden Klärung des Verfahrens, gerechterweise „Streitburg“ nennen? Wie gesagt, es geht ja um die Achtsamkeit im Umgang mit Namen… Um wie viel angenehmer ist es da, auf der Winzerstraße 73 eine sanierte Villa in den Blick zu nehmen, die in Anlehnung an den bekannten Künstler und Architekten Hundertwasser den Namen „Friedensreich“ trägt! Man will ja nicht vermessen sein und zu Großes wünschen, aber ein Friedensreich verspricht eine beträchtlich ausgedehnte befriedete Fläche! Wenn es den Namen nach geht, erreicht man alsbald das friedvolle Zentrum Radebeuls: Rechterhand bergaufwärts am Professor-Wilhelm-Ring das Haus „Altfriedstein“, geradeaus die Straße „Neufriedstein“, schließlich das Berghaus „Neufriedstein“, das allerdings auf der Mohrenstraße liegt, was einen steilen Anstieg erfordert. Von der nebenan gelegenen Sternwarte hat man einen tollen Blick auf die Stadt, aus dem Dächermeer Kötzschenbrodas ragt der Turm der Friedenskirche heraus, deren Namensgebung bekanntlich auf ein historisches Ereignis zurückzuführen ist und die wie kein zweites Bauwerk Radebeuls mit ihrer Geschichte für die Bedeutung des Friedens als Bedingung für das Gedeihen und Wachsen von Gesellschaft steht. Über den Jakobstein hinab geht es nun noch zur Friedsteinstraße, die schließlich auf die Meißner Straße mündet.

»Haus Friedland«, Bennostraße 11
Foto: S. Graedtke

Ich bin mir sicher, dass dieser Spaziergang, der quer durch Radebeul führt und (vielleicht auch für Sie) überraschend viele Frieden verheißende Orte streift, zu jeder Jahreszeit gut tut; nicht nur an den Weihnachtstagen, um nach einem üppigen Mal den Kreislauf in Schwung zu bringen. Und übrigens: Muss man nicht ab und an mit sich selbst Frieden in bestimmten Angelegenheiten schließen? Wie könnte das besser gelingen als in Bewegung an der frischen Luft?! Der biblischen Überlieferung nach waren auch die Hirten auf dem Feld damals zu Fuß unterwegs, ebenso später die Heiligen Drei Könige. Vielleicht hat das ja etwas zu bedeuten: Frieden findet man nicht, indem man eilt. Frieden in sich und in der Welt zu finden braucht Zeit. Nehmen wir uns diese doch, um zum Beispiel ganz bewusst einen Spaziergang zu Weihnachten durch unser dann hoffentlich ganz besonders friedliches Radebeul zu machen.

Bertram Kazmirowski

Wertvolle sachliche Hinweise zu diesem Thema gab mir mein geschätzter Redaktionskollege Dietrich Lohse, der sich wie kein Zweiter mit Baudenkmälern und besonderen Gebäuden in Radebeul auskennt.

Bilz-Denkmal

Foto: W. Hentsch

Es ist vollbracht! Nach fast zehnjähriger Denk- und Vorbereitungszeit konnte das Projekt „Bilzplatz – Neugestaltung“ am 11.11.2017 abgeschlossen werden. Die zwei fehlenden Bäume (Ginkgos) wurden gepflanzt. Anwesend waren der Baubürgermeister Dr. Jörg Müller mit Frau Funke vom Gartenamt.

Natürlich waren die Initiatoren, die Bürger der umliegenden Häuser und Vertreter vom Bilz- und vom „verein für denkmalpflege und neues bauen“ dabei. Frau Dr. Heinrich leitete die Aktion.

Noch eine nette Begebenheit: Ein Mitarbeiter von Nehlsen, Herr Andreas Pellmann aus Lindenau spendete aus eigenem Antrieb 300€. Er ist für die Bewässerung vieler Bäume verantwortlich und wollte mit seiner Spende die Begrünung unserer Stadt unterstützen.

Gudrun Täubert

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