Glosse

Doppelt hält besser

Gerade ist es vorbei, das Fest der Heimlichkeiten. Es verursacht in mir auch immer so ein gewisses Gruseln, weiß man doch nie, womit man wieder so beschenkt wird. Von der vorletzten Festivität habe ich noch einige verpackte Geschenke herumliegen. Denn nicht immer ist die Freude beidseitig. Und nicht immer will man alles wissen. Dummstellen und abwarten kann allerdings in der Politik gefährlich, ja tödlich, sein.
Wen man auch in Radebeul trifft, die meisten haben keine Ahnung, dass wir 2024 in ein glorreiches Jahr gehen. Was schon soll an diesem Jahr glorreich sein, werden sie fragen: Dass die Wasserpreise gestiegen sind, die Mieten weiter klettern und die Inflationsrate aktuell mit 3,8 Prozent auf einem hohen Niveau liegt? Zumindest für dieses Jahr versprechen die „Wettbuden“ hier einen Rückgang. Da lässt sich dann doch etwas erleichterter auf die Pauke hauen, wenn die Radebeuler im neuen Jahr ihr großes Doppeljubiläum begehen.
Auch Sie wissen nicht wovon ich schreibe? Hat es sich denn wirklich noch nicht herumgesprochen? Dieses Jahr ist das ganze Jahr ein Festjahr: 100 Jahre Stadt Kötzschenbroda – 100 Jahre Stadt Radebeul! Alles klar?!
Und wenn ich „das ganze Jahr“ schreibe, meine ich auch das ganze Jahr. Am 1. Januar 2024 um 00:01 Uhr wird die Fete eingeläutet! Ja, sie lesen richtig! Eine Reihe von Radebeuler Bürgern werden dann die ersten Sätze in ihr Alltagsbuch gekritzelt haben. Wann allerdings der dicke Veranstaltungskalender erscheint, kann ich im Augenblick noch nicht verkünden, aber vermutlich vor dem 31. Dezember. Natürlich sind die Radebeuler aufgefordert, kräftig mitzuwirken. Im Klartext: Wer feiern will, sollte auch etwas dazu beitragen! Und mit ein wenig Glück kommt man dann auch in den dicken Veranstaltungskalender. Beeilen aber muss man sich schon. Die anderen schlafen auch nicht.
Ja, wer feiert nicht gerne? Aber wie? Ehrlich gesagt, so richtig habe ich mir darüber auch noch keine „Platte“ gemacht. Was für so einen Anlass alles für Wörter kursieren, du glaubst es nicht: Party, Gesellschaft, Fete, Sause, Event, Vergnügen, Budenzauber, Festtage, Lustbarkeit, Cercle, Mulatschag… So manchen Begriff führen wir heutzutage überhaupt nicht mehr im Munde!
Was zum Beispiel ist ein „Cercle“? Zugegeben, die Bezeichnung ist etwas aus der Mode gekommen und steht für Vieles. In unserem Fall für „Empfang bei Hofe“, was ja auch recht gut passen würde. Oder nehmen wir „Mulatschag“, was so viel bedeutet, wie „ausgelassenes Fest“ und seinen Ursprung in Ungarn/Österreich haben soll. So richtig empfiehlt es sich aber dann wiederum auch nicht, enden doch derartige Unternehmen, in dem alles Geschirr zerschlagen wird. Das Festjahr soll ja nicht noch in einem Scherbengericht münden.
Der abgelatschte Begriff „Party“ wäre grundsätzlich abzulehnen, auch wenn uns angelsächsische Verwandtschaft nachgesagt wird. Aber wie wäre es beispielsweise mit „Sause“? Würde doch ganz gut zu Radebeul und den Sachsen passen, schließlich nennen wir uns ja auch „Weinstadt“. Es muss ja nicht gleich so ausarten wie zur Erlanger Kärwa. Das liegt dort sicher an den vielen guten fränkischen Brauereinen. Da sehe ich für Radebeul überhaupt keine Gefahr. Und in „Saus und Braus“, da bin ich mir absolut sicher, wird die Radebeuler „Sause“ ohnehin nicht ausarten, wo uns doch seit neulich das Geld nicht mehr so locker sitzt.
Aber, dass die „Sause“ irgendwie mit der Zieselmaus zusammenhängen soll, war mir bisher völlig unbekannt. Vermutlich wegen der zischenden, pfeifenden Geräusche, die beide verursachen. Aber vielleicht könnte dieser Verwandte der Hörnchen demnächst zum Radebeuler Maskottchen aufsteigen? Wie dem auch sei, das Fest aber sollten wir denn auf keinem Fall sausenlassen.
Na dann, auf ein lustiges Festjahr! Feste sollen ja fröhliche, ausgelassene Zusammenkünfte sein. Da hoffen wir mal, meint
Euer Motzi

Buchvorstellung

„In Übigau 1870 / 71 interniert – in Kaditz bestattet“

Foto: D. Lohse

Das vor mir liegende Büchlein (Format A5, 76 Seiten) ist ein Sachbuch zu Ereignissen am Rande des deutsch-französischen Krieges von 1870 / 71, ein Krieg, den Deutschland nicht verloren hatte. Herausgegeben hat dieses Buch 2022 der Verein „Neue Nachbarschaft Kaditz e.V.“ in Eigenregie, d.h. ohne einen Verlag. Wäre das Buch über einen Verlag noch teurer geworden? Verfasser ist der Kaditzer Siegfried Reinhardt, von dem u.a. schon Bücher über die Gohliser Windmühle sowie Dorf und Stadtteil Kaditz erschienen sind. Wenn ich jetzt über das neue Buch berichte, so tue ich das gern, weil die „Nachbarschaft“ und die „Vorschau“ zwei benachbarte und miteinander bekannte Vereine sind, die über die Stadtgrenze Dresden / Radebeul eine gelegentliche Zusammenarbeit pflegen.
Aber ist das jetzt der richtige Zeitpunkt, um über ein älteres Kriegsereignis zu schreiben, jetzt, wo in östlicher und südöstlicher Richtung von uns Kriege toben? Es müsste möglich sein, weil zwischen der Gefangenschaft der Franzosen an der Elbe und den aktuellen Kriegen 150 Jahre liegen und weil das Herangehen an das Thema im Buch nicht kriegsverherrlichend ist.
Das Buch, siehe oben, ist schon durch sein Cover in den Farben der Trikolore (Blau, Weiß, Rot), den Gemeindesiegeln von Übigau und Kaditz sowie dem Titel interessant gestaltet und dadurch eine Aufforderung zuzugreifen! Dem Buch liegt eine umfassende Recherche zugrunde, die Fakten sind in drei Abschnitte gegliedert: das Internierungslager für etwa 7000 gefangene französische Offiziere und Soldaten in Übigau, die Begräbnis-stätte für 117 gestorbene Franzosen in Kaditz und die namentliche Auflistung der Toten. Als Radebeuler hatte man schon mal vom Kaditzer Franzosenfriedhof gehört oder ihn vom Elbradweg aus besucht, aber die größeren Zusammenhänge erfährt man erst aus dem verdienstvollen Büchlein. Von einem geschichtlichen Sachbuch darf man keine lockere, leicht zu lesende Lektüre erwarten, es sind sachliche, gelegentlich etwas trockene Schilderungen der Faktenlage. Aus dem Text erfährt man, dass am 26. August 1870 die ersten Franzosen in Übigau, das damals noch nicht zu Dresden gehörte, eintrafen. Sie waren geschwächt vom Kampf und der langen Zugfahrt (ca. eine Woche) und zum Teil verletzt. Sie wurden ärztlich versorgt und mussten ihr Barackenlager am Elbufer in Übigau selbst aufbauen. Das Kriegsgefangenenlager war primitiv mit Strohlagern statt Betten, es folgte ein kalter Winter und schließlich eine Überschwemmung der Elbe. Die Zahl der 117 toten Gefangenen entstand durch Krankheiten und Entbehrungen, häufig durch Blattern und Lungenkrankheiten. Da damals Übigau nach Kaditz eingepfarrt war und keinen eigenen Friedhof besaß, mussten die verstorbenen Gefangenen auf einem Kaditzer Friedhof begraben werden. Man erfährt aber auch, daß die Franzosen zu bestimmten Zeiten das Lager verlassen durften und so auch Kontakte zu Bauern und Kindern zustande kamen. Das Lager wurde nach Abreise der letzten Franzosen in die Heimat am 25. Juni 1871 geschlossen und im Juli abgebaut. Mit 11 Monaten hatte das Internierungslager Übigau eigentlich nur eine kurze Zeit existiert. An der Stelle befindet sich heute die rechtselbische Rampe der Flügelwegbrücke (erbaut 1929 / 30).

Foto: D. Lohse

Zur Gestaltung der französischen Abteilung im zweiten Kaditzer Friedhof (Serkowitzer Straße) und der Unterhaltung desselben wurde viele Gesuche und Briefe geschrieben worden, die Anlage schien auch zeitweilig in Vergessenheit zu geraten, aber zum 150. Bestehen der Franzosengräber zeigten sie wieder ein würdiges Aussehen. Zu diesem Jubiläum und anderen Terminen treffen sich Franzosen und Deutsche in Kaditz, man kann darin ein völkerverbindendes Zeichen sehen.
Das empfehlenswerte Sachbuch, das für 10,- € angeboten wird, hat nur einen Haken, es ist leider nicht im Buchhandel zu finden, sondern nur in folgenden Einrichtungen und Läden erhältlich:

Friedhofsverwaltung Kaditz, Serkowitzer Str. 39, 01139 Dresden
Mo, Do 10-12, Di 10-12, 15-17
Verkaufsstelle Frühgemüsezentrum Kaditz, Grimmstraße 52, 01139 Dresden
Mo-Fr 9-17, Sa 9-12
Hermes Paketshop motto Agentur, Kaditzer Str. 28, 01139 Dresden
Mo-Do 14-18, Fr 9-15
und ab Jan. 2024:
Autohaus Gommlich, Verkauf, Meißner Str. 140, 01445 Radebeul
Mo-Fr 9-18

Als Geschenktipp für Weihnachten kommt die Buchvorstellung leider zu spät, aber Ostern steht ja bald vor der Tür!
Da fällt mir noch eine Verbindung zum deutsch-französischen Krieg sowie Kaditz und Radebeul ein. Der Heimkehrergedenkstein an der Kaditzer Straße in Radebeul erinnert auf andere Weise an den Krieg von 1870 / 71.
Diesen Stein sollen drei sächsische Kameraden aus Freude über ihre gesunde Heimkehr aus Frankreich aufgestellt haben – wir erkennen zwei Seiten „ein und derselben Medaille

Dietrich Lohse

 

9. Thematischer Filmclubabend

Zum Auftakt unserer Veranstaltungsreihe Film Club Mobil 2024 sind wir am 18. Januar um 19 Uhr in der Heimatstube Naundorf zu Gast. Die liebevoll ausgestalteten Museumsräume bieten den stimmungsvollen Rahmen für den Märchenklassiker „Väterchen Frost“ aus dem Jahr 1964. Darüber hinaus erfahren wir das Neueste aus der Radebeuler Ursprungsgemeinde Naundorf, die vor 880 Jahren ihre erste urkundliche Erwähnung fand. Ein loderndes Kaminfeuer mit Bratäpfeln und würzigen Heißgetränken stimmen auf den winterlichen Filmclubabend ein. 

Tschechische und russische Märchenfilme prägten die Kinderzeit von DDR-Nachkriegsgenerationen. Das diese Filme nicht nur nostalgische Gefühle aufkommen lassen, sondern heute noch so sehenswert sind, resultiert nicht zuletzt aus ihrer künstlerischen Qualität. Auf zahlreichen Festivals wurde „Väterchen Frost“ sowohl für das Drehbuch als auch die Filmmusik ausgezeichnet. Die Drehbuchautoren Nikolai Erdmann (1900 – 1988) und Michail Wolpin (1902 – 1988) hatten Elemente aus der slawischen Mythologie mit Motiven aus russischen und deutschen Märchen zu einer Handlung verwoben. Den Regisseur Alexander Rou (1906 – 1973) verband wiederum eine langjährige produktive Zusammenarbeit mit dem Schauspieler Georgi Milljar (1903 – 1993), welcher in zahlreichen seiner Filme mitwirkte. Milljar hatte sich auf groteske Charaktere spezialisiert. Vor allem die Rolle als Hexe Baba Jaga, die er in mehreren Filmen verkörperte, machte ihn auch international bekannt. Zu dem hochkarätigen Darstellerensemble gehörte die sechzehnjährige Natalja Sedych. Obwohl diese als Schauspielerin bereits in früher Jugend sehr erfolgreich war, absolvierte sie ein Studium an der Ballettschule des Bolschoi-Theaters und stand danach als Tänzerin auf der Bühne. Einen Großteil der mitwirkenden Schauspieler kann man auch in dem Film „Feuer, Wasser und Posaunen“ von 1968 erleben.

Väterchen Frost – Abenteuer im Zauberwald
1964, Sowjetunion, Gorki-Filmstudio, 82 Minuten, FSK 6, DEFA-Synchronisation 1965

Regie: Alexander Rou; Drehbuch: Nikolai Erdmann, Michail Wolpin;
Musik: Nikolai Budaschkin; Kamera: Dimitri Surenski; Besetzung: Alexander Chwylja (Väterchen Frost), Natalja Sedych (Nastjenka), Inna Tschurikowa (Marfuschka), Eduard Isotow (Iwan), Georgi Milljar (Baba Jaga)

Die Erzählerin beginnt mit den Worten: „Es war einmal vor langer, langer Zeit, ein alter Mann und eine alte böse Frau ……“ Beide hatten jeweils eine leibliche Tochter. Die der Frau, Marfuschka, war faul und hässlich, die des Mannes, Nastjenka, war fleißig und schön. Die eine wurde verwöhnt, die andere schikaniert. Eines Tages begegnet Nastjenka im Wald dem jungen eitlen Prahlhans Iwan, der sich sofort in sie verliebte. Doch weil er das Waldmännchen beleidigt hatte und ohne Skrupel eine Bärenmutter töten wollte, nahm das Unglück seinen Lauf und Iwan trug zur Strafe fortan einen Bärenkopf. Schließlich wurde es Winter. Die Hässliche zu verheiraten, wollte und wollte nicht gelingen. Der Stiefmutter war es leid, dass die Freier nur ein Auge für Nastja hatten, und jagte sie in den Wald. Aber Väterchen Frost rettete sie vorm Erfrieren. Allerdings sprach er eine Warnung aus: Wer seinen Zauberstab berührt, wird zu Eis und alles Leben erstirbt… Iwan, der inzwischen seine menschliche Gestalt zurückerhielt, suchte Nastja. Doch im Zauberwald lauerten rauflustige Räuber, im Holzhäuschen mit den Hühnerbeinen wohnte die hinterlistige Hexe Baba Jaga und Nastja lag wie tot im Haus von Väterchen Frost…

Karin Baum und Michael Heuser
Sprecher der Cineastengruppe „Film Club Mobil“ im Radebeuler Kultur e.V.


Anmerkung: unter Verwendung von verschiedenen Filmbegleitmaterialien und Wikipedia-Eintragungen

Reservierungen erbeten unter 0160-1038663

Als die Läden noch den Namen von Leuten trugen

(und die Anekdoten von heute geboren wurden)

In seinem Editorial im Oktoberheft erwähnte Sascha Graedtke die Schließung des Geschäftes von Lars Bellmann auf der Meißner Straße 88, in dem der Inhaber seit Ende der 1990er Jahre überwiegend Tabakwaren, Zeitschriften und Schreibwaren verkauft hatte. Auf dem Schild über dem Laden, das inzwischen entfernt ist, war allerdings auch zu lesen, dass man als Sammler von Münzen und Briefmarken dort auch fündig werden konnte, was in den letzten Jahren allerdings nur noch ein ganz kleines Segment des Umsatzes ausgemacht haben dürfte. Ganz anders war die Situation vor 40 Jahren, als das Ehepaar Eiffler den Laden führte. Daran wurde ich erinnert, als ich von der Schließung des Ladens von Herrn Bellmann las. Und einmal angefangen ließen auch mich die Erinnerungen nicht mehr los… Ich nehme Sie, liebe Leserinnen und Leser, deshalb mit auf einen kleinen Spaziergang entlang meines magischen Kindheitsdreiecks, dessen Ecken vom Briefmarkenladen Eiffler, den Geschäften an den Linden und den Geschäften bzw. Läden an der Ecke Maxim-Gorki-Straße-/Reichsstraße in der Oberlößnitz begrenzt wurde.

 

Meißner Straße 88 Foto: B. Kazmirowski

Mein täglicher Schulweg führte mich frühmorgens an der Bäckerei Werner vorbei, die im Erdgeschoss des Eckhauses Reichsstraße/Maxim-Gorki-Straße ihre Backwaren anbot. Der Verkaufsraum war sehr klein und schon gar nicht barrierefrei, denn eine Treppe führte von zwei Seiten zur Eingangstür. Dumm nur, dass der Laden früh gegen 7 Uhr, als schon der Duft frischer Brötchen aus der Backstube im Keller bei geöffnetem Fenster nach draußen strömte, noch nicht offiziell geöffnet hatte. Wir Schulkinder hatten natürlich alle unsere, nun ja, blechernen Brotdosen (meine war wenigstens zweifarbig, die meisten Mitschüler hatten welche in Silber) im Ranzen, aber was waren die von fürsorglich besorgten Müttern mitgegebenen Pausenbrote gegen frische, warme, duftende Semmeln für 5 „Pfenge“ das Stück oder für einen Groschen, wenn es gleich ein großes, ein „doppeltes“ Brötchen sein sollte? Also schnell hingekniet auf das Gitter, an die Fensterscheibe geklopft und ein erwartungsfrohes „Hallo?“ in den Duft hineingerufen. Alsbald erschien eine freundliche Bäckersfrau und fragte, was es denn sein dürfe. Das bissel Geld, was man so als Zweit- oder Drittklässler bei sich hatte reichte allemal ab und zu für ein oder zwei Semmeln. Hatte man gerade Taschengeld bekommen oder sonst irgendwie etwas mehr bei sich, durfte es auch ein lecker Pfannkuchen für 20 Pfennige sein, der dann durch

Lichtschachtgitter zum Backraum Foto: B. Kazmirowski

die Gitterstäbe nach draußen gereicht wurde. (Erinnern

Eckhaus Maxim-Gorki-Straße-Reichsstraße, ehemals Bäckerei Werner Foto: B. Kazmirowski

Sie sich noch an die mattgoldkupfern glänzenden Zwanzigpfennig-Stücke? Ein solches Exemplar vertelefonierte ich gelegentlich mit Freunden auf dem Rückweg von der Schule in der Telefonzelle, die direkt vor der Bäckerei stand, gleich neben der Litfaßsäule. Irgendwen konnte man immer anrufen, ein zerfleddertes Telefonbuch hing ja mit drin. Beides gibt es längst nicht mehr.) Zurück zum Bäcker: Blöd nur, wenn auch andere Kinder auf die gleiche Idee wie ich kamen und sich so eine hockend-kniende Warteschlange vor dem Kellerfenster bildete. Brav weiterlaufen und pünktlich an der „Kleinen Schule“ auf der Bennostraße ankommen (der Weg war weit!) oder stehen bleiben, warten und dann rennen – das war die Frage, denn die Brötchen musste man ja erst noch langsam und genussvoll verspeisen! Die Bäckerei Werner schloss relativ unvermittelt, wenn ich das richtig nachvollziehe im Frühling 1981 oder 1982 – ein herber Einschnitt im Leben für uns Schulkinder! Nachmittags, auf dem Nachhauseweg, hörte ich vor allem im Sommerhalbjahr manchmal ein vernehmliches Klopfen, Pochen und Hämmern aus einem Flachbau direkt hinter der Bäckerei parallel zur Reichsstraße (1986 wurde sie in Jean-Bertrand-Straße umbenannt, was keiner von uns Kindern kapierte, 1991 erfolgte dann schon die Rückbenennung). Was da pochte, hämmerte und klopfte war der alte Schuhmacher Ahnert, ein kleingewachsener Mann mit grauem Haarkranz, einen runden Kopf mit wachen Augen auf dem zumeist nach vorn gebeugten Nacken tragend. Meister Ahnert betrieb dort seine Werkstatt, er trug immer einen graublauen Kittel. Ich kann mich nicht erinnern, je draußen auf der Maxim-Gorki-Straße (von dort erfolgte der Zugang zum Grundstück) ein Schild gesehen zu haben, das auf diesen Handwerksbetrieb hinwies. Man wusste einfach, dass dort Meister Ahnert nähte, klebte, flickte und eben auch mit dem Hammer kräftig auf die Sohlen pochte. Manches Mal sind ein Freund und ich einfach in die Werkstatt rein und haben ihm zugeschaut, wie er auf seinem Schemel saß und sich an Schäften, Sohlen und Absätzen zu schaffen machte. Einfach gucken und schauen, wie Handwerk geht. Den Klebstoff habe ich heute noch in der Nase. Meine Bekanntschaft mit Herrn Ahnert war einmal von großem Nutzen für mich. Am Vortag einer langen Sommerurlaubsreise sollte ich meine Sachen packen und stellte fest, dass meine Sandalen hinüber waren. Das hatte ich natürlich vorher nicht bemerkt. Meine Mutter schlug die Hände über den Kopf zusammen. „Junge, das bekommen wir in der PGH (= Produktionsgenossenschaft des Handwerks) bis morgen nicht repariert!“. Ich: „Mal sehen.“ Und ab zu Ahnert, rein in die Werkstatt, Problem geschildert, Sandalen noch am gleichen Abend repariert wieder abgeholt. Preis: Vielleicht zwei Mark? Oder vier? Ganz sicher habe ich mich artig bedankt, darauf legten meine Eltern wert. Auf der anderen Seite der Hofeinfahrt schloss sich das Haus an, in dem im Erdgeschoss die Fleischerei Hartmann bis in die 90er residierte. Fleischerei Hartmann war eine Institution im Wohnviertel. Donnerstags ab spätestens 14 Uhr bildete sich eine lange Schlange, denn an diesem Tag nach der Mittagspause gab es immer die besten Sachen, die eine gute kochende Hausfrau (damals gab es tatsächlich sehr wenige kochende Hausmänner) für den Sonntagsbraten brauchte. Allerdings konnten sich donnerstags 14 Uhr nicht viele gut kochende Hausfrauen in die Schlange einreihen, denn manche von ihnen mussten arbeiten, wie meine Mutter etwa. Also hatte ich den wichtigen Auftrag, den Platzhalter bis 15 Uhr zu spielen, wenn der Laden wieder öffnete, immer in der Hoffnung, dass meine Mutter auch rechtzeitig käme. Meistens kam sie pünktlich, und ich bekam drinnen eine Scheibe Wurst oder eine Wiener auf die Hand. Auf die Hand bekamen wir Kinder und Jugendlichen auch fast immer etwas bei der Bäckerei Bär an den Linden. Glücklich waren wir, wenn auf die Frage „Haben Sie Kuchenränder?“ Frau Bär oder einer ihrer Mitarbeiterinnen in dem Raum hinter der Ladentheke verschwand und mit einer Tüte Kuchenränder wieder auftauchte. Als wir zu Hause waren, war die Tüte leer. Besonders Obstkuchen war der Renner, weil am Teigrand auch immer noch Obst hing. Fast genau auf der Linie zwischen dem kulinarischen Zentrum Maxim-Gorki-Straße/Reichsstraße (außer Bäckerei Werner und Fleischerei Hartmann gab es auch damals schon die Gaststätte „Zum Römer“) und den Linden gab es spätestens seit den 1970ern auf der Karl-Marx-Straße eine weitere kleine, versteckt liegende Werkstatt, und zwar die des Sattlermeisters Werner Gallitschke. Auch so eine Legende wie Schuhmachermeister Ahnert! Zu Herrn Gallitschke konnte man alles aus Leder bringen, also vor allem Gürtel, Jacken und Taschen. Schulranzen, Arbeitstaschen und Umhängetaschen gingen halt kaputt bei täglichem Gebrauch, und wer wusste schon, ob es im Taschenladen auf der Wilhelm-Pieck-Straße, direkt neben Eifflers Briefmarkenladen, Ersatz geben würde? Ich weiß nicht, wie oft ich bei Herrn Gallitschke vorstellig wurde, um meinen Schulranzen, später auch meine Arbeitstaschen ausbessern zu lassen. Irgendwann in den 1980ern oder 1990ern zog er in eine Kellerwerkstatt auf die Goethestraße um, wo er bis vor einigen Jahren auch noch ab und an aus alter Verbundenheit etwas reparierte. Und nun schließe ich den Bogen und komme endlich zum Briefmarkenladen H.C. Eiffler. Eifflers führten schon in den 1960ern und 1970ern in Radebeul-West ein Geschäft im Eckhaus Borstraße/Wilhelmstraße. Mein Vater erzählte mir, dass wiederum sein Vater in jener Zeit aus der Brandenburger Provinz angereist gekommen war, um bei Eifflers Briefmarken zu verkaufen und selbst zu kaufen und sich sogenannte „Nachträge“ für seine Klebealben zu besorgen. Zwischenzeitlich wurde das Geschäft nach Radebeul-Ost verlegt. Ich war als Kind in den 1980er Jahren selbst ein leidenschaftlicher Sammler gewesen und drückte mir also bei Eifflers Auslagen von besonderen – heute würde man sagen: „coolen“ oder „krassen“ – Motiven die Nase an der Scheibe platt. Ich erwarb mir dort über mehrere Jahre nach und nach diverse Sätze von Briefmarken aus so exotischen Ländern wie Antigua (sehr schöne Walt Disney-Motive), Laos (Sonderausgabe zu den Olympischen Winterspielen in Sarajevo 1984) und Paraguay (Motive mit Rennautos). Ein Satz, bestehend aus meistens fünf bis sieben Marken, kostete so zwischen 5 und 8 Mark. Auf diese Weise kam die große weite Welt in mein kleines enges Kinderzimmer in Radebeul und bereicherte meine tatsächlich gesammelten Bestände aus überwiegend europäischen Ländern. Jetzt könnte ich meinen Spaziergang beenden, aber ich möchte noch eine Erinnerung anfügen, die sich mit einem Zeitungskiosk auf der anderen Straßenseite der Wilhelm-Pieck-Straße (wie die Meißner Straße bis 1991 hieß), direkt vor der Straßenbahnhaltestelle und neben dem Eingang zur Gaststätte „Vier Jahreszeiten“ verbindet. In diesem Kiosk saß, wann immer ich vorbeikam, hinter der kleinen Scheibe ein bärbeißiger, kräftiger Mann mit dunkler Brille. Wenn ich dort in den späten 80ern auftauchte, dann nur, um eine Ausgabe der einzig begehrenswerten Zeitschrift für Jugendliche in der DDR zu erstehen, „Neues Leben“, kurz „NL“. Fast nie gelang es mir, denn die Hefte waren offenbar regional limitiert, in Berlin nämlich gab es sie allerorten ohne Probleme, wie ich von meinen Cousin wusste. Und also entspann sich allmonatlich zu Monatsbeginn folgender Dialog. Ich: „Ham’se das neue NL?“ Er: „Noch nicht.“ Einen Tag später. Ich: „Ham’se das neue NL?“ Er: „Nicht mehr.“ Irgendwie kam ich dann doch immer mal an ein Exemplar und durfte es mitlesen oder mir ausborgen.
Und damit ist mein Spaziergang beendet. Teilen Sie die eine oder andere Erinnerung? Wie wäre es, wenn Sie mich und andere Leser auf einem Gang durch Ihr Kindheits-Radebeul mitnehmen? Ich würde mich freuen!
Bertram Kazmirowski

Eine der vier schönsten Jahrezeiten

Was assoziieren Sie mit Winter? Wenn ich an den Winter denke, kommt mir sofort eine weiße Landschaft in den Sinn. Eine mit Schnee bedeckte Wiese, ein großer Baum in der Mitte, ganz in Weiß gekleidet und kein Vogel in Sicht. Die Wolken sind klar, hellblau schimmert der Schnee.

Es gibt eine Person, mit der ich jedes Jahr einen Spaziergang zu einem Aussichtspunkt mache, es ist unser Ritual für den 23. Dezember. Immer am Nachmittag gehen wir, wenn es noch hell ist, aber wenn wir wieder nach Hause gehen ist es dunkel und man sieht nur noch die Lichter zwischen den weißen Dächern und den schwarzen Straßen. Eigentlich ist es viel zu kalt um sich ohne Handschuhe an den Händen zu halten, aber wir machen es trotzdem, und wir nehmen uns immer wieder vor, dass wir mutig genug sind um im Dunkeln ohne Angst durch den Wald zu laufen. Doch sind wir erst einmal darin, wird uns wieder bewusst wie gruselig es dort eigentlich ist. Also rennen wir doch den Berg hinunter bis zur Straße. Manchmal fängt es auch an zu schneien, und plötzlich ist es da: das Weihnachtsgefühl. Es ist ein ziemlich spezielles Gefühl, es ist seit Jahren immer das gleiche. Ich kann es nicht wirklich beschreiben. Wie beschreibt man Gefühle? Wenn ich darüber nachdenke kommt es mir vor, als wäre dieses Gefühl genau für den Tag reserviert, wenn meine beste Freundin zu mir kommt. Ich kann dieses Gefühl kaum erwarten, aber gleichzeitig fürchte ich mich davor, dass es wieder vorbei geht. Es ist ein ähnliches Gefühl wie beim Geburtstag, damals in Kinderzeiten. Aber Weihnachten ist nicht das gleiche wie Winter, dieser gibt Weihnachten ja nur einen Rahmen, er ist so viel mehr. Und also liebe ich den Winter dafür, dass wir jedes Jahr „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ schauen. Ich liebe den Winter dafür, dass wir Schlittschuhlaufen gehen und ich jedes Jahr von neuem anfange es zu lernen. Ich liebe den Winter dafür, dass wir auf den Weihnachtsmarkt gehen und Punsch trinken und gebrannte Mandeln essen. Ich liebe den Winter auch dafür, dass der beste Tag im Jahr jener ist, wenn zum ersten Mal wieder Schnee fällt. Ich liebe den Winter dafür, dass es Weihnachtslieder gibt und ich wie jedes Jahr gezwungen werde etwas auf dem Klavier vorzuspielen. Ich liebe den Winter dafür, dass man öfter ins Kino geht und das warme Popcorn viel besser schmeckt als im Sommer. Ich liebe den Winter auch dafür, dass es abends früh dunkel wird und man statt mit Freunden draußen zu sein sich zu Hause einkuschelt und einen Spieleabend macht, bei dem man sich mal wieder ärgert, dass man „Mensch ärgere dich nicht“ doch nicht gespielt hat. Und ich liebe den Winter dafür, dass man sich nicht mehr so unwohl fühlt in kurzen Klamotten, sondern in einem großen Pulli wie eine graue Maus in der letzten Reihe des Klassenzimmers sitzen kann. Ich liebe den Winter auch noch dafür, dass man in Moritzburg auf dem See spazieren kann. Und, ja doch, ich liebe den Winter dafür, dass ich ihn ohne Weihnachten nicht denken kann. Winter und Weihnachten gehören einfach zusammen! Ich kann keinen Text schreiben ohne diese Worte zu verbinden. Vielleicht ist deshalb der Winter meine Lieblingsjahreszeit. Vielleicht bin ich auch einfach nur voreingenommen, da mein Geburtstag in den Winter fällt. Egal wie man es sieht, für mich ist der Winter eine der vier schönsten Jahreszeiten.

Antonia Ubbelohde, Lößnitzgymnasium (Kl. 9)

Die „Wiederentdeckung“ der Hoflößnitz

1924 war für die Lößnitz ein bedeutsames Jahr: Im Frühling stiegen die großen Landgemeinden Radebeul und Kötzschenbroda in den Kreis der sächsischen Städte auf, und das kleine Oberlößnitz nahm selbstbewusst den Titel Kurort an. Letzteres war ein Grund dafür, dass das »Heimathaus Hoflößnitz« am 8. Juni jenes Jahres als erstes Museum der Lößnitz feierlich eröffnet wurde. In einer kleinen Serie wollen wir im Vielfach-Jubiläumsjahr die Geschichte des Sächsischen Weinbaumuseums beleuchten.

Frontispiz aus J.P. Knohll, Viniculturbüchlein, 1667 Archiv Hoflößnitz

Die Geschichte des heute von der Stiftung Hoflößnitz getragenen Museums im Herrenhof des einstigen kurfürstlichen und königlichen Weingutes beginnt mit der Gründung des Hoflößnitz-Vereins am 20. März 1912. Die Vorgeschichte der in diesem Verein gebündelten Anliegen reicht aber noch einige Jahre weiter zurück. So soll schon der russische Generalmajor Gavriil Gavriilovich Sukhanov-Podkolzin (1850-1900), der das Schlossgrundstück Ende des 19. Jahrhunderts erwarb und einige drastische Umbauten beauftragte, – nach Bekunden seiner Erbin, Gräfin Anna von Zolotoff (Brief an Dr. Georg Haase vom 24.02.1912, Stadtarchiv Radebeul, OL 1767) – vorgehabt haben, im Lust- und Berghaus, das er „vom Abbruch gerettet“ hätte, ein Museum einzurichten, wozu es durch seinen frühen Tod aber nicht kam.
Während das Spitzhaus, das einstige Belvedere der Hoflößnitz und seit 1902 Gaststätte, schon lange als sehenswerte touristische Attraktion galt, war über das äußerlich eher unscheinbare Lusthaus bis dahin wenig bekannt. Die ersten gedruckten Wanderführer für die Lößnitz erwähnen sein Inneres nur kurz und am Rande. Genaueres über die künstlerischen Schätze, die das Gebäude barg, erfuhr die interessierte Öffentlichkeit erstmals durch eine Vortragsveranstaltung des Vereins für Geschichte Dresdens am 18. Februar 1903 im dicht gefüllten Entreesaal der Dresdner Stadtbibliothek im vormals Loß’schen Palais, Kreuzstraße 10. Referent war der Staatsarchivsekretär Dr. Hans Beschorner (1872–1956), sein Thema »die Hoflößnitz bei Dresden«.
Das Dresdner Journal (Nr. 41, S. 323) fasste das Dargebotene am nächsten Tag so zusammen: »Dem durch zahlreiche Prospekte und Risse und durch ein dem Stadtmuseum gehöriges Ölgemälde des Malers J. C. Jünger vom Jahre 1746 sowie durch zahlreiche photographische Aufnahmen einer Meißner Firma illustrierten Vortrage überaus reichen Inhalts entnehmen wir das folgende: Das am Preßhofe gelegene, neuerdings von dem späteren Privatbesitzer Grafen v. Zolotoff durch ein Türmchen und eine nach Süden gelegene Terrasse mit Treppenvorlage geschmückte ›Herrenhaus‹ zeigt noch den an der Hofseite angebauten Treppenturm und die ursprüngliche Raumeinteilung im Erd- und Obergeschoß, auch noch fast den sämtlichen originellen malerischen Schmuck der Decken und Wände der Herrschaftsetage. Erbaut wurde dieses Herrenhaus seit 1655 durch die Kurfürsten Johann Georg I. und II. Im ›Kleinen Vinikulturbüchlein‹ des Winzermeisters Joh. Paul Knoll vom Jahre 1667 ist auf der Titelansicht das Herrenhaus bereits abgebildet. Das auf der Bergeshöhe, über einer 1747 bis 1750 erbauten Treppe von 325 Stufen stehende Berggebäude (das Spitzhaus) dürfte der Wolfframsdorfschen Besitzzeit und dem ersten Viertel des 17. Jahrhunderts entstammen. Umgebaut wurde es 1749. Friedrich der Große besuchte dieses sogenannte ›hohe Haus‹ 1758 und 1760, übernachtete auch in ihm.
Die Hoflößnitz als kurfürstliches Weingebirgsgelände wird erst im 17. Jahrhundert erwähnt. Sie wurde mehrfach von Mitgliedern der kurfürstlichen Familie zur Zeit der Weinlese, u. a von August dem Starken 1715 und 1727 zweimal besucht. Sehr interessant war die Beschreibung mehrerer von der Landesherrschaft ausgeführter Winzerfeste und Aufzüge. Der letzte von ihnen fand am 25. Oktober 1840, veranstaltet von der sächsischen Weinbaugesellschaft statt und ist in einem langen Festzuge vom Maler Moritz Retzsch im Bilde festgehalten worden. Nach Einstellung des Weinbaues wurde die Hoflößnitz 1889 veräußert, parzelliert und ging an mehrere Privatbesitzer über. Das Spitzhaus wurde ebenfalls umgebaut und das Herrenhaus ›Schloß Hoflößnitz‹ steht gegenwärtig zum Verkauf. Der Vortrag fand lebhafte Anerkennung durch reichen Beifall.« (Fortsetzung folgt.)
Frank Andert, Museumsleiter

 

2024 – eine Stadt jubiliert, feiert und … reflektiert

100 Jahre Stadtrecht Radebeul, 100 Jahre Stadtrecht Kötzschenbroda
und viele andere Jubiläen

„Der Gedanke, Monographien zur Geschichte Radebeuls, der Stadt der Gärten, der Reben und der Industrie herauszugeben, reifte an einem wunderschönen Septembertage des Herbstes 1958, als vom blauen Himmel die Sonne auf die reich behangenen Rebstöcke unserer Weinberge schien. …“

Egbert Herfurth:
Exlibris für Hellmuth Rauner, 1973, Holzstich

Johannes Thaut: In der Bücherei, um 1960, Holzschnitt

Der diese poetischen Worte schrieb, war Hellmuth Rauner (1895-1975), Vorsitzender der Radebeuler Ortsgruppe des Deutschen Kulturbundes, politisch Verfolgter des Naziregimes, engagierter und zeitweise in Ungnade gefallener Kommunal- und Kulturpolitiker, Mitbegründer des kulturellen Monatsheftes „Die Vorschau“, praktizierender Kenner der hiesigen Weinkultur und Ehrenbürger der Stadt Radebeul.

Als sich die Rasselköppe von der Käthe-Kollwitz-Straße zum gerade vergangenen Jahreswechsel jenseits und diesseits des Schlagbaumes versammelten, der sich punkt Mitternacht zwischen Kötzschenbroda und Niederlößnitz öffnete, stießen sie mit einem Glas Sekt auf das Neue Jahr an und gedachten auch Hellmuth Rauner, der einstmals auf der Käthe-Kollwitz-Straße gewohnt hatte. Parallel dazu startete am 01.01.2024, um 00.01 Uhr ein ungewöhnliches Langzeitprojekt: Das Radebeuler Alltagsbuch.

Das offizielle Startsignal zum Festjahr ertönt jedoch am 26. Januar 2024 in der „kulturellen Mitte“ zwischen Kötzschenbroda und Radebeul, wo sich das Stammhaus von Deutschlands zweitgrößtem Reisetheater befindet. Die repräsentativen Theaterräume bieten den würdigen Rahmen für die Neujahrsansprache des Radebeuler Oberbürgermeisters Bert Wendsche, zu der auch im Jubiläumsjahr wieder zahlreiche Vertreter aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Kultur und Einwohnerschaft persönlich eingeladen sind. Dass es dem vorausschauenden Wirken des Kommunalpolitikers Hellmuth Rauner zu verdanken ist, dass sich das Stammhaus der Landesbühnen Sachsen seit 1950 im ehemaligen Ballsaal des Gasthofes „Goldene Weintraube“ in Radebeul befindet, werden nur die wenigsten wissen. Dass es einmal eine Stadt Kötzschenbroda gegeben hat, löste mitunter ebenfalls großes Erstaunen aus. Doch diese und so manch andere irritierende Tatsache, die sich mit unserer Stadtgeschichte verbindet, wird im Verlaufe des Jahres 2024 sicher Aufklärung erfahren.

Die frohe Kunde, dass es sich bei dem Jahr 2024 um ein besonderes Festjahr handelt, verbreitete sich in Windeseile per Amtsblatt, Tagespresse, Bürger-App, Flaschenpost, Lastenrad, Flugblatt und von Mund zu Mund. Allein das Doppeljubiläum 100 Jahre Stadtrecht Radebeul und 100 Jahre Stadtrecht Kötzschenbroda böte Grund genug zum Feiern. Doch es stellte sich recht schnell heraus, dass es noch viele andere große und kleine, runde und unrunde Jubiläen zu feiern gibt. 140 Jahre „Lößnitzdackel“, 125 Jahre Wahnsdorfer Feuerwehr, 100 Jahre Museum Hoflößnitz, 50 Jahre Traditionsbahnverein, 30 Jahre Radebeuler Autorenkreis „Schreibende Senioren“, 25 Jahre Förderkreis der Radebeuler Stadtgalerie, 5 Jahre Radebeuler Kultur e.V.

Aus Anlass des 100. Geburtstages des Sächsischen Weinbaumuseums, welches 1924 als „Heimathaus Hoflößnitz“ eröffnet wurde, beginnt in „Vorschau & Rückblick“ eine Beitragsfolge zu dessen wechselvoller Geschichte. Spannend ist in diesem Zusammenhang auch ein Beitrag des damaligen Museumsleiters Werner Lugenheim aus dem Jahr 1961, in dem er sich zum Anliegen und zur Konzeption des „Heimatmuseums Haus Hoflößnitz“ äußert (Monografien zur Geschichte der Stadt, Heft 5). Darüber hinaus können wir uns auf eine große Sonderausstellung freuen, die im Mai eröffnet werden soll.

Das „Heimathaus Hoflößnitz“ blieb nicht die einzige öffentlich zugängige museale Einrichtung bzw. thematische Sammlung, die in den Lößnitzortschaften eröffnet wurde. Schon 1928 folgte das Karl-May-Museum, unmittelbar nach Kriegsende, bereits im Juni 1945, das Haus der Kunst, 1949 das Hauptmann Archiv, 1958/1960 das Stadtarchiv, 1960 die Puppentheatersammlung (1985 als Museum), 1982 die Stadtgalerie (ab 1992 mit Städtischer Kunstsammlung), 1993 die Heimatstube Naundorf, 2005 das Schmalspurbahnmuseum, 2006 das DDR-Museum Zeitreise, 2006 die Heimatstube Kötzschenbroda, 2010 das Stadtmuseumsdepot, 2012 das Lügenmuseum und 2014/2023 das Bilzmuseum. Die Träume von einem Radebeuler Stadtmuseum, einem kleinen Pharma-Museum oder einem Korbmachermuseum blieben unerfüllt. Und nicht alle, der hier aufgezählten Einrichtungen sind bis heute existent. Die Ursachen sind vielfältiger Natur. Sich damit einmal ohne Vorurteile auseinanderzusetzen, das könnte eine aufschlussreiche Projektarbeit sein.

Der Aufforderung des Radebeuler Kulturamtes, dass sich jeder mit seinen Ideen und Initiativen in das Jubiläumsjahr einbringen kann, wurde in überwältigendem Maße gefolgt. Und so wächst und wächst das Festprogramm beständig. Neben den Veranstaltungen der Stadtverwaltung, Museen, Galerien, Theater, Schulen, Kindertagesstätten, Soziokulturellen Zentren, ortsansässigen Unternehmen sowie der zahlreichen Vereine, wird es darüber hinaus einen überraschenden Cocktail aus spontanen Aktionen von Bürgern und Künstlern geben. Das kulturelle Monatsheft „Vorschau & Rückblick“ wird davon berichten.

Übers ganze Jahr verteilt kann man in den Radebeuler Ursprungsgemeinden Ausstellungen, Lesungen, Konzerte, Vorträge, Festivals, Preisverleihungen, Fest- und Winzerumzüge, Performances, Filmvorstellungen, Straßen-, Figuren-, Sprech-, Musik- und Tanztheater erleben. Aber auch an den Sgraffitiführungen oder Lese-, Bilz- und Bauherrenpreiswanderungen kann man sich beteiligen.

Wo musiziert und gesungen wird, das ist erstaunlich: Musik in Kirchen, Singen an Schwarzes Teich im Waldpark, Treppensingen vorm Kulturbahnhof, musikalische Wanderungen durch die Weinberge, Open-Air-Sommerbühne für jedermann.
Recherchiert wird zu Radebeul und Kötzschenbroda in der Literatur, Musik und Bildenden Kunst. Viele Aktionen laden zum Mitmachen und Mitdenken ein. Überregional bekannte Persönlichkeiten wie Karl May, Ernst Edler von Schuch, Friedrich Eduard Bilz, Hans Stosch-Sarrasani oder die Gebrüder Ziller werden würdigende Beachtung finden. Aber auch an die Bürgermeister Robert Werner und Dr. Wilhelm Brunner, an den Bauern Karl Reiche, den Maler und Grafiker Johannes Thaut, die Schriftstellerin Tine Schulze-Gerlach, die Archivare Paul Brüll und Lieselotte Schließer u. v. a. m., soll im Verlaufe des Festjahres erinnert werden.

Die Lößnitzstadt ist ein zerrissenes Konglomerat aus zehn Ursprungsgemeinden, welche sich in mehreren Intervallen (wohl nicht immer ganz freiwillig) zusammengefunden hatten. Was im Verlaufe des Jahres ans Tageslicht kommt, bleibt spannend. Fragen sind erwünscht und könnten sein:
Wie kommt es, dass Radebeul nicht ein, sondern zwei städtische Zentren hat? Wie werden die einstigen Repräsentationsbauten in heutiger Zeit von der Stadtgesellschaft genutzt? Wie kam es, dass es in Radebeul-Ost einen „Kulturbahnhof“ und in Radebeul-West einen „Naturbahnhof“ gibt? Wie wirken sich die drei Sanierungsgebiete „Altkötzschenbroda“, „Zentrum Radebeul-Ost“ und „Zentrum Radebeul-West“ auf die Lebensqualität der Radebeuler aus? Wird sich der Kasper mit den Indianern vertragen? Wer wird in Zukunft die Baumallee auf der Bahnhofstraße beleben? Wann ertönen die ersten musikalischen Klänge im ehemaligen Postgebäude?

Dass das Stadtarchiv, die Kunstsammlung und das Stadtmuseumsdepot, zu den Radebeuler (Um)Zug(s)vögeln gehören, so wie die Kasperiade oder der Film Club Mobil, das ist zugegebenermaßen ein seltsames Phänomen. Da die Lößnitzstadt seit jeher die (Wahl) Heimat der musisch Ambitionierten, der Erfinder und Genießer, der Nachdenklichen und Kritischen, der Nostalgiker und Pragmatiker, der Lügner und Fantasten, der Jungen und Alten, der Schuldner und Millionäre, der Optimisten und Pessimisten, der Stillen und der Lauten… ist, sollte man in jeder Hinsicht recht zuversichtlich sein.

Schwerpunktthemen sind im Festjahr Musik, Literatur, Kunst, Kultur, Landwirtschaft, Industrie, Weinbau, Tradition, Festkultur, Sozialstruktur, Architektur, Kommunalpolitik…
Zum Bereich Architektur und Stadtentwicklung wird es Veranstaltungen verschiedenster Art geben: Schüler gestalten das Ausstellungsprojekt „Meine Stadt“, der Film Club Mobil präsentiert den DEFA-Film „Die Architekten“ aus dem Jahr 1989 mit einem themenorientierten Zusatzprogramm über „verhinderte, sanierte, abgerissene Plattenbauten in Radebeul“. Zum großen „Stadtfestjahr mit fast ohne Geld“ öffnen sich Denkmale, Nischen, Aussichtspunkte, Gärten, Häuser, Kreativräume, Sinne und Herzen. Die Stadtverwaltung, Volkshochschule, Stadtbibliothek, Sternwarte, Musikschule und Tourist-Information stellen ihre Potenziale vor. Wissensschätze, die in Archiven, Museen und Sammlungen ruhen, gilt es zu heben und zu erforschen.

„Vernetzung“ ist das Zauberwort, welches in aller Munde ist. Wenn der Lößnitzgrund ruft, ruft das Lügenmuseum zurück, denn der Lößnitzbach verbindet Radebeuls Mitte. Die Elbe und der Elbradweg wiederum verbinden Radebeul mit der Welt und die Meißner Straße verbindet das Bauamt mit der Radebeuler Stadtgesellschaft. Und was verbindet nun die Radebeuler miteinander? Das ist vor allem die Kommunikation. Gelänge es nun, traditionelle und aktuelle Formen der Kommunikation generationsübergreifend zu verknüpfen, wäre das doch ein guter Zukunftsplan.

Jubilare, wohin das Auge schaut: In diesem Jahr feiern die Ursprungsgemeinden Naundorf 880 Jahre, Radebeul 675 Jahre, Niederlößnitz und Oberlößnitz 185 Jahre ihres Bestehens. Im Jahr 2021 konnte Kötzschenbroda auf 750 Jahre zurückschauen, was aber leider keinerlei Beachtung fand. Jubiläen bieten den Anlass zum Innehalten, Recherchieren und Reflektieren. Der Zeitraum von 1924 bis 2024 ist geprägt durch die Inflation, den Zweiten Weltkrieg, die Bombardierung Dresdens, durch Gesellschaftssysteme wie Faschismus, Sozialismus und Kapitalismus, was nicht ohne Auswirkungen auf die Stadt Radebeul und deren Bewohner blieb.

Wenn die Radebeuler Ursprungsgemeinden ein Ortsjubiläum begehen, beziehen sie sich auf ihre urkundliche Ersterwähnung. Die zentralen Stadtfeste wiederum orientierten sich an der namensgebenden Ursprungsgemeinde Radebeul, die 1349 erstmals urkundliche Erwähnung fand, und demzufolge in den Jahren 1949 und 1999 festlich begangen wurden. Ein Novum war es dann, als man im Jahr 2010 den 75. Stadtgeburtstag feierte, welcher sich auf den Zusammenschluss der Städte Kötzschenbroda und Radebeul im Jahr 1935 bezog. Demzufolge steht spätestens 2035 in Radebeul der nächste 100. Stadtgeburtstag an. Der Countdown läuft. Die Alten sind mit am Start, wer das Ziel erreicht, das kann keiner voraussagen. Wichtig ist, dass Alte und Junge einen Teil der Strecke gemeinsam absolvieren.

„Dass es möglich ist, ein Stadtjubiläum auf derart ungewohnte Weise zu begehen, spricht für die Offenheit, Experimentierfreude und herzliche Lebensart der Radebeuler Einwohnerschaft. Sie verbindet das wache Interesse an ihrer Heimatstadt und darin liegt wohl das größte Potenzial. Denn Zukunft braucht Herkunft, aber auch Inspiration und eine Vision.“

Die Feststellung im Geleitwort der Festbroschüre zum 75. Stadtgeburtstag von Radebeul im Jahr 2010 trifft auch für das Jubiläumsjahr 2024 vollumfänglich zu.

Karin (Gerhardt) Baum

Die Monografienreihe (Heft 1-9), wurde im Auftrag des Kulturbundes als Sonderausgabe des kulturellen Monatsheftes „Die Vorschau“ herausgegeben. Das lesenswerte und faktenreiche Zeitdokument zu Geschichte, Kultur, Industrie, Wein- und Gartenbau der Stadt Radebeul ist im Stadtarchiv einsehbar.

 

rempe & nagel

Rede zur Eröffnung der Ausstellung in der Stadtgalerie Radebeul

Diese Ausstellung, liebe Freundinnen der Kunst, liebe Frunde der Künstlerinnen, ist kein Streichelzoo. Sie führt uns heraus aus der Komfortzone mit ihren Wohlfühloasen und in die raue Wirklichkeit unserer Tage hinein. Schon der Titel räumt auf mit einem seit Jahrzehntausenden gepflegten und immer wieder kolportierten Klischee: Das schier unausrottbar scheinende, sich aber auch stetig auf seltsame Weise selbst bestätigende

Anita Rempe: Portraits (1-2), ohne Jahresangabe, verschiedene Stifte auf Papier

Repros K. (Gerhardt) Baum

Vorurteil, Frauen seien „geschwätzig“, wird hier mit

zweieinhalb Worten eindrucksvoll und dauerhaft widerlegt: rempe & nagel – da ist kein Wort zu viel, und doch ist alles gesagt: Die Künstlerinnen Maja Nagel und Anita Rempe reden Klartext und sparen sich den heißen Brei für wirklich kalte Tage.

Majas Zeichnungen stammen aus ihrer Serie „na kromje – an der Kante“. Vordergründig wird damit auf die Tagebaukante angespielt, die Linie also, die die noch vorhandene Landschaft von der großen Leere trennt, die ihre endgültige Zerstörung bedeutet.
Anitas Portraitzeichnungen zeigen das Werden eines Menschen und sein Sichverlieren im Chaos in sich vielfach überlagernden Ebenen, als wären sie Landschaften. Parallel stellen sich ihre Öl-Landschaften als verknappte Portraits täglich neuer Verluste dar. Beinahe körperlich empfindet die Künstlerin die vom Geschwindigkeitsrausch verursachte Flucht aus der Landschaft.
So treffen sich beide Künstlerinnen dort, wohin es niemanden zieht: „na kromje, an der Kante“, und sie sprechen von Dingen, die wir eigentlich gar nicht hören wollen und die uns deshalb umso mehr bedrängen.

Maja Nagel, Anita Rempe und Hartmut Dorschner zur Vernissage, Foto: K. (Gerhardt) Baum

Maja ist in Bautzen geboren. Sie wurzelt im Sorbischen. Unter diesem Blickwinkel erhalten ihre Arbeiten zu Lausitzer Themen, insbesondere dem der Landvernichtung zu Gunsten des braunen Goldes, nochmal eine deutlich andere Dimension. Jenseits aller Klimadiskussionen wird hier nicht einfach nur Gelände weggebaggert, hier wird Lebensraum einer traditionell ländlich orientierten nationalen Minderheit liquidiert – sollte das Absicht sein? Die Frage zumindest darf gestellt werden.
Maja hat in Dresden Malerei und Grafik studiert, längere Zeit in Berlin, Dresden und Strehla gelebt und ist nun in Eula bei Nossen folgerichtig in dörflicher Umgebung angekommen. Beim Käthe-Kollwitz-Haus in Moritzburg betreut sie seit Langem die Grafikwerkstatt. „Sie ist“, wie Gregor Kunz bemerkt, „in Zeichnung, Malerei, und Collage, mit Performance und Installation und ihren bewegten Figuren in Animationsfilmen erfolgreich, wenn Qualität der Maßstab ist.“

Maja Nagel: „schnellweg“, 2023, Kohlezeichnung Repro K. (Gerhardt) Baum

In jedem Fall ist die Zeichnung ganz und gar Majas Metier. Die Linie verlangt und schafft Klarheit. Sie steht auf dem Blatt als „entweder-oder“ – ein Vielleicht ist ausgeschlossen.
Mit ihren Arbeiten steht Maja mitten in der Welt. Sie sieht nicht nur ihre Lausitzer Landsleute, nicht nur die sorbische Minderheit „na kromje – am Abgrund“ steht die Menschheit als Ganze.

„Fluchtlandschaft“; „Zusammenbruch“ …ihre Landschaften, freut sich Anita, wirken gemeinsam mit Majas Zeichnungen wie Erzählungen – Erzählungen, die ohne gutes Ende auskommen müssen. Das unterscheidet sie etwa von den Grimm‘schen Märchen. Die hatten eins – dürfen sie deshalb den heutigen Kindern nicht mehr zugemutet werden?!

Anita ist in Magdeburg geboren. Im Gauernitzer Fischerdorf hat sie sich hochwassersicher im Überschwemmungsgebiet etabliert. Sie studierte Illustration und Gebrauchsgrafik und später noch Kunsttherapie. Sie war Trickfilmzeichnerin und arbeitete beim Puppentheater. Eine Zeit lang gehörte sie zur Künstlergemeinschaft Atelier Oberlicht hier gleich nebenan. Lange Jahre arbeitete sie sehr segensreich als Kunsttherapeutin. In diesem Geschäft hat sie es kennengelernt, das „Leben an der Kante“.
Das hat ihr auch den Blick bewahrt für die verlorenen, die Fluchtlandschaften, und für die Unfähigkeit der Gegenwart, Landschaft als eigenständigen Wert wahrzunehmen. Mit ihren Wasser-Ölfarben setzt sie ihre eigene Unfähigkeit dagegen: die Unfähigkeit, etwas schön zu malen, das nun mal nicht schön ist.
Darin allein wird schon die Seelenverwandtschaft offenbar, die Anita mit Maja verbindet. Sie wuchs aus einer langen persönlichen Freundschaft, die weit über ein kollegiales Miteinander hinausgeht. Die Kunst ist ein einsames Geschäft, umso mehr braucht die Künstlerin den Austausch. Und auch ihren Arbeiten tut das Miteinander gut. In schöner Gemeinschaft breiten sie es vor uns aus, das Narrativ von der verlorenen Landschaft. (leicht gekürzt)

Thomas Gerlach

Editorial 1-24

All unseren treuen Leserinnen und Lesern sei von dieser Stelle aus ein freud- sowie friedvolles neues Jahr bei bester Gesundheit gewünscht!
Wie Sie sehen, erfolgte in bewährter Tradition auf dem Titelbild alternierend wieder der programmatische Wechsel zur Grafik. Diesmal begleiten uns Holzschnitte vom Radebeuler Künstler Michael Hofmann, der in diesem Jahr seinen 80. Geburtstag feiern wird und dessen Werke von Thomas Gerlach kommentiert werden.
Mit dem Jahreswechsel bricht ebenso für unsere Lyrikseite ein neues Kapitel an. Für dieses Jahr konnten wir den Schriftsteller und Liedermacher Stephan Krawczyk gewinnen, der sich in den 1980er Jahren insbesondere als DDR-Bürgerrechtler und Oppostioneller einen Namen gemacht hatte.
2024 wird für unser Heftprofil dahingehend interessant, da es eine ungewohnte Ballung von Jubiläen gibt, die über das ganze Jahr hinweg maßgeblich inhaltliche Akzente setzen werden.
An erster Stelle sei das Doppeljubiläum 100 Jahre Stadtrecht Radebeul und 100 Jahre Stadtrecht Kötzschenbroda genannt. 140 Jahre „Lößnitzdackel“ gesellt sich ebenso dazu.
Zudem feiert das Sächsische Weinbaumuseums seinen 100. Geburtstag, welches 1924 als »Heimathaus Hoflößnitz« eröffnet wurde. Museumsleiter Frank Andert hat uns hierfür bereits eine Reihe von Textbeiträgen in Aussicht gestellt.
Einen Vorgeschmack auf weitere Jubiläen und fundierte Hintergrundinformationen finden Sie im ausführlichen Beitrag „2024 – eine Stadt jubiliert, feiert und…reflektiert“.
Freuen Sie sich mit uns auf ein Jahr mit vielen kulturellen sowie gesellschaftlichen Höhepunkten!

Sascha Graedtke

Petition gegen Gebührenpolitik der GEMA

Die Stadt Radebeul hat eine open petition an die GEMA gegen horrende Gebühren für Veranstaltungen im Freien gestartet und wirbt für breite Unterstützung, damit die Kultur besonders im ländlichen Raum erhalten werden kann. Wir bitten Sie, diese online zu unterstützen und auch andere potentielle Mitstreiter zu aktivieren, damit wir eine maximale Öffentlich – keitswirksamkeit erhalten. Für den Radebeuler Weihnachtsmarkt 2022 erließ die GEMA u.a. eine Rechnung von rund 13.000 € im Vergleich zu den bisher üblichen 1.000 €.
www.openpetition.de/petition/seite2/kultur-in-gefahr-gegen-horrende-gema-gebuehren-fuer-veranstaltungen-im-freien

Gabriele Lorenz

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