Nachtrag zum Artikel über Reinhold Langner

Nachdem der erste Teil meines Textes über den Künstler Reinhold Langner erschienen war,
meldete sich Constanze Herrmann, eine Enkelin des Künstlers, bei mir. Sie war froh, dass sich noch mal jemand mit ihrem Großvater befasst hatte. Bei einem kurzfristig vereinbarten Treffen, erfuhr ich noch ein paar Details aus dem Leben des Künstlers – da war aber der zweite Teil meines Textes schon im Druck. So will ich die Neuigkeiten nun als Nachtrag formulieren.
Die Wohnadresse Hammeraue 27 in Dresden-Briesnitz von Langner, die ich ermittelt hatte, ist richtig, jedoch nur bis 1939. In diesem Jahr hatte er sich in Dresden-Ockerwitz ein eigenes Haus gebaut, bei dem er als gelernter Maurer selbst mitgearbeitet hatte. Und da wohnte er bis zu seinem Tode 1957.

Foto: D. Lohse

Foto: D. Lohse

Zu den von mir bereits erwähnten Langner-Ausstellungen kommt noch die 2003 in der Bergstadt Schneeberg hinzu; als Holzschnitzer hatte er ja eine besondere Beziehung zu der Schnitzkunst des Erzgebirges. Das Interesse vor Ort war groß.
Einem Hinweis, besser wohl einer schwachen Vermutung, von Frau Herrmann bin ich in der Zwischenzeit nachgegangen und in der „Hoflößnitz“ in Radebeul fündig geworden. Da befindet sich ein von Langner geschnitzter Boden samt Widerlager eines Weinfasses. Hierbei handelt es sich um ein Auftragswerk des Dresdner Weingroßhändlers Valentin Franz. Der Auftrag wurde in den dreißiger Jahren erteilt und Reinhold Langner gestaltete den Boden in Eiche – ein komplettes Fass war nicht bestellt. Der Fassboden diente in den Geschäftsräumen des Weinhändlers als Schmuck, bzw Werbung. Das Weingeschäft in der Grunaer Straße wurde 1945 vollständig zerstört. Der Fassboden konnte durch glückliche Umstände gerettet werden und fand nach dem Krieg dann den Weg ins Radebeuler Weinbau-Museum, ist aber derzeit nicht in der Dauerausstellung zu sehen. Ich danke Herrn Andert, dass ich ihn trotzdem sehen konnte und ich danke auch Herrn und Frau Herrmann aus Dresden für die freundliche Begegnung.
Wenn ich es überschlage, haben wir jetzt vier Spuren von Langners Holzkunst in Radebeul, vielleicht ist das ja noch nicht der letzte Stand?

Dietrich Lohse

Bürgerbeteiligung- aber wie?

In der Mitgliederversammlung von Vorschau & Rückblick Anfang Februar diskutierten wir über die Möglichkeiten von Bürgerinnen und Bürgern, sich zu kommunalen Themen zu äußern beziehungsweise auch Einfluss auf Entscheidungen nehmen zu können. Diese werden in Grundzügen nachfolgend aufgezeigt.
Laut Hauptsatzung der Stadt Radebeul sind der Stadtrat und der Oberbürgermeister Organe der Stadt, zuletzt gewählt am 25.Mai 2014. Die 34 Stadträte/Innen gehören zu sechs Fraktionen: der CDU-Fraktion (11), der Freie Wähler-Fraktion (8), der Bürgerforum/Grüne-Fraktion (5), der LINKEN-Fraktion (4), der SPD-Fraktion (3) und der FDP-Fraktion (2). Eine Stadträtin vertritt die NPD. Stadtratssitzungen sind jeden 3. Mittwoch im Monat . Die Tagesordnungen und Themen finden Sie im Netz unter www.radebeul.de /Einwohnerportal/Stadtrat/Sitzungskalender-Ratsinformationssystem oder im Schaukasten vor dem Rathaus. Im Amtsblatt stehen sie leider nicht- Prinzipiell können Sie sich mit Ihren Anliegen an die von Ihnen gewählte Fraktion wenden, natürlich auch an alle anderen gewählten Vertreter. Die meisten Fraktionen unterhalten ein Bürgerbüro.
Hier sind nun für Sie, liebe Leserinnen und Leser, die einzelnen Büros aufgeführt:
Mitglieder der CDU-Fraktion Radebeul sind nach Anmeldung im Büro des Mitgliedes des Sächsischen Landtages, Dr. Matthias Rößler, in Altkötzschenbroda 32 zu treffen. Unter www.cdu-fraktion-radebeul.de können Sie sich anmelden. Wenn Sie kein Internet haben, wird es schwierig.
Besser geht es bei der Freie Wähler-Fraktion. Hier ist das Bürgerbüro in Altkötzschenbroda 5, dienstags von 10-12 und donnerstags von 17-19 Uhr besetzt, Telefon 0351 47978424, im Netz www.freie-waehler-radebeul.de.
Die Bürgerforum/Grüne-Fraktion öffnet donnerstags 16.30 – 18.00Uhr ihr Büro auf der Güterbahnhofstr.1 in Radebeul-West, im Netz unter www.buergerforum-gruene.de.
Die SPD-Fraktion erreichen Sie im Bürgerbüro des sächsischen Wirtschaftsministers Martin Dulig auf der Meißner Str.273 in Radebeul-West donnerstags 12-19 Uhr, Telefon 0351 6538989(AB). Im Netz unter www.spd-radebeul.de .
Die Linke-Fraktion ist montags zwischen 9 – 12 Uhr auf der Wasastr. 50 in Radebeul-Mitte zu erreichen, zusätzlich besteht jeden 1.Montag im Monat zwischen 16 – 18 Uhr die Möglichkeit, eine Stadträtin oder einen Stadtrat zu sprechen, Telefon 0351 838165, im Netz unter www.dielinke-radebeul.de.
Die FDP-Fraktion ist unter www.fdp-radebeul.de im Netz zu finden. Der Fraktionsvorsitzende Frank Sparbert ist telefonisch unter 0351 8305106 erreichbar.

Für kleinere Anliegen können Sie sich natürlich auch an Mitarbeiter/Innen der Stadtverwaltung wenden. Sollte das erfolglos sein, dann nur zu, gehen Sie zur öffentlichen Fragestunde immer vor der Stadtratssitzung oder wenden Sie sich an IHRE Abgeordneten.
Viel Erfolg!

Ilona Rau

Ist das Kunst oder kann das weg?

Die Frage, was ist Kunst, bewegt seit Jahrhunderten die Gemüter. Freilich wird sie erst in unserer Zeit so radikal gestellt, was sicher noch auf andere Aspekte in der Entwicklung der Gesellschaft verweist. Und mit dieser Frage schwingt auch immer wieder der Vorwurf des Dilettantismus mit, wobei man heute diesem durchaus positive, befreiende Aspekte gegenüber dem Professionellen zuspricht.
Andererseits hält sich hartnäckig die allgemeine Meinung, dass Kunst eben von Können und nicht von Kunsthonig komme. Markus Lüpertz, ehemaliger Rektor der Düsseldorfer Kunstakademie, pflegte darauf zu erwidern, dass es dann eben „keine Künstler, sonder Könner“ geben müsste.

Kunst kann man sicher nicht erlernen oder lehren, weder an Kunstschulen noch autodidaktisch. Sie ist einem gegeben und nicht zu verwechseln mit handwerklichem Vermögen. Erlernen kann man die Organisation dieser Prozesse. Was aber macht dann Kunst aus? Das Handwerk, wie es Schiller in der Zeit der Aufklärung forderte, ist es also nicht. Allein die naturgetreue Abbildung von Landschaften, das Zeichnen einer Person sind noch keine Kunst. Man erwirbt dadurch Anerkennung, aber keine Künstlerschaft.

Kunst definiert die Wissenschaft als etwas Kreatives, Neues, etwas Einmaliges und somit noch nie Dagewesenes. Es wird also im Idealfall mit ihr und durch sie eine andere Ebene, als die des Faktischen und Wirklichen erklommen. Mehr denken, mehr wagen, über das Erlaubte hinaus. Nicht von ungefähr galten und gelten große Künstler als Visionäre, Vorwegnehmer ihrer Zeit. So etwa wie Alfred Jarry, der 1893 den pervertierten Kleinbürger Udu literarisch zeichnete. Dieser Kleinbürger zog 22 Jahre später klingenden Spiels in den Ersten Weltkrieg. Oder etwa John Heartfields Fotomontage „Krieg und Leichen – Die letzte Hoffnung der Reichen“ von 1932, der mit dieser Arbeit den kommenden Krieg vorhersah.

Grundsätzlich aber existiert kein feststehender Kunstbegriff. Ein Joseph Beuys hat diesen gehörig „durcheinander“ gebracht. Er griff den sich seit den 1920 Jahren entwickelten „erweiterten Kunstbegriff“ auf und setzte ihn mit der vorhandenen Kreativität eines jeden Menschen gleich. Dieses Verständnis tendiert zu der heute festzustellenden Auffassung, dass jeder den Anspruch erheben kann, zu definieren, was Kunst sei, ja, wie Kunst gemacht werden soll. Künstler ist, wer sich als solcher fühlt. Allgemeine Maßstäbe zur Kunst und zu Künstlern gehören somit längst der Vergangenheit an. Dies mag auch der Grund sein, warum die oft langatmigen
Ausstellungseröffnungen mit Reden von sogenannten Kunstexperten und musikalischen Darbietungen in den Galerien und Ausstellungstempeln immer seltener werden, warum aber auch andererseits die Betrachter immer verständnisloser vor den sogenannten Kunstwerken stehen. Der Zugang wird ihm verwehrt, weil den künstlerischen Äußerungen der allgemeinverständliche Ansatz, die Chiffre fehlt, an die der Betrachter oder Leser anknüpfen könnte. Die rein subjektive Kunstäußerung muss somit auf das subjektive Unverständnis stoßen, da der Zugang zur subjektiven Welt des Anderen verschlossen bleibt. Aus diesem Teufelskreis ist schwer zu entfliehen. Man kann sich zweifelsfrei Künstler dünken, ob dies aber auch der andere so sieht, ist nicht ausgemacht. Noch schwieriger aber wird es, wenn man Anspruch auf Öffentlichkeit einfordert. Denn auf der anderen Seite steht nicht nur der subjektive Betrachter, sondern auch der subjektive Verleger oder Galerist, der seinerseits subjektiv entscheidet, was in sein Verlagsprofil oder in seinen Kunsttempel passt.
Ein Recht darauf ausgestellt oder gedruckt zu werden, hat somit niemand, es sei denn, er schafft sich selbst die Möglichkeit.

kuBa

Sachsen dreht am Museumsrad

Heutzutage sind Begriffe dehnbar. Jeder mag unter einer Sache verstehen, was ihm genehm ist. Der Begriff „alternative Fakten“ ist zwar zum Unwort des Jahres erklärt und stellt scheinbar die Welt auf den Kopf, aber man sollte es nicht so verbissen sehen. Alles ist möglich, nichts steht mehr fest: Ist es nun ein Museum oder ist es keins? Woran will man das heute noch festmachen?
Die Sächsische Landesstelle für Museumswesen in Chemnitz und deren Leiterin Katja Margarethe Mieth berufen sich auf die „Ethischen Richtlinien für Museen“ vom Internationalen Museumsrat ICOM und verweigert dem Lügenmuseum in Radebeul die Anerkennung als Museum. Grund: Die Richtlinien werden nicht erfüllt.
Das Vorstandsmitglied der ICOM Deutschland Prof. Dr. Dr. Markus Walz stellt hingegen klar, dass die Richtlinien nur als Handreichungen zu verstehen seien. Liest man dieselben, so ist unschwer zu erkennen dass es sich hierbei um idealtypische Beschreibungen handelt, die auf die tatsächlichen Profile der Einrichtungen herunter zu brechen sind. Wer sie also als Richtschwert benutzt, muss sich fragen lassen, welche „ethischen“ Grundsätze hier hochgehalten werden sollen.
Mit dem Urteil der Sächsischen Landesstelle für Museumswesen begibt sich die Behörde in auffallende Nähe zu einer schon länger zurückliegenden Bewertung dieses Museums durch die Kulturstiftung Sachsens. Dessen Geschäftsführer schätzte damals ein, dass die Radebeuler Einrichtung keinesfalls zum „Premiumsegment“ der Region zähle und dieser eher Schaden zufügen würde.
Diese Einschätzung war da schon ehrlicher: Das ungewöhnliche Museum, welchem vormals im Bundesland Brandenburg die Anerkennung nicht verwehrt wurde, passt also nicht ins Verständnis des Mainstreams. Mag es daran liegen, dass es zur Entfaltung von Phantasie, zur Schärfung der Sinne, zur Ergründung der Dinge hinter den Erscheinungen, zur Freude an der Kunst und besonders zum Widerspruch anregt? Das Schlimmste aber, was man vermutlich diesem Museum vorwerfen muss ist, keine klaren Aussagen und Positionierungen zu haben. Ein Leitbild sucht man auf seiner Webseite vergebens. Gut, dass es immer wieder Institutionen wie die Landesstelle für Museumswesen und die Kulturstiftung Sachsen gibt, die genau wissen, was der Bevölkerung zugemutet werden kann. Kulturelle Bildung soll schon sein, aber doch nur nach meinem Proporz!
Vielleicht sollten bestimmte Kreise auch einmal darüber nachdenken, ob sie noch auf dem richtigen Dampfer sitzen. Die Welt ist offener und differenzierter geworden. Auch das Verständnis von Kunst und deren Position in der Gesellschaft hat sich gewandelt. Doch der Anspruch an die Kunst aus der Zeit der Aufklärung sitzt tiefer, als man glaubt. Ein Spruch vom „Bayerischen Rundfunk aus den 1990er Jahren scheint sich verfestigt zu haben: „Wir sagen ihnen, was sie hören wollen!“ Und wer nicht hören will, dem entziehen wir die Steuerbefreiung, denn was ein Museum, was kulturelle Bildung ist, bestimmen wir. Ist das Freiheit?!
Ach ja, schon ein Blick ins Besucherbuch dieses Nicht-Museums lohnt sich durchaus und bildet ungemein.

Karl Uwe Baum

Ist das so…?

Eine Nachbetrachtung zur Bürgerversammlung in Radebeul-West

Am 8. Februar dieses Jahres fand in Kötzschenbroda eine Bürgerversammlung zum Sanierungsgebiet Radebeul-West statt. Das Bauamt der Stadt Radebeul in Person des neuen Sachgebietsleiters für Stadtplanung, Olaf Holthaus, stellte nochmals ausführlich die Ergebnisse der im Sommer 2017 erfolgten Umfrage vor. Die Sächsische Zeitung berichtete am 10./11.2.2018 darüber. Allgemeiner Tenor in der Zeitung: Es gab unterschiedliche Meinungen zu den drei Vorschlägen für die Sanierung der Bahnhofstraße. War das so? Nein! Geschätzte 80 Prozent der anwesenden Bürger sprachen sich gegen den von der Stadtverwaltung favorisierten 2. Vorschlag (alte Bäume fällen, neue pflanzen, mehr Parkplätze) aus. Diese Variante sei notwendig, da der gewonnene Platz für den von der CDU-Fraktion vorgeschlagenen Wochenmarkt (ein Frischemarkt) benötigt wird.

Historische Ansichtskarte mit Blick in die Bahnhofstraße Foto: Stadtarchiv Radebeul

Ist das so, dass das Gebiet um die Bahnhofstraße nur belebt werden kann, wenn die Bäume, die laut eines Gutachtens vermutlich noch 20 Jahre stehen könnten, gefällt werden? Ist das so, dass nur ein Frische-Wochenmarkt am Sonnabend mit mindestens 12 Standplätzen für spezielle Marktfahrzeuge die Straße beleben und die ansässigen Händler wirtschaftlich unterstützen könnte? Woher diese Erkenntnisse stammen, wurde allerdings den versammelten Bürgern nicht mitgeteilt. Gibt es vielleicht ein Marktkonzept oder eine Bedarfsanalyse für den Stadtteil Radebeul-West, womit diese Feststellung untersetzt ist? Das würde sicher die Bürger sehr interessieren. Was ist, wenn die Bäume gefällt sind und der so alternativlos eingeforderte Markt nicht greift? Was ist, wenn der Frischemarkt erfolgreich ist, aber die sechs Bäcker, die sechs Fleischer und die fünf asiatischen Händler mit ihrem Angebot von Obst, Gemüse bis hin zur Bekleidung absterben, weil der Frischemarkt zwingend ebensolche Ware bereithält? Was ist, wenn sich nicht ausreichend Händler für diesen neuen Markt finden, da diese schon lange ihre „Reviere“ abgesteckt haben? Was ist, wenn das, was Cornelia Bielig, zuständig in der Stadtverwaltung für Märkte und Feste, in der Bürgerversammlung aus langjähriger Erfahrung heraus zu einem Markt in der Bahnhofstraße einschätzte, zutrifft? Ist es so, dass in der Bahnhofstraße kein Breitband-Kabel für den schnellen Internetanschluss verlegt werden kann, wie Olaf Holthaus ausführte, wenn die alten Bäume stehen bleiben? Keiner kennt offensichtlich die tatsächliche Situation und die mögliche Entwicklung in diesem Stadtgebiet genau. Viel Ungeklärtes gibt es allein zu dem Punkt Wochenmarkt.
Damit waren aber die Fragen zur Bürgerversammlung noch nicht erschöpft. So wunderte man sich, dass nur drei mögliche Varianten zur Sanierung der Bahnhofstraße zur Auswahl stehen, wo doch eine vierte Variante (u.a. mit schrägen Parktaschen) dem Bauamt der Stadt bereits vor der Abstimmung des Stadtrates bekannt war? Warum scheint es immer nur um die Bahnhofstraße zu gehen, wo doch das Sanierungsgebiet bedeutend größer ist. Was also ist mit dem „Schulcampus“ und dem dort geplanten dreigeschossigen Schulneubau? Was bedeutet das für das angrenzende Wohngebiet? Welche Verdichtung des ruhenden und fließenden Verkehrs wird dadurch hervorrufen? Gibt es hierzu eine Verkehrsplanung und wie sieht diese aus? Existiert wirklich nur ein Vorschlag für die Umgestaltung des Platzes vor dem Bahnhofsgebäude? Wieso gibt es überhaupt einen Vorschlag für die Gestaltung dieses Ortes, wenn die weitere Nutzung dieses Hauses noch völlig unklar ist? Ist eigentlich die Planung einer Bustasche unmittelbar nach der Kurve Bahnhofstraße / Güterhofstraße sinnvoll? Auch interessierte sehr, warum sich die Auswertung der Sommerumfrage 2017 bis zum 20. Dezember jenes Jahres hinziehen musste, obwohl die Erkenntnisse bereits Ende September 2017 feststanden und warum es nun eine zweite Umfrage nur bei den Händler geben muß?
Aber die allerwichtigste Frage bleibt, die alle immer wieder bewegt, wo sind die Maßnahmen die besonders zur „Erhaltung und Entwicklung […] als Standort für Wirtschaft, Kultur sowie als Orte zum Wohnen, Arbeiten und Leben dienen“, wie es das Förderprogramm „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“ festgeschrieben hat?
Hat es vielleicht eine Bedeutung, wenn aus berufenem Munde zu vernehmen ist, dass nur mit der Variante 2 eine geförderte Sanierung zu erwarten sei? Geht es am Ende gar nicht um Variante 1, 2, oder 3, sondern nur um Fördermittel?
Zugegeben, nicht all diese Fragen sind auf der Bürgerversammlung gestellt worden, aber sie drängen sich einem auf, wenn man über den Sachverhalt länger nachdenkt. Befriedigende Antworten auf die dort gestellten Fragen, so schien es, haben die Anwesenden an jenem Donnerstag aber nicht erhalten. Es ist zu wünschen, dass die Bürger auch weiterhin zum Sanierungsgebiet Radebeul-West gefragt werden und ihre Vorschläge – wenn sinnvoll – auch in die Planung mit einfließen.
Karl Uwe Baum

Zum Ableben von Klaus Kaufmann – Formgestalter und Innenarchitekt

 

Im April 2004 konnte die Redaktion „Vorschau und Rückblick“ Klaus Kaufmann mit einem Artikel von Dietrich Lohse zum 80. Geburtstag recht herzlich gratulieren. (s. auch Vorschau und Rückblick, Heft 4, 2004)
Nun ist Klaus Kaufmann am 03.02.2018 im Alter von 93 Jahren verstorben.

Ich war ihm seit der Zeit meines Studiums der Architektur (1968 bis 1972 an der TU Dresden) sowohl persönlich als auch fachlich sehr verbunden.
Ich erlebte den Kaufmann’schen Haushalt, seine Frau und er, beides Architekten, als eine für mich ganz neue Welt.
Es war ein offenes Haus, es wurden Gäste empfangen, es gab einen großen Freundeskreis, es wurde musiziert, viel gelesen und vor allem mit Lust und Engagement viel gearbeitet. Es herrschte, wie man sagt, eine allumfassende Kreativität.
Bereits mit Beginn des Studiums verdingte ich mich bei dem Ehepaar Kaufmann im damaligen Atelier, im Gartensaal des Hauses Sorgenfrei in der Radebeuler Oberlößnitz als angehender Architekt als „Zeichenknecht“. Neben dem Studium bedeutete das auch, im Nebenjob Geld zu verdienen.
Immerhin stolze 5 Mark der DDR pro Stunde. Dabei lernte ich unglaublich viel vom Handwerk des Architekten. Neben Zeichenarbeit für vielerlei Projekte die bearbeitet wurden, bin ich dann oft mit der Frau des Hauses, eine geborene Jörissen, über die, wie man so sagt, Dörfer gezogen und habe gemeinsam mit ihr Gasthöfe, Ladengeschäfte und andere Baulichkeiten aufgemessen und die Ergebnisse dann aufgetragen.
Klaus‘ Arbeitsweise war äußerst komplex. Die Herangehensweise an seine Aufträge war geprägt von dem Ringen nach Perfektion im besten Sinne des Wortes.
Er war besessen vom Detail. Er nannte es immer: Du musst um die Ecke denken, das hieß, was man im Grundriss entwickelte, musste auch quasi 3-dimensional durchdrungen werden.
Heute, mit der breiten Anwendung der CAD-Zeichentechnik ist das oftmals nicht das Problem (wenn man es beherrscht). Damals wurden die Projekte so ausgelegt, dass neben Grundriss auch sofort Schnitt und Ansicht angelegt wurden, um dieses Um-die-Ecke-Denken frühzeitig prüfen zu können.
Sein Arbeitspensum war atemberaubend: früh waren Baustellen oder Werkstätten zu besuchen, Beratungen zu führen, nachmittags oft bis in den späten Abend hinein wurden die Ergebnisse des Tages gezeichnet und Neues für den kommenden Tag entwickelt.
Neben ganz viel Kaffee, kein Alkohol, kam der Spaß nicht zu kurz. Schallplattenaufnahmen von Emil Steinberger, Karl Valentin oder Spejbl und Hurvínek haben wir rauf und runter gehört, bis wir sie endlich auswendig konnten bzw. haben uns diese so zu eigen gemacht, dass wir uns mühelos in dem jeweiligen Idiom zurechtfanden und aufpassen mussten, um Besucher oder Kunden nicht zu befremden.
In den vielen Stunden der Tätigkeit im Kaufmann’schen Büro lernte ich eine Vielzahl von Kollegen kennen, denen ich noch heute mit großem Respekt und auch Dankbarkeit begegne.
Darüber hinaus half mir meine Tätigkeit letztendlich, einen „richtigen“ Job zu finden. Die Arbeit am „Heiteren Blick“, dem Kulturhaus des damaligen VEB Planeta, brachte mich mit meinem späteren Chef, Herrn Günter Fischer, zusammen, der mir dann letztendlich auch das notwendige Vertrauen für eine weitere Zusammenarbeit entgegen brachte, wofür ich ihm bis heute ebenfalls sehr dankbar bin.
Nach seinem – erzwungenen – beruflichen Rückzug war seine Kreativität jedoch ungebremst.
Unter anderem war es sein Hobby, die Tages- und Jahresereignisse in Versform zu kommentieren und zu interpretieren. Dabei entstanden herrliche, ungeheuer witzige Wortspiele und Reimereien.
Einer der großen Höhepunkte in den letzten Jahren war das von ihm anlässlich seines 88½
Geburtstages inszenierte und von seiner Tochter auch liebevoll und geduldig unterstützte Wochenendfest auf seinem „Landsitz“ in Linstow – Kenner können in Heiterkeit Assoziationen zum berühmten Pettersson (allerdings ohne Kater Findus) nicht leugnen.

Die letzte große Feier im Hotel Stadt Radebeul war kein runder Geburtstag, sondern ein Treffen mit seinen Weggefährten, Kollegen und Freunden aller Altersgruppen – auch mit Rede, Gesang und Gesprächen – wohl verstanden als Abschied von den von ihm geliebten, doch anstrengenden, großen Veranstaltungen.
So wollen wir ihn in Erinnerung behalten.

Dr. Dietmar Kunze

„Radebeuler Künstler – heute“

Überblicksschau anlässlich 35 Jahre Stadtgalerie

Künstlerische Vielfalt in der Stadtgalerie Foto: K. (Gerhardt) Baum

Radebeul nimmt im Umland von Dresden eine Sonderstellung ein. Die Dichte der hier wirkenden Künstler ist außergewöhnlich hoch. Während die vorangegangene Ausstellung mit Werken aus dem Bestand der Städtischen Kunstsammlung einen Entstehungszeitraum von vier Jahrhunderten umspannte, gibt die aktuelle Ausstellung einen Einblick in das gegenwärtige Kunstschaffen vor Ort. Unter dem Motto „Radebeuler Künstler – heute“ konzipiert die Stadtgalerie seit 1997 im fünfjährigen Rhythmus eine genreübergreifende Überblicksschau, was für die Ausstellungsorganisatoren immer wieder eine logistische und gestalterische Herausforderung ist.

Auf einer Ausstellungsfläche von 80 qm zeigen in diesem Jahr 46 Künstler 95 Einzelexponate. Dem Besucher bietet sich in erstaunlich breiter künstlerischer Vielfalt, ein heiter anmutendes Zusammenspiel verschiedener Handschriften und Techniken. Die Radebeuler Kunstszene lebt! Vertreten sind mehrere Generationen. Die älteste Künstlerin ist 92, die jüngste 23 Jahre alt. Der Bogen spannt sich vom Akademiker bis zum Autodidakten, vom freischaffenden bis zum unfreischaffenden Künstler, dessen alltäglicher Kampf um die Sicherung der Existenz unerbittlich viel Zeit verschlingt.

Der Schlagzeuger Günter „Baby“ Sommer trägt sich ins Besucherbuch ein Foto: K. U. Baum

Vereint sind Werke der Malerei, Grafik, Plastik, Fotografie, Holz- und Textilgestaltung sowie angewandter Gestaltungsbereiche. Da findet sich Naturalistisches, Abstraktes, Naives, Expressionistisches, Futuristisches, Surrealistisches, Poetisches…
Zu sehen sind Landschaften, Stillleben, figürliche Darstellungen und Porträts. Der künstlerische Anspruch spiegelt sich in virtuosen Druckgrafiken, zarten Tuschezeichnungen, fein akzentuierten Malereien und im experimentierfreudigen Umgang mit verschiedenartigstem Material. Hintersinnige Anspielungen werden verstärkt durch Bildunterschriften wie „Die Schildbürger helfen Pinoccio die lange Nase zu tragen“, „Kampf ums goldene Kalb“, „ Der Anfang vom Ende“ oder „Man gewöhnt sich an alles“. Ob Systemwechsel, Globalisierung, Genmanipulation, Digitalisierung, Gentrifizierung…
Philosophie, Melancholie, Ironie und Grenzüberschreitung gehen ineinander über. „Windsbraut“ und „Gottesanbeterin“ bieten reichlich Spielraum für Interpretation. „Angela“ und „Martin“ sind mit Nägeln gespickt. Hauptsache die Wachstumskurve zeigt nach oben!
Der Anfang und das Ende der künstlerischen Schaffenszeit sind in dieser Ausstellung auf berührende Weise dokumentiert. Während sich Josefine Lippmann mit ihrer mutigen Fotoserie „Romy“ erstmals in einer Galerie öffentlich präsentiert, werden die unwiederbringlich letzten Arbeiten von Claus Weidensdorfer – ein kleines farbiges Blatt in Mischtechnik aus dem Jahr 2014 – sowie zwei Druckgrafiken in Sandreservage-Technik von Gunter Herrmann aus den Jahren 2011 und 2012, die hier gezeigt werden.
Zu den Radebeuler Besonderheiten gehört der Umstand, dass sich in der Lößnitzstadt viele Künstlerfamilien angesiedelt haben, mitunter gar in zweiter Generation. Persönliche Freundschaften und Arbeitsbeziehungen wurden und werden über lange Zeiträume gepflegt. Künstlerische Traditionen sind allgegenwärtig. Beispielgebend sei in diesem Zusammenhang Gunter Herrmann genannt, der zum Kreis jener Radebeuler Künstler gehörte, die sich einstmals für eine städtische Galerie stark gemacht hatten und dieser Einrichtung auch später über Höhen und Tiefen hinweg mit Rat und Tat zur Seite stand. Sein Wohnatelier im Turmhaus des Grundhofes, welches er vom Maler Karl Kröner übernommen hatte, war ein kommunikativer Ort und stand für Kunstinteressierte immer offen. Sein Wissen als Grafiker und Restaurator gab Gunter Herrmann ohne Eigennutz an viele Künstlerkollegen weiter, was in deren Biografien immer wieder dankbare Erwähnung findet.

Großer Andrang zur Midissage Foto: S. Preißler

Die Radebeuler Kunstszene ist ein komplexes Beziehungsgeflecht. Kunst und Künstler lassen sich nicht verwalten wie ein Kassenbuch. Kunstproduktion und Kunstrezeption bedingen einander, sind ein wechselseitiger Prozess des Gebens und Nehmens, der sich nicht in Nabelschau erschöpft. Dass wir auf 35 Jahre Stadtgalerie und 40 Jahre Grafikmarkt zurückblicken können, dass wir die Möglichkeit haben, eine Städtische Kunstsammlung aufzubauen, spricht für das kulturelle Klima in der Lößnitzstadt. Bleiben wir also auch weiterhin neugierig, tolerant, solidarisch und kämpferisch.
Wenn es wirklich gewollt ist, dass die Kunstszene in Radebeul auch künftig eine Perspektive haben soll, sind pragmatische Überlegungen zur Erhaltung und Schaffung erschwinglicher Wohn-, Arbeits- und Präsentationsräume für Bildende Künstler unabdingbar. Denn: Was wäre eine Stadt der Millionäre noch wert, so ganz ohne ihre kreative Künstlerschaft?
Karin Baum

Die Ausstellung ist bis zum 4. März, jeweils am Dienstag, Mittwoch, Donnerstag und Sonntag von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Am letzten Ausstellungstag findet eine Sonderführung mit der Galerieleitung statt.

Karin (Gerhardt) Baum

Künstler:

Sophie Cau, Lieselotte Finke-Poser, Clara Freier, Roland Gräfe, Karen Graf, Peter Graf, Sebastian Hennig, Christiane Herrmann, Gunter Herrmann, Michael Hofmann, Matthias Kistmacher, Cornelia Konheiser, Matthias Kratschmer, Dorothee Kuhbandner, Anna Kuntsche, Bärbel Kuntsche, Wolf-Eike Kuntsche, Ulrike Kunze, Klaus Liebscher, Josefine Lippmann, Lutz Lippmann, Johanna Mittag, Peter PIT Müller, Anne K. Pinkert, Detlef Reinemer, Gabriele Reinemer, Markus Retzlaff, Lutz Richter, Constanze Schüttoff, Annerose Schulze, Fritz-Peter Schulze, Gerold Schwenke Enrico Scotta, Gabriele Seitz, Ju Sobing, André Uhlig, Ralf Uhlig, Bärbel Voigt, Stefan Voigt, Christian URI Weber, Claus Weidensdorfer, Irene Wieland, Ute Wittig, Susan Wittwer, Tobias Wolf, Reinhard Zabka

 

Editorial März 2018

Frühlingserwachen mit Hindernissen in Radebeul!
Während der Frühjahrsputz in den Haushalten in Sichtweite rückt, beherrschen auch weitreichende städtebauliche Themen die Agenda der Radebeuler Bürgerschaft. Derzeit ist das Sanierungsgebiet in Radebeul-West, namentlich die Bahnhofsstraße, ein großes Thema. (Im Heft dazu mehr) Stadtentwicklung hat zum Teil für Jahrzehnte eine nicht unerhebliche Bedeutung für die Ausrichtung tragender Konzepte. Die Urbanität will erhalten bleiben, vielen Bedürfnissen will Genüge getan sein. Dies trifft insbesondere auf die zahlreichen Einzelgeschäfte zu. Leider sieht man immer mehr in verwaiste Ladenfenster oder ein erhöhter Wechsel der Ladeninhaber findet statt. Dem demografischen Wandel folgend, eröffnen derzeit immerhin mit wohl langlebigstem Erfolg mehrere Gesundheitshäuser ihre Pforten.
In Radebeul-Ost hat man mit den „Sidonienhöfen“ im Wechselspiel mit dem Kulturbahnhof vor einigen Jahren einen recht lebendigen Platz geschaffen. Zudem haben zahlreiche Veranstaltungen auf dem Vorplatz einen festen Platz im Jahreskreis gefunden.
Neben dem üblichen Wochenmarkt auf der Hauptstraße setzt mit großem Engagement und wachsendem Erfolg „Wein & Fein“ mit Musik und Wein an ausgewählten Terminen einladende Akzente.
Schaut man die Straße nach oben, so klafft dort auf dem Gelände vom einstigen „Glasinvest“ nach wie vor eine städtebauliche Wunde. Auch einige Meter weiter in Richtung Radebeul-West harrt ein großes Areal seit Jahren seiner Bebauung.
Aber es ist bald Frühling und da wächst Vieles!

Sascha Graedtke

Wilhelm Rudolph – Dresden 45 Zeichnungen, Lithographien, Holzschnitte

»Strich um Strich wie Wunden«

Zum dritten Mal lädt die Ausstellung Dresdner Kunst Besucher und Kunstfreunde aus nah und fern an den Lößnitzhang, diesmal zur Ehrung des großen Dresdner Realisten Wilhelm Rudolph (1889 – 1982) und zum Gedenken an den Untergang Dresdens in der Bombennacht des 13. Februar 1945 und an die vieltausend Toten dieses mörderischen Angriffs.

Wilhelm Rudolph, in Hilbersdorf bei Chemnitz gebürtig, hat schon früh in seiner Kindheit den im Kreise seiner armen Weberfamilie ungewöhnlichen und nur durch persönliches Talent und privates Mäzenatentum gestützten Entschluß gefaßt, Maler zu werden. Das Studium an der Akademie bei Bantzer und Sterl führte ihn nach Dresden, einer Stadt, die er nach Heimkehr aus dem 1. Weltkrieg kaum noch verlassen hat. Als Maler, insbesondere aber als Holzschneider, hat er sich schon früh, in den zwanziger und dreißiger Jahren, einen Namen gemacht. Auch hat er schon in seinen Ausbildungsjahren erste Erfahrungen mit Tuschfederzeichnungen, ausgeführt mit der Rohrfeder, erworben. Willensstärke und Talent widmet Rudolph dem einzigen ihm darstellenswert Erscheinenden: der Wirklichkeit. Gegenstand ist »alles was sichtbar ist«, Tiere und Landschaften, die Größe der unberührten Natur, aber auch Porträts sind bevorzugte Sujets.

Unter den kunstvergessenen Nationalsozialisten wegen seiner frühzeitig antifaschistischen Wesensart als Professor der Dresdner Kunstakademie 1938 nicht weiter beschäftigt, hat er schon lange vor der Katastrophe im Auftauchen alliierter Aufklärungsflugzeuge über der Stadt das aufziehende Unheil gespürt. Auch der erste Angriff auf das Dresdner Elektrizitätswerk im Oktober 1944 war ihm gleichsam eine Ankündigung des Kommenden.

Der vernichtende Angriff in der Nacht des 13. Februar 1945 zerstörte einen Großteil seines bisherigen Werkes, wie auch der geschnittenen Holzstöcke und nur mit Mühe gelang es Wilhelm Rudolph und seiner Frau einige persönliche und künstlerische Habseligkeiten aus den Trümmern seines Wohnhauses zu bergen, darunter Tusche, Rohrfeder und Zanders-Bütten Papier und wohl auch einige Holzschnittplatten.

Das füglich Gerettete erweist sich in der Hand des Meisters als das einzige, was notwendig war, die vernichtete Existenz Dresdens, dieses einzigartigen italienisch-deutschen Barocktraumes nördlich der Alpen, aufzuheben und mit erregt-besonnenen Strichen in mehr als 200 Tuschfederzeichnungen festzuhalten. Rudolph hat rasch beginnend nach den Schreckenstagen des Februar in einer Art Zwangszustand Straße um Straße, Plätze und Gebäude der Überreste der von ihm so geliebten Stadt in diesen inzwischen berühmten Rohrfederzeichnungen gezeichnet. Parallel dazu hat er in Handzeichnungen die Menschentrümmer, die Heimatlosen und Vertriebenen, die »Trümmer der Wehrmacht« und die vor dem »Aus« stehenden Ausgebombten festgehalten.

Einige wenige, rare Beispiele dieses in der Zeichenkunst in der Mitte des 20. Jahrhunderts als einsamer Monolith aufragenden Werkes zeigt die Ausstellung.

Paar in Trümmern . 1945/46 . Feder, Tusche . 25,2 × 32,7 cm
Bild: Repro G. Klitzsch

Das Dresdner Kupferstichkabinett vereint unter dem Titel »Das zerstörte Dresden« die von Rudolph zusammengestellte Gesamtfolge von 150 Rohrfederzeichnungen wie auch weitere Zeichnungskonvolute.

Moritz Strasse . 1945 – 47 . Holzschnitt . 30,8 × 40,4 cm
Bild: Repro G. Klitzsch

Den Zeichnungen fehlt es trotz der technisch schwierigen Darstellung anonymer Steinhäufungen niemals an Individualität. Das gilt gleichermaßen auch für die in der Ausstellung gezeigten Lithographien, die den Zeichnungen am nächsten stehen, und es gilt auch für die auf der Grundlage des Zeichnungswerkes entstandenen Holzschnitte, die Rudolph gleichfalls schon 1945 – 47 geschaffen hat.

Auch in den Trümmern und Ruinen, in den skelettierten Gebäuderesten und Fassaden, aus denen die Fensterhöhlungen, toten Augen gleich, hervorstarren, bewahren die Straßenzüge und Plätze den Formwillen ihrer Schöpfer, zugleich die Banalität des Menschengemachten bloßlegend und so die geistige Kraft des barocken Dresden auch in der totalen Zerstörung dem Schauenden noch einmal vor Augen führend.

Erhard Frommhold schreibt 1976:
»Natürlich wird nun der Holzstock von ihm … zerrissen, das Messer wütet förmlich im Holz, um Risse und Schraffuren expressiv herauszukratzen. Das Atmosphärische beherrscht nicht nur die skeletthaften Fassaden, die Trümmerlandschaften, sondern auch die in ihnen herumgeisternde Figuren. Die Feder umreißt nicht nur Formen, sie bringt neue Strukturen alter Fassaden hervor, indem sie schwarze Schatten setzt wie Dunkelheiten felsiger Höhlen. Der Stift führt Architektur wieder auf Elementares, auf die zerbrochene Hülle des menschlichen Lebens zurück.« Die Kraft der Zeichnungen und Holzschnitte Wilhelm Rudolphs hält den Terrorangriff und die unmenschliche Zerstörung des Gesamtkunstwerkes »Dresden« und seiner Bewohner über das Gedächtnis unserer Eltern und Großeltern hinaus gegenwärtig. Zu ihrer Wirkung bedürfen sie – wie alle Kunst – der Öffentlichkeit. Den Angriffsopfern, allzumeist Frauen, Kinder und Ältere, ihrem Gedächtnis ist diese Ausstellung gewidmet. Ihres Opfers war sich auch Wilhelm Rudolph bei seiner immensen Arbeit stets bewußt: die Wirklichkeit einer in der Fläche zerstörten Stadt mit den Mitteln seiner Kunst festzuhalten und Zeitgenossen und Nachgeborenen zu überliefern. Sie sind Teil der Seele dieser Stadt geworden. Ihrer zu gedenken, nicht nur am 13. Februar, ist ein Teil unserer Menschlichkeit. Wilhelm Rudolph war nicht der Einzige, der Bilder des zerstörten Dresden geschaffen hat, aber er war der Einzige, dessen Ergriffenheit von der Wirklichkeit in einem solchen Ausmaß überwunden wurde, daß aus ihr eines der größten Zeichnungs- und Holzschnittwerke in der Mitte des 20. Jahrhunderts erwuchs. Sie sind herzlich eingeladen, in dieser Ausstellung große graphische Gestaltungskunst zu erleben, aber auch einen Moment innezuhalten und gewahr zu werden, wes Sie hier eigentlich ansichtig werden.

GK

Ausstellung Dresdner Kunst l Hohe Straße 35 l 01445 Radebeul-West
Ausstellung vom 11.2. – 6.5.2018 l geöffnet Sa, So 11 – 18 Uhr
Ostersonntag (1.4.) geschlossen

Trauerrede für Karl Reiche

Wenn ich an Altkötzschenbroda denke, dann sehe ich Euer Geschäft mit dem frischen Gemüse und dem Hof, das offene Hoftor und im Hof die großen und prächtig blühenden Pflanzen und immer irgendwo mittendrin Karl Reiche. Er gehörte einfach dazu! Bauer Reiche – so nennen ihn die Radebeuler. „Frag mal Bauer Reiche, der weiß bestimmt was!“ Er hatte ein großes Wissen, was die Landwirtschaft und seine Hobbys betraf, aber er kannte eben auch die Geschichte von Altkötzschenbroda und das Leben der Bauern. Er hat den Wiederaufbau des Dorfangers miterlebt, und er war einer, der sich dem Neuen nie verschloss. „Wir pflügen und wir streuen den Samen auf das Land, doch Wachstum und Gedeihen liegt in des Herren Hand.“ Dieses Lied hat er sich gewünscht, und er hat diese alte bäuerliche Weisheit immer in sich getragen. Unsere Aufgabe ist es, nach bestem Wissen und Gewissen unsere Arbeit zu erledigen. Aber ob es fruchtet, ob es gelingt, ob Leben gedeiht, das liegt nicht allein in unserer Hand! Zu unserem Wollen muss Gott sein Vollbringen geben. Karl Reiche ist viel gelungen. Er war ein guter Sämann. Unter seinen Händen wuchs viel Frucht, von der Ihr, die Kinder, Enkel und Urenkel, von der viele Menschen profitieren konnten. Gott hat immer seine schützenden Hände über ihn gehalten. Viele Male in seinem Leben ist er bewahrt worden. Gott hat ihm ein langes, erfülltes Leben geschenkt. Dafür war er immer dankbar!

Im Volksmund »Bauer Reiche«
Foto: D. Privatbesitz

So wollen wir uns erinnern:
Er wurde am 10. Juni 1920 geboren als viertes von fünf Geschwistern. Mit seiner jüngeren Schwester Gretel hat er Zeit seines Lebens ein enges, inniges Verhältnis gehabt. Sie sind gemeinsam alt geworden. Gretel verstarb vor wenigen Wochen. Die Kinder wuchsen auf dem Bauernhof auf. Arbeit gab es genug. Karl hat in Kötzschenbroda acht Jahre die Schule besucht. Dann ging er auf die Landwirtschaftsschule nach Meißen. Er kam vom Lande. Er kannte sich aus. Er war klug. Er hatte die besten Voraussetzungen, einen landwirtschaftlichen Betrieb zu führen. Aber: Es kam der Krieg und die Kriegsgefangenschaft. Die meisten von Ihnen werden sein Buch „Kriegsgefangen“ kennen. Er konnte mit Sprache umgehen. Er hat gern geredet. Wenn man ihn besuchte, musste man immer Zeit mitnehmen. Und er hatte eine ganz akkurate Schrift und eine sehr umfangreiche Korrespondenz bis ins hohe Alter hinein. Durch sein Buch hat er Geschichte wieder lebendig werden lassen. Wir tun gut daran, es weiter zu geben. Die meisten von uns wissen nicht, was Krieg und Gefangenschaft damals bedeutet hat. Karl Reiche beschreibt in seinem Buch, wie er es geschafft hat, das Grauen zu überleben. Aber er verbreitet keinen Hass! Er hat nie aufgegeben. Er kannte die Natur. Er wusste, was helfen kann. So hat er überwunden. Und Gott hat seine schützenden Hände über ihn gehalten. Weihnachten 1949 kam er wieder nach Hause, nach neun Jahren, von denen er fünf in russischer Kriegsgefangenschaft verbracht hat. Die russische Sprache hat er nie verlernt. Anton, ein gebürtiger Pole, half Karls Vater in Kriegszeiten auf dem Bauernhof. Die Freundschaft zu ihm und seiner Familie währte lebenslang. Endlich wieder zu Hause lernte Karl seine Frau Edelgard kennen. Die Hochzeit, die drei Kinder, die Arbeit auf dem Bauernhof.

Es kam die die Zeit der LPG, Typ1, später dann Typ3. Auch darüber hat er geschrieben, und ich hoffe sehr, dass das Buch über das bäuerliche Leben bald erscheint. Auch dieses Buch wird Geschichte schreiben. Er hat mir so oft davon erzählt. Von den Vorsitzenden, den Parteigenossen, die leiten mussten, aber doch keine Bauern waren, sich einfach nicht genügend auskannten. Und heraus kam manchmal der größte Unsinn! Karls Gesundheit war angeschlagen. Von der Kriegsgefangenschaft, vielleicht von so mancher unsinniger Entscheidung, die ihm auf den Magen schlug. Auf jeden Fall arbeitete er ab 1974 als Küchenchef im Gasthof Kaditz. Ich habe mich immer gewundert, wie sicher er sich in der Küche bewegen konnte. Bis ins hohe Alter hinein hat er Obst und Marmelade eingekocht und großzügig wieder verschenkt! Lebensbestimmend waren seine Hobbys: Die Tauben- und die Orpingtonzucht hat er von seinem Vater übernommen und mit großer Sachkenntnis und Leidenschaft weitergeführt. Er war Landes- und Bundesehrenmeister. Internationale Rassegeflügelausstellungen brachten ihm viele Auszeichnungen. Das Vereinszimmer im Hof war voller Ehrennadeln, Pokalen und Urkunden. Mit wie vielen Menschen hat er dort gefeiert! Auch der Wein gehörte zu seinem Hobby. 2016 stand er noch auf der Leiter, um den Wein zu verschneiden! Die blühenden Pflanzen auf dem Hof waren sein ganzer Stolz! Auch nach 2000 gab es noch schwere Zeiten: 2002 die Flut! Er hatte nicht damit gerechnet, dass die Elbe so hoch steigt. Als er den Hof verlassen musste, war er richtig gealtert! Aber er hat sich erholt. Auch 2008 war ein schweres Jahr. Da starb seine geliebte Edelgard. Er wurde richtig krank! Mit Gottes Hilfe, mit Hilfe seiner Kinder, Enkel und Urenkel hat er überwunden. Im Herbst 2009 erschien das Buch über die Kriegsgefangenschaft. Es wurde ein großer Erfolg. Bis zu seinem 95. Lebensjahr kam er gut allein zurecht. Dann wurde er liebevoll versorgt, umgeben von seinen Kindern, Enkeln und Urenkeln. Am 29. Dezember 2017 hat Gott ihn im Alter von 97 Jahren und 6 Monaten gerufen. Die Friedenskirchgemeinde in Radebeul Kötzschenbroda war für ihn und seine Familie immer Heimat, und die Bindung wurde mit den Jahren immer enger! Karl Reiche war ein kluger, interessierter und aufrechter Mann, der sich und dem Glauben immer treu geblieben ist. Und er war gesegnet mit einer großen inneren Weite! Das hat ihn so überaus sympathisch und liebenswert gemacht. Jetzt ist er erlöst worden von den Lasten des Alters. Er hat Gottes Nähe so viele Male in seinem Leben erfahren, er wird sie auch im Tod spüren. Darauf dürfen wir vertrauen. Gott spricht: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Du bist mein. (Jesaja 43,1)

Brigitte Schleinitz (Pfarrerin in der Friedenskirchgemeinde von 1994- 2009)

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