Klima – Geschichte der Messungen

Die Wetterwarte in Wahnsdorf feiert ihren 100. Geburtstag

Auch nach der Verlegung des Königlich Sächsischen meteorologischen Instituts nach Dresden im Jahre 1905 und der auf Empfehlung des mächtigen Landeskulturrates erfolgten Umbenennung in Königlich Sächsische Landeswetterwarte im Jahre 1907, hatte deren Direktor Paul Schreiber größere Schwierigkeiten, eine an die Zentrale gebundene, geeignete und langfristig gesicherte Beobachtungs- und Forschungsstation zu etablieren. An einer solchen sollte es z.B. möglich sein, die Prüfung neuer Geräte und Methoden oder Gerätevergleichungen vornehmen zu können. Die räumlichen und lokalklimatischen Gelegenheiten auf dem Gelände der Landeswetterwarte in der Großen Meißner Straße 15 in Dresden Neustadt waren hierfür nicht geeignet. Dem gegenüber wurde im Sächsischen Landtag und in dem als Lobby für die Landwirtschaft agierenden Landeskulturrat die Notwendigkeit von Klimamessungen- und Wetterbeobachtungen auf dem Fichtelberg durchaus anerkannt und befürwortet. Beispielsweise wurde nach den gescheiterten Versuchen, diese Aufgaben durch die ehrenamtlich fungierenden Bergwirte bewerkstelligen zu lassen, bereits 1912 eine Beamtenstelle hierfür bewilligt. So nutzte SCHREIBER die sich 1912 bietende Gelegenheit, als im Finanzausschuss die Errichtung einer Wetterwarte auf dem Fichtelberg diskutiert wird, zu einem erneuten Vorstoß. In der Diskussion um den geeigneten Standort erwies sich schließlich aus verschiedenen Gründen die Wahnsdorfer Kuppe als die geeignete. Die notwendigen Flächen waren gekauft und zur Verfügung gestellt, die Projekte für die Gebäude und die gesamte Ausgestaltung von SCHREIBER selbst entworfen und genehmigt, so dass die Wetterwarten Fichtelberg am 1.1. und Wahnsdorf am 1.8. des Jahres 1916 ihre Tätigkeit aufnehmen konnten. Weitsichtig hatte er die Gebäude und Anlagen so konstruiert, dass sie sowohl die Belange einer Wetterwarte, als auch einer Forschungsstation in äußerst exponierter Lage, wie auf dem Fichtelberg, als auch in der Stadtrandlage in Wahnsdorf sicher und zukunftsträchtig gewährleisteten.
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Als 1934 die Landeswetterwarte in den Reichswetterdienst (RWD) aufging und aus ihr 1935 mit dem Standort der Wetterwarte Wahnsdorf das Observatorium Wahnsdorf hervorging, wurde die Verantwortung für die routinemäßige Datengewinnung der Abteilung Klimadienst des RWD übertragen. Die am Observatorium gewonnen Daten, wozu auch die Stundenwerte der meisten meteorologischen Größen (auch der Globalstrahlung und der Sonnenscheindauer) hinzu kamen, wurden mit den Daten der anderen Observatorien im Deutschen Meteorologischen Jahrbuch Teil IV, als Heft 2 veröffentlicht. Nach 1945 wurde auf Befehl der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland das sächsische meteorologische Netz wieder aufgebaut bzw. fortgeführt. Das Observatorium wurde zum Sammelpunkt aller sächsischen Wetterbeobachter, Techniker und Meteorologen, die die Hoffnung hegten, hier überleben zu können. Die Mitarbeiter rückten im wörtlichen wie im übertragenen Sinne eng zusammen. Im Gebäude waren die neu gegründete sächsische Landeswetterwarte mit den Abteilungen Wetter-, Klima- und Radiosondendienst untergebracht. Im Jahre 1974 entschied man, wegen der räumlichen Nähe zur Wetterstation Dresden-Klotzsche und weil sich das Aufgabenprofil des Observatoriums geändert hatte, die Klimamessungen hier am 30.06. einzustellen und ab 01.07.1974 nach Dresden-Klotzsche zu verlagern. Zur Interpretation der Luftmesswerte wurden und werden aber weiter meteorologische Messungen durchgeführt (Auszug aus: Ergebnisse aus 100 Jahren Klima- und Umweltbeobachtung in Radebeul-Wahnsdorf).
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Wenn wir in diesem Jahr an die einhundertste Wiederkehr der beiden Wetterwarten auf dem Fichtelberg und auf der Wahnsdorfer Kuppe bei Dresden erinnern, können wir uns auch auf viele Details von Festschriften berufen, die aus Anlass ihrer Eröffnung sowie der 50. und 75. Wiederkehr dieses für die Meteorologie Sachsens und Deutschlands bedeutsamen Ereignisses herausgegeben wurden. Als Fortführung wird am 3.9.2016 von 13 bis 16 Uhr stattfindenden „Tag der offenen Tür“ in der Staatlichen Betriebsgesellschaft für Umwelt und Landwirtschaft (BfUL), Altwahnsdorf 12, 01445 Radebeul, eine weitere Veröffentlichung herausgegeben. (Auszug aus Kapitel 2.7 „Ergebnisse aus 100 Jahren Klima- und Umweltbeobachtung in Radebeul-Wahnsdorf“, aus dem Tagungsband der „10. Annaberger Klimatage 2016“)

Johannes Franke

Informationen über die Arbeit der BfUL erhalten Sie unter dem Link www.smul.sachsen.de/bful

Die Krapenburg

verein für denkmalpflege und neues bauen

„ ein außerordentlich malerisch bewegter Bau mit einer langen Geschichte“

So beschreibt Volker Helas das Eckgrundstück zwischen Krapenberg- und Kynastweg auf der Mittleren Bergstraße 44 in seiner Radebeuler Denkmaltopographie.

Außerordentlich ist neben der langen Baugeschichte auch die Größe und die Formung des Grundstückes. Es gibt ein großes Wohngebäude, ein altes Press- bzw. Winzerhaus, ein Backhaus, Stallungen und einen Wirtschaftshof. Umschlossen wird alles von einer alten Mauer und überschattet von einem Park mit seltenen Bäumen und Büschen.
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Zum Grundstück gehört aber auch ein fast 4 ha großer Weinberg mit einem denkmalgeschützten Talutmauernsystem von 1862. Nach Aussage von Experten soll diese Anlage jetzt europa- bzw. weltweit einmalig sein. Sie diente, wie einst frühere Anlagen auch, zur Frühaufzucht von Tafeltrauben und Edelobstsorten.
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Mit malerisch bewegt hat Helas bei seiner Beschreibung sicher nur das Hauptgebäude gemeint, das sich zur Mittleren Bergstraße zu mit seinen Türmen, Fenstern, Giebeln, Hauben, Ornamentfeldern, Putzstrukturen und dem Zierfachwerk deutlich von den Häusern der Umgebung abhebt und sich in seiner Bauform wirklich um einige Ecken bewegt. Vieles an diesem besonderen Haus wäre darstellens- oder malenswert. Auf alle Fälle sollte man bei der Betrachtung stehenbleiben, um alle Details auch gut erfassen zu können und um die schöne Inschrift „Krapenburg“ am Eckerker zu entdecken.
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Interessanter wird es aber, wenn man durch das große schmiedeeiserne Tor gehen und das Grundstück betreten darf. Wir durften das als Mitglieder des Vereins für Denkmalpflege und das an einem der schönsten Abende im Monat Juni. Der Besitzer, Herr Peter Ackermann, hatte seine Zustimmung zu unserer Veranstaltung „Häuser und ihre Besitzer“ gegeben und die Bewohner Frau Wollrad, Herr Häntsch und die Familie Bennewitz sagten uns ihre Unterstützung zu.
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Alle Sitzmöglichkeiten des Grundstückes waren durch Frau Wollrad am ehemaligen Teepavillon zusammengetragen worden und der große Tisch bot Platz für alle und für alles: für Bücher, Bilder, alte Fotos und verschiedene Dokumente, die Herr Schröder, Herr Ackermann und Frau Wollrad zur Erklärung der Familien- und Hausgeschichte gefunden hatten. Ein paar Flaschen Wein gab es im ehemaligen Weingut natürlich auch auf diesem Tisch.

Wir hätten sitzenbleiben können, aber uns lockte der Teil des Hauses, der von der Straße nicht einsehbar ist und der den Namen Burg rechtfertigte. Hier gab es:

einen achteckigen Turm mit einer steinernen Wendeltreppe, gebogte Eingänge und verzierte Türen, dunkle Wandtäfelungen und schöne Holzfußböden, dekorative Öfen und interessante Lampen und als Höhepunkt ein gestuftes farbiges Kunstglasfenster, das das gesamte Treppenhaus einnimmt und in ein wunderbares warmes Licht tauchte.

Es ist erstaunlich, dass der Kernbau dieses Hausteiles bis auf ein paar Kleinigkeiten noch so erhalten ist, wie er 1899 durch den damaligen Besitzer, dem Handelsgärtner Reinhold Ackermann, im Stil der Neorenaissance erbaut wurde. Seine Initialen RA sahen wir im oberen Teil des Kunstglasfensters. Sie waren eingebettet in ein figurativ – ornamentales System, das auf Leben und Vergänglichkeit, aber auch auf Fruchtbarkeit und Schönheit hinweist. Eine junge Frau mit einem Kind symbolisierten diese Idee ebenfalls. Ganz besonders auffällig waren als Motiv die große Anzahl von rosa und roten Rosen, die als Symbol auf eine Freimaurerzugehörigkeit hinweisen könnten und die Akanthusblätter, ein vor allem in der Renaissance vielfach verwendetes Ornament.

Der burgähnliche Charakter der Renaissancezeit setzte sich auch in den Wohnräumen mit den massiven und bemalten Holzdecken und den dekorativen Kachelöfen fort. Die Familie Bennewitz öffnete uns freundlicherweise alle ihre Türen zu den Haupträumen. Man spürte beim Betrachten noch immer den Hauch einer anderen Zeit und bewunderte den Einfallsreichtum und die ordnende Hand des Dresdner Architekten Oscar Wend, der mit seinem Partner Paul Eger das Haus entworfen hatte. Beide entsprachen mit ihrer Bauweise genau den Vorstellungen ihres Auftraggebers, seinem Bedürfnis nach Romantik und Geborgenheit, aber auch nach Originalität und Repräsentation.

Und repräsentieren wollte und musste Reinhold Ackermann. Er war wahrscheinlich durch den Weinhandel in Leipzig und Dresden reich geworden. Sein großes, auch im Adressbuch ausgewiesenes Weinlager im Dresdner Schloss, könnte diese Vermutung bestätigen.
Die „hohen Berge“ der Zitzschewiger Flur brachten schon lange gute Erträge. Sie waren bereits über 400 Jahre im Besitz von wohlhabenden Dresdner und Leipziger Bürgern, aber auch von Sächsischen Adligen, wie z.B. der Familie Christoph Vitzthum v. Eckstädt (1633-1711).

Noch heute weisen die Initialen CWE am Preß- und Winzerhaus, dessen große Gewölbekeller uns an diesem Abend auch durch den Verwalter, Herrn Häntsch, gezeigt wurden, auf diese Besitzer hin.

Nach dem Sohn, Friedrich Vitzthum v. Eckstädt (1675-1726), einem Kammerherrn von August dem Starken, wechseln die Besitzer vielfach. 1830 kaufte Georg Christian Fischer, der schon eine Reben-, Forst-und Obstbaumschule betrieb, das Grundstück.

1857 erstand Karl Albert Herrmann und wenige Jahre nach ihm,1865, der Leipziger Apotheker Ludwig August Neubert das Anwesen. Dieser Besitzer errichtete auch die Talutanlage zum Anbau von Tafeltrauben. Zur gleichen Zeit betrieb Reinhold Ackermann auf diesem Grundstück eine Gärtnerei. 1899 erwarb Reinhold das gesamte Anwesen und baute auf dem Fundament des um 1710 gebauten Wohnhauses die neue Krapenburg.

Über sein Leben ist wenig bekannt. Seine Tochter Frida Ackermann erbte das Grundstück. Sie erlebte hier auf der Krapenburg gute und schlechte Zeiten: Krieg und die Vernichtung der Weinberge durch die Reblaus, aber auch die Umstellung auf die Züchtung von seltenen Obst- und Beerensorten. Da Frida kinderlos blieb, übereignete sie nach ihrem Tod im Jahre 1956 einem Verwandten aus der Ackermannschen Linie das Grundstück.

1957 richtete das Sortenamt beim Landwirtschaftsrat der DDR die Rebenversuchsstation Radebeul auf diesem Grundstück ein, die nach der Wende vom Bundessortenamt und später von der Sächsischen Landesanstalt für Landwirtschaft übernommen wurde. Heute wird der Weinberg vom Sächsischen Staatsweingut bewirtschaftet.

Der schon 1590 bei dem Besitzer Asmus Müller erwähnte „Krap“ hat also eine lange Geschichte. Vieles ist nachvollziehbar, einiges bleibt im Dunklen. So ist auch der Name „Krap“ nicht ganz geklärt. Zwei Vorschläge gibt es: „Hainbuche“ oder „Weinbeere“. Vielleicht kennen Sie, verehrte Leser, noch eine andere Möglichkeit.

Gudrun Täubert

Editorial 8-16

Seit einigen Jahren ist die Reihe „Kammermusik in der Hoflößnitz“ zum festen Bestandteil eines exquisiten sommerlichen Kulturprogramms im Herzen von Radebeul geworden. Der reich ausgeschmückte Festsaal des Lust- und Berghauses, eine Pretiose des sächsischen Frühbarocks, bietet für Aufführungen in kleiner Besetzung hier geradezu idealtypische Voraussetzungen, wenngleich aufgrund der „trockenen Akustik“ für das geschulte Ohr einige gern zu verschmerzende Kompromisse hinzunehmen sind.

In loser Folge finden hier zwischen April und September an ausgewählten Sonntagen jeweils um 17 Uhr etwa 10 Konzerte statt.

Bernhard Hentrich, dem als künstlerischer Leiter maßgeblich für die Zusammenstellung und Durchführung der vielseitigen Jahresprogramme zu danken ist, führt mit außerordentlicher Sachkenntnis in die jeweiligen Aufführungen ein. Und nicht nur das macht das Konzerterlebnis persönlicher. Oft sind es die Musiker selbst, die zwischen den Sätzen oder wechselnden Komponisten dem interessierten Publikum ungezwungen an geschichtlichen oder musikwissenschaftlichen Vertiefungen teilhaben lassen. Stellvertretend seien namhafte Persönlichkeiten wie der Dirigent und Pianist Ludger Rémy oder Matthias Jung als Leiter des Sächsischen Vokalensembles genannt. Jedes Konzert bietet so seinen ganz eigenen Exkurs in das umfängliche Erbe europäischer Musik- und Kulturgeschichte.

In diesem Jahr sind mit dem Konzert am 31. Juli noch insgesamt vier Konzerte zu erleben, die Sie in unserem Veranstaltungsteil des betreffenden Monats beworben finden.

Sascha Graedtke

Mit Tom Tagtraum durch das Jahr 2016 – Teil 7

Du musst Träumen ihre Entstehung zulassen, denn nur so kann irgendwann ein Teil davon auch Wirklichkeit werden.

Zwei wundersame Geschichten im Orient
Wieder ging’s los mit dem kleinen, hellblauen Flugzeug. Thomas, der Pilot, flog Tom gleich zu Beginn der Matscheschneekältewetter-Winterferien in kurzer Zeit in eine palmenwedelnd-frühlingsduftende Gegend, wo der Honig besonders lecker schmeckt und Orangen einfach so als Fallobst, kaum beachtet, unter Straßenbäumen liegen. Hier gibt es statt Glockengeläut von Kirchtürmen schwelgende Gesänge von Moscheeminaretten und zum Frühstück frisch gepressten Granatapfelsaft. Alle Pflanzen duften mitten im Februar schon viel stärker als zu Hause im wohligsten Sommer, das Meer rauscht leise. Nur die fernen Berge tragen auf ihren höchsten, sehr geschwungenen Gipfeln Kappen aus Schnee. Hier oder vielleicht doch noch woanders, aber schon fast in der Nähe müssen die „Märchen aus tausendundeiner Nacht“ gespielt haben. Tom ist sich fast sicher, denn als ihm seine Großmutter Selma früher daraus vorlas, hatte er genau solche Bilder in sich drin entstehen sehen, wie er sie jetzt hier, nur etwas gegenwärtiger eben, vor sich sieht.

Wundersame Teppiche, die nie fliegen werden
Obwohl es schon Mittagszeit ist, spürt Tom keinen großen Hunger, nur etwas Müdigkeit vom Erlebten in der orientalischen Altstadt. Ein bisschen Ausruhen ist dran, Tom holt sich einen frisch gepressten Orangensaft, nimmt den Rucksack ab und lässt sich mit kurzem Seufzer auf einem Mauersims nieder. So, jetzt noch die Beine ausstrecken und…mmmhhh, wie der Orangensaft duftet und schmeckt! Erst nach dem nächsten Schluck blickt Tom auf und schaut auf zwei Läden, nicht weit gegenüber. In beiden gibt es Teppiche unterschiedlicher Größe und Muster, die auch dort hergestellt werden, um sie an Touristen aus aller Welt zu verkaufen. Kennst du die Märchen, in denen fliegende Teppiche vorkommen?
Tom erinnert sich der gehörten, vor- und längst selber gelesenen und jetzt schaut er hier in Ruhe zu, wie Teppiche gewebt werden. Das geht bei dem einen Händler, halb links quer der Straße, recht flott. Der hat dafür eine computergesteuerte Webmaschine, und ist solch ein Teppich ratzebatze fertig, so zieht ihn der Händler (Tom kann es deutlich durch eine spaltbreit offene Tür beobachten) durch eine Wanne mit einer gelbgrüngrau schäumenden, bis draußen übel riechenden Flüssigkeit und dutzenden, sehr kantigen Steinen. Die Touristen bezahlen schließlich viel Geld für „alte“, also „historische“ Teppiche, und nach solch einer Prozedur ist jeder Teppich in wenigen Minuten um viele hundert Jahre gealtert, scheinbar. Freilich ist nicht mal die Zeit bis zum nächsten Schluck Orangensaft vergangen…
Der Händler längs der Straße jedoch bietet nur wenige fertige Teppiche an. Seine Frau und die beiden Töchter sitzen an großen Webrahmen bei der Arbeit. Dabei erzählen sie einander Geschichten und trinken Tee, beginnen zu singen, legen bald eine Pause ein, weben weiter, haben einen freundlichen Blick für Tom übrig, um dann wieder miteinander zu scherzen. Tom entdeckt, dass jeder der wenigen Teppiche, die auf Käufer warten, ganz anders aussieht, so, als ob er selber eine eigene und ganz unverwechselbare Geschichte erzählen könnte. Na ja, für denjenigen jedenfalls, der aus einem Teppich Geschichten lesen kann. Nein, Tom braucht keinen Teppich. Und ein fliegender Teppich wird jetzt auch nicht durch die Tom-Tagtraum-Geschichten schweben. In denen gibt es schon genug wundersame Transportmittel, lassen wir die Flugteppiche also in den Märchen, in denen sie zu Hause sind. Darum soll es hier nicht gehen, hat doch Tom für sich ganz allein etwas klären können. Als er vom Mauersims aufsteht und den letzten Schluck frisch gepressten Orangensaft austrinkt, ist ihm das Geheimnis aller fliegenden Teppiche plötzlich ganz klar geworden. Wie – Was – Warum – Wieso… fragst du jetzt? Nun, noch bevor Tom den ersten Schritt weiter gelaufen ist, weiß er genau, welche Teppiche auch in den fantastischsten Märchen n i e fliegen werden können.

Mehmet der Zuckerbäcker und der wundersame Geldautomat
Nein, so etwas aber auch. Immer noch ist Tom in diesem fernen Land und Mehmet, der Zuckerbäcker, hatte ihn eben von diesen köstlichen Törtchen und Küchelchen kosten lassen. Genau das ist es! Einen großen Karton voll von diesen Leckereien mit nach Hause nehmen, für Mutter Bruni, Vater Gerd, Oma Selma, vielleicht würde sich Herr May auch freuen oder die Kinderärztin Frau Doktor Haferkorn. Aber zu dumm. Es ist der letzte Urlaubstag und, nun ja, wer kennt das nicht, Toms Taschengeld für diese Reise ist restlos alle. Am Anfang hatte er seine Euro in diese fremde Währung, nennen wir sie mal einfach Korinthen, getauscht, aber jetzt ist bis auf eine kleine, abgegriffene Münze nichts mehr übrig. Und billig sind die handgemachten Küchelchen auch nicht. Die und guter Rat sind jetzt also beide teuer. Tom kann nicht mal mehr Thomas, den Piloten, fragen, ob der ihm was leihen könnte, denn der tankt schon am Flugplatz vor der Stadt das kleine, hellblaue Flugzeug auf. In einer Stunde kommt der mintgrüne Reisebus, um Tom zur Rollbahn zu bringen. Nun geschieht auch in vermeintlich märchenhaften Wunderländern nicht ständig in aller Gegenwartsalltag ein Wunder und Tom ist auch noch zu jung für eine eigene Kreditkarte, mit der an allen Geldautomaten auf der Welt hätte etwas abheben können. Sein Sparschwein, das steht zu Hause auf dem Klavier. Der Gedanke, dass es ganz gut gefüllt ist, hilft hier jedoch auch nicht weiter… Aber je intensiver Tom an sein Sparschwein zu Hause auf dem Klavier dachte, desto schummeriger erschien ihm nach und nach ringsum die Welt und er selbst fühlte sich ein bisschen benebelt. Wer Tom jetzt beobachtete, erschrak vielleicht, sah er ihn doch zu einem Geldautomaten taumeln, sah, wie Tom einige Tasten drückte und dabei einige Male merkwürdige Laute vor sich her murmelte. Es klang aus weiter Ferne etwa wie „Himbraautomata, Sparschwein komm nach dada, himbrabrumbra letztlich, schütt mein Geld hier aus jetzt plötzlich…“ Tom taumelte immer noch und sah Farben aus Rosa und Grün, als vom Geldautomaten ein langes Klimpern zu vernehmen war. Toms gesamtes Sparschweingeld kam nämlich eben dort an, zweckmäßiger Weise gleich in der Landeswährung Korinthen gewechselt. Ein Wachmann der Bank schaute noch mit finsterem Blick um die Ecke, aber Münzen aus Geldautomaten, das gab es nicht, das war nicht vorgesehen. Also hatte ihm seine Wahrnehmung in der Mittagssonne nur einen Streich gespielt. Es würde Zeit, in Ruhe einen Tee zu trinken… Tom fühlt die Münzen in seiner Jackentasche und läuft eilig zu Mehmet, den Zuckerbäcker. Der hat bereits Toms Bestellung an Törtchen und Honigküchelchen transportsicher in einen großen Karton verpackt. Mehmet weiß Bescheid, jeden Tag kommen Touristen kurz vor der Abreise bei ihm vorbei. „Tschüss Tom, gute Reise nach Hause, lass es dir und deinen Freunden dort schmecken und wenn du mal wieder hier bist…“ – Aber da ist es längst Zeit für Tom. Er bekommt von Mehmet noch eine kleine Köstlichkeit auf die Hand, als der mintgrüne Reisebus schon hupt. Ab zum kleinen, hellblauen Flugzeug, das pünktlich startet. Tanja, die Stewardess, bringt Tom Apfeltee und Baklavar. Ab nach Hause. Übermorgen sind die Matscheschneekältewetter-Winterferien schon zu Ende, die Schule fängt wieder an.
Tobias Märksch

Der Radebeuler „NOTschriftenverlag“ feierte 20-jähriges Jubiläum

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Jens Kuhbandner im Gespräch mit Gästen Foto: W. Zimmermann

Man kennt das ja zur Genüge, die Lust daran sich selbstständig zu machen. Von niemandem außer von seiner Kundschaft abhängig zu sein. Und bei all dem die Möglichkeit zu haben, eigene Ideen zu verwirklichen. Einer, der sich diesen Traum erfüllte ist der Radebeuler Jens Kuhbandner. Ein Bücherfan? Natürlich, denn sonst gingen Wunschträume dieser Art gar nicht erst auf. Jens Kuhbandner gründete im Jahr 1996 in Radebeul seinen eigenen Verlag und gab ihm den skurrilen Namen „NOTschriften“. Die ersten Bücher des Verlages entsprachen tatsächlich diesem Verlagsnamen. Es waren Prosatexte und Lyrik, deren gedruckter Inhalt von einem schlichten Wellpappeneinband zusammengehalten wurde. Dafür fanden sich natürlich auch die ersten Autoren; ein Lyrikband von Edward Güldner erschien bspw. in dieser Aufmachung. Und auch der Rückblick eines Kulturmachers der 1980-iger Jahre, der in seiner STASI-Akte sehr viel erzählenswerte Geschichten entdeckte. Außerdem, der Schauspieler Wolfgang Dehler (leider schon verstorben), der Anekdoten aus seinem langen Schauspielerleben zusammensuchte und dieser Sammlung den schlichten Namen „…einfach absurd“ gab. Vielleicht war es gerade das Cover seines Buches, das den Verlag von den Wellpappenbüchern abrücken ließ. Fortan nämlich verwiesen die Einbände, wie es im Buchverlagswesen nun mal Standard ist, ganz klar auf den Inhalt des Buches.

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Querschnitt aus dem Verlagsprogramm Foto: W. Zimmermann

Das Verlagsprogramm ist in den 20 Jahren ziemlich umfangreich geworden. Und es sind längst nicht nur Neulinge, die bei NOTschriften gelistet sind. Die Hauptarbeit (Texte sichten, Gespräche mit den Autoren führen etc.) macht der Verlagschef immer noch nahezu allein. Und immer noch findet man ihn in seinem kleinen Büro im Erdgeschoss vom Pfarrhaus der Radebeuler Friedenskirche. Inmitten von Büchern natürlich, für die inzwischen der Platz recht knapp geworden ist. Der 20-jährige Verlagsgeburtstag wäre vielleicht eine Möglichkeit, sich auch in den Räumlichkeiten etwas auszuweiten.

Wolfgang Zimmermann

Auf ein Neues im nächsten Jahr!

Zum XJAZZ-Festival am 27./28. Mai in Radebeul

Kristina Amparo mit ihrer Band

Kristina Amparo mit ihrer Band                Foto: B. Kazmirowski

im Mai-Heft der „Vorschau“ kündigte Jazzlegende Günter Baby Sommer ein für Ende des Wonnemonats (27./28.) in Radebeul geplantes Jazzfestival unter dem Titel XJAZZ an und warb um breite Akzeptanz unter Musikfans der Region, damit es zu einer Tradition werden möge. XJAZZ ist, das sollte man wissen, ein seit einigen Jahren sich von Berlin aus über das Land und seit diesem Jahr auch in Europa (Tel Aviv, Istanbul und Reykjavik) verbreitendes Konzertkonzept, das den Begriff Jazz absichtsvoll weit fasst und stilistische Ausflüge zum Soul und Funk, ja selbst zum Gospel und zur Klassik ermöglicht. Es geht also nicht um die reine Lehre (Kann es die in der Kunst überhaupt geben?), sondern um ein atmosphärisch stimmiges Musikerlebnis, weshalb sich die Organisatoren für die Radebeuler Premiere auch drei sehr unterschiedliche, gleichwohl geeignete Locations (wie man Neudeutsch sagt) ausgesucht und eine ganze Palette an Musikern aus dem In- und Ausland eingeladen hatten. Ein großes Plus, so sollte sich erweisen, war die Verwurzelung der jungen Konzertveranstalter von „Dynamite Konzerte“ um Björn Reinemer in unserer Region (Firmensitz im „White House“ auf der Kötzschenbrodaer Straße), was sich im unermüdlichen Engagement im Umfeld des Festivals und zu den Veranstaltungen selbst zeigte. Die insgesamt neun Konzerte fanden zwischen Freitagabend und Samstagabend in der Lutherkirche, im Foyer der Landesbühnen Sachsen und im Areal des Weingutes Aust statt, wobei der Verfasser sich für jene im Weinberg am Sonnabend entschieden hatte. Ich gebe zu, dass ich nicht zu den Kennern der Materie gehöre, sondern mich eher nach dem von Sommer in seinem Artikel ausgerufenen Motto „Viel Vergnügen bei offenen Ohren“ richten und also unvoreingenommen auf die Musik einlassen wollte. Mit mir zusammen fanden sich dann zu spätnachmittäglicher Stunde schon geschätzte 60 entspannt wirkende Menschen im Weingut ein, wo an diesem Tag zwei Bühnen aufgebaut waren, auf denen die vier Acts – Three Fall, Kristin Amparo, Baby Sommer mit Michael Winkler sowie Tabitha Xavier mit Steffen Roth – spielten. Ungewöhnlich, aber in jedem Fall gelungen fand ich die Entscheidung, nicht auf einen großen Namen zu setzen, sondern über insgesamt fünf Stunden die Künstler kürzer, dafür manche auch mehrfach auftreten zu lassen. Nicht nur meiner Meinung nach waren die beiden Auftritte der schwedischen Sängerin Kristina Amparo besondere Höhepunkte, und dies nicht nur deshalb, weil sie sowohl den Beginn als auch das Ende des Konzertabends markierte.

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Foto: B. Kazmirowski

Mit selbst komponierten, stimmgewaltig und doch feinsinnig interpretierten, eher zum Soul tendierenden Stücken verlockte sie die auf Bänken sitzenden, im Gras liegenden und mit Weinglas am Rande stehenden Zuhörer zu gedankenverlorener Versunkenheit in der Musik, besonders in der abendlichen Dämmerung. Wie angenehm, wenn Zeit einmal so zu einem langen sinnlichen Moment gerinnt und inmitten der Natur still zu stehen scheint. Baby Sommer ließ es sich natürlich nicht nehmen, als Schirmherr des Festivals mit seiner Band auch selbst in Erscheinung zu treten und mit dem Saxophonisten Michael Winkler einen seiner facettenreichen Auftritte hinzulegen, bei denen vor allem seine Schlagzeugimprovisationen und die Soloparts Winklers die Aufführung zu einem volltönenden Erlebnis werden ließen.
Dem Vernehmen nach planen die Veranstalter nach der erfolgreichen Premiere auch für 2017 mit einer XJAZZ Edition Radebeul. Die ca. 400 Besucher in den Konzerten machen Mut und Lust auf mehr Jazzmusik zwischen Elbufer und Hangkante, wobei sicherlich die meisten Fans darauf hoffen, dass das unverkrampfte und natürliche Miteinander zwischen ihnen und den Veranstaltern einerseits sowie den Künstlern andererseits, wie ich es exemplarisch im Weingut Aust erleben durfte, erhalten bleibt. Eine Besonderheit dieses Konzertabends bei Winzer Aust war ganz gewiss der terminliche Zusammenfall mit der Eröffnung des Pressenhauses in der nahe gelegenen Hoflößnitz (siehe auch den Beitrag dazu im Heft), von wo gegen Abend einige Besucher des Bürgerfestes unverhofft noch den Weg zum Jazz fanden – und so einen kulturvollen Tag in kulturträchtigem Ambiente ausklingen lassen konnten.

Bertram Kazmirowski

Der „eiserne Ziller“ im Lößnitzgrund

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Feierliche Enthüllung der Gedenktafel                                         Foto: D. Lohse

Aller guten Dinge sind drei – also will ich noch ein drittes, für Radebeul wichtiges Beispiel für eine einer Person gewidmeten Gusseisentafel vorstellen. Dieses soll dann die lockere Folge (sh. V+R 08/15, V+R 02/16) solcher Tafeln in Radebeul beenden.
Doch nun sollten wir uns in den Lößnitzgrund nahe des alten E-Werkes begeben, was am 4. Juni 2016 knapp über 20 Personen, darunter der Oberbürgermeister, Herr Wendsche und der 1. Bürgermeister, Herr Dr. Müller, auf Einladung des Gartenamtes der Stadt und der Roland-Gräfe-Stiftung taten, um die Wiedereinweihung dieses Denkmals für Moritz Ziller von 1898 zu erleben. Als Zeichen, dass die Zillers auch heute noch gekannt werden, darf man die Anwesenheit von mehreren Eigentümern bzw. Bewohnern von Zillerhäusern werten! Um die Jahreswende 2014/15 war zunächst der Eindruck entstanden, das die Denkmal erklärende Eisentafel sei gestohlen worden, schließlich wird leider auch andern Ortes Buntmetall und auch Eisen entwendet und zu Geld gemacht. Später klärte dann eine gedruckte Info an der Natursteinwand darüber auf, dass die alte Tafel offiziell abgenommen wurde, um sie reparieren, bzw. erneuern zu lassen. Da tat man wohl den zweiten Schritt vor dem ersten, aber schließlich wurde die zuständige Denkmalschutzbehörde beim LRA in Großenhain doch noch beteiligt. Und nun, nach reichlich einem Jahr, haben wir eine neue Gusseisentafel (H=42,5cm, B=79,5cm – die Maße 57 mal 31cm in der SZ vom 21.5.16 entsprechen nicht der Realität), auf der an das Wirken des Baumeisters Moritz Ziller und den „Verein zur Verschönerung der Lößnitz“ erinnert wird; Material, Abmessungen, Inhalt (Zum Gedenken an den Baumeister – Moritz Ziller – Begründer des Verschönerungsvereins – Erbaut 1898) und Schrifttypen alles gleich, also haben wir jetzt eine Kopie. Die schadhafte und schlecht lesbare Originalplatte wurde archiviert.
Frau Funke vom Gartenamt und der Kunstmaler Herr Gräfe, haben sich um den organisatorischen Ablauf gekümmert, wobei es zu einer kostenmäßigen Teilung kam. Für den Guss und die Schrift sorgte die Firma Frank Geißler zusammen mit dem Schriftgestalter Bernd Wendisch. Interessant für mich war ein technisches Detail im Prozess der Erneuerung: für die Oberflächenbehandlung der neuen Platte wurde „mein“ Bäckermeister, Tobias Schimmel, zu Rate gezogen, denn Bäcker wissen manchmal noch, wie die Schwärzung von Backblechen durch Einbrennen von Öl gemacht wird. Es hat geklappt, die Gusstafel im Lößnitzgrund wurde so schwarz versiegelt. Schauen wir mal, wie lange das an der frischen Luft hält!
Da ich nach Fehlen der Tafel ein wenig Wirbel gemacht hatte, wurde ich logischerweise gebeten, zur Wiedereröffnung ein paar Worte zur Familie Ziller und der Geschichte des Denkmals zu sagen. Als ehemaligem Mitarbeiter der ehemaligen Denkmalschutzbehörde in Radebeul fiel mir das nicht schwer, hier der Text meiner kurzen Rede vom 4. Juni 2016.

Wer war Moritz Ziller und warum setzte man ihm im Lößnitzgrund ein Denkmal?

Moritz Gustav Ziller (1838-1895) war der zweitälteste Sohn des Radebeuler Baumeisters Christian Gottlieb Ziller, wurde selbst Baumeister und war für die Lößnitzorte wohl der Wichtigste aus der Ziller-Baudynastie. Der ältere Bruder Ernst hatte als Architekt eine überregionale Bedeutung erreicht und wirkte in Wien und Athen.7-101_0701 Kopie
Moritz Ziller übernahm 1859 das väterliche Baugeschäft, was dann ab 1867 durch Einstieg seines jüngeren Bruders Gustav als Firma GEBR. ZILLER arbeitete und große Bedeutung durch Art und Zahl der errichteten Häuser für Radebeul und die Umgebung hatte. Heute würde man von Marktführer sprechen, ohne die anderen Baufirmen in der Lößnitz wie Große oder Eisold unterschätzen zu wollen.
Moritz und Gustav Ziller hatten dabei auch immer das Stadtbild der Ober- und Niederlößnitz im Blick, sie bauten also nicht nur Häuser, sondern entwickelten bewusst ganze Straßenzüge wie die heutige Eduard-Bilz-Straße, Dr.-Schmincke-Allee oder Zillerstraße. Das hatte sowohl gestalterische als auch wirtschaftliche Hintergründe. Zusätzlich gab bzw. gibt es in allen drei Straßen noch künstlerische Höhepunkte: die Stelen am Alveslebenplatz und die verschwundene Siegessäule am Königsplatz (Eduard-Bilz-Str./ Augustusweg), das Rondell mit Brunnen und vier March-Figuren (Dr.-Schmincke-Allee) sowie der Zillerplatz mit Springbrunnen.
Darüber hinaus wirkte Moritz Ziller ab 1880 im „Verein zur Verschönerung der Lößnitz“ mit und war bis 1892 dessen Vorsitzender. Nach ihm hatten u.a. Bernhard Große und Robert Werner den Vorsitz im Verschönerungsverein, der nach Zusammenschlüssen noch bis 1945 bestand. Ein wichtiges Anliegen dieses Vereins war u.a. die Gestaltung des Promenadenweges im Lößnitzgrund, wo die Firma Gebr. Ziller mit der „Meierei“ eine Baustelle hatte, wo sie Steinbrüche betrieb und Lagerplätze hatte. Um 1900 müssen wir uns den Weg längs des Lößnitzbaches weitaus vielfältiger gestaltet vorstellen, als wir ihn heute erleben können. Weitere Anliegen des Vereins waren der Erhalt der Lößnitzlandschaft sowie die touristische Begleitung der Gäste. Er veranstaltete Benefizkonzerte, verwendete die Erlöse für Wegebau und Beschilderung derselben und gab Broschüren und Landkarten heraus.
Als Moritz Ziller 1895 siebenundfünfzigjährig starb, beschloss der Verein, ihm ein Denkmal für sein langjähriges, erfolgreiches Wirken zu errichten. Ein Platz dafür wurde im Lößnitzgrund unterhalb des Grundhofes gefunden, dessen damaliger Eigentümer Ing. Dehne ein Stück seines Landes abgab. Das Moritz-Ziller-Denkmal wurde dann 1898 feierlich eingeweiht. Eine halbrunde Stützmauer ringt dem mit Laubbäumen bestandenen Steilhang eine platzartige, ebene Fläche neben dem Weg ab. Seit dem erinnert eine gusseiserne Tafel in der Mitte der Mauer an den Baumeister Moritz Ziller. Zwei Sitzbänke bieten auch heute noch Wanderern die Möglichkeit, hier eine Pause einzulegen und vielleicht über Moritz Ziller und dessen Leistungen nachzudenken.
Diese Anlage hat die Zeit von über 100 Jahren relativ gut überstanden, wahrscheinlich wurden die Sitzbänke mal erneuert. Doch im Jahr 2015 stellte man Schäden an der Gusstafel fest und die Stadt Radebeul beschloss im Zusammenwirken mit der Roland-Gräfe-Stiftung, die Tafel erneuern zu lassen. Allen Beteiligten sei gedankt.
Wie hätte man zu Zillers Zeiten jetzt gesagt: dem Schutze des Publikums empfohlen!

Zur Gruppe der Eisenplatten in Radebeul hatte ich ursprünglich noch ein paar weitere Ideen, so kenne ich eine historische, gusseiserne Ofenplatte mit Wappen und anderem Zierrat. Doch diese Ofenplatte passt insofern nicht in die Reihe, da sie sich auf keine in Radebeul bekannte Person bezieht und sich außerdem in einem Innenraum einer Radebeuler Villa befindet, d.h., wohl unter keinen Umständen von Interessenten betrachtet werden könnte. Das Ziel, alle Gusstafeln in Radebeul zu betrachten und vorzustellen, hatte ich mir diesmal nicht gestellt. Damit klappe ich das „Kapitel Eisen“ in V+R erst mal zu.

Dietrich Lohse

Gebaut, um zu überzeugen

Zur Eröffnung des Pressenhauses der Hoflößnitz am 28.05.16

Feierliche Eröffnung am Pressenhaus

Feierliche Eröffnung am Pressenhaus Foto: B. Kazmirowski

Wer in den letzten Monaten aufmerksam unser Heft gelesen hat, dem konnte die Bedeutung der Hoflößnitz für die Außenwirkung Radebeuls als größter Ort entlang der Sächsischen Weinstraße einerseits und die Binnenwirkung dieses Identität stiftenden Ensembles aus Architektur und kultivierter Weinlandschaft für viele Radebeuler andererseits nicht entgehen (vgl. u.a. Heft 6/2015, 9/2015, 3/2016). Wann immer Altes aufgegeben und Neues geschaffen wird, wo immer Veränderungswillen auf Bewahrungserwartung trifft, sind enttäuschte Hoffnungen nicht ungewöhnlich, gleichzeitig aber auch die Chancen gegeben, bisher Un-Mögliches als willkommene Verbesserung zu begrüßen. Nach meinem Eindruck überwölbte dieser Spannungsbogen die feierliche Eröffnung des für etwa 1,5 Millionen Euro sanierten Pressenhauses am 28. Mai in Anwesenheit zahlreicher geladener Gäste aus Politik, Kultur, Wirtschaft und Tourismus.

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Schauraum: Präsentation aller sächsischen Weingüter Foto: B. Kazmirowski

Natürlich steht zu so einem Anlass vor allem die Frage im Vordergrund, inwieweit die ca. einjährige denkmalgerechte Sanierung des klassizistischen Baus – ausgeführt von Handwerkern überwiegend aus der Region – gelungen und die Funktionalität als neues touristisches Zentrum des sächsischen Weinbaus gesichert ist. Der erste Eindruck ist positiv, denn insbesondere das komplett umgebaute Erdgeschoss weitet sich vom an der Ostseite gelegenen Eingang über eine geräumige, hell und geschmackvoll eingerichtete Vinothek mit eingeschlossener Besucherinformation in einen holzverkleideten Schauraum, in dem erstmals alle sächsischen Weingüter in Kurzporträts vorgestellt werden. Man kann sicherlich darüber streiten, ob die mitunter nur sehr spärlichen Angaben eher Lust auf die unausgeführten Details machen, der von auswärts angereiste Weinliebhaber also neugierig wird und Weingüter gezielt aufsucht oder ob sie in ihrer Ähnlichkeit nicht eher doch langweilen. Die im gleichen Raum installierte multimediale Präsentation zum Weinbau in Sachsen wird nach vollständigem Aufbau den Anspruch einlösen müssen, Information mit Animation harmonieren zu können und den unterschiedlichen Besuchergruppen gerecht zu werden. Ein ganz eigener Nutzungsakzent im Gesamtensemble der Hoflößnitz wurde im völlig neu erschlossenen Obergeschoss des Pressenhauses mit der Schaffung eines sehenswerten Gesellschaftsraumes gesetzt, der gediegenen Feierlichkeiten mit bis zu ca. 80 Personen einen würdigen Rahmen verleiht. Freilich erfuhr ich auf Nachfrage beim Geschäftsführer der Stiftung Hoflößnitz, Jörg Hahn, der als Hausherr stolz durch die Räume führte, dass eine Vermietung in diesen Saal nicht nur seinen Preis hat, sondern auch unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit gesehen werden muss. Dem Vernehmen nach ist aber die Nachfrage nach dem Saal gut, was angesichts des fabelhaften Ausblicks auf die Weinlage Goldener Wagen und der Kooperation mit der Oberschänke als gastronomischer Partner auch nicht verwundert. Interessant in diesem Zusammenhang sind auch Hahns Visionen, die diesen Saal als Veranstaltungsort (z.B. für „Jugend musiziert“) umfassen, was eine begrüßenswerte Öffnung in die Stadtgesellschaft hinein sein würde. Woran ich mich jedoch störte, ist die in meinen Augen einfallslose Gestaltung des Treppenhauses und die Qualität der Türen im Obergeschoss, die nicht dem Niveau des Saales entsprechen.

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Veranstaltungsaal im Dachgeschoss Foto: B. Kazmirowski

Ich kann mir gut vorstellen, dass das Pressenhaus Schritt um Schritt eine Lücke zu füllen imstande ist, indem es fremdverkehrlichen Erfordernissen Rechnung trägt und zu einem Anlaufpunkt für Orientierung suchende Gäste wird. Ungelöst jedoch bleibt mindestens für die mittelfristige Zukunft die Bewirtschaftung der vormaligen „Schoppenstube“ als unbedingt nötiger gastronomischer Reiz und natürlich die museale Gestaltung des Schlosses im Sinne einer heimatkundlichen Bildungsstätte, denn das Pressenhaus kann in dieser Hinsicht nicht die an das Gesamtkonzept der Hoflößnitz gerichteten berechtigten Erwartungen erfüllen. Es bleibt zu wünschen, dass Radebeuler und Auswärtige das auch im Außenbereich in frischer Anmutung daherkommende Gelände der Hoflößnitz wieder so mit Leben erfüllen, wie es zum Eröffnungstag während des nachmittäglichen Bürgerfestes der Fall war. Möge Jörg Hahn, der sich dabei munter unter das Volk mischte und Rede und Antwort stand, und seinen Mitarbeitern bei ihrer alltäglichen Arbeit vor Ort sowie den Entscheidungsträgern in Stiftung und Stadt bei den anstehenden Entscheidungen ein glückliches Händchen beschieden sein.

Bertram Kazmirowski

Editorial 07-16

Vor einiger Zeit lag ein auf den ersten Blick scheinbar toter Vogel in unserem Garten. Bei näherem Hinsehen zeigte sich jedoch, dass er trotz seiner Reglosigkeit immer noch lebte. Lange kann er dort nicht gelegen haben, denn Radebeuler Gärten sind bekanntermaßen von Katzen äußerst frequentiert. In der Konsequenz hat das eine nicht unerhebliche Auswirkung auf die Population zahlreicher Vogelarten, insbesondere auf die allseits beliebten Singvögel.
Unser Vogel war mit seinen langen schmalen, schwalbenähnlichen Flügeln recht schnell als Mauersegler identifiziert. Das Gefieder war am Flügel zum Teil verklebt und leicht blutig. Zum Schutz wurde das kranke Tier zunächst in einen luftigen Schuhkarton verbracht. Am Samstagvormittag stellte sich dann unweigerlich die Frage: Wie kann man sinnvoll helfen?
Wir erinnerten uns, dass es im Umfeld eine Wildvogelauffangstation geben müsse. Und tatsächlich, nach kurzer Recherche machten wir uns auf den Weg nach Dresden-Kaditz. Unvermutet auf dem Gelände der Stadtentwässerung befindet sich seit 2007 Sachsens erste Auffangstation für Wildvögel, die vom Umweltzentrum Dresden getragen wird. Zwischen sachlichen Betriebsgeländebauten ist die Station hier oasengleich von zahlreichen Bäumen und Sträuchern umgeben. Die überaus netten ehrenamtlichen Betreuer nahmen sich des Tieres an. Glücklicherweise waren die Flügel nicht gebrochen. Parasitäre Lausfliegen schienen wohl die Ursache für die Schwächung gewesen zu sein. Trotz der medizinischen Betreuung war bei unserer Verabschiedung noch nicht abzuschätzen, ob der Mauersegler den Weg ins Leben wieder schaffen könne.
Einige Tage später fragten wir telefonisch zaghaft nach. Man sagte uns, dass er mit hoffnungsvollem Schwung davongeflogen sei.

Sascha Graedtke

Einmal im Jahr – eine Betrachtung zu den Ausstellungen des Radebeuler Kunstvereins

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Petra Graupner im Atelier Foto: I. Bielmeier

Einmal im Jahr, und das schon seit 20 Jahren, übernimmt der Radebeuler Kunstverein in den
Monaten Juli und August die Ausstellungsräume der Stadtgalerie in Altkötzschenbroda. Für einen Zeitraum von 5 Wochen sind wir als Verein für die Ausgestaltung, für die Betreuung und die
Sicherheit der Galerie zuständig. Für die Damen des Kulturamtes ist dann Urlaubszeit.
Das wird einigen von Ihnen, verehrte Leser, nicht unbekannt sein, aber ich will noch etwas zur Besonderheit und zum Verständnis dieser Ausstellung beifügen.

In meinen Ausführungen geht es um die Vorbereitung und Entwicklung der Ausstellung des Kunstvereins, die zwar in den Räumen der Stadtgalerie stattfindet, aber nur durch den Radebeuler Kunstverein getragen wird. Die Wahl des Künstlers oder der Künstlerin obliegt ebenfalls dem Verein, aber auch alle anfallenden Kosten, wie z.B. Transport, Werbung, Material, Versicherung sowie die Gestaltung der Eröffnungsfeier werden durch den Verein übernommen.

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Jörg Mai im Atelier Foto: I. Bielmeier

Da jede Ausstellung immer mit viel Arbeit verbunden ist, sind alle Mitglieder des Kunstvereins ganz persönlich in den Prozess der Ausgestaltung einbezogen. Natürlich blieb und bleibt die Regie und die Hauptarbeit bei unserer Vorsitzenden, Frau Ingeborg Bielmeier .
Eine Woche vor der Eröffnung geht es dann in die heiße Phase des Aufbaus und oft auch bei heißen Temperaturen. Wer von unseren Mitgliedern schon einmal dabei mitgewirkt hat, denkt aber gern an diese Aufbauwoche zurück. Sie ist immer produktiv und interessant, weil es viele Möglichkeiten und viele Lösungen bei Gestaltungen gibt. Und die müssen ausgehandelt werden. Es wird also beobachtet, geschleppt, gehängt, verworfen, korrigiert und umgehängt. Die Platzierungen, die Höhen, die Abstände, die genauen Bezeichnungen müssen stimmen und nach drei Tagen Arbeit muss es eine für alle Seiten zufriedenstellende Lösung geben.
Beurteilt wird das Resultat dann durch die Besucher, die sich am Sonnabend dieser Arbeitswoche zur Eröffnung der Ausstellung einstellen und genau beobachten, ob alles gut gelaufen ist.
So eine Eröffnungsfeier ist dann immer ein Höhepunkt im öffentlichen Leben, aber vor allem im Leben des ausstellenden Künstlers. Freunde und Kollegen sind gekommen. Viele Interessenten sind da. Die Stimmung ist festlich. Es gibt eine Laudatio auf das Werk und den Meister, Blumen, nette Worte, Wein, Musik und später oft auch eine zauberhafte Julinacht im Garten der Stadtgalerie.

Einige Wochen später erfolgt dann noch ein Kunstgespräch, zu dem auch die Öffentlichkeit immer eingeladen ist. Ich erinnere an die Gespräche und an die Ausstellung mit Siegfried Klotz, Volker Mixa, Malgorzata Chodakowska u.a.m.

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Plastik von Petra Graupner Foto: I. Bielmeier

Vielleicht interessiert Sie noch, liebe Leser, wie wir aus den fast 1000 Künstlern, die in und um Dresden leben, diejenigen fanden, die bei uns ausstellten. Wir haben das Glück, mit Inge Bielmeier eine Vorsitzende zu haben, die sich in der Dresdner Kunstszene hervorragend auskennt und der sich auch alle Türen öffnen.
Mit ihr besuchten wir im Verlauf der letzten 20 Jahre etwa 200 Künstler: Maler, Grafiker, Plastiker, Schrift-, Glas-, Textilgestalter.
Für die Vereinsmitglieder waren diese Besuche im Atelier immer etwas Besonderes. Und schön, im Sinne von anregend und ästhetisch, ist es bei „Künstlers“ immer. Hier, bei diesen Atelierbesuchen, entstanden die Ideen zu den Ausstellungen. Bis zur Realisierung verging meist noch eine Zeit. Aber manchmal entschieden wir uns ganz schnell. So z.B. im letzten Jahr bei Ursula Güttsches, der Bildhauerin aus Borsberg bei Pillnitz. Wir waren nicht nur von ihrem plastischen Werk, ihren großformatigen Grafiken und ihrem Katalog überrascht, sondern auch von ihrem Umfeld, einem ehemaligen Bauernhof, dem sie mit ihrer Kollegin ein völlig neues Antlitz gegeben hatte.

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Grafik von Petra Graupner Foto: I. Bielmeier

In diesem Jahr erfolgte die Entscheidung nicht so spontan, aber wir hoffen, eine gute Wahl mit den beiden Dresdner Künstlern getroffen zu haben.
Petra Graupner und Jörg Mai werden vom 15. Juli – 21. August (Öffnungszeiten: Di, Mi, Do, So, 14-18 Uhr) bei uns ihre Werke zeigen. Es sind Bilder, Plastiken und Grafiken, die Arbeits- und Herangehensweisen zeigen, die wir so noch nie gesehen haben. Beide spannen ihre Kontraste und Möglichkeiten weit aus. Wir begegnen zarten, in den Raum greifenden Plastiken, wundersamen Grafiken, skurrilen altmeisterlich gemalten Bilden in attraktiven Größen. Und die Arbeiten sind auch schön im eigentlichen Sinne. Wir sind uns sicher, dass auch diese Ausstellung ihre Bewunderer in unserer Öffentlichkeit findet und laden Sie, liebe Leser, herzlich nicht nur zur Eröffnung am 15.7., 19.30 Uhr, in die Stadtgalerie ein.

Gudrun Täubert

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