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Mit Thomas Rosenlöcher poetisch durch das Jahr
So., 1. Dez.. 2019 – 00:07
18. Bauherrenpreises der Großen Kreisstadt Radebeul 2019
So., 1. Dez.. 2019 – 00:06
Am 15. November 2019 wurde durch die Stadt Radebeul und den Verein für Denkmalpflege und Neues Bauen Radebeul e.V. zum nunmehr achtzehnten Mal der Bauherrenpreis der Großen Kreisstadt Radebeul verliehen. 21 Einreichungen in den drei ausgeschriebenen Kategorien Garten- und Freiflächengestaltung, Denkmalpflege und Sanierung sowie Neues Bauen sorgten für die notwendige Spannung und intensive Diskussion in drei Jurysitzungen; sie werden auch langfristig optisch unsere Stadt bereichern. Damit konnten in der Stadt seit 1997 nunmehr 81 Objekte mit der begehrten Plakette ausgezeichnet werden.
Festzuhalten bleibt, dass über die Jahre hinweg immer nur sehr wenig Gärten und Freiflächen eingereicht werden, diesmal wieder nur zwei. Unser Selbstbild ist doch aber gerade (noch??) ein anderes: wir sehen unsere Stadt als Villen- und Gartenstadt; die Villen benötigen geradezu einen angemessenen Garten, sonst wären es keine. Oder wird Radebeul sukzessive eine Stadt der Ein- und Zweifamilienhäuser, der Doppelhaushälften und der sog. Stadtvillen? Auch die Freiflächen, im engeren Sinne die gestalteten Plätze, geben unserer Stadt erst ihr Flair. Hier ist aber erkennbar, dass sich Verwaltung und Bürger gleichermaßen um diese wichtigen Zäsuren bemühen, das öffentliche Bewußtsein dafür sehr ausgeprägt ist. Viel wurde schon geschafft: sei es der Robert-Werner-Platz, die Anger in Zitzschewig und Naundorf, der Fontänenplatz, der Platanenplatz, der Bilzplatz, der Rosa-Luxemburg-Platz und nunmehr der Karl-May-Hain. Fehlt zukünftig noch der Ziller-Platz; hier ist dringender Handlungsbedarf geboten.
Wenn mit den Gärten und Freiflächen die Lunge Radebeuls angesprochen ist, so dann mit der Kategorie Denkmalpflege und Sanierung das Herz unserer Stadt; diesmal waren es 15 Einreichungen, so dass sich die Jury entschloss, in dieser Kategorie je einen Preis für sanierte Altbausubstanz und einen für die fachgerechte Denkmalsanierung zu vergeben. Unser Festredner, Landeskonservator a. D. Prof. Dr. Heinrich Magirus, ging auf den Wert dieser historischen Bausubstanz eindringlich ein und machte deutlich, dass von diesen – und nicht von Neubauquadern – etwas in die Seele der Anwohner und im positiven Sinne Flaneure zurückwirkt. Diesen stadtbildprägenden Wert nahm auch die Jury in ihren Diskussionen auf. Überhaupt greifen die Diskussionen in der Jury naturgemäß immer weiter als nur auf die einzelnen Baulichkeiten. Nicht zuletzt merkt man den Diskussionen ihre Befreiung von den sonstigen rechtlichen Zwängen an, die manchmal gleich Denkgrenzen markiere. Die inhaltlichen Ideen und fachlichen Hinweise der Jury sollten für die Verwaltung und den Stadtentwicklungsausschuß nutzbar gemacht werden.
Am meisten verändern unsere Stadt natürlich die Neubauten, von denen 4 Objekte eingereicht wurden. Neubauten allgemein sind daher auch Schwerpunkt bei der Beurteilung der Stadtentwicklung, sie geben Hinweise auf Rücksichtslosigkeit gegenüber der gewachsenen Stadt oder den Willen zur Einfügung (nach Größe usw.) und auch dem Einpassen, was nichts anderes meint als der Suche nach Harmonie mit dem hier Vorhandenen. Ein Neubau kann schön sein – und doch den Straßencharakter zerstören. Er muss auch nicht historisieren. Schwer ist immer das „richtige“ Maß, für das es auch gar keinen für jedermann gleichermaßen fassbaren Rahmen gibt. Neues Bauen ist weder Kopie noch purer Selbstzweck mit sich als alleinigem Maß; es positioniert sich, fügt sich ein, anerkennt die Umgebung und respektiert Natur und Nachbarn. Es gilt, dies wurde in letzter Zeit deutlich, den „erhalt des besonderen Charakters der Stadt Radebeul“ klarer in Worte und Handlungen zu übersetzen. Denn wie zitierte Gabriele Schirmer nicht Winston Churchill: „Wir formen unsere Gebäude, danach formen sie uns.“
Zur Preisverleihung konnte das Vorstandsmitglied der Sparkasse, Herr Daniel Höhn, rund 150 Besucher, darunter Oberbürgermeister Bert Wendsche, in den Räumen der Sparkasse Radebeul West begrüßen. Die Sparkasse hatte darüber hinaus, wie schon in den letzten Jahren, freundlicherweise dafür gesorgt, dass alle Gäste in angenehmer Atmosphäre bei kleinen Snacks und anregenden Getränken zu ebensolchen Gesprächen über Baukultur und mehr verweilen konnten. Ein Grußwort sprach Dr. Jörg Müller, 1. Bürgermeister der Großen Kreisstadt Radebeul, der nicht zuletzt die notwendigen Erhaltungssatzungen für die Ober- und Niederlößnitz in den Blick nahm.
Innerhalb der zwei Ausstellungswochen in der Sparkasse Radebeul-West bis zur Preisverleihung hatten diesmal sage und schreibe 318 Bürger (!) wieder von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, ihren Publikumsfavoriten zu wählen. Der Entscheidung der Jury (drei Vertreter der Stadtverwaltung, drei Vertreter des Stadtrates und sechs Vertreter des Vereins), die kein reines Fachgremium ist und in einem geheimen Wahlgang entscheidet, wurde damit die öffentliche Meinung gegenübergestellt.
In der Kategorie „Denkmalpflege und Sanierung“ gab es 15 Vorschläge und einen geteilten Preis. Der Bauherrenpreis für die Denkmalpflege ging an das Kyauhaus Wettinstraße 2, der für Sanierung von Altbausubstanz ohne Denkmaleigenschaft an die Johannisbergstraße 5 in Naundorf, die zugleich den Publikumspreis in dieser Kategorie erhielt. Die Laudatoren (Denkmalpflege Andre Schröder, Sanierung Robert Bialek, Neues Bauen Gabriele Schirmer, Gärten Dr. Grit Heinrich/Jürgen Tauchert; die jeweilige Laudatio bildet auch die Grundlage für die vier kurzen Objektbeschreibungen) würdigten in fundierten Beschreibungen die Objekte und machten deutlich, warum gerade diese den Preis erhielten.
In der Kategorie „Neues Bauen“ gewann von den vier Einreichungen das neue Gemeindehaus der Lutherkirchgemeinde. Der Publikumspreis ging dagegen an die Obere Bergstraße 81.
In der Kategorie „Freiflächengestaltung“ musste aus diesmal nur zwei Objekten ausgewählt werden, die zudem ganz unterschiedlich in ihrer Ausdehnung und Anspruch sind. Hier entschied sich die Jury für den Karl-May-Hain, das Publikum hingegen sprach den Preis mit jeweils 276 Stimmen beiden Objekten zu.
Der Verein wird in 2020 wieder einen Stadtspaziergang zu verschiedenen Preisträgern anbieten, immer in der Hoffnung, bei Bauwilligen somit das Bewusstsein zu schärfen, was für Radebeul passt. Wir bedanken uns bei allen Mitwirkenden – ob Bauherr, Einreicher, Jurymitglied, Sponsor oder interessierter Bürger; ebenso bei der Druckerei Krause für die Einladungen und beim Grafiker Matthias Kratschmer, der wie gewohnt für die Urkunden, Plakate und Plaketten verantwortlich zeichnete. Wir gratulieren allen Preisträgern und bedanken uns für die großzügige Unterstützung der Sparkasse Meißen.
Dr. Jens Baumann
Kategorie Neues Bauen
Bereits seit Ende der 1990 Jahre suchte die Lutherkirchgemeinde nach räumlichen Erweiterungsmöglichkeiten für ihre Gemeindearbeit. Den Architekturwettbewerb entschied das Büro knoche_architekten aus Leipzig für sich. Ausgezeichnet werden konnte nunmehr ein rechteckiger langgestreckte Baukörper, der gemäß der denkmalpflegerischen Vorgaben als Baustein zwischen Kriegerdenkmal, Lutherkirche und der südlichen Bebauung des Grundstücks eingeordnet wurde. Als Knotenpunkt vermittelt er zwischen der Kirche als Andachtsraum sowie den Pfarrhäusern als Sitz der Verwaltung. Das neue Kirchgemeindehaus bindet in das nach Süden abfallende Gelände ein, tritt als Volumen zurück und belässt der Lutherkirche ihre Wirkung als Solitär. Außenwände aus farblich auf die Fassadenfarben der Kirche abgestimmtem Ziegelmauerwerk und große, einheitlich gegliederte Glasfronten prägen das ruhige, ausgewogene äußere Erscheinungsbild. Vor dem zurückgesetzten südlichen Eingang wurde ein überdachter Vorplatz geschaffen; unter der als Umgang und auch Fuge zwischen Alt und Neu dienenden Außentreppe verläuft die geschickte barrierefreie Anbindung des Neubaus an das Kirchenschiff. Betritt man das neue Gemeindehaus, ist man erstaunt über die klare Gliederung und das von außen so nicht vermutete großzügige Platzangebot. Auch hier wirkt die Reduktion der Materialien auf Putz, Estrich, Holz und Glas wertig und angenehm zurückhaltend. Es ist ein in sich schlüssiges Gebäude entstanden, das in seiner langlebigen, fein austarierten Formen- und Materialsprache beispielgebend nicht nur für Radebeul ist.
Kategorie Denkmalpflege
Als vor knapp 20 Jahren die Bebauung des Dichterviertels begann, gab es noch einenfantastischen Blick von der Karl-Marx-Straße über das Feld zur Jungen Heide und einigen Häusern unterhalb der Berge der Oberlössnitz. Ein Haus hob sich schon damals besonders hervor mit seinem hellen Anstrich, dem steilen Walmdach, mit den in zwei Reihen übereinanderliegenden Schleppgauben und dem hohen Schornstein. Im Volksmund heißt es „Kyau-Haus“; obwohl gerade diesem Bauherrn, dem Königsteiner Festungskommandanten Friedrich Wilhelm von Kyaw (1654 – 1733) aus oberlausitzschen Uradelsgeschlecht, der Besitz nicht nachgewiesen werden kann. Nachgewiesen als Besitzer ist hingegen der Architekt Samuel Locke (1710 – 1793). Er übernahm das Weingut in der Oberlößnitz 1754 käuflich. Ende 2014 wurde das historisch bedeutsame Haus durch die Herren Jacob Reichstein und Jens Güldemann käuflich erworben. Fachwerk musste ausgewechselt werden, Zwischenwände und Deckenverkleidungen wurden entfernt, die Kellertonne freigelegt, insgesamt fielen 20 Container Bauschutt an. Nun gibt es 80 Seiten Befunderhebung, barocke und junge Wandmalereien wurden aufgespürt. Das nun wiederhergestellte Treppenhaus und der restaurierte Festsaal mit dem Stuck und Deckenmalereien spiegeln den Sächsischen Barock zu Lockes Zeiten wider. Der ehemals stark renovierungsbedürftige Zustand des Gebäudes wurde im Sinne des Denkmalschutzes mit viel Liebe, Sorgfalt und Sachkenntnis in allen Bereichen saniert. Nun gilt es Danke zu sagen.
Kategorie Sanierung Altbausubstanz (ohne Denkmaleigenschaft)
Als Zweifamilienhaus 1899 in einer für Naundorf in jener Zeit nicht untypischen Weise gebaut, wurde das Gebäude Johannisbergstraße 5 im Jahr 2007 von Familie Jentzsch in heruntergewirtschaftetem Zustand erworben und im letzten Jahrzehnt durch die Eigentümer mit hohem Aufwand und der heutigen Wohnnutzung entsprechend instandgesetzt. Beauftragte Handwerker aus der Region haben mit Hand angelegt. Der zur Straße hin traufständige Bau mit Mittelrisalith incl. Giebeldreieck trägt schlichte klassizistische Züge des 19. Jahrhunderts. Es handelt sich um einen teilunterkellerten zweigeschossigen Putzbau mit Bruchsteinsockel und schieferähnlichem Prefa-Dach. Nebengebäude und die historisierende Einfriedung ergänzen das Grundstück. In der Denkmalliste von Radebeul ist kein Eintrag vorhanden, was die Bauherren aber nicht davon abgehalten hat, viele Details an der Fassade und im Inneren des Hauses wieder zu rekonstruieren oder zu restaurieren. Dachdeckung, Gesimse, Glattputz, Putzzierrat, zurückhaltende Farbgebung, liebevoll geschliffene und reparierte Sandsteingewände der Fenster und Türen und der sanierte Bruchsteinsockel geben dem Haus wieder seinen vornehm-schönen Charakter zurück. Dieser wird durch das wieder bepflanzte Weinspalier an der Straßenfassade in hervorragender Weise ergänzt. Im Inneren des Hauses sind besonders die wieder sehenswert aufgearbeitete Bestandsdielung der Fußböden und die restaurierten Wohnungs- und Eingangstüren mit ihren dazugehörigen Kastenschlössern, Beschlägen und originalen Verglasungen hervorzuheben. Die Einfriedung entlang der Straße trägt durch die gut sanierten Bruchsteinmauerenden, den Holzzaun aus Lärche und die dem Original nachempfundenen Betonsäulen zum guten Sanierungserfolg bei. Insgesamt ein nachahmenswertes Beispiel für eine Altbausanierung!
Kategorie Gärten und Freiflächengestaltung
Der Karl-May-Verein legte 1932 zu Ehren des Schriftstellers den Karl-May-Hain an. 1992 wurde dieser als öffentliche Parkanlage umgestaltet und 2017 / 2018 im Auftrag der Stadtverwaltung Radebeul durch das Büro Rehwaldt Landschaftsarchitekten und den Holzdesigner Alexander Fromme attraktiv aufgewertet und erweitert. Die ursprüngliche Anlage wurde in Teilbereichen saniert und durch punktuelle Eingriffe attraktiver gestaltet. So wurden die Wegeführung überarbeitet, die Pflanzungen ergänzt und der Bestand behutsam denkmalgerecht erhalten. Schwerpunkt war die mit der Erneuerung der Wassertechnik verbundene Sanierung der Wasserläufe sowie der Wasserbecken des Silber- und des Herzsees. Wie die fünf Kontinente, über die Karl May schrieb, fließen jetzt nach ca. 50 Jahren wieder fünf Bachläufe. Die Erweiterung der Parkanlage erfolgte in östlicher Richtung in Form eines Spiel- und Erlebnisbereiches für die jüngeren Besucher des Karl-May-Museums. Karl Mays Buchthemen sind für die Kinder lebhaft und plastisch umgesetzt. Vom Silbersee zieht die Karawane in die Wüsten Arabiens, dem Schauplatz der Abenteuer Kara Ben Nemsis. Da tummeln sich gelbbraune Kamele zum Schaukeln und Wippen, goldgelbe Dünen und Schluchten sind zu erkunden, rote Berge und eine goldene Wüstenstadt leuchten im Hintergrund, kräftig grüne Kakteen laden zum Klettern ein. Es gibt Hinterhalte, Rutsch-, Balancier- und Hangelmöglichkeiten, eine Schatzhöhle uvm. Und manchmal ist es auch heiß wie in der Wüste. Die Erweiterung mit den bespielbaren Holzkonstruktionen und mit Bänken und Tischen in erfrischendem Outfit ist nicht nur für die kleinen Besucher und Fans des Karl-May-Museums attraktiv, sondern auch für die umliegenden Anwohner und Kitas ist die Anlage ein Gewinn. Der denkmalgeschützte Pavillon wurde als öffentliches WC umgenutzt; auch dies ist wichtig und nicht zuletzt für die Pflanzen im Park ein Gewinn. Durch die Wegverbindung zur Schildenstraße konnte der vormalige „Sackgassen“-Charakter des Parks aufgelöst werden. Die Anlage ist gestalterisch, museumspädagogisch, qualitativ und funktionell sehr gut gelungen und eine bespielgebende Bereicherung unserer Freianlagen – abseits einfacher Standardlösungen.
Buchempfehlung
So., 1. Dez.. 2019 – 00:06
„Ein Weingut in der Oberlößnitz. Seine Geschichte und Geschichten“
In Radebeul gibt es Häuser die einem kaum entgehen können. Ein solches ist insbesondere das zauberhafte Gebäudeensemble mit dem Meinholdschen Turmhaus und dem im Osten angrenzenden wohlproportionierten Landhaus. Das heute denkmalpflegerisch vorbildhaft sanierte Anwesen ziert zahlreiche Reiseführer und ist ein gern zitiertes Markenzeichen von Radebeul. Das heutige Weingut, gepaart mit Schloss Hoflößnitz und dem bekrönenden Spitzhaus, die allesamt von malerischen Weinterrassen großzügig umsäumt werden, bilden im kongenialen räumlichen Zusammenspiel das Herzstück, vielleicht sogar die Seele unserer Stadt.
Die langjährige Eigentümerin Elisabeth Aust, die mit ihrem viel zu früh verstorbenen Mann Ulrich Aust bereits seit Ende der 60er Jahre mit dem Objekt Schritt für Schritt verbunden war, gibt mit ihrer jetzt erschienenen „Hausdokumentation“, fußend auf der einstigen Archivarin des Grundstücks Helene Flockemann, einen äußerst persönlichen Einblick in die mühseligen und aufopferungsvollen Jahre der Bewahrung eines einst im Verfall begriffenen Kleinods.
Mit einem Architekten und einer Restauratorin fiel das Grundstück im Zusammenwirken von hoffnungslosem Idealismus und fachlichem Sachverstand wohl noch zur rechten Zeit in die richtigen Hände. Detailreich schildert die Autorin die teils abenteuerlichen Entdeckungen und Überraschungen bei den nicht enden wollenden Baumaßnahmen. Zudem war der Baustoffmangel und die Behördenwillkür eine weitere Front die es zu bezwingen galt.
Nach der Wende boten sich nun ganz neue Möglichkeiten. Elisabeth Aust beschreibt die Begebenheiten und Wirrnisse der Nachwendezeit und erfüllte sich schließlich den Wunsch einer eigenen Restaurierungswerkstatt im Grundstück, während ihre drei Kinder ihre berufliche Entwicklung verfolgten. Schließlich fanden alle im künstlerischen Handwerk ihr Zuhause.
Mit der Entscheidung des jüngsten Sohnes Karl Friedrich Aust ein Weingut aufzubauen, fand das Anwesen schließlich eine gesicherte wirtschaftliche Perspektive und ist wieder dort angelangt, wo es vor vielen Generationen seinen Anfang nahm.
Heute ist das Weingut mit Weinstube ein lebendiger Ort der Begegnung für Weinfreunde und Kulturliebhaber geworden.
Elisabeth Aust hat mit ihrem Buch der Stadt ein überaus anerkennenswertes Geschenk gemacht und sich nicht zuletzt selbst ein schönes Denkmal gesetzt.
Sascha Graedtke
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Das quadratische Buch, erschienen im Thomas Helms Verlag umfasst 160 Seiten, ist reich bebildert und ist für 24,80€ zu erwerben.
Zum 70. Geburtstag von Ingrid Zeidler
So., 1. Dez.. 2019 – 00:05
„Sybillen zwischen heidnischer Weissagung und christlicher Prophetie“ – So hieß vor 20 Jahren eine Ausstellung im Weinbaumuseum Hoflößnitz. Die Kuratorin dieser Ausstellung war Ingrid Zeidler, Museumsleiterin von 1981 bis 2009.
Die selbstbewusste Visionärin feierte im November 2019 ihren 70. Geburtstag.
Radebeul ist ihr Geburtsort und war lange Zeit ihr privater und beruflicher Lebensraum.
In Diesbar-Seußlitz führte sie gemeinsam mit ihrem Lebenspartner Ronald nach 2009 ein kleines Café. Ein Rückzugsort war das für sie nicht gewesen. Bis heute kümmert sie sich mit Freunden und Seußlitzern ehrenamtlich um das Schloss und die Parkanlage.
Ich lernte Ingrid 1972 an der Schule Oberlößnitz in Radebeul kennen. Dort war sie Lehrerin für Deutsch und Geschichte. Kurz danach wechselte sie als Assistentin im Wissenschaftsbereich „Alte Geschichte“ an die Pädagogische Hochschule Dresden. Mit Hochachtung und Begeisterung erzählt sie noch heute von ihrem Mentor Dr. Gerhard Billig, den sie auch zu Ausgrabungen in Wermsdorf begleitete. Er war es, der ihr Mut machte, ihren eigenen Lebensweg zu finden und zu gehen.
Zu ihren Vorbildern zählt auch der Puppenspieler Carl Schröder, den sie in den 80er Jahren kennenlernte. Seine einfache, kreative und herzliche Lebensart wurden zum Bestandteil ihrer Suche nach dem, was sie in ihrem Leben möchte.
1981 löst Ingrid Zeidler die damalige Museumsleiterin der Hoflößnitz Frau Dahms ab und beginnt 1984 ein externes Studium der Museologie in Leipzig.
Zu DDR-Zeiten wurde die Hoflößnitz zum Treffpunkt vieler Künstler. Es war auch eine Zeit, in der sich Familien zu Festen und Spielen in der Anlage treffen. Noch heute schwärmen meine Kinder von der angenehmen Atmosphäre die damals herrschte.
Restaurierungsarbeiten im Schloss, mit gleichzeitiger Ausstellungsarbeit und der Erstellung einer neuen Konzeption zum Weinbau kennzeichnen den damaligen Arbeitsumfang der Museumsleiterin.
Interessante Kontakte zu Gunter Herrmann und seiner Familie, zu Prof. Dr. Magirius, Ralf Kerbach und der Familie Aust sind inspirierend und für ihre Arbeit gewinnbringend.
Bereits vor der Stiftungsgründung 1996 zum Weingutmuseum Hoflößnitz erstellt Ingrid Zeidler eine 1. Konzeption zum ökologischen Weinbau in der Region. Geschäftsführer des neuen Weingutes war Gerhard Roth aus Franken. Klaus Vogel übernahm den Vorsitz der Stiftung und Frau Zeidler bleibt Museumsleiterin.
Die ständige Ausstellung zum historischen Weinbau in Sachsen wird neu überarbeitet. Wichtige Mitarbeiter sind Elisabeth Aust, Mathias Blumhagen und Maik Huth.
Im Jahr 1998 ist das Gesamtkonzept der Hoflößnitz als Stiftung, wirtschaftliches Weingut (GmbH) und Schoppenstube fertig. Sonderausstellungen wie: „350 Jahre Lust und Berghaus“ (2000), „Kutte und Kelter- die Zisterzienser und der Wein“ (2002), „Weinland Burgung“ (2004) und „400 Jahre Terrassenweinbau“ (1999) bereichern die Angebote, ebenso die beliebte Kammermusikreihe.
Eine kontinuierliche museumspädagogische Arbeit für Schulen, Kindergärten und Familien gehören zur Museumsarbeit von Anfang an dazu.
2009 wird dann allen Mitarbeitern der Hoflößnitz, bis auf den Hausmeister und der Museumspädagogin, gekündigt und erhalten teilweise eine Entschädigung. Neuer Chef der Stiftung wird Rechtsanwalt Dr. Kramer, neuer Geschäftsführer Herr Hahn.
In der Laudatio zum 70. Geburtstag von Ingrid Zeidler möchte ich nicht auf die Gründe für diese Kündigungen eingehen. Ich kann aber nicht unerwähnt lassen,wie kränkend und auch gesundheitlich schädigend diese Kündigung nach all den Jahren für sie war.
Rudolf Steiner sagte einmal: „Alles im Leben ist Rhythmus und Veränderung und es ist wichtig, dass wir diesen Veränderungen offen zustimmen.“ Das hat Ingrid Zeidler längst getan.
Inneren Halt und tiefes Glücksempfinden bedeuten für sie ihre Kinder Eiko, Inka und Sebastian.
Ihren Geburtstag hatte sie in Diesbar-Seußlitz mit Freunden und mit ihrer Familie gefeiert.
Dabei sein wird in ihren Gedanken auch Carl Schröder, dessen Herzenswärme ihr Mut und Kraft gaben.
Danke, liebe Ingrid für deine intensive Arbeit zur Entwicklung der Hoflößnitz und für deine Freundschaft.
Petra Maria Neumann
Eröffnung des Pflegeheims in Klausenburg
So., 1. Dez.. 2019 – 00:04
Förderverein zur Unterstützung der X. Reformierten Kirchgemeinde Klausenburg/ Rumänien e.V.

Festliche Einweihung
Foto: Förderverein zur Unterstützung der X. Reformierten Kirchgemeinde Klausenburg e.V.
Zur festlichen Einweihung des neuen Altenpflegeheimes am 13. Oktober besuchte eine Gruppe aus Radebeul die Partnergemeinde in Klausenburg. Nach der Grundsteinlegung am 21. Mai 2000 und der Errichtung des Kellergeschosses ruhte der Bau bis zum 6. August 2018.
Viele Sach- und Geldspenden, auch aus Radebeul, wurden gesammelt. So konnten wir Pflegebetten, Matratzen, Rollstühle, einen Geschirrspüler, eine Kaffeemaschine, Kopier- und Computertechnik, bis hin zu einer Kehrmaschine nach Klausenburg transportieren.
Nach dem Festgottesdienst, den der Bischof der reformierten Kirche Bela Kato hielt, ging es hinüber zum Altenheim zur Einweihung. Neben der offiziellen Vertreterin aus Ungarn, Frau Brendus Réka und Vertretern der Sozialämter in Klausenburg, übermittelte der Oberbürgermeister Radebeuls, Bert Wendsche, die Grüße und Glückwünsche der Bürger unserer Stadt.

Neues Pflegeheim in Klausenburg
Foto: Förderverein zur Unterstützung der X. Reformierten Kirchgemeinde Klausenburg e.V.
Die Lutherkirchgemeinde grüßte mit Herrnhuter Adventssternen und der „Förderverein Klausenburg e.V.“ konnte einen Scheck von 20.000€ für zwei Pflegebadewannen überreichen.
Wir erlebten an diesem Tag in vielerlei Hinsicht ein großes dankbares Strahlen. Die Sonne strahlte vom klaren Himmel. Der neue Bau strahlte, aber vor allem die Augen und Herzen der vielen alten Menschen strahlten über die neue Wohnstätte.
Dank an alle Spender in Radebeul und weit über die Stadtgrenzen hinaus. Dank allen, die diesen langen Weg mit ihren Gebeten begleitet haben.
Sabine Wendsche
Ein Frauenort in Radebeul
So., 1. Dez.. 2019 – 00:03
Am Vormittag des 30. September, kurz vor 11 Uhr, war vor unserem Haus in der Gellertstraße 15 eine ungewöhnliche Szene zu beobachten. Gut dreißig Personen hatten sich hier versammelt, die sich angeregt unterhielten und erwartungsvoll der Dinge harrten, die da kommen würden. Alle Anwesenden waren schon oft hier gewesen, als Kinder, Mütter, Mitarbeiterinnen oder Kolleginnen meiner Großmutter. Heute waren sie gekommen, um sie durch ihre Teilnahme an der kleinen Feierstunde zur Enthüllung einer Gedenktafel zu ehren. Viele sprachen mich an, manche, um mit Stolz von einer kurzen Mitfahrt in ihrem legendären Opel P4 zu berichten, alte Fotos oder ihre Impfbestätigung zu zeigen. Andere, vor allem Mütter, sprachen von dem inständigen Bemühen meiner Großmutter um ihre kranken Kinder. Ich war überrascht, dass meine Großmutter auch vierzig Jahre nach ihrem Tod noch so präsent ist und ihr noch immer so viel Hochachtung entgegengebracht wird.

Vater Johannes Hartung, Frl. Dr. med. Christa Hartung, die Mutter Gustava Hartung sowie die Tante Clara, genannt Tala, Schwester der Mutter ( v.l.n.r.)
Foto: H. Pitsch
Dem Landesfrauenrat Sachsen e.V. ist es zu verdanken, dass nun eine Gedenktafel an meine Großmutter als langjährige Kinderärztin in Radebeul erinnert. Der Text der Tafel berichtet neben ihrem persönlichen Werdegang von den vielfältigen Aufgaben und den täglichen Herausforderungen der Arbeit in einer Kinderaztpraxis. Vor der Enthüllung der Gedenktafel würdigten Bürgermeister Winfried Lehmann und Vertreterinnen des Landesfrauenrates das Wirken von Radebeuls erster Kinderärztin, Weggefährten und Mitglieder der Familie fanden persönliche Worte der Erinnerung. Schwester Gisela Bluhm, die wichtigste Mitarbeiterin meiner Großmutter, berichtete vom turbulenten Arbeitsalltag, was bei den Anwesenden Erstaunen hervorrief und auch Bestätigung fand. Früher war eben manches anders als heute, da wurden Wunden vom Kinderarzt genäht und geklammert oder, wenn es schnell gehen musste, auch der Magen ausgepumpt. Frau Dr. Marianne Kazmirowski ergänzte die Erinnerungen aus ihrer Sicht als Kollegin. Als Mitglied der Familie war ich gebeten worden, einige Worte zu sagen. Lange habe ich darüber nachgedacht, worüber ich sprechen soll. Was ist erinnerungswürdig? Da ich meine Großmutter nur als Kind kannte, erinnere ich mich nur aus der Perspektive des Enkelkindes. Erst als Erwachsene ist mir bewusst geworden, welchen besonderen Weg meine Großmutter genommen hat, wie weit sie und auch mein Großvater ihrer Zeit voraus waren. Leider war ich zu jung, um vieles nachzufragen, über ihre Studienzeit während der 20er Jahre oder meinen Großvater, über den sie nie gesprochen hat. Alle Großeltern sollten für die Enkel ihre Lebensgeschichte aufschreiben, sonst geht so viel unwiederbringlich verloren.
In unserem Haus roch es immer leicht nach Desinfektionsmittel, davor standen täglich unzählige Kinderwagen, die Großmutter war während des Tages nicht zu sprechen. Dass zuerst die Patienten kamen und dann die Familie, hatte ich früh verstanden. Das machte mir nicht viel aus, da Großmutter mir einen Großteil ihrer wenigen Freizeit widmete. Gegen Abend, wenn sie am Schreibtisch saß, leistete ich ihr gern Gesellschaft. Dann saßen wir uns gegenüber, ich versah Rezepte mit ihrem Stempel oder betrachtete die medizinischen Instrumente, was zu meinen Lieblingsbeschäftigungen gehörte. Später durfte ich sie gelegentlich zur Mütterberatung in Friedewald begleiten und ihr etwas zur Hand gehen. Wenn Großmutter im Sommer sonntagsfrüh nach Dippelsdorf fuhr um schwimmen zu gehen, nahm sie mich oft mit. Wenn wir im Lössnitzgrund der Bimmelbahn begegneten, die sie sehr liebte, war die Freude groß. Wir kurbelten die Fenster herunter um vom Qualm eine Prise zu nehmen. Die schönste Zeit des Jahres waren die drei Wochen im September, die wir in Dierhagen verbrachten. Für die wenigen freien Tage wurde das „Heideglück“ gemietet, ein wundervolles reetgedecktes, aber spartanisch eingerichtetes Häuschen, in dem es kein fließendes Wasser gab, dafür eine Schwengelpumpe im Garten. Großmutter verbrachte die Tage am liebsten lesend im Liegestuhl mitten im Heidekraut. Die Gärtnerei Plänitz schickte auf ihren Wunsch Päckchen mit Tomaten. Sie liebte Pferde, deshalb hatte sie immer ein Stück Würfelzucker in der Jackentasche. Vielleicht mochte sie daher auch Moritzburg so sehr, insbesondere Adams Gasthof, in welchem wir als Familie oft zu Gast waren. In den 70er Jahren brüteten die Schwalben dort im Hausflur und es gab Pferde auf dem Hof. In unserem Garten gab es leider keine Schwalben, aber viele Amseln, die von Großmutter regelmäßig gefüttert wurden.
Zur Feierstunde sagte ich bereits, dass ich als Enkelkind der Frau Sanitätsrat in gewissem Sinne privilegiert war. Zum einen konnte ich am kulturellen Leben der Großmutter teilhaben. Neben den bereits erwähnten Besuchen von Konzerten, Ausstellungen und Eröffnungen solcher bei Kühls sind mir im Freundeskreis der Großmutter viele interessante Menschen begegnet. Besonders mochte ich Christian Rietschel, der mit seiner Frau häufig zu Besuch war. Er konnte wunderbar zeichnen und war immer bereit, für mich wundervolle Wesen wie Pferde oder Elefanten zu Papier zu bringen.
Zum anderen begegneten mir Bekannte meiner Großmutter sehr freundlich und aufmerksam, was mich bisweilen verwunderte. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir in diesem Zusammenhang der Zahnarzt Dr. Mittag, dessen Familie ebenso wie meine seit den 30erJahren auf der Gellerstraße wohnt. Dieser erwiderte bei einer Begegnung meinen Gruß mit einem Griff an seinen Hut, den er leicht lüftete. Heute weiß ich, dass diese Aufmerksamkeit der Achtung meiner Großmutter gegenüber geschuldet war.
Das größte Privileg aber war, ungeteilte und bedingungslose Aufmerksamkeit zu erhalten. Im Rückblick ist es bemerkenswert, wie es meiner Großmutter in den vergleichsweise wenigen Jahren gelang, bei mir Interessen zu wecken, Lebensmaximen anzulegen und meine zukünftige Entwicklung positiv zu beeinflussen. Entscheidend waren, so glaube ich heute, ihre Großzügigkeit, alle meine Interessen zu unterstützen und zu fördern, mich an ihren teilhaben zu lassen und ihr Bemühen, Vorbild zu sein. Das heißt vorallem, fleißig zu sein, hart gegen sich selbst, die Hilfebedürftigen in den Vordergrund zu stellen und nicht sich selbst. Zudem sich an Schönem zu erfreuen, dankbar sein und, ihr wichtigstes Credo, immer weiter zu lernen.
Die Ehrung meiner Großmutter als eine besondere Frau Sachsens hat unsere Familie mit großer Freude erfüllt. Mit Stolz haben wir zu Kenntnis genommen, dass sie nicht vergessen ist und zahlreiche Radebeuler zur Feierstunde ihre noch immer währende Achtung und Dankbarkeit gezeigt haben. Nach meinem Empfinden ehrt der Landesfrauenrat aber nicht nur die jahrzehntelange Arbeit meiner Großmutter, sondern auch die ihrer Mitarbeiterinnen, die ebenso fleißig und engagiert tätig waren. Meine Großmutter, da bin ich mir sicher, hätte mir zugestimmt.
Heike Pitsch
Radebeuler Vor- und NachWENDEerinnerungen
So., 1. Dez.. 2019 – 00:02
Aus dem Blickwinkel einer ehemaligen Stadtgaleristin – Teil 2
Über die Beweggründe zur Eröffnung einer städtischen Galerie in Radebeul schrieb der Maler und Grafiker Gunter Herrmann rückblickend im Jahr 2002: „Die Idee zu einer Galerie in Radebeul ist keinen kommunalen Köpfen entsprungen. Sie ist mit der neuen Politik der Ära Honecker in der DDR verbunden.“ Einerseits sollten für die Bildenden Künstler Ausstellungs- und Verkaufsmöglichkeiten geschaffen werden. Andererseits wollte man die Künstler vor Ort einbinden und unter Kontrolle haben. Als erste kommunale Stadtbezirksgalerie wurde 1974 in Dresden die „Galerie Nord“ eröffnet. Die „Galerie Mitte“ folgte 1979. Im gleichen Jahr startete in Radebeul auf Anregung der „Pirkheimer“, die im Kulturbund verankert waren, der erste Grafikmarkt. Offiziell genehmigte Ausstellungsmöglichkeiten gab es u. a. im Radebeuler Haus der Kunst, im Heimatmuseum Hoflößnitz und in den zahlreichen Kulturhäusern. So genannte „Illegale Ausstellungen“ fanden im Atelier des Kunststudenten Ralf Kehrbach zunächst in Wahnsdorf, später in Lindenau statt.
Als eine Art „Leitgalerie“ für die Künstler des Kreises Dresden-Land wurde die „Kleine Galerie Radebeul“ am 16. Dezember 1982 in den Räumen eines ehemaligen Tapetenladens auf der Ernst-Thälmann-Straße 20 eröffnet. Kaum hatte ich meine Tätigkeit als Leiterin der Galerie im Juni 1984 begonnen, kam es 1985 bereits zum ersten Eklat, hervorgerufen durch Gunter Herrmanns Gemälde „Mahnmal einer Landschaft“, mit dem er auf die Umweltzerstörung durch den Braunkohletagebau aufmerksam machen wollte. Ansonsten wurden in der Radebeuler Galerie zumeist Werke der Malerei, Grafik und Plastik gezeigt, welche der Kunstauffassung vom sozialistischen Realismus weitgehend entsprochen haben. Doch ab Mitte der 1980er Jahre gewannen die Themen und Gestaltungsmittel an Breite und Vielfalt. Dieser Prozess war nicht mehr aufzuhalten und hatte andernorts auch schon früher begonnen.
Auf die vielen Fragen „von unten“ gab es schließlich immer weniger Antworten „von oben“. Ausbürgerungen, Verbote und Schließungen waren letztlich ein Zeichen der Hilf- und Sprachlosigkeit. Zunehmend kam es zu Diskussionen über die gesellschaftlichen Zustände in kirchlichen und kulturellen Räumen, in Betrieben, Kneipen und auf der Straße.
Was an der einen Stelle unterdrückt werden sollte, kam an einer anderen wieder heraus. Kaum meinte man die „politisch-negative Konzentration“ um den Radebeuler Künstler Peter PIT Müller durch den operativen Vorgang „Geschwür“ mit Verhören, Hausdurchsuchung und Überwachung zersetzt zu haben, fanden sich auch schon wieder junge Künstler in variierenden Konstellationen zu Werkstattwochen in Stolpen, Scharfenberg und Rothschönberg zusammen, um gemeinsam zu diskutieren, zu experimentieren und zu gestalten. Die künstlerischen Ergebnisse wurden in der Kleinen Galerie Radebeul“ in den Ausstellungen „Ma(h)lzeit“ 1987, „T(R)aumbildung“ 1989 und „ENEKUNG“ 1990 gezeigt. Mit intermedialen Aktionen sollten alle Sinne angesprochen werden. Malerei, Grafik Fotografie und plastische Objekte mit individueller Symbolik verschmolzen zu Rauminstallationen. In einer Rezension über die Ausstellung „T(R)aumbildung“ schreibt Cornelia Wendt im August 1990: „Es geht um Überlegungen zum eigenen Ich, zur Sicht auf die Dinge der Außenwelt, um die Fähigkeit einer seismographischen Wahrnehmung stündlicher, minütlicher und noch schnellerer Veränderung, um Ruhe und Beziehungssuche inmitten gesellschaftlichem Chaos, hetzendem Aufbruch, rücksichtslosem Zurücklassen und absichtlichem Vergessen.“
Die Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Situation erfolgte bei den Radebeuler Künstlern auf sehr unterschiedliche Weise. Während sich auf Horst Hilles Bildern die neureichen DDR-Spießer mit den Insignien Trabi und Datsche schmückten oder die Vertreter der „Turnschuhgeneration“ nicht im Geringsten um den sozialistischen Kleiderkodex scherten, zeigte der Bildhauer Wolf-Eike Kuntsche 1988 in seiner Personalausstellung eine ganz andere Welt. Die war zum Teil surreal und beängstigend. Beispielgebend sei hier u. a. die Bronzearbeit „Großes Finale“ aus dem Jahr 1984 genannt, deren Titel das hintergründig Groteske der kleinplastischen Szenerie natürlich noch gesteigert hat. Zu sehen waren puppenhafte Wesen, die wie fremd gesteuert an Marionettenfäden hingen und einander erbarmungslos niedermetzelten. Ein siebenteiliges Objekt wiederum ließ den Betrachter miterleben, wie sich ein Mensch aus einem ihn einzwängenden durchsichtigen Quader zu befreien versucht. Zurück blieb letztlich das leere Gehäuse. Zu sehen war auch die Serie „Masken der Zivilisation“, welche 1986 in unmittelbarer Reaktion auf die nukleare Katastrophe in Tschernobyl entstand ist. Die Konfrontation mit dem selbstzerstörerischen Wirken der eigenen Gattung erfolgte direkt und schonungslos. Die Theorie von der moralischen Überlegenheit des Sozialismus scheiterte zunehmend an der Realität. Wenig Zurückhaltung in ihrer gesellschaftspolitischen Aussage hatten sich auch der Radebeuler Bildhauer Detlef Reinemer und der Leipziger Grafiker Karl-Georg Hirsch auferlegt. In ihrer gemeinsamen Ausstellung in der Stadtgalerie illustrierten sie 1987 auf makabre Weise die nie enden wollende Geschichte von „Ketzer, Narr und Ruferin“. Das Erstaunliche ist, dass viele Kunstwerke aus jener Zeit bis heute nichts von ihrer Brisanz und Aktualität verloren haben. Vor allem bei den stillen Künstlern, die sich weder ins Rampenlicht gedrängt haben, noch den vermeintlichen Staatskünstlern oder Dissidenten zurechnen lassen, wird die Spurensuche auch in Zukunft Überraschendes zu Tage befördern.
Genres wie Szenografie, Architektur, Fotografie, Keramik und Textilkunst stellten eine inhaltliche Bereicherung dar. Vor allem im Zusammenhang mit der Architektur wurden auch Themen der Stadtentwicklung berührt. So zeigte die Ausstellung „Neues Leben in alten Mauern“ 1986 gelungene Sanierungsbeispiele der 1980er Jahre, welche Maßstäbe setzten und Denkanstöße geben sollten. Untergangsstimmung mischte sich mit Aufbruchstimmung. Man ahnte, dass etwas altes Vertrautes zu Ende geht und andererseits etwas neues Unbekanntes im Entstehen ist.
Das im Rahmen der Ausstellungen durchgeführte Zusatzprogramm war sehr abwechslungsreich. Veranstaltet wurden Konzerte, Lesungen, Figurentheateraufführungen, Performanceaktionen, Vorträge, Filmabende, Auktionen und Kinderfeste. Erleben konnte man u. a. bemerkenswerte Künstler wie den Dichter Heinz Czechowski, den Puppenspieler Gottfried Reinhardt, den Autoperformer Michael Brendel, den Lyriker und Liedermacher Michael Milde sowie die Musiker Joe Sachse, Uwe Kropinski, Friwi Sternberg und Dietmar Diesner.
Die „Kleine Galerie“ entwickelte sich in Radebeul zu einem stark frequentierten, kommunikativen Anlaufpunkt. Folglich wurde permanent von der Staatssicherheit überprüft, ob die Leiterin dieser Einrichtung ihre Sonderstellung nicht für subversive Zwecke missbraucht. Es war ein ständiger Spagat. Dass die Telefone sowohl im dienstlichen als auch privaten Bereich abgehört wurden, war für alle kein Geheimnis – also überlegte man sich ohnehin was man sagte und was nicht. Allerdings wird so mancher Fatalist erst viele Jahre später bei der Einsicht in seine „Akte“ darüber erschrocken sein, was im Falle eines Zugriffs mit ihm geschehen sollte.
Unweit der städtischen Galerie existierte in Radebeul-Ost ein weiterer Ort, der Künstler sowie Kunst- und Kulturinteressierte magisch angezogen hat. Dieser ominöse Jazzkeller, in dem zweifellos sehr spannende Konzerte, Ausstellungen und Lesungen stattgefunden haben, war scheinbar von allen bevormundenden und finanziellen Zwängen befreit. Im Nachhinein fragt man sich, wer wohl mehr von den subkulturell anmutenden Veranstaltungen profitiert haben wird: die „Lauscher“ oder die “Belauschten“?
Im benachbarten Coswig kam es 1985 in der „Börse“ mit dem intermedialen Subkultur-Festival „Intermedia I“ zu einem für damalige Zeiten unerhörten Skandal, der einerseits in die DDR-Kunstgeschichtsschreibung eingegangen ist, andererseits zur Entlassung des damaligen Klubhausleiters Wolfgang Zimmermann führte. Dass selbiger wiederum, seit nunmehr drei Jahrzehnten dem Redaktionskollegium von „Vorschau und Rückblick“ angehört, muss in diesem Beitrag unbedingt Erwähnung finden.
Vor allem im letzten Jahrzehnt der DDR entfaltete sich die Kunst- und Kulturszene sehr facettenreich, nicht zuletzt auch im Zusammenspiel mit Kulturpolitikern, die sich neuen Ideen gegenüber zunehmend aufgeschlossen zeigten. Auch in Radebeul begannen allerlei kulturelle Pflänzchen recht gut zu gedeihen. Ab 1985 organisierte Thilo Schmalfeld, Mitarbeiter des Jugendklubhauses „X. Weltfestspiele“, (nach dem Umzug vom Ledenweg in die ehemalige Sektkellerei Bussard in „Sekte“ umbenannt), gemeinsam mit zahlreichen engagierten Jugendlichen den Radebeuler „Popsommer“. Schon bald herrschten woodstockartige Zustände, denn das Publikum reiste zu den Konzerten in der Elbsporthalle (für diese Zwecke als Tonhalle bezeichnet), in Scharen mit Zelten und Wohnwagen an. Auf der Ernst-Thälmann-Straße in Radebeul-Ost hingegen fand 1987 die erste Kasperiade statt, die Sabine Brendel, eine engagierte Mitarbeiterin des Kreiskabinetts für Kulturarbeit, initiiert hatte. Auch der junge Kreissekretär des Kulturbundes, Peter Kappel, hatte viele Ideen. Und so wanderte der elfte Radebeuler Grafikmarkt im Oktober 1989 mit einem neuen erweiterten Konzept vom Rathaus in die Erweiterte Oberschule „Juri Gagarin“. Ja, es war eine sehr lebendige Zeit. Die Ereignisse begannen sich zu überschlagen. Nur einen Tag nach dem „Mauerfall“, wurde (wie von Hanna Kazmirowski in Heft 11/2019 ausführlich beschrieben) am 10. November 1989 die Wiedergeburt des Monatsheftes „Die Vorschau“ eingeleitet.
Doch schon bald erlebten Künstler als auch Mitarbeiter kultureller Einrichtungen den Systemwechsel als eine existenzielle Bedrohung. Die Förderung von Kunst und Kultur gehörte für Kommunen und Betriebe plötzlich nicht mehr zu den Pflichtaufgaben. Über Jahrzehnte gewachsene Strukturen begannen sich aufzulösen und die Frage stand im Raum: Wie nun weiter in Radebeul mit diesem personal-, raum- und finanzbedürftigem Metier unter den veränderten gesellschaftlichen Bedingungen?
Karin (Gerhardt) Baum
Fortsetzung Heft 02/2020
Editorial 12-19
So., 1. Dez.. 2019 – 00:01
Ein Jahr der Jubiläen geht zu Ende. Im Spiegel der Medienlandschaft hat sich bei den Rezipienten hier und da nun sicher ein Gefühl der Übersättigung eingestellt. Die Welle mag vorerst verebbt sein, um im Zuge der Feierlichkeiten zur Deutschen Einheit im kommenden Herbst dann wieder mit voller Wucht die Gazetten zu überfluten.
Mit den bevorstehenden weihnachtlichen Tagen beginnt wieder die Zeit des Schenkens und des Lesens. So will auch unsere „Vorschau“ Ihnen, liebe Leserinnen und Leser mit vier zusätzlichen Seiten ein kleines Geschenk machen.
Wie Sie wissen, haben wir im Zuge der unausweichlichen Digitalisierung schon seit einigen Jahren eine Internetpräsenz, die insbesondere für unsere computeraffine Leserschaft immer mehr an Bedeutung gewinnt. Da zudem unsere Anzeigenkunden, die zur Finanzierung des Heftes unerlässlich sind, neben der traditionellen Printwerbung zunehmend parallel den Weg ins Netz suchen, müssen auch wir uns auf neue, wenngleich ungewohnte Wege aufmachen. Aus diesem Grund werden wir fortan zur Platzierung von uns zugewandten Werbekunden zudem mit einer eigenen Facebook-Seite vertreten sein. Auch dort werden unsere Beiträge in Auszügen erscheinen.
Mit Jahresausklang endet unsere zwölfteilige poetische Begleitung mit Thomas Rosenlöcher, der uns im September mit einer heiteren Lesung im Schloss Hoflößnitz beehrte.
Nun ist es mir eine Freude Ihnen mitteilen zu dürfen, dass unsere Lyrikseite auch im nächsten Jahr gefüllt sein wird. Dem eingangs erwähnten kommenden runden Jahrestag geschuldet, werden uns programmatisch alte und neue Texte von Wolf Biermann durch das Jahr führen.
Sascha Graedtke
Laby – Laby – Laby
Fr., 1. Nov.. 2019 – 00:03
Neues aus dem Lügenmuseum
Das Laby rinnt. Es rinnt die Zeit. Gewesenes bestimmt die Gegenwart. Manchmal bedarf es der Vergegenwärtigung. Im Labyrinth gelangt der Gast, wie um sich selbst sich drehend, mit der Gästin zur eigenen Mitte. Innerlich bereichert gelangen beide ins Leben zurück.
„Zwiefach sind die Fantasien“, wußte Wilhelm Busch, vierfach feiert Zabkas Zaubertruppe den herrlichen Herbst `89:
Zuerst mit „Labystan“ in der Berliner Zionskirche. Der berühmte Ort der Umweltbibliothek war, einst bestüberwacht, im Sommer Schauplatz für „eine atemberaubende Inszenierung“: Vor der Kirche stand ein Grenzhäuschen mit Schlagbaum. Drinnen konnte sich jeder selbst einbürgern und mit einem Amt versehen. Dann warteten Künstlerplakate, Installationen, Videos mit Geschichten, erzählt von Leuten, die dabei gewesen sind. Selbst ein DDR-Karaoke war zu erleben: Beim Anheben alter Deckel auf alten Töpfen erklangen beliebte DDR-Schlager. An der Empore hängend verkündete ein riesiges Banner das Motto des Tages: „Liebe futsch, Revolution vorbei, Spaghetti kalt“ – und alles ohne Zwangsumtausch.
Dann begeisterte die Ausstellung „Labytopia – Altäre der Revolution“ in der Kreuzkirche zu Dresden. Gemeinsam mit Co-Kuratorin Juliane Vowinkel hat Reinhard Zabka acht Künstler eingeladen, das Jubiläum zu reflektieren: Klaus Liebscher – Dialog; Angela Hampel und Steffen Fischer – Mitgift; Frank Herrmann – Altar der Einfalt; Marion Kahnemann – Helden oder wer ist wie wir; Karola Smy und Wolfgang Smy – Altar für Reisefreiheit; Sophie Cau – die Fahnen der vier Siegermächte; sowie Justus Ehros – Gewitterwarnung am Montag.
Reinhard Zabka selbst wartete mit einem „Friedlichen Revolutions- Orchestrion“ auf.
Die Ausstellung weckt Erinnerungen an Träume und Visionen der Akteure von `89, sie erinnert an Notstandskreativität, an die Macht der Fantasie im Schatten der Zensur. Sie verbindet die prägenden Lebensgefühle von einst mit den labyrinthischen Erfahrungen des Einigungsprozesses und den damit verbundenen Verlusten, die bis heute nachwirken. Sie nährt die Hoffnung, daß die damals aufgebrochenen positiven Energien auch die blaue Stunde überdauern.
Brauchts dazu Kirchen? Brauchts Altäre?
Die Fragen liegen auf der Hand wie die Antworten: Denn einst wie jetzt bieten Kirchen Frei – Räume für Lebensäußerungen jenseits aller Ideologien und frei von Kommers – pardon, Kommerz. Schließlich geht es nicht um die Anbetung der Asche der Friedlichen Revolution, es wird auch kein Deutungs- oder Historikerstreit zelebriert. Es geht um das `89er Lebensgefühl, es geht darum, das innere Feuer von damals den nachfolgenden Generationen authentisch zu vermitteln.
Die Ausstellung, die durch das Förderprogramm „Revolution und Demokratie“ des Freistaates Sachsen ermöglicht wurde, ist zweiteilig konzipiert: Nach der Präsentation in der Kreuzkirche wird sie in ihren Bestandteilen in das Radebeuler Lügenmuseum integriert.
Doch vor dem Umzug gab es als dritten Akt das „Labyläum“ zum Untergang der DDR auf den Radebeuler Elbwiesen.
Wie immer zum traditionellen Herbst- und Weinfest hatten Richard von Gigantikow und sein Team aus einem Berg alter Paletten ein Labyrinth entstehen lassen, diesmal: die aus Ruinen erstandene DDR.
Sie errichteten eine Mauer mit Wachtürmen, Fluchttunnel, Straßennamen, dem „Loch zu Bautzen“. Auch der „Pleitegeier aufm Ochsenkopf“ durfte nicht fehlen. Nachdem ein Wochenende lang Besucherströme bei bestem Wetter, Livemusik zwischen spielenden Kindern und mit Orakel versehen, das Labyrinth mit tausenden Fragen und Antworten ausgestattet hatten, ging zum Grande Finale alles in Flammen auf, auch die Alternative „Lieber Kohl als rote Rüben“. Fasziniert beklatschten tausende Schaulustige das Feuer, gegen das sich Hammer, Zirkel und Ährenkranz auf hoher Warte lange wehrten.
Im vierten Akt nun wird die Ausstellung „Labytopia – Altäre der Revolution“ am 30. Oktober ins Lügenmuseum aufgenommen.
Dorota und Reinhard Zabka bewahren hier nicht nur die bewegenden und beweglichen Zeugnisse der DDR – Underground – Kunst, sie bewahren damit auch den ältesten Gasthof der Lößnitz vor dem Verfall – nicht alles ist wert, zugrunde zu gehen, auch wenn das Laby rinnt wie die Zeit!
Wers zur Eröffnung nicht geschafft hat, wisse: Es gibt immer wieder Neues zu sehen im Lügenmuseum.
Thomas Gerlach