Sich neu erfinden

Ullis Blumenladen jetzt in der Moritzburger

Arrangement im hinteren Verkaufsraum mit »Petersburger Hängung« Foto: K. (Gerhardt) Baum

Es war ein trauriger Anblick, als Hans-Ulrich Belau und seine Mitarbeiterin letzten Heiligabend nach Ladenschluss an einem kleinen Tischchen mit einer Flasche Sekt saßen, umgeben von Utensilien, die nun einmal in einem derartigen Geschäft so anfallen. Nobel sah der Laden ohnehin nicht mehr aus, hatte doch der „Zahn der Zeit“ überdeutlich für jedermann seine Spuren hinterlassen. Den abgewirtschafteten Zustand der Räume wusste Ulli durch geschickte wie geschmackvolle Arrangements von Pflanzen, Möbeln und Accessoires wohl zu verdecken, wenngleich die vielen Behälter, die bei Regen das von der Decke tropfende Wasser auffingen, nicht zu übersehen waren. „Ein Ende mit Schrecken“, so dachten wir damals. „Wieder geht etwas Besonderes unwiederbringlich verloren!“ Wem ist es schon zu verdenken, wenn einer sein Grundstück gewinnbringend verkaufen kann, in welchem sich Belau nur zur Miete befand?
Eigentlich wollte Ulli hinschmeißen. Er schien mit seiner Kraft am Ende. Aber Radebeul ist ihm in den inzwischen elf Jahren doch sehr ans Herz gewachsen. Er fühlt sich hier wohl und angenommen. Da erfreute natürlich sicher nicht nur uns die Nachricht über einen eventuellen Neustart in der Moritzburger Straße. Eine zweite „Alte Gärtnerei“ würde es vermutlich nicht werden, aber immerhin sollte es weitergehen.
Anfang Februar war es dann soweit! In der Moritzburger Straße Nr. 11 eröffnete pünktlich am „2.2.22“ Ullis Blumenladen! Wochen zuvor hatten beide mit Unterstützung von Freunden entsorgt, transportiert, geräumt, gemalert, gepinselt, gehämmert, geschraubt, verlegt und besonders arrangiert. Herausgekommen ist ein kleines Schmuckstück, welches in Radebeul seinesgleichen sucht. Glücklich standen beide im übervollen Laden und konnten sich vor lauter Arbeit kaum um ihre Gäste kümmern, die „nur“ zum gratulieren gekommen waren. Alle hatten eine Kleinigkeit mitgebracht, sogar eine „Blumentorte“ mit der Aufschrift „Viel Erfolg! Ullis Blumen-Laden“.

Außenansicht des Ladens zur Eröffnung am 2. Februar in der Moritzburger Straße Foto: K. U. Baum

Wir fanden uns erst gegen Nachmittag ein und blieben verwundert an der Tür stehen. Was wir sahen hatte uns völlig überrascht. Den morbiden Charme der „Alten Gärtnerei“ noch im Hinterkopf, fanden wir uns nun in einem Etablissement der nobelsten Art wieder. Auf antiken Möbeln, abgearbeiteten Tischplatten, auf Gartenstühlen und Obststiegen waren kunstvoll getriebene Metallgefäße, Vasen, Glasschalen, kleine Porzellanfiguren und sonstiger Nippes arrangiert, zwischen denen blühende Blumenstöcke, Sträuße und Zweige platziert waren. Eine Bilderwand in

Außengestaltung zu Ullis Blumen-Werkstatt in der Moritzburger Straße Foto: K. (Gerhardt) Baum

„Petersburger Hängung“ über einer Anrichte ergänzte die geschmackvolle Einrichtung. Dominiert wurde der vordere Raum allerdings von einem fast wandhohen, expressiven, Ölgemälde, welches wie ein Kontrapunkt zum Übrigen wirkte. Wir waren überwältigt, blieben staunend stehen und konnten uns nicht sattsehen. So wie uns ging es auch Anderen. Obwohl geöffnete Sektflaschen bereitstanden, fand sich wegen der vielen Kunden keine Gelegenheit, um mit Ulli und seiner Mitarbeiterin anzustoßen. So haben wir ohne die Beiden auf ihr Wohl und ein gutes Gelingen am neuen Standort getrunken und versprochen wiederzukommen. Was uns bemerkenswert schien, ist, wie Hans-Ulrich Belau und seine Mitarbeiterin eine Niederlage durch kreative Energie in einen positiven Gewinn für sich und andere umzumünzen verstanden.
Unsere Hochachtung!

Karin und Karl Uwe Baum

 

 

Ausgang leider nicht offen

Arthur Millers „Ein Blick von der Brücke“ feierte am 12. Februar Premiere

Szene mit Alexander Wulke Foto: R. Jungnickel

Der US-amerikanische Dramatiker Arthur Miller (1915 – 2005) gehört mit seinen beiden Stücken „Tod eines Handlungsreisenden“ und „Hexenjagd“ längst zum Kanon des sozialkritischen Theaters des 20. Jahrhunderts. Ein weiteres, dem Publikum allerdings weniger bekanntes Werk gelangte jüngst auf der Hauptbühne im Radebeuler Stammhaus vor zwar noch immer nicht vollen Rängen, aber dennoch vor ausverkauftem Saal zur Aufführung, „Ein Blick von der Brücke“ (1955). Miller verarbeitet in diesem als Kurzdrama bezeichneten Zweiakter eine Geschichte, die in ihrer örtlichen und sprachlichen Verankerung zwar auf konkrete Lebensumstände italienischer Einwanderer im New York der 1950er Jahre bezogen ist, die aber ebenso auch als Stück über Flucht und Migration in unserer Gegenwart durchgehen könnte. Erfreulicherweise enthalten sich Regisseur Manuel Schöbel und Ausstatterin Barbara Blaschke der Versuchung, explizit darauf anzuspielen und damit die Aussagekraft des auf reale Vorkommnisse basierenden Stoffes pädagogisch zu instrumentalisieren und politisch aufzuladen. Das wäre umso unpassender gewesen, als dass Miller selbst den Handlungskern einem griechischen Mythos vergleichbar auffasste und daraus eine überzeitliche Allgemeingültigkeit ableitete. Stattdessen also belässt das Regieteam die Inszenierung in ihrer Bild- und Tonsprache dort, wohin sie gehört: In ein ärmliches, dem Hafen von Brooklyn nahe gelegenes Häuschen, in welches das jazzig-lockere Lebensgefühl des besser gestellten Teils der Bevölkerung der 1950er Jahre per Radio als Sehnsuchtsmelodie aus Manhattan hineinweht, wie etwa Gene Kelly mit „I’m singing in the rain“. Davon ist vor allem die 17-jährige Catherine (Maria Sommer) ergriffen, die als (über-) behütete Waise bei ihrer Tante Beatrice (Julia Vincze) und deren Mann Eddie (Alexander Wulke) aufwächst und sich nun anschickt, unsicheren Schrittes erwachsen und selbstständig werden zu wollen. Marias Emanzipationsstreben erhält unerwartet Vorschub durch das Eintreffen von Marco (Steffen Pietsch) und vor allem dessen jüngerem Bruder Rodolpho (Felix Lydike), die als Beatrices Cousins aus der italienischen Heimat illegal eingewandert sind und Unterschlupf in Eddies Haus finden. Die Aufnahme illegaler Einwanderer ist in italienischen Hafenarbeiterkreisen Ehrensache, man hält und rückt buchstäblich zusammen, um den Neuen das Einleben zu erleichtern. Es könnte also alles gut werden und sich vielleicht sogar für die beiden jungen Männer der American Dream vom Aufstieg erfüllen. Doch schon wenige Minuten nach Ankunft der beiden Brüder liegt dem Zuschauer das konfliktträchtige Tableau vor Augen, wird ihm klar, dass es kein Happy End geben wird. Denn Maria und Rodolpho finden Gefallen aneinander, weshalb Maria mehr und mehr schlechtes Gewissen gegenüber ihrem Ziehvater Eddie befällt, der insgeheim in Catherine mehr sieht als nur seine Ziehtochter und deshalb Rodolpho seine Ablehnung spüren lässt. Dazwischen steht Beatrice, deren Ehe mit Eddie auch nicht mehr auf das Beste bestellt ist und die Catherine das Glück wünscht, das ihr versagt geblieben zu sein scheint. Das Stück bezieht seinen Reiz vor allem daraus, dass Millers Text es dem Zuschauer möglich macht, grundsätzlich Sympathien für alle Figuren und deren Handlungen und Überzeugungen zu entwickeln, gleichzeitig aber auch drängende Fragen nach Schuld und Verantwortung für die sich anbahnende Katastrophe aufwirft. An dieser Stelle bedient sich Miller in der Tradition des epischen Theaters mit der Figur des Anwaltes Alfieris eines Kommentators (Matthias Avemarg), der das Publikum nicht nur zu Beginn sowohl in das Bühnengeschehen einführt und es am Ende in den Abend entlässt, sondern zwischendurch auch das Geschehen einordnet und reflektiert. Daher rührt auch der Titel des Stückes, denn Alfieri steht etwas abseits des Geschehens und schaut – wie von einer Brücke – auf die Szenerie herab, wodurch sich ein objektiveres Bild der Lage einstellt.
Der Premiere, die vom 5. Februar um eine Woche verschoben werden musste, merkte man den gewiss komplizierten Probenprozess unter Pandemiebedingungen an. Obwohl das Stück grundsätzlich eine stringente Dialogführung aufweist und es also keine Nebenhandlungen gibt, verliert es phasenweise an Tempo, scheinen Abläufe noch nicht bis ins Letzte „zu sitzen“, stellen sich ungewollte Pausen ein, scheinen Akteure überrascht zu sein von dem, was sich gerade abspielt. Möglicherweise saß den Beteiligten auch noch der Schreck des Bühnenbrandes vom Mittag des Premierentages in den Gliedern, der allerdings rechtzeitig unter Kontrolle gebracht werden konnte. Wenn man von diesen Punkten absieht, so bleibt viel Gelungenes von diesem Abend in Erinnerung. Dazu gehören etwa das ausgesprochen sinnstiftende und praktische Bühnenbild, Alexander Wulkes Interpretation des Eddie in ihrer kraftvollen Gebrochenheit und Maria Sommer und Felix Lydike als jugendliche Protagonisten, die sich einer besseren Zukunft entgegenträumen. Dazu zählt weiterhin Matthias Avemarg in seiner überzeugenden Wandlungsfähigkeit zwischen seiner großen Rolle als Anwalt und den vier anderen Nebenrollen sowie die passende Musikauswahl mit dem Gassenhauer „Paper Dolls“ als zentraler Sing- und Tanznummer. Das Publikum dankte mit langem, sehr freundlichem Applaus für eine geschlossene Ensembleleistung, die eines spüren ließ: Nämlich die Erleichterung darüber, dass jenseits von FFP2-Maskenpflicht und strenger Einlasskontrolle einfach nur Theater gespielt wurde.
Bertram Kazmirowski

Nächste Aufführungen: 4./5. März jeweils 19.30 Uhr, 13. März 15 Uhr, 24. März 19 Uhr, jeweils im Stammhaus Radebeul

Künstler im Weinberg

Pleinair und Ausstellung im Erlebnisweingut Schloss Wackerbarth

Franziska Kunath „Jacobstein“, Repro M. Kratschmer

Reisende, die mit der Bahn von Berlin oder Leipzig her oberhalb Meißens ins Elbtal biegen, erleben staunenden Auges, dass und wie der hiesige Weinbau die Landschaft prägt. Rebschnitt geht hier Hand in Hand mit Landschaftspflege; und keiner mag sich vorstellen, die Lößnitzhänge verbuscht und bestockt oder gar bis zur Hauskrause bebaut zu sehen. Doch die über Jahrhunderte gewachsene Kulturlandschaft pflegt sich nicht zum Nulltarif. Es bedarf immer wieder gemeinsamen Mühens aller, sie zu erhalten und zu entwickeln.

Franziska Kunath „Jacobstein“, Repro M. Kratschmer

Nicht zuletzt der damit verbundenen vorwiegend finanziellen Probleme wegen hat der Freistaat Sachsen noch vor der Jahrtausendwende einen bedeutsamen Entschluss gefasst, der nicht nur dem Finanzminister schlaflose Nächte bereitet haben dürfte: Das in Wackerbarths Ruhe angesiedelte „Staatsweingut“ sollte nicht verkauft, sondern in Eigenregie zum „Erlebnisweingut Schloss Wackerbarth“ umgestaltet werden: Ein Entschluss, der im wahrsten Sinnen „Früchte“ trägt.
Zu Beginn des dritten Jahrtausends hatte sich nun auch der Rotary Club Radebeul gegründet. Hier haben sich Menschen zusammengefunden in dem Bestreben, dort Gutes zu tun, wo andere es unterlassen. Nach eigenem Bekunden fühlen sie sich dabei „unter dem Motto ´Selbstloses Dienen` (…) den Idealen von Rotary International verpflichtet“.
In ihrem Jahresprogramm 2020/21 hatten sie sich zum Ziel gesetzt, Kunst- und Kulturschaffende in den Blick zu nehmen, deren manchmal prekäre Lage nicht nur durch die gegenwärtigen Einschränkungen bedingt ist. Ein erstes sehenswertes Ergebnis dessen war die „KünstlerKartenBox“ mit 34 Künstlerportraits auf Faltkarten.
Im Zusammenwirken mit Schloss Wackerbarth kam es dann im Sommer 2021 zu einer Premiere: Gemeinsam wurde zum Pleinair in die grünenden Weinberge und den barocken Park eingeladen. So bevölkerten dann ein Wochenende lang (17. /18. Juli) acht Künstlerinnen und sieben Künstler beinahe aller Generationen das weitläufige Gelände, ihre Erlebnisse im Weingut auf je eigene Weise zu Papier oder auf die Leinwand zu bringen. Die Aktion war eingebettet in das radebeulweite Projekt „Kunst geht in Gärten“. So hatten die Besucherinnen und Besucher des Weinguts die zusätzliche Gelegenheit, bei einem Glas Wein „echten“ Künstlern über die Schulter schauen zu können und so ihren Besuch mit einem besonderen Erlebnis zu krönen.

Mechthild Mansel „Flaschenhebermaschine“, Repro M. Kratschmer

Aus den Ergebnissen dieses Wochenendes wuchs eine Ausstellung, die noch bis 30. April im Gutsmarkt von Schloss Wackerbarth zu erleben ist. Sie erscheint so heterogen wie die Beteiligten im besten Sinne jeweils eigene Menschen sind:
Anna Gorsleben, Roland Gräfe, Sebastian Hennig, Karen Koschnik, Franziska Kunath, Klaus Liebscher, Mechthild Mansel, ORLANDO, Stefan Pautze, Joachim Rauch, Ralf Uhlig, Irene Wieland, Renate Winkler und Susan Wittwer geben Einblicke in ihre Erlebnisse. Sie zeigen zugleich mit Malerei, Zeichnung, Grafik und sogar Skulptur und Plastik wie abwechslungsreich und lebendig die Kunstszene im Meißner Elbland immer noch und immer wieder ist. Selbstverständlich können die Arbeiten auch erworben werden, wobei der Erlös ausschließlich den Künstlerinnen und Künstlern selbst zu Gute kommt.

Thomas Gerlach

Editorial 3-22

Passend zum ersehnten Frühling kommen auf die gedrückte Bürgerschaft nun schrittweise fast verloren geglaubte Öffnungsperspektiven zu. In der Tat gab es kaum einen Bereich im öffentlichen Leben der nicht von Schließungen oder immensen Einschränkungen betroffen war. Erst wenn wieder Normalität herrscht, wird sich zeigen, welche Spuren die Ereignisse der letzten beiden Jahre im gesellschaftlichen Umfeld tatsächlich hinterlassen haben.
An dieser Stelle soll ein bereits 2016 gegründeter Verein in den Fokus gerückt werden, der trotz seiner sinnstiftenden Agenda nur selten um Aufmerksamkeit buhlt: die „Radebeuler Tafel e.V.“ Besonders stolz sind die Mitarbeiter, dass die Ausgabe von Lebensmitteln an Bedürftige trotz widrigster Umstände auch in diesen Zeiten bis heute nicht einen Tag zum Erliegen kam. Immerhin nehmen in Radebeul etwa zweihundert Bürger diese existentiellen Dienste in Anspruch. Die Dunkelziffer von Bezugsberechtigten dürfte, da das Thema unnötigerweise schambehaftet ist, weitaus höher liegen, denn die erforderliche Nettoeinkommensgrenze liegt derzeit bei 1300€. Darunter fallen zahlreiche Rentner, Alleinerziehende, Migranten, Arbeitslose oder auch in Teilzeit Arbeitende. Als Krisenphänomen kamen zudem Bürger in Kurzarbeit hinzu.
Schade genug, dass es der Initiative in dieser Gesellschaft überhaupt bedarf. Peinlich genug, dass ohne diese Gemeinnützigkeit brauchbare Lebensmittel fraglos der Vernichtung anheimfielen.
Sascha Graedtke
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Wenn auch Sie den Verein unterstützen wollen, so wenden Sie sich an: Radebeuler Tafel e.V., Kirchplatz 2, 01445 Radebeul, 0351/83658590 oder info@tafel-radebeul.de.

Mit Gerhard Schöne poetisch durch das Jahr

Eine Glosse

Verdaulich…?

Klar, das neue Jahr ist eigentlich schon fast wieder rum. Die restlichen 334 Tage fallen überhaupt nicht mehr ins Gewicht, zumal mir durch den Wegfall fast aller Vergnügen das Zeitgefühl ohnehin verloren gehen wird. Daran werden auch die Lockerungen nichts ändern. Außer Arbeit, Arbeit, Arbeit und dem vermutlich einen oder anderen kleinen Lockdown, wird es 2022 voraussichtlich keine großen Abwechslungen geben, wenn ich das Interview des Oberbürgermeister Bert Wendsche in der Sächsischen Zeitung vom 31. Dezember letzem Jahres richtig verstanden habe. Kulturelles scheint kaum vorgesehen zu sein. Und die geplanten Großfesten werden ja hauptsächlich für die Touristen veranstaltet. Eines muss man dem OB aber hoch anrechnen: Wenn sich auch der Spaß in Grenzen halten wird, Steuererhöhungen soll es keine geben. Da hört ja freilich auch der Spaß auf. Aber sehr glücklich sah unser Stadtoberhaupt auf dem Foto trotzdem nicht aus. Schließlich haben wir alle doch ein wenig mehr Optimismus dringend nötig. Die 24 Monate im Ausnahmezustand – wenn gleich das nicht jeder so sah – waren doch für die meisten kein Zuckerschlecken. Sicher haben einige schwarze Schafe geglaubt, die Situation für ihre Zwecke ausnutzen zu können, um sich eine „goldene Nase“ zu verdienen. Die letze Wahl hat‘s ihnen dankenswerterweise dann heimgezahlt. Das zeigt, man sollte sich nie allzu sicher fühlen. Ein Ende der „Katastrophe“ ist aber trotzdem noch nicht in Sicht. „Schwarzmalende“ Virologen behaupten sogar, das würde dieses Jahr so weitergehen und sich frühestens 2023 entspannen. Na, Prost Mahlzeit!

Mir liegt schon das vergangene Jahr schwer im Magen. Nein, nicht wegen der Gans, die meine Küchenfee knusprig aus dem Backofen auf den Küchentisch zauberte. Die war köstlich, die Gans… na… und die Fee auch! Was wir aber sonst noch so alles schlucken mussten, war nur schwer verdaulich. Ich will ja nicht schon wieder die alte Leier anstimmen. Aber dieses Hü und Hott, dieses raus aus den und rein in die Kartoffeln ging mir gehörig auf den… – nun möchte ich an dieser Stelle nicht auf das Niveau eines Dieter Nuhr herabsinken. Aber der mündige Leser ahnt ohnehin, was ich hiermit ausdrücken möchte. In Abwandlung eines alten Kalauers könnte man auch formulieren: …in diesen schlechten Zeiten muss ein jeder mitarbeitend denken. Das freilich scheint eine Herausforderung zu sein, die für manche etwas zu plötzlich in ihr Dasein getreten ist. Ich dachte bisher immer, dass Kultur ein essenzieller Bestandteil unseres Lebens sei. Wenn ich mir aber die sechzehn mageren Zeilen unseres Oberbürgermeisters im Interview dazu ansehe, muss ich zugeben, dass ich mich geirrt habe. Da bleibt eigentlich nur noch die Frage, was die Stadtgalerie mit den gesammelten Ziegelsteinen für den ursprünglich geplanten Erweiterungsbau anfangen will, wo der wegen „wichtigerer Vorhaben“ nun endgültig gecancelt sein soll? Andererseits stirbt die Hoffnung zuletzt, aber auch „Hoffen und Harren macht manchen zum Narren“. Da werden Briefe wohl die Welt nicht bessern, denn „auf Worte kommt‘s nicht an, die Tat macht den Mann“.

Mit dem Schulneubau in Kötzschenbroda wird es noch etwas dauern, war zu erfahren, und über die Bahnhofstraße konnte man kein Sterbenswörtchen lesen. Zumindest aber glänzt der nördliche linke Abschnitt des Fußweges in neuer Pracht. Sogar einen Teil der Seifensteine fanden wieder Verwendung. Da gibt es nun doch wirklich fast nichts zu meckern. Blöd nur, dass die Seifensteine an den Rändern verlegt wurden, so dass sich nun die Rollatorfahrer an den Hauswänden entlang drücken müssen. Dass die „Alte Gärtnerei Radebeul“ an der Hain-, Ecke Kötzschenbroder Straße am Heiligabend allerdings letztmalig geöffnet hatte, stimmt mich schon traurig. Dieses verwinkelte Refugium war mehr als ein gewöhnliches Blumengeschäft. Mit seinem kreativen Ladenbetreiber, den antiken Möbeln, Versatzstücken und Utensilien sowie natürlich den Pflanzen- und Blumenarrangements, war es eher ein gelebter kultureller Treffpunkt für Menschen, die sich nicht zuletzt am Ulis Einfallsreichtum erfreuten.

An der „Alten Gärtnerei“ hätte sicher auch Franz Mehring seine Vergnügen gehabt, der leider am 28. Januar vor 103 Jahren gestorben ist und der immer mal wieder mit seinen Rezensionen und Kritiken ganz Berlin in helle Freude, aber auch große Aufregung versetzen konnte. Den kritischen Blick des Philosophen und Historikers auf die Radebeuler Ereignisse könnten wir heute gut gebrauchen, zumal er sich auch drei Jahre als Leiter der Freien Volksbühne in Berlin betätigt hatte. Seine Abhandlung über das weltverachtende Genie Goethe, der sich auch gern, wenn es ihm beliebte, hinter seinem unbedeutendem Ministerposten im Weimarer Zwergland versteckte, ist auch heute noch lesenswert. Und da Mehring in seiner Betrachtung nicht bei Goethe stehenblieb, sondern auch Schiller einbezog, will ich mit einem Zitat desselben schließen: „Es ist offenbar Verwirrung der Grenzen, wenn man moralische Zwecke in ästhetischen Dingen fordert…“

Euer Motzi.

Zum Titelbild




… von flüchtigen Momenten …

im fluss
Detail der Portalverglasung
Hafentor Hanau | 2017

Stellen Sie sich vor, wir würden aus der Radebeuler Oase der Ruhe westwärts gen Hanau reisen, würden mit vielen anderen Motorisierten eng an eng den Main überqueren und von der Brücke aus das Hafenbecken mit Schüttgütern, Öltanks, vielleicht auch einem Frachtschiff entdecken. Hernach drängten wir uns vierspurig ins Getöse, links oben der Damm mit den Gleisen, in der fünften Spur hält der Bus. Säßen wir darin, könnten wir aussteigen jetzt …
Das lange Wohngebäude der Hafenarbeiter aus den 1920er Jahren, das diese »Trasse« flankiert, verlor durch die zunehmende Verkehrsfrequenz erheblich an Attraktivität. Derzeit wird dieses Gebiet sozial und nachhaltig entwickelt. Auch die Kunst bekam Raum, und ein Wettbewerb für die straßenseitigen Portale wurde ausgelobt. Ich entwarf Papier-Verglasungen, die das Fließen als endlose Bewegung thematisieren. Ein jeder noch so kleine Impuls löst Bewegung aus, die sich ausbreitet und wiederum neue Bewegungen hervorbringt. Sind wir offen dafür, werden sich uns nicht nur neue Perspektiven offenbaren, wir erführen, dass selbst auf kleinstem Raum unser Bewegungsradius unendlich ist …
Das abgebildete Detail zeigt ein optisches Phänomen, darin die blauen Papierschichtungen mit dem Gezweig des Februars symbiotisch verschmelzen – für einen flüchtigen Moment …

Constanze Schüttoff

 

35 Jahre Lößnitzchor Radebeul e.V.

„Sprich, und du bist mein Mitmensch! Singe und wir sind Brüder und Schwestern!“ (Theodor Gottlieb von Hippel)

Dieses Zitat beschreibt unsere Chorgemeinschaft ziemlich gut. Neben dem gemeinsamen Singen, das uns alle miteinander verbindet, verbringen wir auch außerhalb der Proben und Konzerte viel Zeit bei gemeinsamen Unternehmungen miteinander – und das seit nunmehr 35 Jahren.

Die Anfänge des Chores unter Walter Tippmann


Gegründet am 19.01.1987 als Betriebschor der LPG „Frühgemüsezentrum“, umfasste der Chor zunächst 12 Mitglieder. Er überstand die Zeitenwende und wurde 1991 in „Lößnitzchor“ umbenannt sowie ins Vereinsregister eingetragen. Walter Tippmann, der den Chor seit der Gründung leitete, übergab den Taktstock 1993 an Lore Weise. Sie leitete den Chor 14 Jahre lang. In dieser Zeit wurde nicht nur das Repertoire stetig erweitert, auch qualitativ machte der Chor große Fortschritte. Im Jahr 2007 übernahm Karen Lalayan die Chorleitung und gab sie aus beruflichen Gründen noch im gleichen Jahr an seinen Kollegen und Freund Alexey Fomenkov weiter. Während dessen Zeit als Chorleiter wurde unser Repertoire vor allem um geistliche und russische Lieder erweitert. 2012 dann übernahm für die Adventskonzerte kurzzeitig Martina Stoye die Leitung des Chores. Seit 2013 ist nun Eric Weisheit der Herr über den Taktstock. Er knüpft in seiner Arbeit an die lange Tradition des Chores an, bereichert unser Repertoire aber auch mit eigenen Kompositionen. Unter seiner Leitung wagten wir uns an große sinfonische Werke. Das „Te Deum“ von J. A Hasse führten wir u. a. zu unserem 30jährigen Jubiläum auf. Mit dem befreundeten Chor „Friedrich Wolf“ und dem Haydnorchester kam das Weihnachtsoratorium von G. A. Homilius „Die Freude der Hirten über die Geburt Jesu“ in der Stadtkirche Nossen und in der Lukaskirche Dresden zur Aufführung.

Im Laufe der Jahre wurde unter inzwischen 6 verschiedenen Chorleitern nicht nur die Auswahl an Liedern immer umfangreicher. Auch die Zahl der Mitglieder wuchs stetig. Aktuell sind 35 Sängerinnen und Sänger aus Radebeul und Umgebung in unserem Chor aktiv. Und das nicht nur stimmlich – viele Mitglieder engagieren sich auch darüber hinaus für die Chorgemeinschaft, so zum Beispiel im Vorstand oder als Schlüsselbeauftragte/r. Das Chorleben wird außerdem bereichert durch regelmäßige Wandertage, Chorschulungen, geselliges Beisammensein und auch Chorfahrten. Diese führten uns beispielsweise schon in Radebeuls Partnerstadt St. Ingbert in das Saarland und in den hohen Norden nach Husum. Unser Besuch im Oktober 2019 beim niederländischen Chor Crescendo wurde zu einem emotionalen Höhepunkt. Als deutscher Chor nahmen wir an den Feierlichkeiten zu 75 Jahre Frieden in Europa und am internationalen Chorfestival in Roermond teil.

Die aktuellen Mitglieder des Chores


Neben deutschen und internationalen Volksliedern umfasst unser Repertoire auch geistliche Stücke sowie Wein-, Spiel- und Spaßlieder. Je nach Anlass werden daraus verschiedenste Programme zusammengestellt. Zu Gehör gebracht werden diese zum Beispiel bei jährlich stattfindenden Frühlings- und Weihnachtskonzerten in der Emmauskirche in Dresden-Kaditz. Aber auch zum Pfingstsingen am „Waldmax“ oder zu Treffen mit anderen Chören sowie anderen sich bietenden Gelegenheiten lassen wir unsere Stimmen erklingen.

In den letzten zwei Jahren hatte unser Chor durch die Corona-Pandemie leider wenige dieser Gelegenheiten. Die wenigen Auftritte, die stattfinden konnten, waren meist Freiluft-Veranstaltungen und konnten durch die nötigen Abstandsregelungen nicht in gewohnter Weise durchgeführt werden. Auch die Probenarbeit wurde durch die Hygiene-Bestimmungen sehr stark eingeschränkt und konnte zweimal über mehrere Monate gar nicht stattfinden.

Gern hätten wir, wie vor 5 Jahren zum 30jährigen des Chores, ein großes Konzert gegeben, um das Jubiläum gebührend zu begehen. Doch da momentan alle Choraktivitäten zum dritten Mal auf unbestimmte Zeit ruhen, bleibt uns nur, im Geiste miteinander anzustoßen und darauf zu hoffen, dass wir bald wieder miteinander singen und gemeinsam Zeit verbringen können.

Nichtsdestotrotz freuen wir uns immer über neue Sängerinnen und Sänger. Bei Interesse kann jederzeit eine unserer Proben (montags, 18.30 Uhr auf der Pestalozzistraße 3 in Radebeul) – so sie denn irgendwann wieder stattfinden können – besucht werden.

Laura Hackeschmidt
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Alle weiteren Informationen zum Chor sowie Kontaktmöglichkeiten finden sich außerdem auf unserer Homepage www.loessnitzchor.de.

„Diplomatie“ von Cyrik Gély auf der Studiobühne der Landesbühne Sachsen

Endlich darf wieder gespielt werden im Rahmen strenger Hygienekonzepte

Am 14. Juni 1940 marschieren deutsche Truppen in Paris ein. Nach dem Waffenstillstand zwischen Frankreich und Deutschland beginnt die Besatzung mit allen unwürdigen Begleiterscheinung, die Krieg nach sich zieht. Am 6. Juni 1944 landen die Alliierten in der Normandie. Adolf Hitler, der einigen seiner Generäle kein Vertrauen mehr schenkte, durch das auf ihn am 20.Juli 1944 ausgeübte Attentat im Führerhauptquartier u.a. durch Claus Schenk Graf von Stauffenberg, setzte, in der aus Sicht des Militärs aussichtslosen Situation auf General von Choltitz (Frank Siebers) in Paris. Der General bekam am 23. August 1944 den Befehl: „Paris darf nicht oder nur als Trümmerfeld in die Hand des Feindes fallen.“ General Dietrich von Choltitz zögerte den Befehl auszuführen. Das ist historisch nachweisbar. In der Stückvorlage (Gély) und der Inszenierung von Tine Josch sowie der Dramaturgie von Johanna Jäger handelte es sich um „Sternstunden.“ Der General erhält mitten in der Nacht Besuch von dem schwedischen Generalkonsul Raoul Nordling (Michael Heuser) im Hótel Le Meurice in Paris. Botschafter Nordling übergibt ihm einen Brief von der militärischen Gegenseite. General Choltitz lehnt im ersten Impuls die Post des französischen Generals ab. Es ist eine prekäre Situation für beide Männer.

»Diplomatie« – mit Michael Heuser und Frank Siebers (v.l.)


Der Schwede Raoul Nordling ist selbst als Sohn des vorherigen Konsuls, seines Vaters, in Paris geboren. Aus der genauen Kenntnis der gegenwärtigen Situation und seiner biografischen Erfahrung heraus, versucht der Diplomat sein Gegenüber, den General Choltitz zum Waffenstillstand mit den Franzosen zu bewegen und die befohlene Zerstörung der Stadt Paris zu verhindern. „Sie sind anders als ihre Vorgänger.“ Er malt im Gespräch Bilder, wie der General mit seiner Frau und seinen Kindern nach dem Krieg, also in Friedenszeiten Paris besucht. Der General von Choltitz hat vor der augenblicklichen Situation um seine Familie Angst. Er möchte nicht, dass diese als Geiseln benutzt werden, wenn er versagt. Hier verspricht der Generalkonsul seine persönliche Hilfe. Er schlägt vor: „Frau und Kinder von General Dietrich Choltitz in die Schweiz zu evakuieren.“ Ob er sein persönliches Ehrenwort als Diplomat dafür gebe?, fragt ihn sein Gegenüber. Konsul Raoul Nordling erklärte, dass er seine Frau, die Jüdin ist auf dem gleichen Weg in die Schweiz bringen ließ.

Zwei Militärs (Tom Hantschel, Maximilian Westphal), die für die persönliche Sicherheit des Generals zuständig sind, berichten auf offener Szene von der aktuellen Lage. „Die Alliierten stehen kurz vor Paris. Es ist kein Durchkommen.“ Paris wurde am 25. August 1944 mit Hilfe der Alliierten befreit. Fast ein Jahr später, am 8.Mai 1945 kapitulierte Deutschland. Welch ein Wahnsinn!

Trotz der zum Teil bedrückenden Atmosphäre (Ausstattung: Irina Steiner) ist es erstaunlich, wie viele Facetten während des Gesprächs, die Schauspieler Siebers und Heuser zum Klingen bringen.
„Endlich wieder richtiges Theater,“ sagte ein Gast neben mir. Anhaltende Beifall beim Publikum.

Endlich darf wieder gespielt werden. Sehr empfehlenswert für Schulklassen. (Falls möglich.)

Angelika Guetter

Ausblicke und Rückblick mit vielen Quäntchen Hoffnung

Veränderungen in der Tanzszene der Landesbühnen Sachsen in Radebeul

Der hoffentlich nicht schon vergessene Chefchoreograf Carlos Matos von den Landesbühnen in Radebeul hatte mit seiner Company in den vergangenen Spielzeiten mehr Planungssicherheit und bot, ob von Maurice Ravel, der dreiteilige Tanzabend oder die vielschichtigen Choreografien zu Gräfin Cosel, ausgezeichnete künstlerische Leistungen solistisch und mit Team. Die Choreografie seiner Partnerin Wencke Kriemer de Matos für das „Schwanensee-Märchen“ folgten viele Kinderaugen und erhielt bei der Premiere viel Beifall. Die Liste der gelungenen Choreografien lässt sich durchaus fortsetzen.

Der in der darauffolgenden Spielzeit folgende Chefchoreograf Wagner Moreira hatte wunderbare Ideen, z.B. mit seinem Tanzprojekt zwischen Amazonas und Sachsen: „Bach Chianas“ oder entspanntes und barrierefreies Tanztheater für alle mit dem Titel: „Difference“ . Gedacht war die Uraufführung als Koproduktion mit dem europäischen Zentrum der Künste in Dresden. Oder der Tanzabend „Heimatbilder“, der zur Premiere trotz ausgiebiger Coronatests von Publikum und Tänzern/innen ein Erfolg war.

Intendant Manuel Schöbel wagte noch keine abschließende Prognose zur Spielzeit (2021/22).

Das gemeinsam gefundene Motto der aktuellen Spielzeit: „Die Kunst ist eine Tochter der Freiheit“ regt dennoch zum Nachdenken an.

Der noch relativ neue Pressesprecher Herr Benjamin Abicht, (ein großer Dank an dieser Stelle der langjährigen Vorgängerin Frau Petra Grubitzsch), gab per Mail die Neubesetzung für die Chefchoreografie ab der Spielzeit 2022/23 weiter. Diesmal übernimmt mit Natalie Wagner eine Frau das Ruder.

„Mit großer Freude und Respekt gehe ich diese Herausforderungen an, dabei bietet die Arbeit an einem Mehrspartentheater spannende Möglichkeiten in der Entwicklung interdisziplinärer Formate.“ so Natalie Wagner.

Die gebürtige Schweizerin mit brasilianischen Wurzeln begann ihren künstlerischen Werdegang im Alter von 7 Jahren an der heutigen Züricher Tanzakademie.

Außerhalb der Bühnenkunst schlägt ihr Herz, so ist zu erfahren, für soziale Tänze.

Das künstlerische Interesse gilt zudem den Verbindungen und Wechselwirkungen als Gespräch zwischen Performance und Publikum.

Der Drang ihr Wissen zu vertiefen, brachte sie an die Palluca Hochschule für Tanz in Dresden, wo sie 2020 den Master of Arts in Choreografie absolvierte. Zudem erhielt sie ein zweijähriges Stipendium auf ihrem Gebiet für weitere künstlerische Forschungen.

Wir dürfen trotz Pandemie gespannt sein, auf das, was an guter künstlerischer Leistung auf uns zukommen mag.

Agelika Guetter

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