Wirklich zum letzten Mal?

Fünf Bauherrenpreise für Radebeul 2025

Bild: M. Mitzschke


Wenn es am schönsten ist, soll man aufhören, sagte Jens Baumann bei der Vergabe der jüngsten und letzten Radebeuler Bauherrenpreise am 14. November, die, wie seit vielen Jahren üblich, in der Filiale der Sparkasse in Radebeul West stattfand. Baumann ist von Anfang an dabei, als Jury-Mitglied, als Vereinsmitglied, mittlerweile als Vorsitzender des auslobenden Vereins für Denkmalpflege und neues Bauen (in) Radebeul, sowie Jury-Vorsitzender. Der 1997 erstmalig aufgelegte Radebeuler Bauherrenpreis ist damit Geschichte. Ist er das wirklich? So Mancher hat geflüstert, man könnte ihn vielleicht in ein neues Gewand kleiden: Das Bauen nach ökologischen und nachhaltigen Gesichtspunkten, besonders schöne Funktionsbauten oder einen Negativ-Preis vergeben für Gebäulichkeiten, die man nur hinter schnell wachsendem Knöterich (daher sein Beiname „Architektentrost“) verstecken kann. Oder was auch immer. Abgesehen davon: Es gäbe noch das eine oder andere neue Haus, die eine oder andere Villa, die noch ohne Plakette ist, die Villa Kolbe, zum Beispiel. Und in der Jury-Sitzung – aber ich greife vor.

Außenanlagen Bismarckturm
Foto: Archiv VfDuNB


Das Wiedererstehen von Altem und Denkmalwürdigen, das Neue Bauen und eine Garten- und Freiflächengestaltung; die Zahl der aller drei Jahre vergebenen Radebeuler Bauherrenpreise sollte einfach zu errechnen sein. Doch 2025 vergibt die 22-Köpfige Jury in den drei „üblichen“ Kategorien fünf Preise. Gleichberechtigte Jury-Gewinner in der Kategorie Denkmalpflege und Sanierung ist zum einen das Wohnhaus der Familie Gängler auf der Heinrich-Heine-Straße 10 und zum anderen das alte Trafohaus in Radebeul-Ost. Auch beim neuen Bauen gibt es zwei Sieger: Das neue Wohnhaus von Juliane Czychi und Jörg Heße auf der Morgenleite 10 und der „Neubau in altem Gewand“ von Antje Döring und Ralf Pannach auf der Serkowitzer Straße 16. Die neu gestaltete Außenanlage am Bismarckturm ist klarer Gewinner in der Kategorie Garten- und Freiflächengestaltung. Doch nicht nur die Jury, auch das Publikum (144 Stimmzettel habe ich mit-gezählt) begeisterte sich für den Neubau auf der Serkowitzer Straße 16. Auch die Außenanlagen des Bismarckturm gefielen Jury wie Publikum gleichermaßen. Anders beim Turmhaus Kynast. Während es bei der Jury leer ausging (davon später), war das Publikum von der aufwendigen Sanierung des Denkmals begeistert.

Trafo-Haus in Radebeul Ost
Foto: Archiv VfDuNB


„Wer glaubt, dass sich 22 Jury-Mitglieder immer einig sind, der irrt gewaltig“, plauderte Jens Baumann aus dem Nähkästchen. „Wir haben uns zwar nicht gerade gefetzt, aber es gab durchaus widersprechende Meinungen.“ Mancher scheint sich beim Betrachten der Ausstellung aller eingegangenen Bewerbungen gefragt haben, wieso denn das ehemalige Weingut Kynast immer noch ohne Preis ist. Dazu verrät Baumann aus der Jurysitzung: „Tatsächlich lag uns das hervorragend sanierte Turmhaus als Bewerbung vor, doch die Abstimmung ging am Ende anders aus. Familie Muth, begleitet von Architekt Volker Röhricht, arbeitet sich ja schon seit vielen Jahren mit großem Engagement an dem ehemaligen Weingut ab, Herren-, Gärtner-, Tor- und Badehaus, Park und Weinberg, nun noch das Turmhaus. Wenn es einen Preis gäbe, der dieses unglaubliche Engagement würdigt, müsste er Ensemble-Preis heißen. Doch den sieht unsere Satzung nicht vor.“ Eben, möchte man einwerfen. Das wäre doch ein Grund, den Preis noch ein wenig länger leben zu lassen. Vielleicht liest ja diesen Text der eine oder die andere VolksvertrererIn und stellt einen entsprechenden Antrag im Stadtrat.
Zweimal gab es in der Jury eine Pattsituation, sowohl beim neuen Bauern als auch bei Denkmalpflege und Sanierung. Da steht doch auf der Morgenleite 10 ein Neubau mit einer eigenen, sehr modern anmutenden Handschrift sowie zeitgemäßen Materialien. „Die zurückgesetzte Giebelwand, die mit ihrer rötlichen Holzverschalung und den signalroten Tür- und Fensterelementen farblich mit der Dachhaut kontrastiert, erweckt den Eindruck eines dreifach gefalteten Umschlags oder Überzugs, mit dem das Einfamilienhaus eingepackt oder eingewickelt wurde“, heißt es in der Bewerbung, die Dr. Michael Steinbusch, Mitarbeiter der Stadtentwicklung im Rathaus sowie Jury-Mitglied, unterstützt hatte. Die Eigentümer Juliane Czychi und Jörg Heße, freuen sich zudem, dass es ihrem Architekten Thomas Scharrer gelungen ist, trotz aller liebevollen Verspieltheit ein kompaktes Zuhause zu errichten, das für einen kleineren sechsstelligen Euro-Betrag zu haben war.

Villa Heinrich-Heine-Straße 10
Foto: Archiv VfDuNB


Auch neu gebaut, aber ganz anders, haben Antje Döring und Ralf Pannach auf der Serkowitzer Straße 16. Doch gaben sie ihrem Gebäude, das unmittelbar an der Straße steht, ein traditionelles Gewand in Fachwerk-Bauweise und verwendeten Materialien aus dem Vorgängerbau. Das langjährige Jury-Mitglied Dr.-Ing. Grit Heinrich hatte sich für diese Bewerbung (und vier andere) stark gemacht. Sie formuliert ihren Eindruck folgendermaßen: „Obwohl es nagelneu ist, könnte man meinen, es steht schon immer da. Es trumpft nicht auf, sondern passt sich ganz selbstverständlich ein in die umgebende dörfliche Struktur nahe des Serkowitzer Brunnenplatzes.“

Wohnhaus Morgenleite 10
Foto: Archiv VfDuNB


Ein noch gegensätzlicheres Paar machte der Jury im Bereich Denkmalpflege und Sanierung Kopfzerbrechen, weshalb sie sich auch hier zwei Preise vergab: Hier, auf der Heinrich-Heine-Straße 10, sanierte Familie Gängler mit viel Liebe für Details ein für Radebeul sehr typisches villenartiges Wohnanwesen und dort, an der Ecke Meißner-/Einsteinstraße steht dieser alte Funktionsbau von anno 1910, der innen gerade Platz bietet für einen mittelgroßen Schrank. Für Thomas Scharrer, dessen Architekturbüro auch diese beiden Sieger am Reißbrett verantwortete, fällt es schwer, sich in einem Satz zu beiden Denkmal-Projekten zu äußern. „Auf alle Fälle war es angenehm herausfordernd, sich mit diesem denkmalpflegerischen Gegensatzpaar auseinanderzusetzen“, meint er. Am Ende freut er sich, dass sein Büro bei den 2025er Bauherrenpreisen dreimal mit abgeräumt hat.

Wohnhaus Serkowitzer Straße 16
Foto: Archiv VfDuNB


19 Bewerbungen für den Radebeuler Bauherrenpreis 2025, eine mehr als 2022, gingen bis 15. August beim auslobenden Verein sowie bei der Stadt ein, davon zwölf in der Kategorie Denkmalpflege und Sanierung, fünf im Bereich Neues Bauen sowie zwei Vorschläge für die Garten- und Freiflächengestaltung. Die Sieger erhielten jene Plakette, welche der Grafiker Matthias Kratzschmer einst entwarf. Laut dem Wikipedia-Eintrag zum Radebeuler Bauherrenpreis wurde sie seit 1997 mehr als 120 Mal für Bauherrenpreise, Würdigungen und Anerkennungen vergeben. Der seit 2003 vergebene Publikumspreis kommt bislang auf etwa 50 Nennungen.

Zu den Siegern:
Außenanlagen Bismarckturm: Der 1907 errichtete Bismarckturm ist ein Radebeuler Wahrzeichen, das mit dem Einbau der Treppe 2015-2018 und den damit gestiegenen Besucherzahlen große Bedeutung erfuhr. Dem wurde jedoch das Umfeld nicht gerecht, was die Stadt nunmehr ändern ließ. Hangseitig wurden bereits vor wenigen Jahren Natursteinmauern und Sitzgelegenheiten geschaffen. Nun wurde die 14 Meter im Quadrat messende Fläche im Norden angegangen. Besucher freuen sich an einem Granitpflasterweg und einer wassergebundenen Wegedecke mit Einfassungen aus Sandstein, die zum Niedersetzen einladen. In die Sockel sind LED-Bänder integriert, die zum Abend hin Licht-Akzente setzen. Die Einfassung wird am Hauptzugang durchbrochen und ein zweites Mal auf der Westseite für einen behindertengerechten Abgang zu den unteren Aussichtsebenen. Das bestehende Baumviereck wurde an einer Stelle ergänzt und rahmt nunmehr das neue Parterre ein. Zwei bequeme Treppen führen auf die unteren Ebenen. Dort laden neue, an die Hangform angepasste Rundbänke zum Verweilen und Schauen in die umgebenden Weinhänge ein. Bei der Bepflanzung mit heimischen Gehölzen und Büschen hat die Coswiger Landschaftsarchitektin Dorothea Knibbe auch an Insekten und Kleintiere gedacht.

Trafohaus: 1910 aus Stahlbetonteilen auf einem quadratischen Grundriss errichtet, steht das Trafohaus heute unter Denkmalschutz. An der blechverkleideten Turmspitze sind noch die Porzellanisolatoren zu sehen. Das Dach darunter ist ziegelgedeckt, mit kleinen Schleppgauben. Das Häuschen war lange ungenutzt, Werbetafeln und Anschlusskästen verstellten die Sicht.

Im Zuge der Sanierung der Meißner Straße am Lindenstern wurden unter Regie der Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB) die Gleise geordnet und eine neue Haltstelle errichtet. „Irgendwo“ war die erforderliche Steuertechnik unterzubringen. Die DVB wollten zunächst die Fassade des Gasthauses „Zu den Linden“ mit den üblichen Kisten verunstalten. Dagegen legten die Planer der Stadt ihr Veto ein und brachten stattdessen eine neue Nutzung des alten Trafohauses ins Gespräch. Gesagt, getan. Die Stadt übernahm Planung und Ausführung, die DVB zahlten.

Chefplaner Thomas Scharrer ließ sein Team zunächst eine umfangreiche Bestands-Doku erstellen: Der Stahlbetonfertigteilbau anno 1910, was für eine Sensation für Architektur-Historiker! Es stellte sich heraus, die erste Deckung bestand nicht aus den heutigen Biberschwänzen sondern aus einer nahezu ausgestorbenen Art der „Turmbiber“. Also her mit dem ursprünglichen Material, auch wenn das ungeübte Auge behauptet: „Moment Mal, das sieht doch aus wie Plaste!“ Nein, aus Denkmal-Sicht ist es das einzig „Echte“! Die historischen Beschriftungen, die Stromleitungsführungen und die Isolatoren wurden entrostet, geputzt und gewienert. Innen waren indessen Brechstange und Presslufthammer vonnöten, Wände und Anstrich wurden erneuert, heute die Heimstatt moderner Technik.

Leider haben sich schnell selbsternannte Künstler (die sprichwörtlichen „Narrenhände“) gefunden, welche die Wände gleich wieder ver(un)zierten. Solches bereits voraus-denkend, hatte man im Rathaus (oder wo auch immer) ein paar Kübel der gelben Farbe für dergleichen Malheure deponiert. Man ahnt es: Diese Nach-Streicherei wird sicher noch häufiger notwendig sein.

Villa Heinrich-Heine-Straße 10: Das 1894 als Witwensitz von F.A. Bernhard Große geplante und gebaute Haus ist eine der am aufwendigsten gestalteten gründerzeitlichen Villen in der Niederlößnitz: Fensterumrahmungen im Renaissancestil, Zierbänder, Eckbossierungen, Drempel aus farbigen Klinkern, Dachdeckung mit Trapezschiefer sowie in „Bogenschnittschablonendeckung“, Regenrinne und Fallrohre aus Titanzink, Ziergeländer am Dachfirst, Fassadenstuck. Manche Stuckelemente waren stark beschädigt oder schon nicht mehr vorhanden. Die Handwerker nahmen von den Resten Silikonformen, um verloren Gegangenes nachzubilden. Zu DDR-Zeiten hatte die Fassade einen Spritzputz bekommen. Dabei störten sich die Putzer an Engelsköpfen über den Fensterbekrönungen und schlugen sie kurzerhand weg. Jetzt sind die Engelsköpfe wieder da. Da sich die Denkmalschutz-Ausweisung auch über den Garten erstreckt, wurde auch dieser nach historischem Vorbild hergestellt, das betraf Brunnenschale, Gartenwege und Beeteinfassungen. Hier haben sich die Eigentümer Dr. Beate und Felix Gängler, unterstützt von Thomas Scharrers Architekturbüro, ein Gesamtkunstwerk geschaffen.

Wohnhaus Morgenleite 10: Eines fällt sofort ins Auge: Die blaugraue Dachhaut, ohne sichtbaren Anschluss über beide Traufseiten heruntergezogen. Am Giebel über dem Eingang steht das Dach gut eineinhalb Meter über, einer riesigen Schirmmütze gleich. Es hat etwas Beschützendes, man denkt unwillkürlich an einen gezeichneten Schirmpilz aus alten Büchern mit Grimms Märchen oder hat vielleicht den Wohnsitz von Bilbo Beutlin („Der Herr der Ringe“) vor Augen. Das Haus könnte tatsächlich aus einem Trickfilm entsprungen sein. Dabei ist diese Bauweise gar nicht so modern: Bei manchen älteren Häusern wurde früher häufiger die Schiefer- oder Schindeldeckung, insbesondere an der Wetterseite, nahezu bis zum Boden herunter gezogen. Diese Verschmelzung von Dach- und Wandgestaltung gibt dem Häuschen fast schon etwas Monolithisches, jedenfalls sehr Eigenes. Deshalb darf aus der Jurysitzung kolportiert werden. „Sieht ja recht nett aus, aber passt es auch zur eher traditionellen Nachbarbebauung“, fragten einzelne kritische Geister. „Es passt“, entschied die Mehrheit und vergab den Preis. Und wieder ein Bauentwurf aus dem Radebeuler Planungsbüro SAI Scharrer Architekten und Ingenieure GmbH.

Serkowitzer Straße 16: Der Vorgängerbau stammt aus dem vor-vorigen Jahrhundert, wie Grit Heinrich recherchierte. 1945 brannte das Obergeschoss ab, erhielt ein Flachdach und wurde als Werkstatt und Lager genutzt. Daraus ein Wohnhaus machen? Schnell war den neuen Besitzern Antje Döring und Ralf Pannach nach dem Kauf 2017 klar, die alte Substanz gibt das nicht her. Aus dem Abriss bargen sie jedoch einige Teile, um sie im Neubau wieder zu verwenden. Nun gehört das Grundstück aber zum Sanierungsgebiet Ost, die Forderung der Stadtplanung war unmissverständlich: Ihr könnt gerne ein Wohnhaus bauen, aber es soll von der Straßenseite aussehen wie ein Wirtschaftsgebäude, keine Fenster, keine Gauben! Das Bauherren-Paar nahm die einengende Herausforderung an. Ihr Glück: In Sayda fanden sie einen Fachwerkspezialisten. Es entstand ein Neubau in Anlehnung an dörfliche Fachwerkbauten bzw. holzverschalte Nebengebäude: Holztor, Holzzaun, Sandsteinsockel; das Material: Französische Douglasie, Lehmziegelwand. Spaziergänger auf der Straße vermuten vielleicht tatsächlich nur eine neue Werkstatt. Doch weit gefehlt! Hofseitig erschließt sich ein zwar dörflich anmutendes, dennoch modernes Wohngebäude mit einer grünen Oase dahinter.

Hingehen, Anschauen. Oder auf eine der nächsten Bauherrenpreis-Wanderungen mit Michael Mitzschke warten. Diese Begehungen sind ja (auch) für ihre Feucht-Fröhlichkeit bekannt.

Burkhard Zscheischler

Erinnerungen an Barbara Plänitz

Am 7. September 2025 verstarb in den frühen Nachmittagsstunden Barbara Plänitz. Sie wurde 72 Jahre alt. Zur Trauerfeier am 24. Oktober bot sich in der Radebeuler Friedenskirche ein ungewöhnliches Bild. Nahezu 300 Menschen waren gekommen, um von der Verstorbenen Abschied zu nehmen. Neben der Familie trauerten auch Freunde, Nachbarn, Kollegen, Tagesmütter, Klassenkameraden, Kommilitonen, Künstler und Kulturschaffende, ja sogar Bürgermeister und Stadträte. Die große Anteilnahme war überwältigend. Und so gestaltete sich die Trauerzeremonie in der Friedenskirche, der Trauerzug, die Grablegung und das anschließende Gedenken in den Räumen der Friedenskirchgemeinde ganz im Sinne der Verstorbenen, die zeitlebens eine offene, zugewandte, kämpferische, energische Persönlichkeit war, aber mitunter auch sehr unnachgiebig sein konnte. Die Pfarrerin Annegret Fischer und Barbaras Nachfolgerin in der Beratungs- und Vermittlungsstelle für Kindertagespflege im Familienzentrum, Britta Schöne, fanden warmherzige Worte. Ihre Enkelkinder hatten die Urne mit heiteren Motiven bemalt und das große Porträtfoto zeigte eine fröhlich lachende Barbara.

Barbara Plänitz und Karl Uwe Baum zur Diskussionsrunde im Bürgertreff auf der Bahnhofstraße, April 2016
Foto: K. (Gerhardt) Baum

Im Nachruf, den der paritätische Wohlfahrtsverband am 2. Oktober veröffentlicht hatte, wurde Barbara Plänitz als eine Pionierin der Kindertagespflege bezeichnet. Und weiter heißt es, dass ihr Vermächtnis daran erinnern möge, „wie wichtig engagiertes kinderorientiertes Denken ist – und wie viel Gutes entstehen kann, wenn Mut, Fachkompetenz und Menschlichkeit Hand in Hand gehen“.

Mir wurde zunehmend bewusst, dass ich viele Facetten von Barbara gar nicht kannte. Trotzdem war es mir ein wichtiges Bedürfnis, mit einem Beitrag in „Vorschau & Rückblick“ an Barbara zu erinnern, was mir aber eben nur aus meiner ganz persönlichen Sicht, so wie ich Barbara wahrgenommen und verstanden habe, möglich ist.

Barbara Helene Keller wurde am 23. November 1952 in Dresden-Loschwitz geboren. Sie war das einzige gemeinsame Kind ihrer Eltern, welche in zweiter Ehe miteinander verheiratet waren. 1954 zog die Familie nach Radebeul ins eigene Haus auf der Käthe-Kollwitz-Straße. Zu ihrer zehn Jahre älteren Halbschwester hatte Barbara zeitlebens eine enge Beziehung. Sie besuchte den Evangelischen Kindergarten auf der Wilhelm-Busch-Straße. Eingeschult wurde sie 1959 in die Polytechnische Oberschule „Martin Andersen Nexö“ (heute Grundschule Niederlößnitz). Das Abitur absolvierte Barbara an der Erweiterten Oberschule Radebeul (heute Gymnasium Luisenstift).

Die Mutter hatte als Krankenschwester nur wenig Zeit. Für den Vater, der 25 Jahre älter als ihre Mutter war, bedeutete die Geburt der Tochter noch einmal ein spätes Lebensglück. Von ihm erfuhr sie viel Zuwendung. Als er starb, war das für die damals Dreizehnjährige ein traumatisches Ereignis.

Ihren späteren Ehemann Christian lernte sie auf einem Ausflug der Jungen Gemeinde kennen. Das junge Paar bekam drei Kinder. Gleichzeitig sanierten sie das Haus und Barbara erwarb an der TU Dresden ihr Diplom in der Fachrichtung Informationsverarbeitung. Danach arbeitete sie u.a. im VEB Kombinat Robotron, war zeitweise Hausfrau und später auch als Sprechstundenhilfe in einer Arztpraxis tätig. Der gesellschaftliche Umbruch eröffnete die Möglichkeit zur beruflichen Neuorientierung, eine Chance, die Barbara ergriffen hat. Sie studierte noch einmal und erwarb ihr Diplom als Sozialpädagogin.

Die Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs ging mit einer sozialen Durchmischung einher. Unsere Wege begannen sich verstärkt zu kreuzen, jedoch ohne dass wir voneinander wussten. Zum Bindeglied wurde Kathrin Wallrabe. Sie war gerade nach Radebeul gezogen. In ihr Tagebuch schrieb sie1986: „Ich bin froh, dass wir auch neue Bekannte haben, durch die Galerie und durch die Gemeinde und uns nicht abkapseln.“

Kathrin engagierte sich sowohl im Galerieinteressenkreis als auch in der Familieninitiative. Da die „Kleine Galerie“, welche sich damals in Radebeul-Ost befand, aus allen Nähten platzte, hatten wir uns erfolgreich um ein Grundstück in Altkötzschenbroda bemüht. Auch die Familieninitiative war auf der Suche nach Räumen. Welche Kettenreaktion mein Hinweis auf das freie Nachbargrundstück auslösen sollte, kann man in Kathrin Wallrabes zweiteiligem Beitrag „30 Jahre „Fami“ in Radebeul – eine Chronik“ (Vorschau & Rückblick, 2020/März, April) nachlesen. Aber ein persönlicher Kontakt zu Barbara Plänitz hatte sich daraus noch immer nicht ergeben.

So bezogen schließlich die Familieninitiative (1994) und die Stadtgalerie (1997) die Grundstücke Altkötzschenbroda 20 und 21. Die kleine Pforte zwischen beiden Anwesen symbolisierte Offenheit und Gemeinschaftssinn.

Vorbereitungstreffen zur 22. Radebeuler Kasperiade in der Stadtgalerie, v.l.n.r. Birgit Schaffer, Karl Uwe Baum, Karin Schröder, Barbara Plänitz, Marion Arnold, Juni 2009
Foto: K. (Gerhardt) Baum

Der Bürgermeister von Moritzburg Jörg Hänisch als Gratulant zur Verabschiedungsfeier von Barbara Plänitz im Familienzentrum, Mai 2018
Foto: K. (Gerhardt) Baum

Diese Pforte sollte sieben Jahre später auch eine ganz praktische Bedeutung erlangen, als die damals herrenlose Radebeuler Kasperiade im Jahr 2004 vom Radebeuler Kulturamt übernommen wurde und in dem benachbarten Familienzentrum in Gestalt von Barbara Plänitz einen Partner für das Figurentheaterfest fand. Barbara hatte dann neun Jahre lang eine entscheidende Rolle als Mittlerin zum Familienzentrum und Koordinatorin der ehrenamtlichen Helfer gespielt. Ehemänner, Kinder und Freunde wurden mobilisiert. Auf Barbara konnte man sich in jeder Hinsicht verlassen.
Nun ließe sich noch Vieles aufzählen, was Barbara Plänitz initiierte oder woran sie mitwirkte. Die evangelischen Hauskreise der Kirche boten dafür einen anregenden Nährboden. Daraus erwuchs beispielsweise der Friedenskreis, in welchem sich Barbara widerständig engagierte. Vor allem aber trug sie über viele Jahre wesentlich zur Profilierung des Familienzentrums bei. Als der Schauspieler Herbert Graedtke, der langjährige Vorsitzende des Fördervereins Internationales Wandertheaterfestival, im Jahr 2024 verstarb, stellte sich Barbara ohne Zögern für diese Funktion zur Verfügung.

Sie engagierte sich u.a. in der IG Jazz und in der AG Kötzschenbroda. Barbara war Mitglied im Schillerverein Weimar-Jena e. V.. Gemeinsam organisierten wir das erste Straßenfest auf der Käthe-Kollwitz-Straße. Auch beteiligte sie sich an „Kunst geht in Gärten“. Viele Erinnerungen verbinden sich mit Ausflügen und Museumsbesuchen.

Barbara Plänitz hatte einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und setzte sich für alles ein, wovon sie überzeugt war. Sie besaß den Mut, auch unangenehme Dinge anzusprechen. Dass das Lügenmuseum geschlossen werden soll, dass der Bahnhof in Radebeul-West zur Ruine verkommt und dass intakte Gebäude abgerissen werden, dafür hatte sie keinerlei Verständnis. Bewundert habe ich Barbaras Logistik, wie es ihr gelang, ganz ohne Auto bis in die entlegensten Winkel der Lommatzscher Pflege vorzudringen, um „ihre“ Tagesmütter vor Ort aufzusuchen. Die ganze Familie bewegte sich von A nach B zu Fuß, mit Fahrrad oder öffentlichen Verkehrsmitteln. Sie war begeistert vom Samstags-Wochenmarkt und unterstützte den lokalen Einzelhandel. „Was willst Du“, meinte sie, „wir haben doch alles vor der Haustür: Fleischer, Bäcker, Apotheke, Drogerie, Reformhaus, Modegeschäft, Bettenhaus, Schmuckgeschäft, Eisdiele, Schuhgeschäft, Uhrmacher, sogar zwei Buchhandlungen und ein Antiquariat.“

Kulturell war sie vielseitig interessiert, ja man kann sagen, dass sie eine „Kulturgroßverbraucherin“ war. Das Spektrum umfasste Schauspiel, Oper, Ballett, Literatur, Klassik, Jazz, Film und Bildende Kunst. So organisierte sie über viele Jahre die Ausstellungen im Café des Familienzentrums und hatte gar ein Premierenanrecht bei den Landesbühnen Sachsen.

Mit Barbara ist für mich ein Stück Heimat verlorengegangen. Sie gehörte zu den Menschen, die noch lesen, Radio hören und Briefe schreiben, die die Kultur nicht nur konsumieren, sondern auch darüber diskutieren wollen, die man spontan besuchen kann und die immer ein offenes Ohr haben. Oft saßen wir zusammen in der Wohnküche mit der gemütlichen Eckbank und der Tür zum Balkon, wo der wilde Wein im Laufe des Jahres vom zarten Grün bis ins weinrot wechselte, das Haus schützend, wie schmückend umhüllte und im Sommer Schatten spendete. Zu den Ritualen gehörte es, den Apfelmus in Strömen aus der „Flotten Lotte“ quellen zu lassen, selbsterfundene Theaterstücke von und mit der Familie und Freunden aufzuführen, gemeinsam und ausgiebig mit den Enkelkindern allerlei Spiele zu spielen, zur Weihnachtszeit mindestens zehn Sorten Kekse zu backen und die Alpenveilchen im Doppelfenster zu drapieren. Sie liebte es, zu besonderen Anlässen in der „guten Stube“ das „gute Geschirr“ für ein Mehrgänge-Menü aufzutragen, selbstverständlich mit weißer Tischdecke, frischen Blumen und Stoffservietten. Sie freute sich, wenn sie anderen eine Freude machen konnte. Sie ließ sich für Neues begeistern und schmiedete immerfort Pläne. Ideenzettel fanden sich in der Wohnung überall. Das Wegschmeißen fiel ihr schwer und was noch funktionierte, wurde be- und erhalten. Barbara war ein Genussmensch. Sie liebte das Bilz-Wellenbad und die Anlage von Schloss Wackerbarth. Oft war sie dort mit den Enkelkindern und hätte wohl gern noch eine Weile erlebt, wie sie aufwachsen.

Als wir am 1. Dezember 2024 mit den Geburtstagsgästen zur Doppel-Feier von Barbara und Christian Plänitz in geselliger Runde zusammensaßen, ahnte keiner, dass sich nur wenige Tage später, alles schlagartig ändern sollte. Der Diagnose Hirntumor folgten eine Operation und die sechswöchige Chemotherapie. Zwischen Hoffen und Bangen vergingen neun Monate. Solange es Barbara möglich war, zeigte sie aufmerksames Interesse an allem, was um sie herum geschah. Am 14. Januar mailte sie mir „Bin gerade nicht so stark, um zu kämpfen.“ Und ich antwortete „Liebe Barbara, Du kämpfst doch gerade sehr, nur diesmal für Dich und das ist wichtig.“

Barbara wurde von der Familie und Freunden liebevoll umsorgt. Die verbindenden Fäden liefen bei der Tochter Margret und ihrem Mann zusammen. Barbara wurde beschenkt mit Zuwendung, Zärtlichkeit und Zeit. Es wurde vorgelesen und gesungen. Doch die Spaziergänge wurden immer kürzer. Mitbringsel wie Blumen, Kuchen, Früchte und sogar gehäkelte Mützen sollten sie sie ein wenig erfreuen. Alle wollten etwas von dem zurückgeben, was sie von Barbara in so reichem Maße empfangen haben.

Auch der Humor spielte im Alltag von Barbara eine wesentliche Rolle. Ihr herzhaftes Lachen werde ich wohl nie vergessen. Erst neulich entdeckte ich eine Karte von ihr, mit folgender Botschaft:

Insbesondere für Dich, liebe Karin:
„Man kann nur
verstehen im Gefühl,
nur gestalten im Gewühl:
darum sind die großen Geister
im Chaos Meister.“

Gerhart Hauptmann

und herzliche Grüße von Barbara

Karin (Gerhardt) Baum

Gedenken zum 60. Todestag Paul Wilhelms (1886-1965)

Am 15. November 2024 haben Annerose und Gottfried Klitzsch in ihrer Villa in Radebeul-West, Hohe Str. 35, die Ausstellung „ Paul Wilhelm – im Garten seiner Kunst“ eröffnet. Sie vereint 80 Gemälde des Meisters. (V&R berichtete im Heft 12/2024)

Ausstellungsgespräch mit Prof. Dr. Harald Marx, Prof. Ralf Kerbach und Gottfried Klitzsch (v.l.n.r)
Foto: H. Flemming


Viele Kunstinteressierte, nicht nur aus dem Elbtal, waren gekommen, um die Ausstellung zu sehen, die auf Anfrage unverändert besichtigt werden kann und sich mit mehreren Sonderöffnungszeiten fast schon zu einer Dauerausstellung entwickelt hat.

Dies war die Grundlage, um auch des 60. Todestages von Paul Wilhelm am 23. Oktober 2025 in herausgehobener, besonderer und würdiger Weise zu gedenken.

Anknüpfend an die von Werner Schmidt zum zum 30. Todestag Wilhelms am 23. Oktober 1995 in der Johanneskapelle auf dem Radebeuler Johannesfriedhof ausgerichtete Gedenkfeier, sollte auch diesmal eine stille Stunde am Grab Paul Wilhelms gleichsam den geistigen Mittelpunkt des Erinnerns an diesen großen Künstler bilden.

Saxophonist Dietmar Diesner am Grab von Paul Wilhelm
Foto: H. Flemming


Um 14 Uhr versammelte sich dort bei Nieselregen unter Schirmen eine kleine Schar am feierlich geschmückten Grab, um sich dieses „…Vollenders und letzten bedeutenden Führers einer typischen Dresdner Malkultur…” (Fritz Löffler) zu erinnern. Der bekannte Dresdner Jazz-Musiker und Saxophonist Dietmar Diesner spannte mit einer nachdenklichen Performance zum Eingang und Ausgang dieser Stunde den musikalischen Raum für die eigenen Gedanken zu diesem Tag. Worte von Gottfried Klitzsch fassten Wesenszüge und Biografisches zusammen, umrissen die Bedeutung Paul Wilhelms für Kollegen seiner Zeit und für uns heute.

Am Abend fand 18 Uhr eine weitergehende Würdigung Paul Wilhelms in der Ausstellung selbst – inmitten seiner Bilder – in Form eines Ausstellungsgesprächs mit Professor Dr. Harald Marx, langjähriger Direktor der Galerie Alte Meister der Dresdner Kunstsammlungen und Professor Ralf Kerbach, Malerkollege Wilhelms und langjähriger Professor für Malerei und Grafik an der Dresdner Hochschule für Bildende Künste statt.

Violinistin Johanna Mittag spielte zur Abendveranstaltung
Foto: H. Flemming


Dicht gedrängt füllte eine interessierte Kunstgemeinde die Räume in der AUSSTELLUNG DRESDNER KUNST und es entspann sich, moderiert von Herrn Klitzsch, eine angeregte Diskussion der Professoren Kerbach und Marx zum Wesen der uns in besonderem Maße berührenden Kunst Paul Wilhelms, ihrer Verankerung in der klassischen Kunst des 18. Jahrhunderts und ihrer Wirkung, bei der auch neuere Entwicklungen in der Hochschule, wie auch der Dresdner Museumslandschaft zur Sprache kamen. Der Abend wurde hinreißend von der Violinistin Johanna Mittag musikalisch begleitet und fand mit einer bejubelten Chaconne sein furioses Finale. Ihr sensibel-vortreffliches Spiel bleibt als ein Glanzlicht dieses Abends in Erinnerung. Anschließend war in kleinen Freundesgruppen bei Brot und Wein vor den Bildern Paul Wilhems ausreichend Zeit zum Gespräch, unter anderem auch mit dem Radebeuler Altmeister Peter Graf.

Wie man erleben und an den freudigen Gesichtern ablesen konnte, war es ein erfüllender, von vielen Besuchern begeistert aufgenommener Abend und ein gelungener Abschluss dieses Gedenktages zu Ehren eines großen Wahl-Radebeulers, der, wie sonst vielleicht nur noch Karl Kröner und Theodor Rosenhauer das künstlerische Bild der Lößnitz geprägt und seine Idee von der Schönheit mit derjenigen dieser Landschaft verschmolzen hat.

Sascha Graedtke

Spendenaufruf

Liebe Leserinnen und Leser,

wie häufig am Ende eines Jahres, schaut unser Schatzmeister aufs Konto unseres Vereins, und:

Wenn alle Außenstände noch beglichen werden, können wir unsere Vorgabe, mindestens Druckkosten für eine Ausgabe in petto zu haben, leider nicht erfüllen, es sei denn, Sie unterstützen uns wieder. Jedes Jahr konnten wir auf Ihre finanzielle Hilfe zählen. Es wäre toll, wenn wir auch dieses Jahr damit rechnen könnten. Dann gehen wir in das Jahr 2026 mit der Gewissheit, gegen eventuelle Schwierigkeiten gewappnet zu sein.

Vielen Dank im Voraus!

Im Namen des Vereins
Ilona Rau

Gelungener 47. Radebeuler Grafikmarkt

Man muss es gleich voranstellen: der diesjährige Grafikmarkt war wirklich gelungen, auch wenn man die schwierige personelle Ausgangslage bedenkt.

Natürlich könnte man allerlei Kritikpunkte finden, wenn man denn wöllte, und Öl ins Feuer gießen. Aber wem bringt das etwas? Aus Fehlern sollte man lernen und nicht immer so ein großes Geschrei provozieren. Unbedingt verbesserungsbedürftig sind allerdings zwei Dinge: Beleuchtung und Belüftung.

Sehr gefreut habe ich mich jedenfalls über den Zuspruch, welchen der diesjährige Grafikmarkt gefunden hat, und ich finde es bemerkenswert, dass die Stadtverwaltung als Veranstalter, nach wie vor zu „ihrem“ Grafikmarkt steht. Immerhin wird dieser „kunstlastige“ Markt trotz einiger Turbulenzen seit 1979 ohne Unterbrechung fortgeführt.

Ein Blick hinter die Kulissen offenbart, welcher Aufwand betrieben werden muss, um eine Ballspielhalle in eine Ausstellungshalle umzurüsten. Zirka 900qm schützenden Fußbodenbelag gilt es auszulegen und weit über 100 Stände aufzubauen, die dazu benötigten Ausrüstungsgegenstände dafür vorzuhalten bzw. anzumieten. Städtische Hausmeister, Mitarbeiter des Kulturamtes, Künstler und viele ehrenamtliche Helfer haben dabei mit angepackt.

Veranstaltungen wie der Radebeuler Grafikmarkt mit so einer langen Tradition sind rar. Wenngleich Improvisation gefragt ist und für jeden Künstler nur wenig Platz zur Verfügung steht, ist das Interesse, daran teilzunehmen, ungemindert groß. Besonders geschätzt wird sowohl von den Künstlern als auch vom Publikum die anregende Atmosphäre, welche sich nicht im Kommerziellen erschöpft. Vor allem die Kommunikation, das Knüpfen von neuen als auch das Auffrischen von alten Kontakten, der fachliche Austausch zwischen den Künstlerkollegen und die unmittelbare Resonanz des Publikums zeichnen den Grafikmarkt aus.

Bereits um 10 Uhr strömten am 2. November die ersten Besucher in die Halle. Die Fülle der Angebote war herausfordernd. Viele neue Künstlerinnen und Künstler konnte man entdecken. Der Flyer diente der Orientierung vor Ort und bot darüberhinaus die Möglichkeit zur vertiefenden Recherche im Internet. Die Schaudruck-Vorführungen von André Uhlig waren wieder dicht umlagert und die Serviceleistungen vom Passepartoutschnitt bis zur fachgerechten Verpackung wurden gern in Anspruch genommen. Die Sammlung von Familie Friedrich präsentierte aus ihrem Bestand 33 Radebeuler Grafikmarkt-Plakate, welche von 1979 bis 2001 entstanden sind. Auch das Künstlercafé, das vom Förderkreis der Stadtgalerie bewirtschaftet wurde, war sehr gut frequentiert. Und der selbstgebackene Kuchen hat nicht nur gut geschmeckt, er diente auch noch einem guten Zweck, denn der Spendenerlös kommt der Städtischen Kunstsammlung zugute.

Markus Retzlaff im Gespräch mit einem Interessenten
Foto: K. (Gerhardt) Baum

Ausstellung »Radebeuler Grafikmarktplakate« (Detail)
Foto: K. (Gerhardt) Baum

André Uhlig in Aktion an der Druckpresse
Foto: K. (Gerhardt) Baum

Der unwirtliche Monat November scheint dafür prädestiniert zu sein, sich verstärkt der Kunst und den Künstlern zuzuwenden. So findet jeweils am ersten Sonntag im November der Radebeuler Grafikmarkt statt, am zweiten Wochenende folgt der Dresdener Grafikmarkt und am dritten Sonntag des Monats öffnen sich in Dresden und Umgebung zahlreiche Ateliers und Künstlerhäuser. Wer den „Kunstmarathon“ in diesem Jahr verpasst haben sollte, kann sich schon immer einen Vermerk im Terminkalender des Jahres 2026 eintragen.

Karin (Gerhardt) Baum

Editorial 12-25

In den letzten Jahren veröffentlichten wir mit großer Resonanz mehrere Zuschriften zu historischen Läden in Radebeul, die zumeist bereits seit vielen Jahrzehnten der Vergangenheit angehören.

Geht man heute durch die Einkaufstraßen von Radebeul Ost und West, dann wird offensichtlich, wie der Wandel bis ins Gegenwärtige reicht.

Einige Schaufenster stehen seit langem leer, neue Läden ziehen in diesen Zeiten nur mit Mühe ein.

Selbstredend, das Einkaufsverhalten hat sich verändert und die Verlockungen des Digitalen sind nicht zu verleugnen. Da braucht es schon eine besondere Geschäftsidee.

Im zu Ende gehenden Jahr sind in Radebeul Ost nun gleich zwei Geschäftsschließungen zu beklagen, wofür die Gründe aber unterschiedlicher Natur sein mögen.

Nach 44 Jahren schließt das traditionsreiche „Fotoatelier Meissner“ zum 12.12.2025 seine Pforten. Kaum auszudenken, wieviele Generationen sich hier in allen Lebensphasen ablichten ließen.

Zudem hatte bereits Anfang November nach 28 Jahren der „Kopiershop Schwalbe“ seinen Laden im Rahmung einer veränderten Geschäftsstruktur geschlossen. Unsere „Vorschau“ hatte seine Dienste für zahllose Veranstaltungen gern in Anspruch genommen.

Beiden Ladeninhabern sei im Namen aller Radebeuler für die vielen treuen Jahre ihres Bestehens nochmal herzlich Dank gesagt!

Bald wird es auch über sie Erinnerungsgeschichten geben. Und so vergeht die Zeit…

All unseren Leserinnen und Lesern wünschen wir eine friedvolle Advents- und Weihnachtszeit und einen guten Rutsch ins kommende Jahr!

Sascha Graedtke

Korrespondenz aus der Nachbargemeinde

Da stehe ich nun auf der Brühlschen Terrasse, die Elbe plätschert träge dahin. Im Geländerüberlehnen winkt herbstgrautrübe das Spitzhaus. Von der Lese ließe lößnitzfern sich mir ein Glas Traminer träumen, was auf zwei Fragen käme: Wann in den Neuzigeruffzich hatte ich zum letzten Mal die Puppentheatersammlung im Hohenhaus besucht? Und warum fand das Lügenmuseum bislang keinen Platz im Kraftwerk Mitte, wo Radebeul doch Plätze hätte?? Verzeihn Sie mein Herr, warum hält kaum ein Zug noch in Kötzschenbroda???

Neulich hatte ich den allerneusten Umstieg von der 9 in die 4 verpasst, das WATZKE in Altpieschen nahm sich meiner an. Jeden Monat hat es dort ein besonderes Bier. Wer mag, kann dahin auch herbstruhig spazieren. Bei mir gänge die Sonne ein paar Sekunden früher auf.

Bis dahin

Euer Tobi

Mit Michael Wüstefeld poetisch durch das Jahr

Zur Titelbildserie

Winzerhäuser




Unterhalb vom Jacobstein und nahe bei Schloss Wackerbarths Ruhe befindet sich an der Straße Am Jacobstein 40 das Haus Fliegenwedel. Der einprägsame Hausname dürfte noch im 18. Jh. entstanden sein. Die Ursprünge des Winzerhauses liegen im 17. Jh., wie ein Verkauf von 1674 an Oberlandrentmeister Rode belegt, während die heutige Ansicht mit Zwerchgiebel auf der Südseite durch einen Umbau von 1750 hauptsächlich barocke Formen zeigt.
Ein weiterer Besitzer war der Hofböttchermeister Jacob Krause gewesen, der 1743 den Jacobstein an der oberen Hangkante errichten ließ. Durch Parzellenverkäufe im Laufe der Zeit gehört dieses Lusthaus heute aber zum Imperium des Staatsweingutes Schloss Wackerbarth. Das Winzerhaus glich bis 1750 einigen anderen Winzerhäusern der Lößnitz mit einem einheitlich steilen Walmdach und 5 Fensterachsen auf der Südseite – der 1750 dazugekommene, auffällig geschweifte Giebel hebt es aber aus der Masse der Winzerhäuser heraus und stellt so ein Erkennungsmerkmal dar. Dagegen ist der westliche Anbau von 1862 eine Raumerweiterung in angepasster Bauform. Die charakteristische Fensterordnung der Südseite, eine Mittenbetonung der Fenster mit Dreiergruppe im DG und Fünfergruppe im gehobenen EG und der barocken Außentreppe auf der Ostseite sowie der in barocker Form gestaltete Garten davor sind hier prägnante Details. Die Fassadenfarbe blassrosa ist etwas ungewöhnlich, soll aber auf Befunden basieren. Auf einem Stück des ursprünglich größeren Weinbergs bauen die heutigen Eigentümer, der Architekt Werner Hößelbarth und seine Frau, die das Grundstück in den 80er Jahren in sehr schlechtem Zustand erwarben, wieder Wein an und keltern ihn auch selbst.
Auch hier also ein Winzerhaus, wo Wohnen und Wein auf glückliche Weise wieder zusammen gekommen sind!

Dietrich Lohse

 

Antiglosse?

Jetzt muss endlich mal Schluss sein mit dem Gemecker und Gemotze! Die Bahnhofstraße: keine Parklücken, die kleinen Läden sterben aus, da die zahlreichen Kunden nicht direkt und alle gleichzeitig bis vor das Schaufenster mit dem Auto kommen, die Stadtkultur: ohne Konzept, alle Künstlerinnen und Künstler frustriert, das Lügenmuseum: … ach … Es reicht!
So fühle ich mich nun genötigt, eine Glosse – im wahrsten Sinne des Wortes – den Glossen von Herrn Motzi an den Seitenrand zu schreiben.
Radebeul ist so schön, und Vieles an Positivem ist erreicht oder es wird daran gearbeitet.
Wenn man durch die Straßen läuft, so springt es uns – wie der Hund hinterm Gartenzaun – förmlich an: Unsere Stadt ist viel, viel schöner geworden. In meiner Kindheit schlummerten hinter wucherndem Grünzeug halb verfallene Häuser und Villen. Die Wege und Straßen löchrig, verkrautet und sandig. Und heute? Fast alle Häuser sind hübsch hergerichtet, in die Unkrautecken und Brachen der Stadt (und selbst in Ecken, die gar keine sind) wurden wunderschöne neue Häuser gebaut, modern, der Beton in geraden Linien, kein Gramm Material zu viel. Das belebt doch vortrefflich das altmuffige Stadtbild. Stählerne Zäune und Mauern mit Sandsteinoptik schaffen endlich Klarheit. Die meisten Wege und Straßen sind ordentlich asphaltiert, gepflastert, akkurat von Bordsteinen begrenzt und lassen nun endlich keinen Raum mehr für Pfützen, in denen man sich nass oder gar dreckig machen kann. Toll! Die Kinder spielen doch heute lieber an ihren Plaste-Rutschen oder auf Riesen-Trambolins auf dem englischen Rasen in ihrem Gartenabteil der elterlichen Eigenheimparzelle, statt in Pfützen mit Hölzchen und Papierschiffchen und Regenwürmern. Igitt!
Apropos Hund: Es ist doch mit Freude festzustellen, wie tierlieb unser Radebeul geworden ist. Man trifft auf der Straße kaum noch eine Familie, die nicht einen Hund mit sich führt. Gerade in einer Stadt fühlen sich doch die Vierbeiner wie in ihrem Element.
Die Hinterlassenschaften des Tieres auf Gehwegen und in Parkanlagen werden von den verantwortungsbewussten Tierliebhabern natürlich ordnungsgemäß irgendwohin entsorgt.
Die Anzahl der Hunde hat sich in den vergangenen zehn Jahren verdreifacht. Es freuen sich über dreifachen Umsatz die Radebeuler Fachgeschäfte für Tiernahrung und vor allem der Fiskus über die entsprechende Steuer, wovon die Stadt Radebeul wieder viele schöne Sachen finanzieren kann.
Zum Beispiel die Infrastruktur. Alle Bemühungen richten sich danach, immer mehr und immer größeren Autos die Fahrt um die Ecke und zum Einkaufsmarkt, ja zu allem Fortschritt und Wachstum zu ermöglichen. Und da all die fahrbaren, schön anzusehenden Symbole unseres wohlverdienten Wohlstandes auf ganz natürliche Weise leider auch unser Straßennetz hier und da etwas verschleißen, ist unsere Stadt immer sofort zur Stelle und repariert und flickt und asphaltiert, wo es nur geht. Ein Heer von Straßenbauarbeitern hat so das ganze Jahr über ihr ordentliches Auskommen. Und nicht zu vergessen, die Hersteller und Verleiher von Absperreinrichtungen und Straßenschildern. Das kurbelt doch auch und besonders hier in Radebeul die Wirtschaft an. Noch einmal und: OrtsansässigInnen lernen so ihre Heimatstadt bei ungeahnten Routen immer wieder neu kennen, und die Gäste entdecken – jenseits von ihren tunnelblickartigen Navi-Ansagen – die schönsten Sackgassen von Radebeul.
Denn bei allem liegt unserer Stadt natürlich die Sicherheit der Autofahrer besonders am Herzen.
Ein Beispiel: Ist es nicht eindrucksvoll, wie unzählige Ampeln fast die gesamte Pestalozzistraße entlang auf Rot schalten, sobald der Lößnitzdackel im Haltepunkt „Weißes Roß“ einfährt? Obwohl die Gleise immer schön parallel dem Straßenverlauf folgen und eine Kollision Auto-Eisenbahn gar nicht möglich ist, bleibt der Straßenverkehr stehen. Sicher ist sicher. So kommt mal Ruhe rein und man kann genießen, wie die historische Eisenlok vorüberdampft. Es ist doch schön, dass sich unsere Stadt Radebeul so eine Sicherheitsanlage leisten kann!
Wer jetzt vermutet, dass die VerantwortlichInnen den Verkehrsteilnehmern das vorausschauende, eigenverantwortliche Fahren abgewöhnen wollen, liegt völlig falsch. Das beste Beispiel ist der Bahnübergang des Lößnitzdackels an der Weinbergstraße. Dort, wo überhaupt gar nichts einsehbar ist, hat man extra das Stopp-Schild für die Autofahrer entfernt, warum? Jaaa! Um deren Aufmerksamkeit, das Mitdenken pädagogisch zu fördern!
Ach, da gibt es noch viel Schönes von Radebeul zu berichten. Nicht wahr, Herr Motzi?

Ihre Susi Sorglos

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