Fünf Bauherrenpreise für Radebeul 2025
Wenn es am schönsten ist, soll man aufhören, sagte Jens Baumann bei der Vergabe der jüngsten und letzten Radebeuler Bauherrenpreise am 14. November, die, wie seit vielen Jahren üblich, in der Filiale der Sparkasse in Radebeul West stattfand. Baumann ist von Anfang an dabei, als Jury-Mitglied, als Vereinsmitglied, mittlerweile als Vorsitzender des auslobenden Vereins für Denkmalpflege und neues Bauen (in) Radebeul, sowie Jury-Vorsitzender. Der 1997 erstmalig aufgelegte Radebeuler Bauherrenpreis ist damit Geschichte. Ist er das wirklich? So Mancher hat geflüstert, man könnte ihn vielleicht in ein neues Gewand kleiden: Das Bauen nach ökologischen und nachhaltigen Gesichtspunkten, besonders schöne Funktionsbauten oder einen Negativ-Preis vergeben für Gebäulichkeiten, die man nur hinter schnell wachsendem Knöterich (daher sein Beiname „Architektentrost“) verstecken kann. Oder was auch immer. Abgesehen davon: Es gäbe noch das eine oder andere neue Haus, die eine oder andere Villa, die noch ohne Plakette ist, die Villa Kolbe, zum Beispiel. Und in der Jury-Sitzung – aber ich greife vor.
Das Wiedererstehen von Altem und Denkmalwürdigen, das Neue Bauen und eine Garten- und Freiflächengestaltung; die Zahl der aller drei Jahre vergebenen Radebeuler Bauherrenpreise sollte einfach zu errechnen sein. Doch 2025 vergibt die 22-Köpfige Jury in den drei „üblichen“ Kategorien fünf Preise. Gleichberechtigte Jury-Gewinner in der Kategorie Denkmalpflege und Sanierung ist zum einen das Wohnhaus der Familie Gängler auf der Heinrich-Heine-Straße 10 und zum anderen das alte Trafohaus in Radebeul-Ost. Auch beim neuen Bauen gibt es zwei Sieger: Das neue Wohnhaus von Juliane Czychi und Jörg Heße auf der Morgenleite 10 und der „Neubau in altem Gewand“ von Antje Döring und Ralf Pannach auf der Serkowitzer Straße 16. Die neu gestaltete Außenanlage am Bismarckturm ist klarer Gewinner in der Kategorie Garten- und Freiflächengestaltung. Doch nicht nur die Jury, auch das Publikum (144 Stimmzettel habe ich mit-gezählt) begeisterte sich für den Neubau auf der Serkowitzer Straße 16. Auch die Außenanlagen des Bismarckturm gefielen Jury wie Publikum gleichermaßen. Anders beim Turmhaus Kynast. Während es bei der Jury leer ausging (davon später), war das Publikum von der aufwendigen Sanierung des Denkmals begeistert.
„Wer glaubt, dass sich 22 Jury-Mitglieder immer einig sind, der irrt gewaltig“, plauderte Jens Baumann aus dem Nähkästchen. „Wir haben uns zwar nicht gerade gefetzt, aber es gab durchaus widersprechende Meinungen.“ Mancher scheint sich beim Betrachten der Ausstellung aller eingegangenen Bewerbungen gefragt haben, wieso denn das ehemalige Weingut Kynast immer noch ohne Preis ist. Dazu verrät Baumann aus der Jurysitzung: „Tatsächlich lag uns das hervorragend sanierte Turmhaus als Bewerbung vor, doch die Abstimmung ging am Ende anders aus. Familie Muth, begleitet von Architekt Volker Röhricht, arbeitet sich ja schon seit vielen Jahren mit großem Engagement an dem ehemaligen Weingut ab, Herren-, Gärtner-, Tor- und Badehaus, Park und Weinberg, nun noch das Turmhaus. Wenn es einen Preis gäbe, der dieses unglaubliche Engagement würdigt, müsste er Ensemble-Preis heißen. Doch den sieht unsere Satzung nicht vor.“ Eben, möchte man einwerfen. Das wäre doch ein Grund, den Preis noch ein wenig länger leben zu lassen. Vielleicht liest ja diesen Text der eine oder die andere VolksvertrererIn und stellt einen entsprechenden Antrag im Stadtrat.
Zweimal gab es in der Jury eine Pattsituation, sowohl beim neuen Bauern als auch bei Denkmalpflege und Sanierung. Da steht doch auf der Morgenleite 10 ein Neubau mit einer eigenen, sehr modern anmutenden Handschrift sowie zeitgemäßen Materialien. „Die zurückgesetzte Giebelwand, die mit ihrer rötlichen Holzverschalung und den signalroten Tür- und Fensterelementen farblich mit der Dachhaut kontrastiert, erweckt den Eindruck eines dreifach gefalteten Umschlags oder Überzugs, mit dem das Einfamilienhaus eingepackt oder eingewickelt wurde“, heißt es in der Bewerbung, die Dr. Michael Steinbusch, Mitarbeiter der Stadtentwicklung im Rathaus sowie Jury-Mitglied, unterstützt hatte. Die Eigentümer Juliane Czychi und Jörg Heße, freuen sich zudem, dass es ihrem Architekten Thomas Scharrer gelungen ist, trotz aller liebevollen Verspieltheit ein kompaktes Zuhause zu errichten, das für einen kleineren sechsstelligen Euro-Betrag zu haben war.
Auch neu gebaut, aber ganz anders, haben Antje Döring und Ralf Pannach auf der Serkowitzer Straße 16. Doch gaben sie ihrem Gebäude, das unmittelbar an der Straße steht, ein traditionelles Gewand in Fachwerk-Bauweise und verwendeten Materialien aus dem Vorgängerbau. Das langjährige Jury-Mitglied Dr.-Ing. Grit Heinrich hatte sich für diese Bewerbung (und vier andere) stark gemacht. Sie formuliert ihren Eindruck folgendermaßen: „Obwohl es nagelneu ist, könnte man meinen, es steht schon immer da. Es trumpft nicht auf, sondern passt sich ganz selbstverständlich ein in die umgebende dörfliche Struktur nahe des Serkowitzer Brunnenplatzes.“
Ein noch gegensätzlicheres Paar machte der Jury im Bereich Denkmalpflege und Sanierung Kopfzerbrechen, weshalb sie sich auch hier zwei Preise vergab: Hier, auf der Heinrich-Heine-Straße 10, sanierte Familie Gängler mit viel Liebe für Details ein für Radebeul sehr typisches villenartiges Wohnanwesen und dort, an der Ecke Meißner-/Einsteinstraße steht dieser alte Funktionsbau von anno 1910, der innen gerade Platz bietet für einen mittelgroßen Schrank. Für Thomas Scharrer, dessen Architekturbüro auch diese beiden Sieger am Reißbrett verantwortete, fällt es schwer, sich in einem Satz zu beiden Denkmal-Projekten zu äußern. „Auf alle Fälle war es angenehm herausfordernd, sich mit diesem denkmalpflegerischen Gegensatzpaar auseinanderzusetzen“, meint er. Am Ende freut er sich, dass sein Büro bei den 2025er Bauherrenpreisen dreimal mit abgeräumt hat.
19 Bewerbungen für den Radebeuler Bauherrenpreis 2025, eine mehr als 2022, gingen bis 15. August beim auslobenden Verein sowie bei der Stadt ein, davon zwölf in der Kategorie Denkmalpflege und Sanierung, fünf im Bereich Neues Bauen sowie zwei Vorschläge für die Garten- und Freiflächengestaltung. Die Sieger erhielten jene Plakette, welche der Grafiker Matthias Kratzschmer einst entwarf. Laut dem Wikipedia-Eintrag zum Radebeuler Bauherrenpreis wurde sie seit 1997 mehr als 120 Mal für Bauherrenpreise, Würdigungen und Anerkennungen vergeben. Der seit 2003 vergebene Publikumspreis kommt bislang auf etwa 50 Nennungen.
Zu den Siegern:
Außenanlagen Bismarckturm: Der 1907 errichtete Bismarckturm ist ein Radebeuler Wahrzeichen, das mit dem Einbau der Treppe 2015-2018 und den damit gestiegenen Besucherzahlen große Bedeutung erfuhr. Dem wurde jedoch das Umfeld nicht gerecht, was die Stadt nunmehr ändern ließ. Hangseitig wurden bereits vor wenigen Jahren Natursteinmauern und Sitzgelegenheiten geschaffen. Nun wurde die 14 Meter im Quadrat messende Fläche im Norden angegangen. Besucher freuen sich an einem Granitpflasterweg und einer wassergebundenen Wegedecke mit Einfassungen aus Sandstein, die zum Niedersetzen einladen. In die Sockel sind LED-Bänder integriert, die zum Abend hin Licht-Akzente setzen. Die Einfassung wird am Hauptzugang durchbrochen und ein zweites Mal auf der Westseite für einen behindertengerechten Abgang zu den unteren Aussichtsebenen. Das bestehende Baumviereck wurde an einer Stelle ergänzt und rahmt nunmehr das neue Parterre ein. Zwei bequeme Treppen führen auf die unteren Ebenen. Dort laden neue, an die Hangform angepasste Rundbänke zum Verweilen und Schauen in die umgebenden Weinhänge ein. Bei der Bepflanzung mit heimischen Gehölzen und Büschen hat die Coswiger Landschaftsarchitektin Dorothea Knibbe auch an Insekten und Kleintiere gedacht.
Trafohaus: 1910 aus Stahlbetonteilen auf einem quadratischen Grundriss errichtet, steht das Trafohaus heute unter Denkmalschutz. An der blechverkleideten Turmspitze sind noch die Porzellanisolatoren zu sehen. Das Dach darunter ist ziegelgedeckt, mit kleinen Schleppgauben. Das Häuschen war lange ungenutzt, Werbetafeln und Anschlusskästen verstellten die Sicht.
Im Zuge der Sanierung der Meißner Straße am Lindenstern wurden unter Regie der Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB) die Gleise geordnet und eine neue Haltstelle errichtet. „Irgendwo“ war die erforderliche Steuertechnik unterzubringen. Die DVB wollten zunächst die Fassade des Gasthauses „Zu den Linden“ mit den üblichen Kisten verunstalten. Dagegen legten die Planer der Stadt ihr Veto ein und brachten stattdessen eine neue Nutzung des alten Trafohauses ins Gespräch. Gesagt, getan. Die Stadt übernahm Planung und Ausführung, die DVB zahlten.
Chefplaner Thomas Scharrer ließ sein Team zunächst eine umfangreiche Bestands-Doku erstellen: Der Stahlbetonfertigteilbau anno 1910, was für eine Sensation für Architektur-Historiker! Es stellte sich heraus, die erste Deckung bestand nicht aus den heutigen Biberschwänzen sondern aus einer nahezu ausgestorbenen Art der „Turmbiber“. Also her mit dem ursprünglichen Material, auch wenn das ungeübte Auge behauptet: „Moment Mal, das sieht doch aus wie Plaste!“ Nein, aus Denkmal-Sicht ist es das einzig „Echte“! Die historischen Beschriftungen, die Stromleitungsführungen und die Isolatoren wurden entrostet, geputzt und gewienert. Innen waren indessen Brechstange und Presslufthammer vonnöten, Wände und Anstrich wurden erneuert, heute die Heimstatt moderner Technik.
Leider haben sich schnell selbsternannte Künstler (die sprichwörtlichen „Narrenhände“) gefunden, welche die Wände gleich wieder ver(un)zierten. Solches bereits voraus-denkend, hatte man im Rathaus (oder wo auch immer) ein paar Kübel der gelben Farbe für dergleichen Malheure deponiert. Man ahnt es: Diese Nach-Streicherei wird sicher noch häufiger notwendig sein.
Villa Heinrich-Heine-Straße 10: Das 1894 als Witwensitz von F.A. Bernhard Große geplante und gebaute Haus ist eine der am aufwendigsten gestalteten gründerzeitlichen Villen in der Niederlößnitz: Fensterumrahmungen im Renaissancestil, Zierbänder, Eckbossierungen, Drempel aus farbigen Klinkern, Dachdeckung mit Trapezschiefer sowie in „Bogenschnittschablonendeckung“, Regenrinne und Fallrohre aus Titanzink, Ziergeländer am Dachfirst, Fassadenstuck. Manche Stuckelemente waren stark beschädigt oder schon nicht mehr vorhanden. Die Handwerker nahmen von den Resten Silikonformen, um verloren Gegangenes nachzubilden. Zu DDR-Zeiten hatte die Fassade einen Spritzputz bekommen. Dabei störten sich die Putzer an Engelsköpfen über den Fensterbekrönungen und schlugen sie kurzerhand weg. Jetzt sind die Engelsköpfe wieder da. Da sich die Denkmalschutz-Ausweisung auch über den Garten erstreckt, wurde auch dieser nach historischem Vorbild hergestellt, das betraf Brunnenschale, Gartenwege und Beeteinfassungen. Hier haben sich die Eigentümer Dr. Beate und Felix Gängler, unterstützt von Thomas Scharrers Architekturbüro, ein Gesamtkunstwerk geschaffen.
Wohnhaus Morgenleite 10: Eines fällt sofort ins Auge: Die blaugraue Dachhaut, ohne sichtbaren Anschluss über beide Traufseiten heruntergezogen. Am Giebel über dem Eingang steht das Dach gut eineinhalb Meter über, einer riesigen Schirmmütze gleich. Es hat etwas Beschützendes, man denkt unwillkürlich an einen gezeichneten Schirmpilz aus alten Büchern mit Grimms Märchen oder hat vielleicht den Wohnsitz von Bilbo Beutlin („Der Herr der Ringe“) vor Augen. Das Haus könnte tatsächlich aus einem Trickfilm entsprungen sein. Dabei ist diese Bauweise gar nicht so modern: Bei manchen älteren Häusern wurde früher häufiger die Schiefer- oder Schindeldeckung, insbesondere an der Wetterseite, nahezu bis zum Boden herunter gezogen. Diese Verschmelzung von Dach- und Wandgestaltung gibt dem Häuschen fast schon etwas Monolithisches, jedenfalls sehr Eigenes. Deshalb darf aus der Jurysitzung kolportiert werden. „Sieht ja recht nett aus, aber passt es auch zur eher traditionellen Nachbarbebauung“, fragten einzelne kritische Geister. „Es passt“, entschied die Mehrheit und vergab den Preis. Und wieder ein Bauentwurf aus dem Radebeuler Planungsbüro SAI Scharrer Architekten und Ingenieure GmbH.
Serkowitzer Straße 16: Der Vorgängerbau stammt aus dem vor-vorigen Jahrhundert, wie Grit Heinrich recherchierte. 1945 brannte das Obergeschoss ab, erhielt ein Flachdach und wurde als Werkstatt und Lager genutzt. Daraus ein Wohnhaus machen? Schnell war den neuen Besitzern Antje Döring und Ralf Pannach nach dem Kauf 2017 klar, die alte Substanz gibt das nicht her. Aus dem Abriss bargen sie jedoch einige Teile, um sie im Neubau wieder zu verwenden. Nun gehört das Grundstück aber zum Sanierungsgebiet Ost, die Forderung der Stadtplanung war unmissverständlich: Ihr könnt gerne ein Wohnhaus bauen, aber es soll von der Straßenseite aussehen wie ein Wirtschaftsgebäude, keine Fenster, keine Gauben! Das Bauherren-Paar nahm die einengende Herausforderung an. Ihr Glück: In Sayda fanden sie einen Fachwerkspezialisten. Es entstand ein Neubau in Anlehnung an dörfliche Fachwerkbauten bzw. holzverschalte Nebengebäude: Holztor, Holzzaun, Sandsteinsockel; das Material: Französische Douglasie, Lehmziegelwand. Spaziergänger auf der Straße vermuten vielleicht tatsächlich nur eine neue Werkstatt. Doch weit gefehlt! Hofseitig erschließt sich ein zwar dörflich anmutendes, dennoch modernes Wohngebäude mit einer grünen Oase dahinter.
Hingehen, Anschauen. Oder auf eine der nächsten Bauherrenpreis-Wanderungen mit Michael Mitzschke warten. Diese Begehungen sind ja (auch) für ihre Feucht-Fröhlichkeit bekannt.
Burkhard Zscheischler




