Editorial

Im Rechenschaftsbericht unserer Jahresmitgliederversammlung im Februar 2024 erwähnte ich u.a., dass „Vorschau & Rückblick“ auch für neue Ideen in der Stadtgesellschaft als Medium zur Verfügung steht. Ein Aufruf kam im letzten Jahr von Chajim Grosser, der das Lößnitzbad aktivieren möchte. Für zwei Personen war das der Anstoß zum Handeln. Zwei Dinge spielen dabei eine große Rolle: 1. Die schlechte Wasserbeschaffenheit – im Sommer verhindert Blaualgenbefall leider regelmäßig in der größten Hitze das kühle Nass zu nutzen – und 2. ein kulinarisches Angebot in der anliegenden Gaststätte. Vielleicht wissen Sie, dass der Betreiber der beliebten „Leibspeiserei“ in Radebeul- Ost auch der Pächter der Badgaststätte ist. Ihm und seiner Mitstreiterin lässt es keine Ruhe, dass das „Lößi“ so wenig genutzt wird. Er weiß, dieses Naturbad war vor Jahren im Hochsommer, vor allem während der Schulferien, der Freizeittreff für sehr viele Besucher. Bei einer Einwohnerzahl von über 30.000 eine angemessene Erholungsoase! Der Umnutzung vom Freibad zum Badesee vor einiger Zeit kann man ja durchaus auch gute Seiten abgewinnen, wenn das mit der Wasserqualität nicht wäre. Aber der Wunsch vom Baden zu allen Zeiten bleibt noch ein Traum. Den zu verwirklichen bedarf es u.a. vieler Mitstreiter, die es zusammenzubringen gilt.
Was schon realisiert werden kann, ist wieder Leben in die Gaststätte zu bringen. Das soll nun im März passieren. Im Veranstaltungskalender unseres Heftes finden Sie, liebe Leserinnen und Leser, Hinweise auf die ersten Veranstaltungen. Bildende Kunst, Musik und Kulinarisches einzeln oder zusammen sind dahin gehend ein Neuanfang.
Ich hoffe, dass viele diese Angebote nutzen werden und neugierig sind, wie es denn im „Lößi“ weitergehen könnte. Engagierte Menschen sind herzlich willkommen, besonders aus Naundorf! Mich als „alte“ Naundorferin freut diese Initiative und ich werde sie unterstützen, das sei schon mal gesagt.

Ilona Rau

10. Thematischer Filmclubabend

Die Filmauswahl korrespondiert im Radebeuler Jubiläumsjahr mit städtisch relevanten Themen. Gezeigt wird am 29. Februar 2024 um 19 Uhr in einem sanierten DDR-Plattenbau (OS Radebeul-Mitte, Wasastraße 21, Neubau) der DEFA-Film „Die Architekten“. Im Anschluss erfolgt ein Gespräch über „Verhinderte, abgerissene und sanierte Plattenbauten in Radebeul“. Eingeladen sind dazu auch Architekten, Ingenieure und Bauarbeiter.

Die Vorlage für den Film „Die Architekten“ entstand 1988, gedreht wurde von 1989 bis 1990. Die Premiere fand am 21. Juni 1990 im Berliner Kino „International“ statt. Die Besucherresonanz war verständlicherweise gering.

Der Film ist ein kritischer Abgesang auf die DDR. Gezeigt wird die „Demontage einer Illusion“. Beschrieben wird das Lebensgefühl einer Generation, die trotz besten Bemühens an den Realitäten scheiterte. Die Botschaft, dass man die DDR von unten her verändern könne, hatte sich mit dem Mauerfall erledigt. Plötzlich war eine neue Zeit angebrochen. Die alten Maßstäbe galten nicht mehr. Die am Film Beteiligten stellten sich die Frage nach dem bisherigen Sinn. Einige Passagen wurden nachgedreht und glücklicherweise wieder verworfen. So blieb der Film in seiner Aussage schlüssig.

Der Regisseur und Drehbuchautor Peter Kahane (geb. 1949) gehörte zu jenen „jungen“ Filmemachern, die sich in einem „Manifest der Nachwuchsgruppe“ gegen die Kulturpolitik der Verhinderung wendeten. Sie begehrten auf gegen Agonie und Gleichgültigkeit. Der Film „Die Architekten“ ist eines der letzten Filmprojekte, die in der DDR realisiert wurden.

Der Hauptdarsteller Kurt Naumann (1948 – 2018) hatte an der Theaterhochschule „Hans Otto“ in Leipzig studiert. Vor und nach dem gesellschaftlichen Umbruch trat er in verschiedenen Theatern auf und wirkte in zahlreichen Filmen mit. Er arbeitete mit Regisseuren wie Castorf und Schlingensief zusammen, spielte an der Seite von Corinna Harfouch und Katrin Saß. In der Rolle des David Brenner im Film „Die Architekten“ beeindruckt er durch ein diffiziles und eindringliches Spiel.

Die Architekten
1989/1990, DDR, DEFA, Gruppe Babelsberg, 102 Minuten, FSK 0

Regie: Peter Kahane; Drehbuch: Thomas Knauf, Peter Kahane;
Musik: Tamás Kahane; Kamera: Andreas Köfer; Besetzung (Auswahl): Kurt Naumann, Rita Feldmeier, Ute Lubosch, Wolfgang Greese, Jörg Schüttauf

Der Architekt Daniel Brenner ist Ende Dreißig. Trotz Bestnoten hatte er bisher nur Busstationen und Telefonhäuschen projektiert. Durch Vermittlung seines ehemaligen Architekturprofessors eröffnen sich für Brenner neue Möglichkeiten. Für ein tristes Berliner Neubaugebiet soll er ein kulturelles Zentrum entwerfen. Brenner nimmt den Auftrag unter der Bedingung an, dass er sich die Mitarbeiter selbst auswählen darf. Doch das Interesse ist verhalten. Ehemalige Kommilitonen befinden sich bereits in der „inneren Emigration“ oder sind in den „Westen“ gegangen. Schließlich kann er einige überzeugen, mitzumachen. Voller Enthusiasmus stürzt sich die Gruppe in die Arbeit. Groß ist die Hoffnung, dass sich die Idealvorstellungen von einem schönen lebendigen Stadtzentrum mit Gaststätten, Geschäften, Kulturstätten, einem Kindergarten und Grünanlagen in die Praxis umsetzen lassen. Doch immer neue Hürden bauen sich auf, das Kollektiv zerfällt und auch Brenners Ehe zerbricht. Seine Frau verlässt mit der Tochter die DDR. Als dann endlich von einer Tribüne aus, mit blumigen Worten der Baubeginn verkündet wird, ist vom ursprünglichen Entwurf nichts mehr übrig. Als Brenner am Abend allein vor der leeren Tribüne sitzt, kippt, kriecht und schließlich im Dreck liegen bleibt, erklingt eine kraftvolle Musikpassage aus Händels „Messias“.

Karin Baum und Michael Heuser
Sprecher der Cineastengruppe „Film Club Mobil“ im Radebeuler Kultur e.V.


Anmerkung: unter Verwendung von verschiedenen Filmbegleitmaterialien und Wikipedia-Eintragungen

Information und Reservierung unter: 0160-1038663

 

Zum Titelbild

Pünktlich zum krönenden Abschluss der Faschingszeit erscheint auf unserem Titelblatt der „Zecher im Weinberg“.

Halb sitzend, halb liegend hingebreitet, den linken Arm hinterm Kopf verschränkt, schwenkt er in der Rechten die Weinflasche, das nur allzu rasch wieder leere Glas erneut zu füllen. Hinter ihm thront der Weinberg.

Mit sparsamen weißen Linien ist die Szene aus der schwarzen Fläche geschnitten. Weiße Flecken – der östliche Himmel überm Berg, die Lagerstatt des Zechers – weisen auf die kommende Zeit des Lichtes hin. Ein liebevolles Detail mildert die grobe Geste unbeherrschten Trinkens: Von weißem Vogel frech beäugt, stellt sich ein schwarzer Kater schlafend.

Der Künstler liebt die stillen Freuden, die gleichwohl immer wieder ungestüm aus ihm herausbrechen. Und er hat den Geist dieser Tage erfaßt: Das Wort „Fasching“ (mhd. „vast-schanc“) bezeichnet den in Strömen fließenden „Fasten-trunk“, womit eine ältere Tradition der Fruchtbarkeitsrituale aufscheint. Das seit dem 17. Jh. gebrauchte Wort „Karneval“ bezeichnet den Abschied vom Fleisch („carne vale“: „Fleisch, lebe wohl“), kann sich aber auch auf den „carrus navalis“ beziehen, den „Schiffskarren“, der anläßlich von Frühlingsumzügen zum Wiederbeginn der Schifffahrt zum Einsatz kam.

Indem Michael Hofmann mit seinen Holzschnitten Geschichten erzählt, greift er auf die Anfänge seiner Kunst zurück. Zu Beginn des 15. Jhs. nämlich kam zunächst das Einzelblatt in Umlauf, bevor sich ab Jahrhundertmitte die Buchkunst durchsetzte, und der Holzschnitt als Mittel zur Illustration in die zweite Reihe trat. (1600)

Thomas Gerlach

Mein Haus – Meine Stadt

Im Jubiläumsjahr 100 Jahre Stadtrecht Radebeul, 100 Jahre Stadtrecht Kötzschenbroda startet die Stadtgalerie im Februar mit einem ungewöhnlichen Projekt. Die Basis bilden Schülerarbeiten des GTA-Kunstunterrichtes an der Oberschule Mitte. Schülerinnen und Schüler formten im Keramikkurs unter der Leitung der Dresdner Künstlerin Roswitha Maul ihre Wohnhäuser. In einem Prozess werden diese durch weitere Schülerarbeiten auf Papier, mit Glas oder bemalten Kartons in Workshops unter der Leitung von Kunstschaffenden u.a. Mechthild Mansel, Roswitha Maul und Maja Nagel ergänzt. Schülerinnen und Schüler setzen sich mit ihrer Stadt, ihrem Umfeld und ihrer Lebenssituation auseinander. Die Galerie wird zum Labor, zur Werkstatt der Fantasie. Dazu sind Grund- und Mittelschülerinnen und -schüler Radebeul herzlich eingeladen.

Vom 27. Februar bis zum 10. März sind die Arbeiten in der Galerie während der üblichen Öffnungszeiten zu besichtigen. Bis dahin wird in den Räumen gearbeitet, denn alle Kunstwerke sollen vor Ort entstehen. Start ist der 6. Februar. Mit einer Finissage am 6. März, 17.00 Uhr wird die Projektarbeit feierlich beendet.

Alexander Lange

Editorial

Die Großbaustelle auf der Meißner Straße stellt für Autofahrer seit vielen Wochen eine große Herausforderung dar. Insbesondere die Anwohner der Goethe-, Freiligrath-, Marien- und oberen Hauptstraße haben mit den Belastungen des völlig überdurchschnittlichen Verkehrsaufkommens zu kämpfen.

An dieser Stelle sei lobend OB Bert Wendsche erwähnt, der im Neujahrsgruß des Amtsblatts den Anwohnern ausdrücklich Respekt zollte und sich für das Verständnis bedankte!

Keine Empathie zeigt hingegen, allen Widrigkeiten zum Trotz, das Ordnungsamt! Damit sei auf ein Ereignis in eigener Sache im Herbst verwiesen: Stellen Sie sich vor, es ist Freitag, Markttag. Da ist selbst für Anwohner vor der Haustür kein Parkplatz zu finden. Nach ergebnislosem Suchen hielt ich, aufgrund der beengten Straße, halb auf dem Gehweg vor der eigenen Tür!, um einige Sachen für eine anstehende Trauerfeier einzuladen. Wenig später prankte ein Strafzettel an der Windschutzscheibe (55€!). Dem Amtsleiter des Ordnungsamtes teilte ich schriftlich unverzüglich den Sachverhalt mit und bat um Verständnis aufgrund der schwierigen Verkehrslage und außerordentlichen Umstände. Doch die Antwort war von praxisfernen, wie wohlfeilen Maßregelungen geprägt und ließ keine Milde walten. Frei nach dem Motto: „Vom sichern Port lässt sichs gemächlich raten!“

Für die von mir eingesandten Bilder von geschädigten parkenden Autos, die von verzweifelten Autofahren an Laternen angebracht wurden, mit der Bitte um Kenntnisnahme, erhielt ich keinerlei Resonanz. Der Amtsleiter macht hier keine gute Figur, die behördliche Bürgerferne ist skandalös! Abkassieren allein reicht nicht!

Zudem ist es nunmehr geboten, den Zustand der beschriebenen Straßen von den verantwortlichen Instanzen unverzüglich in Augenschein zu nehmen! Sie haben durch den immensen Verkehr und Frost sehr gelitten. (hier besonders: Abzweig Haupt-, Goethestraße.)

Wer haftet hier eigentlich bei Fahrzeugschäden?

Sascha Graedtke

Mit Stephan Krawczyk poetisch durch das Jahr

Radebeuler Miniaturen

Feuerfest

Die Kellnerin, die Kathi, hat schon die Hand am Zapfhahn, wie ich pünktlich mit Glockenschlag in den Gastraum trete. Mit dem bezauberndsten Lächeln dessen sie fähig ist, stellt sie das Frischgezapfte vor mir auf den Tresen.

Danke, sag ich, das hab ich jetzt bitter nötig.

Mit gespielter Neugier schaut sie mich an. Im Ernst, sag ich, wir brauchen eine neue Heizung.

Ach du Sch…reck, entfährt es ihr, nun wirklich betroffen, da wirst du dir bald kein Bier mehr leisten können, jedenfalls nicht bei mir …

Naja, sag ich, so schlimm wird’s wohl nicht werden, die Versicherung könnte dabei sein, wenigstens anteilig, denke ich mir.

Ich nehme einen tiefen Zug aus dem Glas. Nur rede schon, wird die Kathi ungeduldig, jetzt will ich alles wissen!

Also dann hör zu: Eines schönen Tages erhalte ich einen Anruf, in dem mir eine fremde Stimme mitteilt, mein Geld sei in Gefahr. Ich weiß, hab ich gesagt, das ist es in diesen Tagen immer, besonders vor Weihnachten. Nein, sagt er, er wäre nicht der Weihnachtsmann, sondern von der Sparkasse, und ich solle ihm doch sicherheitshalber ein paar sensible Daten rüberreichen. Wozu, frag ich, ich hab mein Geld gar nicht bei der Kasse, sondern in einer feuerfesten Kiste im Brennraum meiner Gasheizung. Keine Ahnung, ob der am anderen Ende die Schnauze überhaupt wieder zubekommen hat. Jedenfalls war die Angelegenheit für mich erledigt.

Gestern waren wir dann im Kino, und heute früh sagt Ulrike, ich solle mal nachsehen, die Heizung wäre kalt, und das ist ja bei dem Wetter nicht der Sinn dieser Einrichtung. Ich geh also runter, und da haben wir die Bescherung: Alles kaputt: die komplette Verkleidung weg, abgeruppt, kannste sagen, alles verbogen und verdreht…

Und dein Geld? Die Kathi ist ganz aufgeregt.

War natürlich nicht im Brennraum, ich verrate denen doch nicht meine Verstecke – möchte nicht wissen, wie die geflucht haben …

Und wie nun weiter?

Naja, großer Bahnhof eben. Polizei, Versicherung, Protokolle … und jetzt muß ich sehen, wie ich zu einer neuen Heizung komme, und zwar schnell, denn es ist kalt, jedenfalls behauptet das Ulrike.

Dann zum Wohl, sagt die Kathi, und stellt mir ein frisches Glas hin.

Später reiche ich ihr zum Abschied einen Schein übern Tresen.

Wieso issn der so schwarz, will die Kathi wissen.

Ruß, sag ich, das ist Ruß. Ich habs doch im Schornstein verborgen, mein Geld, direkt neben der Heizung, da fliegt manchmal welcher drin rum – mußt’e einfach abwischen …

Thomas Gerlach

Die Glosse

Das kann ja lustig werden

Nun sind schon 31 Tage ins Radebeuler Land gegangen, aber viel war bisher nicht in dem glamourösen Festjahr los, sieht man mal von dieser bürgerlichen Selbstermächtigung am Grenzweg Kötzschenbroda-Niederlößnitz ab. Selbst im Januarheft von Vorschau & Rückblick wird im Terminteil noch keine einzige Veranstaltung angekündigt, die ausschließlich unter den Stern des Jubeljahres gestellt war.

Was ist nur los mit den Radebeulern? Haben sie den Start verschlafen? Oder wollen sie am Ende gar nicht?! Das wäre ja ein starker Tobak: die Stadtverwaltung ruft ein Festjahr aus und die Einwohner verschanzen sich in ihren Wohnungen und hinter hohen Mauern. Ja, Mauern sind überreichlich in Radebeul vorhanden – ums Grundstück und in den Köpfen! Das hat die jüngste Vergangenheit zur Genüge bewiesen. Da will ich jetzt nicht wieder die alten Geschichten aufwärmen. Oder klemmt da vielleicht gar noch der alte Geist von vor über 40 Jahren dazwischen, als angeblich alle nur auf Anweisung gehandelt haben? Das kann ich mir nicht vorstellen. Die Radebeuler sind doch sonst ganz pfiffig, wenn auch etwas hintergründig. Wenn die nicht rausgucken wollen, verschwinden sie einfach hinter ihren Mauern. Weg iss‘er, der Radebeuler!

Dabei hätte ich mir gleich zu Beginn so einen richtigen Paukenschlag gewünscht mit Tschingbum und Trara, der die Radebeuler aus ihren Behausungen und Mauern hervorlockt. Aber bei der kleinen Truppe am Grenzweg haben eben nur die Sektkorken geknallt und keine Böller. Wen wundert es da, dass keiner aufgewacht ist.

Aber vielleicht ist es tatsächlich noch immer so, dass die „Ost-Memmen“ nur auf Anweisung handeln. Und der offizielle Start, das muss man ehrlich einräumen, ist noch nicht erfolgt. Es wird gemunkelt, dass er am 26. Januar zum Neujahrsempfang vom Oberbürgermeister höchst persönlich verkündet wurde. Aber genaugenommen kann ich darüber noch überhaupt nichts wissen, da mein Text schon am 15. Januar in der Redaktion sein musste. Also liebe Leser, sehen sie es mir nach: Alle Angaben ohne „Gewehr“. – Ist vielleicht auch besser so in diesen besch… Zeiten.

Aber ganz kann meine Vermutung mit den „Ost-Memmen“ nun auch wieder nicht stimmen, denn so viele Ossis können wir in Radebeul wiederum gar nicht mehr haben bei dem großen Bevölkerungsaustausch seit 1990.

Wie es denn auch sei, werde ich mir wohl zum Fest so meinen eigenen Reim machen müssen. Der beste Spaß ist ohnehin der, den man sich selber macht. Und da könnte ich mir eine Menge vorstellen. Also, was uns zum Beispiel in Radebeul noch fehlt, sind schöne Blümchenwiesen. Vor einige Zeit war ich in einer Stadt, die hatte gefühlt mehr Blümchenwiesen als Häuser. So muss es ja für Radebeul nicht gleich werden. Aber eine schöne Blümchenwiese, wie die gegenüber den Landesbühnen, reicht halt nicht aus. Ich bin dafür, dass jeder Stadtteil eine Blümchenwiese erhalten sollte. Für Radebeul-West – oder sollte ich lieber Kötzschenbroda schreiben? – sehen die Chancen gar nicht so schlecht aus. In absehbarer Zeit wird eh der Bahnhof zusammenfallen, wenn es so weitergeht wie bisher. Na und, für die Niederlößnitz wird sich doch noch eine Villa finden lassen… Notfalls kann man ja die Bewohner umsiedeln. Und wenn das ehemalige Rathaus verkauft oder vermietet wird, ist das ja auch so gut wie abgerissen. Und stehen nicht noch in der Oberlößnitz irgendein alter Plattenbau rum…? Also, zu tun gibt es da noch viel.

Das Schöne daran ist auch, dass dann die Radebeuler in freiwilligen Aufbaustunden zu Ehren des 100. Jahrestages der Verleihung des Stadtrechtes an Kötzschenbroda und Radebeul eine Blümchenwiese anlegen könnten. Vielleicht finden sich noch andere brauchbare Flächen dafür. Das hätte dann auch den Vorteil, dass die Stadt und ihre Bewohner vor weiteren unschönen Neubauten verschont bleiben würden, wenn dem schon die Bausatzung keinen Einhalt gebieten kann.

Früher wurden bei solchen Festen von der Behörde Fahnen ausgegeben und Winkelemente. Später war das nicht mehr nötig, da jeder bewusste Staatsbürger sein eigenes Fahnenset hatte. Aber vielleicht enthält ja das Festprogramm, welches Ende Januar als Broschüre vorliegen soll, entsprechende Gestaltungshinweise für Wohnungen und Häuser. Wie heißt es doch immer zu solchen Anlässen: Die Stadt hat ihr Festkleid angelegt! Da bin ich nun mal gespannt, was sich das Festkomitee (?) hat einfallen lassen. Die Bürger jedenfalls sollten auf eigene Ideen nicht verzichten, meint,

Euer Motzi

Leserzuschrift

In der Dezemberausgabe 23 hat mir der Beitrag von Karin Baum – Kultur-Kraftwerk – sehr gut gefallen. Dazu meine Anmerkung.

Der erste Absatz beginnt mit:“ Gemeint ist mit Kraftwerk, kein Windrad und auch kein Solarmodul. Gemeint ist die eigene, kreative Kraft ……“ In diesem kleinen Absatz steckt für mich viel Lebensweisheit, welche ich anderswo vermisse. Nicht unser Verstand, unsere Kraft, die eigene Meinung, die uns angeborene Kreativität, unser Improvisationstalent, unser Zusammenhalt sind gefragt, nein, einige Mitglieder einer gut versorgten Generation, möchte uns vorschreiben, wie wir unser Leben und das unserer Kinder und Enkel ab jetzt und in Zukunft zu gestalten haben und das möglichst bis ins kleinste Detail mit gleichzeitiger Androhung von Sanktionen.

Ich denke, mit Druck kann man keine gemeinsame, nachhaltige Zukunft gestalten. Der Lebensschatz älterer Generationen und wissenschaftliche Erkenntnisse sollten offen kommuniziert und erklärt werden, Ehrlichkeit und Vertrauen wieder ihren Stellenwert erhalten.

Frank Michael

Aus der Serie schreibender Senioren

Stammtischgeflüster

Was sind Sie von Beruf?
Tischler
Bau- oder Möbel?
Stamm.

Zugegeben, ein uralter Witz, aber was für das Recycling von Papier, also gelesenen V&R-Exemplaren gilt, funktioniert vielleicht auch bei Witzen. Wer neuere hören will, gehe zum Stammtisch. Nur, zu welchem? Ich kenne in unserem Karl May-Dorf keinen. Auf dem richtigen Dorf gab es früher in jedem Gasthaus, in einer der Zapfanlage nächstgelegenen Ecke, einen solchen. Unter der spärlich beleuchteten Tischplatte hing ein Brett aus deutscher Eiche mit dem unverständlichen Spruch: „Dosi zende deo iwe idosi zen“, gesehen im Bayrischen Wald. Übersetzung: Da sitzen die, die immer da sitzen. Mit dem zweiten oder bereits fünften Glas Bier in der Hand, schwadronieren die Stamm-Tischler über die Dorf- und Weltlage im Allgemeinen sowie im Speziellen und ab dem siebten Glas verliert Konrad seine Schüchternheit und gibt zotige Witze zum Besten.

„Brauchen wir nicht. Wozu haben wir das Internet und die Echokammern der sozialen Medien!“ Ich habe es mal auf Facebook versucht, schon um mit den damals minderjährigen Kindern mithalten zu können. Doch bald hatte ich die Fotos von Katzen und Essenstellern satt und ließ meinen Account sanft entschlafen. Als seit einem halben Jahrhundert quer Glotzender finde ich das Bildangebot von Instagram und TikTok, nach einem Hinein-Schnuppern, irgendwie, wie soll ich sagen? Arm, das trifft es für mich am besten. „Ben Hur“ oder „Paul und Paula“ kann ich mir nur 16:9 vorstellen, lieber noch in Cinemascope, aber niemals im Hochformat.

Das Fotografier- und Filmverhalten, ich sah es in den jüngsten Urläuben, hat sich komplett gewandelt. Noch vor zehn Jahren passte ich an touristischen Hotspots auf wie ein Schießhund, damit ich keinem anderen Urlauber in die bildgebende Schusslinie laufe. Der Fauxpas kann mir heute nicht mehr unterlaufen, denn 98 Prozent fotografieren sich nur noch selbst. Andererseits, das muss ich an der Stelle einräumen, habe ich unlängst einige tausend geerbter Dias entsorgt: Landschaftsbilder! Aufhebenswert erschienen mir nur jene Hinterglas-Positive mit Personen darauf. „Tante Hilde beim Eis-Essen; die ist auch schon wieder 33 Jahre tot.“ Insofern liegt die Insta-Generation vielleicht gar nicht so falsch. Aber wieso hat uns der Schöpfer die Augen nebeneinander angeordnet? Der muss sich doch etwas dabei gedacht haben!

So etwas würde ich gerne an einem Stammtisch diskutieren. Wobei, mehr als zwei Biere schaffe ich nicht mehr. Das hätte immerhin den Vorteil, dass ich mir von irgend-einem Konrad nach dessen Siebtem keine zotigen Witze anhören müsste.

Burkhard Zscheischler

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