Mit einem Lächeln dem Leben begegnen

Tine Neubert gestaltet das Etikett für die diesjährige Wein-Sonderedition zum Wandertheaterfestival

Foto: A. Wirsig

Vielleicht ist es ja so gewesen: Irgendwann vor 45, 47 oder auch schon 50 Jahren bemerkte die Radebeuler Schülerin Tine Neubert, dass die aus Langeweile im Schulunterricht entstandenen, in Hefter und auf Zettel verewigten Kritzeleien eigentlich ganz gut gelungen waren. In der Pause bekam sie anerkennende Worte ihrer Freundinnen für die Männchen mit großen Füßen und spitzen Nasen. „Die sind ja lustig!“ riefen sie aus, und wer genau hinhörte, der bemerkte, dass sich auch ein bisschen Neid unter das Lob gemischt hatte. Vielleicht ist es auch anders gewesen und hat die Kunstlehrerin das talentierte Mädchen unmerklich gefördert, ihre Begabung zielgerichtet unterstützt, weshalb der Kunstunterricht ihr Lieblingsfach war. Vielleicht war es auch eine Mischung aus beidem, sodass aus dem Mädchen, das einst Tierpflegerin oder Tierärztin werden wollte, mit der Zeit eine Künstlerin wurde, die autodidaktisch inzwischen einen unverwechselbaren Stil ausgeprägt hat. Tine Neubert malt überwiegend „Gute-Laune-Bilder“ in Tusche und mit Aquarellfarben, wodurch sie vor allem Kinder, Jugendliche und Erwachsene anspricht, die das Leben mit einem Augenzwinkern zu leben verstehen – oder gern so leben würden. Tine Neuberts Figuren sind einerseits Träumer, Faulenzer und Lebenskünstler, also Abbilder dessen, was viele von uns Erwachsenen insgeheim auch gern ab und an sein würden. Wer sehnt sich denn nicht danach, dem durchgeplanten und auf Effizienz ausgerichteten Alltag einmal zu entfliehen und für eine kleine Weile ein heiteres Leben zu führen? Andererseits hat sich Tine Neubert in ihren Figuren nun doch den Berufswunsch der Tierpflegerin auf ganz kreative Weise erfüllt, denn viele gut gelaunte Tiere bevölkern ihre Bilder: zottelige Hunde, verschlafene Uhus, Pinguine im Frack, Frösche in Badehosen, Pferde mit Blumenkränzen in der Mähne und noch viele andere Kreaturen, die Tine Neuberts Fantasie entsprungen sind. „Ich finde, mit Humor lassen sich die kleinen und großen Herausforderungen des Alltags viel besser meistern.“

Foto: B. Kazmirowski

Tine Neubert, die seit 30 Jahren in München lebt, kann sich die Freiheit nehmen, ihrer Kunst ohne wirtschaftlichen Druck nachzugehen. Vielleicht ist das auch der Grund dafür, dass sie ihre Tuschezeichnungen, Acrylbilder und Aquarelle nicht zwanghaft den Regeln des Kunstmarktes unterwirft. Erlaubt ist, was ihr gefällt – und vor allem den Betrachtern, womit sie jedoch weniger die Kritiker der Feuilletons im Sinne hat als die kunstinteressierte Öffentlichkeit. Die Freude an dem, was unter ihren Händen entsteht, merkt man ihren Werken an, diese lächeln dem Betrachter quasi entgegen. Ihren beruflichen Alltag verbringt sie übrigens seit 35 Jahren als Bibliotheksassistentin für wissenschaftliche Bibliotheken, vor der Wende in der Fachbibliothek für Sozialhygiene an der Medizinischen Akademie Dresden, nach ihrem Umzug nach München zuerst bei der Linde AG, seit 16 Jahren am Deutschen Jugendinstitut.
Als begabte nebenberuflich aktive Künstlerin hatte sich Tine Neubert schon hierzulande einen Namen gemacht, bevor sie Anfang der 1990er nach Süddeutschland gezogen war. Bereits in den 1980er Jahren hatte sie erste Erfahrungen durch eine Zusammenarbeit mit der Radebeuler Puppentheatersammlung sowie dem Puppentheater Dresden und dem Tanztheater Leipzig beim Bühnen- und Puppenbau gesammelt. In den 1990er Jahren zeichnete sie Cartoons für die Sächsische Zeitung und den Elbhangkurier und seit 2009 nimmt sie regelmäßig am Radebeuler Grafikmarkt und an intermedialen Kunstprojekten teil. Hinzu kamen etliche Auftragsarbeiten für die evangelische Oberschule in Radebeul zur Gestaltung von Unterrichtsmaterialien und Illustrationen für die Kinderarche Sachsen e.V., worunter ganz aktuell anlässlich des 30-jährigen Bestehens des Vereins die Gestaltung eines Weinetikettes für den Wein vom eigenen Weinberg fällt. In München wiederum ist Tine Neubert seit mehr als 20 Jahren mit einem Stand auf dem Schwabinger Künstler- und Kunsthandwerker-Weihnachtsmarkt vertreten und hat sich in vielfältiger Weise auch als Gebrauchsgrafikerin Anerkennung verschafft. In Zusammenarbeit mit der Lebenshilfe Werkstatt München zeichnete sie für die Gestaltung von Kalendern, Präsentationen, Broschüren, Tassen und Adventskalendern verantwortlich. Hinzu kommen auch noch Illustrationen für Lehrbücher, für die Lernplattform „Digitale Schule Bayern“ und für ein Literaturmagazin für Kinder. Heiterkeit strahlen auch ihre Postkarten mit Münchener Motiven aus, wobei es ihr eben nicht um die klassischen Ansichten von Frauenkirche, Viktualienmarkt oder Olympiastadion geht: „Die Bewohner Münchens illustriere ich oft und gerne: Seien es Nackerte im Englischen Garten, ausgelassenes Feiervolk bei einer Isarfloßfahrt oder die Blasmusik am Chinesischen Turm. Vorlagen für neue Bilder tummeln sich überall.“
Der nicht ganz ernst gemeinte Blick auf das Leben, der sich in den vielen nicht ganz ernst gemeinten Figuren ausdrückt, war sicherlich einer der Gründe, warum der Radebeuler Förderverein des Internationalen Wandertheaterfestivals an Tine Neubert mit der Bitte herantrat, das Etikett für die Wein-Sonderedition 2022 zu gestalten, die seit vielen Jahren fester Bestandteil der Festivaltradition ist. Tine Neubert lädt mit ihrem Entwurf die Käufer dieses besonderen Weins, übrigens ein Bio-Johanniter vom Weingut Hoflößnitz, dazu ein, die beim Genuss empfundene Heiterkeit in den Aufführungen des Festivals künstlerisch verwandelt zu entdecken. „Stelzenläuferin und Feuerschlucker geben sich ein Stelldichein, dazu Musik, Theater und die Winzer aus Radebeul und Umgebung bieten die Schätze aus ihren Weinkellern an – das ist die Verbindung von Internationalem Wandertheaterfestival und Weinfest. Fröhlich und leicht geht es zu auf diesem Fest! Altkötzschenbroda als Ort des Geschehens und die Hoflößnitz, wo die Reben für diesen Wein stehen, dürfen natürlich auch nicht fehlen. Mit großer Freude habe ich das Etikett für die Jubiläums-Edition gestaltet und wünsche viel Spaß beim Betrachten der Flasche und Genuss beim Leeren des köstlichen Inhalts.“ Und so mögen all jene, die Ende September eine dieser limitierten Flaschen erwerben, sich beim Schmunzeln über das Etikett auch gleich noch das erste Novemberwochenende vormerken, an dem Tine Neubert beim Radebeuler Grafikmarkt vertreten sein und ausstellen wird. Das wäre doch eine gute Gelegenheit, mit der Künstlerin über die Verbindung von Wein, Theater und Kunst ins Gespräch zu kommen – mit einem Lächeln im Gesicht…

Bertram Kazmirowski

 

 

In eigener Sache

Ilona Rau zum 70. Geburtstag – Eine Würdigung

Foto: D. Lohse

In diesem Jahr feiern wir in drei aufeinanderfolgenden Monaten den runden Geburtstag eines Redaktionsmitgliedes. Im Juli und August wurde die seit mehr als 20 Jahren aus Bertram Kazmirowski und Sascha Graedtke bestehende, intern scherzhaft noch immer so bezeichnete „Jugendredaktion“ gemeinsam stattliche 100 Jahre alt, was unsere Vereinsvorsitzende Ilona Rau in ihren Glückwünschen dezent anklingen ließ. Nun ist Ilona Rau im September selbst an der Reihe und tritt in den glücklichen Kreis derjenigen ein, die ihr achtes Lebensjahrzehnt mit Agilität und Tatkraft angehen können, denn das ist ja nicht selbstverständlich. Seitdem ich Redaktionsmitglied bei „Vorschau und Rückblick“ bin, es sind nunmehr 28 Jahre, erlebe ich Ilona Rau als die treibende Kraft des Vereins und damit verbunden auch des Redaktionslebens, denn Aufgabe des Vereins „Radebeuler Monatsheft e.V.“, dem sie seit mehr als 20 Jahren vorsteht, ist ja die allmonatliche Herausgabe des Heftes. Verein und Redaktion sind sich darin einig, dass Ilona Rau eine öffentliche Würdigung eigentlich schon lange verdient gehabt hätte, die nun anlässlich ihres runden Geburtstages endlich erfolgt.

Liebe Ilona! Wer greift ordnend und zielorientiert in unsere bisweilen wuchernden Redaktionsdiskussionen ein und bringt damit Dinge und Themen voran? Du! Wer denkt alljährlich daran, rechtzeitig eine Mitgliedsversammlung des Vereins einzuberufen, schreibt die Einladungen dazu, organisiert den Raum, kümmert sich um ein freundliches Willkommen aller Gäste und leitet die Versammlung? Du! Wer netzwerkt in Radebeul und in den Nachbargemeinden mit großem Engagement und hält damit auch „Vorschau und Rückblick“ immer wieder erfolgreich bei Behörden, Einrichtungen, Gewerbetreibenden, Künstlern und anderen Interessierten im Gespräch? Du! Wer kümmert sich darum, dass alle rechtlichen Belange der Vereinsarbeit sachlich und geräuschlos von Statten gehen? Du! Wer hält also seinen Kopf für praktisch alles hin, was unser Verein tut oder unterlässt? Du! Liebe Ilona, soviel „DU“, ohne welches es unser gemeinsames „WIR“ in Redaktion und Verein gar nicht gäbe! Oft wird unterschätzt, welcher Anstrengungen und Disziplin es für dich bedurfte, den organisatorischen Überbau für das Heft, also den Verein, durch die Fährnisse der letzten beiden Jahrzehnte zu lenken. Denke noch einmal an die dramatische finanzielle Lage des Vereins in den Jahren nach der Finanzkrise, als wir um jeden Euro betteln mussten, weil Anzeigenkunden weggebrochen waren. Erinnere dich an die Sorgen, die wir uns nach Dieter Malschewskis Tod 2009 um die Zukunft des Heftes machen mussten, als plötzlich ein leitender Redakteur fehlte. Rufe dir ins Gedächtnis zurück, dass auch die Abgänge von Frank Andert und Ulrike Kunze sowie das krankheitsbedingte Ausscheiden von Wolfgang Zimmermann das Redaktionsschiff zeitweilig arg ins Schlingern brachten, weil mit jedem von ihnen auch Kompetenz und Erfahrung gingen. Nicht zu vergessen die letzten zweieinhalb Jahre der Pandemie, in denen unser Redaktions- und Vereinsleben arg eingeschränkt war und wir uns kaum treffen konnten. Aber du, was hast du gemacht? Du hast nicht dem Vergangenen nachgetrauert oder mit den Verhältnissen gehadert, sondern uns alle ermutigt in die Zukunft zu schauen und „das Beste daraus zu machen“. Dazu gehört(e), dass du neuen Ideen immer aufgeschlossen gegenüber stehst. Ob es nun die Organisation von Veranstaltungen ist (wie die Lesung mit Thomas Rosenlöcher), ob es die Teilnahme des Vereins an Messen oder am Grafikmarkt betrifft oder ob es um die Zusammenarbeit mit anderen Vereinen wie dem Kulturverein Radebeul geht – immer ist für dich entscheidend, Kunst und Kultur in der Breite zu stärken und unser Monatsheft dabei sichtbar zu platzieren. Dazu gehört schließlich auch, dass du von Anfang an sehr dafür warst, dass die „Vorschau“ im Internet vertreten ist und wir uns als Verein dort aussagekräftig präsentieren.
Liebe Ilona, für all das Genannte möchten wir dir sehr herzlich danken! Wir gratulieren dir zu deinem Geburtstag und wünschen dir noch viele Jahre in unverminderter Gesundheit und mit nie versiegender Energie, in denen du deine weitgespannten Interessen pflegen und auch für deine Familie da sein kannst! Gestatte uns schließlich, mit diesem Beitrag einen dringlichen Wunsch öffentlich machen, der wie kein zweiter dafür steht, was du uns bedeutest: Wir wünschen uns, dass du noch so lange, wie es dir deine Gesundheit erlaubt, unsere Vereinsvorsitzende bleibst und du auch weiterhin mit konstruktivem Engagement unser Redaktionsteam bereicherst. “Vorschau und Rückblick“ irgendwann einmal ohne Ilona Rau? Diesen Gedanken schieben wir gaaaanz weit weg! Mindestens bis zum nächsten runden Jubiläum!

Im Namen des Vereins und der Redaktion
Bertram Kazmirowski

Schreibwerkstatt (7. Teil)

Hallo, Schule – ich komme!

Mein Weg von zuhause in die Schule startet immer um 7.25Uhr. Im Winter ist es dann dunkel, manchmal stürmt es. Oft frieren meine Freundinnen und ich, und wir müssen mit unseren Fahrrädern auf der glatten Straße sehr vorsichtig sein. Im Frühling geht alles viel leichter.
Bald kommen wir auf eine kleine Straße, wo uns eigentlich fast immer ein weißes, großes Auto entgegenkommt. Wohin es wohl fährt? Wir können nicht erkennen, wer drin sitzt.
Dann sehe ich das Haus, in dem meine beste Freundin einmal gewohnt hat. Das ist Mette, die jetzt
mit ihrer Familie in einem eigenen Haus lebt. Noch ein paar Meter und nun leuchtet uns das Haus auf der Gartenstraße entgegen, das ganz neu gebaut wurde. Es ist echt hübsch. Es sind schon Leute eingezogen, glaube ich, weil ich dort abends manchmal Licht sehe.
Am Spielplatz trifft man nur am Nachmittag Leute. Dann spielen da die ganz Kleinen mit verschiedenfarbigen Holzkisten. Und was machen die Eltern ? Sie schauen viel zu oft auf ihr Handy. Aber früh um halb acht ist da natürlich noch keiner. Mit meinen Geschwistern habe ich auf dem Spielplatz immer viel Spaß gehabt.
Nun fahren wir hoch auf die „Rote Brücke“. Die heißt natürlich nicht so – sie ist eine normale Brücke mit einem roten Geländer und führt über die Bahnschienen.Nur noch abbiegen – und schon bin ich da! Es ist noch Zeit ein bisschen mit meinen Freundinnen zu quatschen. Aber dann klingelt es schon…!

Paula Lentz – Klasse 7 – Lößnitzgymnasium Radebeul

Mein Schulweg

Tick Tack Tick Tack… Mist, es ist schon 7:26! Jetzt muss ich mich aber beeilen, um noch die 30. Bahn zu kriegen. Glück für mich, dass ich nur 3 Minuten von der Haltestelle entfernt wohne.
Schnell noch das Tor öffnen… Schlüssel in den Ranzen… Maske… Ach, die Jacke brauch ich ja auch noch. Erleichterung durchströmt mich, als ich die kalte Winterluft einatme und spüre, wie sie sich in meinen Lungen verteilt. Der Winter ist, so finde ich, die beste Zeit des Jahres. Auf dem Weg zur Haltestelle begegne ich wieder der Frau mit den braun-blonden Haaren. Wir kennen uns nicht, weder den Namen noch sonst etwas, aber wir grüßen uns immer. Vielleicht arbeitet sie ja im Krankenhaus oder Kindergarten um die Ecke? Auf jeden Fall finde ich ihre Freundlichkeit super! Sie nimmt mir eine gewisse Anspannung.
An der Ampel angekommen, verschnaufe ich kurz. 1-2 Minuten Warten, weil sich die Ampel an den Zeiten der Straßenbahnen ausrichtet. Gerade als die Ampel grün wird, kommt meine Straßenbahn. Ich hetze über die Straße, steige ein und nehme mir den schweren Ranzen vom Rücken. Wenn ich hier so sitze, drehen sich meine Gedanken meist um Tests, denn entweder schreiben wir welche oder bekommen sie zurück. Und
wenn einer der seltenen Tage kommt, an denen das nicht so ist, schaue ich ohne Gedanken in die Ferne. Doch irgendetwas da draußen erregt immer meine Aufmerksamkeit: sei es ein neues Werbeschild oder ein riesiger Schneemann. Letztes Jahr gab es auch ein mit Lichterketten behangenes Haus. Dieses Jahr habe ich es noch nicht entdeckt, aber ich bin mir sicher, es wird noch geschmückt. Es wäre traurig, wenn nicht, denn es versetzt einen immer in eine gute Stimmung. Zumindest mich. Falls sie es nicht schmücken, ist er oder sie vielleicht krank oder im Urlaub. Vielleicht möchten die Nachbarn es auch nicht, wegen des Lichts. Nach 5 Haltestellen bin ich fast angekommen. Nur noch die Straße runter, um die Ecke… und endlich stehe ich um 7:43 Uhr im Schulhof und quatsche mit meinen Freundinnen.

Emma Zaschke – Klasse 8 – Lößnitzgymnasium Radebeul

Porzellandesign und Keramik

Antje Kempa, Teile eines Bürogeschirrs aus Porzellan, realisiert 1990 bei Weimar-Porzellan in Blankenhain Foto: A. Kempa

Arbeiten von Antje Kempa im Weinbaumuseum Hoflößnitz

Seit einigen Jahren wächst das Interesse am ostdeutschen Design. Es wird nach den Köpfen hinter so populären Produkten wie den Montagemöbeln des VEB Deutsche Werkstätten Hellerau (MDW), dem Moped S 50 und dem Mitropa-Geschirr gesucht. All diese Gestalter vereinte das Ziel, im Aufbau klare, funktionale und ästhetisch ansprechende Gebrauchsgegenstände zu entwerfen. Diese Haltung machte Schule, z.B. an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee, wo Antje Kempa, der das Sächsische Weinbaumuseum Hoflößnitz in Radebeul gegenwärtig eine kleine Personalausstellung widmet, zwischen 1987 und 1992 Keramik-Design studierte.
Aufgewachsen in Radebeul, erwarb Antje Kempa (* 1967) das handwerkliche Rüstzeug hierfür mit einer Töpferlehre in der Werkstatt »Karl Louis Lehmann« in Neukirch/Lausitz. In Berlin-Weißensee absolvierte sie, der Idee des berühmten Weimarer Bauhauses folgend, zunächst das Grundlagenstudium. Hier wurde gezeichnet, gemalt und modelliert, was ihren Neigungen entsprach.

Antje Kempa, Vorstufen aus Porzellan zum Diplomgeschirr Lufthansa Partyservice, 1991 Foto: A. Kempa

Im Fachstudium erfolgte die enge Verzahnung von Theorie und Praxis. Bei den eigenen Geschirrentwürfen standen ihr so exzellente Gestalterpersönlichkeiten wie Prof. Christa Petroff-Bohne, Margarete Jahny (sie entwickelte mit Erich Müller das Mitropa-Geschirr) und Ludwig Zepner, Leiter des Kollektivs »Künstlerische Entwicklung« der Staatlichen Porzellan-Manufaktur Meissen, zur Seite. Nach dem Diplom und beruflichen Stationen in Paris und Berlin kehrte Antje Kempa 1996 in ihre Heimat zurück, wo sie bis 2010 als Fachlehrerin für keramische Berufe am Beruflichen Schulzentrum Meißen tätig war.

Antje Kempa, Entwurf für ein Teeservice, 1993 Foto: A. Kempa

Antje Kempas Gefäßformen tragen oft einen runden, klassischen Charakter. Beim Werkstoff Porzellan muss gegen statische Verformungsprozesse im hohen Brand um die 1400 °C gearbeitet werden. Deshalb werden zunächst Prototypen hergestellt. Den gesamten Weg bis dahin gestaltete Antje Kempa selbst.

Antje Kempa, Schmuckdosen aus Porzellan, realisiert 1994 bei der Staatlichen Porzellan-Manufaktur Meissen Foto: A. Kempa

Dies ist in der Ausstellung im Bergverwalterhaus der Hoflößnitz anschaulich dargestellt. Bei anderen keramischen Werkstoffen wie Steingut, welches im Brand nicht so empfindlich ist, arbeitet Antje Kempa freier. Das Likör-Service »Karneval in Rio« ist dafür ein gutes Beispiel.
Im Zentrum der Ausstellung steht der Diplom-Entwurf eines Buffetgeschirrs für den Lufthansa Party Service. Die Formenwelt ist an die Flugzeugnasen, die Triebwerke und die Turbinenschaufeln angelehnt. In den Vorstufen zum eigentlichen Geschirr spiegelt sich zusätzlich das runde Logo der Lufthansa mit dem Kranich wider. Neben funktionalen Aspekten wurden auch ökologische Überlegungen aufgenommen. So kann die Untertasse sowohl für die Tassen, die Dressingkännchen und die Dessertschalen eingesetzt werden.
Einen weiteren Teil der Ausstellung bilden frei gedrehte Schalen mit Reduktionsglasuren sowie Fotos von großformatigen Keramik-Objekten, deren Entstehung durch den Radebeuler Bildhauer Prof. Detlef Reinemer begleitet wurde. Neben Entwürfen und Modellen, die den Prozess von der Idee bis zum gebrauchsfertigen Produkt nachvollziehbar machen, sind auch künstlerische Arbeiten Antje Kempas auf Papier zu sehen.

Frank Andert

___________

Die Ausstellung »Antje Kempa – Porzellandesign und Keramik« im Sächsischen Weinbaumuseum Hoflößnitz in Radebeul, Knohllweg 37, läuft noch bis zum 9. Oktober, geöffnet Di-So 10-18 Uhr. Zur Ausstellung ist ein Begleitheft erschienen.

 

Editorial September 2022

Und es geht doch! – Gelungene Neubebauung im Ortsteil Serkowitz

An der Ecke Serkowitzer Straße/ Südstraße gehen die seit Frühjahr 2021 begonnenen Bauarbeiten allmählich dem Ende zu. Initiiert von der Besitzgesellschaft Radebeul mbH ist an einer städtebaulichen bisher weitgehend unbeschriebenen Kreuzung vom Architekturbüro Stadtprojekt Rogge.Pfau GmbH, Dresden ein ungewohnt attraktives Bauensemble entstanden. (Abb. 3. Umschlagseite)
Die Kubatur der vier giebelständigen „Ackerbürgerhäuser“ orientiert sich ohne Imponiergehabe an der umgebenden dörflichen Bebauung. Und doch werden mit den – baulich zurückgesetzt – durchstoßenden Verbindern, behutsam, aber durchaus mit Gestaltungswillen ganz moderne Akzente gesetzt. Als besonders spannend ist hier der Eckbau zu nennen, wo das 2. OG frech die Dachfläche bis zur Fassadenkante straßenseitig durchstößt.
Die großen und bodentiefen Fenster geben eine Ahnung von der lichtdurchfluteten Heiterkeit der 20 Wohneinheiten, die aus Zwei-bis Fünf-Raum-Wohnungen und Flächen zwischen 49 m² bis 136 m² bestehen. Erwähnenswert ist zudem, das jeweils ein Treppenhaus sparsam zwei Häuser erschließt und die Erdgeschossebenen barrierefrei gestaltet sind.
In heutigen Zeiten dürften sich die künftigen Mieter besonders auch darüber freuen, dass die Wärmeversorgung des gesamten Areals über ein nachhaltiges Wärmeerzeugungssystem mittels Grundwasserwärmepumpe erfolgen wird.
Im vierten Quartal 2022 sollen die ersten Wohnungen nun bezugsfertig sein.
Man darf auf weitere Projekte gespannt sein!

Sascha Graedtke

 

 

 

Zum Titelbild



… von flüchtigen Momenten …

Datenwolke, gestrandet
begehbare Installation

Habichtswald in Nordhessen | 2018
Stadtpark Großenhain | 2019

 
… ein Sturm weht vom Paradiese her …,

wohin treibt es den Angelus Novus,
wie offenbart sich die Geschichte heute seinem Blick?

unaufhaltsam
die Zeit
und
wir glauben
ihr mit Fortschritt
zu begegnen

die Geschichte
nicht mehr
verwahrt
in papiernen Archiven
gespeichert
in einer digitalen Welt
unsichtbar
scheinbar unendlich zu füllen
steten Zugriff und Überblick versprechend

Was aber,
wenn unsichtbare Datenwolken stranden?

Constanze Schüttoff

Mit Gerhard Schöne poetisch durch das Jahr

Idioten vor dem Herrn

Ich gehöre einer Kirche an, obwohl ich das dazu gehörige Gebäude selten aufsuche. Ich gehöre auch einem Staatswesen an, obwohl ich den Bundestag nur aus dem Fernsehen kenne. Ich bin nicht mit allem einverstanden, was hier wie dort von der Kanzel beziehungsweise vom Rednerpult verlautbart wird. Doch so, ganz im Allgemeinen, bin ich mit der grundsätzlichen Konstruktion einverstanden. Weshalb ich den anteiligen Obolus, hier den Zehnten, dort den Hundertsten, gerne gebe. Wobei das Wort „gerne“, nun ja, lassen wir’s.

Aber wenn ich mich doch mal in eines der Gebäulichkeiten verirre und mir anhöre, was dort von der Kanzel gesprochen wird, dann könnte ich glatt vom Glauben abfallen. An den von der Demokratie, wahlweise auch vom gesunden Menschenverstand. Wir müssen gar keine 2000 Jahre zurück gehen. Man stelle sich irgendeine Gemeinschaft vor, mit ehernen Grundsätzen oder andere Scheuklappenträger. Da steht aus deren Mitte ein bis dato nicht weiter auffälliger junger Mann auf und verkündet, er habe eine neue Satzung verfasst. Ab jetzt hörten gefälligst Alle auf sein Kommando, denn er sei des großen Vorsitzenden, der wegen anderer Verpflichtungen nie anwesend ist, Sohn. Aber er, und nur er, besuche ihn regelmäßig am Wochenende auf dessen Datsche und sitze dann zu dessen Rechten. Das, müsst Ihr wissen, ist bei vielen idiotischen Gremien so: Rechts zu sitzen ist ein besonderes Privileg. Es ist eng verbunden mit einem anderen Privileg: Oben zu liegen! Aber wir greifen vor.

Was, glaubt ihr, passiert? Dem mittelalten Herrn mit einem klopapierrollenartigen Hut, bemalt in den Landesfarben, direkt hinter dem jungen Mann, entrutscht es: „Du hast ja nicht alle Latten am Zaun.“ Murmelnde Zustimmung im Umkreis. Weiter hinten, wo naturgemäß nur die Hälfte verstanden wird, weshalb sich die Leute ihre Weltordnung aus halb Gehörtem, einem gesunden Halbwissen und Youtube zusammenreimen, kommen Rufe wie: „Rübe ab, Schwanz ab!“ Aus der Ecke ganz rechts hinten knurrt ein alter Haudegen mit Beinprothese und Schmissen auf beiden Wagen: „Dem Knaben fehlt es an Konzentration. Wir hatten früher mal Lager, wo man das lernen konnte.“

Doch der schmächtige junge Mann mit Dreitagebart, typisch Millennial, – die haben wir ja gefressen: Noch kein Haar am Sack, aber `nen Kamm in der Hosentasche – hat ein längeres Retreatment in einem Kohlerestloch der Oberlausitz hinter sich. Dort hat er gelernt, wie gedruckt zu labern ohne zuzuhören. Oder umgekehrt. Unbeirrt hebt er den linken (ja, den Linken!, das hat seine Bewandtnis) Zeigefinger und verkündet mit hoher Fistelstimme in einem altertümlichen Deutsch a la Martin Luther: „Wahrlich, ich sage Euch…“ Der Rest geht im allgemeinen Gebrüll unter.

Also, mich wundert da nix. Der Knabe hat entweder ein Extasy zu viel eingeworfen oder er ist einer jener Verwirrten, die mittels eines Sprengstoffgürtels einen Abgang mit möglichst großem Kollerateralschaden planen, weil das 1.000 Likes auf Insta gibt. Oder, das soll es auch geben, weil er davon ausgeht, dass, wenn er nach Drüben rüber gemacht hat, dort 72 Jungfrauen auf ihn warten.

Was mir auffällt: Im Glauben an irgendwelche Schriften oder Youtube-Videos sind diese Leute unschlagbar. Jedes Argument gegen ihre Behauptung, die Erde sei eine Scheibe, nehmen sie als Bestätigung ihres unbedingten Wissens: Alle anderen sind doof! Aber vor lauter Glaubens-Studium haben sie das Rechnen vergessen. Wenn ich, wer weiß es denn schon genau (?), drei Milliarden Jahre bis zur Auferstehung warten muss, dann hat sich doch die 72-fache Jungfräulichkeit, nach, na!, bei sparsamem Gebrauch, spätestens einer Million Jahren erledigt. Was machen wir dann am Nachmittag? Sudoku?

Und jetzt stell ich mir einen fiesen Gott vor, in Personalunion Allah, Shiva, Gaia und was sich die Pastoralassistenten hinieden noch ausgedacht haben: Der ruft den massenhaften Erd-Flüchtlingen zu: Herhören Leute! Ich habe einige Idioten, die da unten in meinem Namen sprachen, machen lassen, weil ich keine Lust hatte, mich einzumischen, ob sie sich nun Moses, Mahdi, Stalin, Hitler oder Höcke nannten. Ich sage Euch nur eins: Ich habe den Adam nicht als erstes geschaffen, weil er immer der Erste sein und oben liegen sollte, sondern weil ich mir das Beste bis zum Schluss aufheben wollte.

Dem Vernehmen nach spricht ja jenes höhere Wesen, das wir verehren, durch einen Dornbusch. Wie sich jetzt im Himmel herausstellt, handelt es sich um den geilsten Scheiß an Subwoofer, den der himmlische Elektrofachmarkt auf Lager hat. Jedes einzelne Wort von des Höchsten Rede ist auch in den hintersten Reihen zu hören und zu verstehen. Dorthin verbannen nämlich die Hutträger und andere selbsternannten „starken Männer“ die Jungfrauen.

Ihr Idioten vor dem Herrn habt ja keine Ahnung, was Euch da drüben wirklich blüht.

Als PS noch etwas Blasphemisches:

Maria und der kleine Jesus sitzen im Tempel. Der Rabbi spricht heute aber arg lang. Nach einer Weile rutscht der kleine Jesus auf seiner Bank herum. Es entspinnt sich ein geflüsterter Dialog:

Halt doch mal stille.
Ich muss mal.
Pscht!
Aber ich muss mal.
Pscht!
Mami…
Pscht!

Da setzt sich der kleine Jesus kerzengerade auf, hebt den linken (!!!) Zeigefinger und verkündet in einem hellen Knabensopran:

Wahrlich, ich sage Dir: Mami, ich muss mal.

Burkhard Zscheischler

Leserbrief

Sehr geehrter Herr Graedtke,

dem Artikel von B. Zscheischler, „Reden kostet nix, …“, möchte ich ausdrücklich beipflichten. Prima, dass Sie und Ihre Redaktionskollegen ihn ins Heft aufgenommen haben!

Die Analyse des Autors betreffend die schon seit einigen Jahren bis heute bestehende tatsächliche und rechtliche Situation rund um – privates – Bauen (Wohnungsbau) in Radebeul ist m.E. brilliant formuliert.

Ich plädiere daher nachdrücklich dafür, dass der Artikel von Herrn Zscheischler aus dem Juni-Heft mit dem m.E. vorbildlichen 6-Punkte-Plan zur „informellen Einwirkung“ auf potentielle Bauwillige und deren Architekten umgehend von der V&R-Redaktion dem Oberbürgermeister Wendsche formell zugeleitet wird. Herr Wendsche möge bitte den Artikel lesen und Sorge dafür tragen, dass der Vorschlag Herrn Zscheischlers in kurzer Zeit realisiert werden kann. Die Bauvorhaben in Radebeul werden m.E. davon positiv beeinflusst werden.

Mit herzlichem Gruß
Stephan Fussel, Radebeul

Radebeuler Miniaturen

Sommerabendbierosophie

Immer wieder und – wie Ulrike unkt – immer öfter (aber der Schein trügt natürlich!) sitze ich auf meinem Stammhocker am Faß. Wenn das allgemeine Wachstum gelingen soll, müssen wir alle schon ein bißchen mittrinken. Meist perlt auch gleich, ich bin immer pünktlich, ein kühles Frischgezapftes vor mir im Glas. Diesmal jedoch heißt es warten: Der Gastwirt meines Vertrauens erscheint mit einem leeren Faß in der Tür. Ich muß erstmal wechseln, sagt er. Ich sehe schon, sage ich, der „Biererhaltungssatz“: Die Summe aller Fässer ist immer gleich, aber aus einem leeren kannste nix mehr rausholen.

Genau, sagt er, wie im richtigen Leben. Wo nix ist, geht selbst der Kaiser leer aus.

Doch schon wenig später ist die Welt wieder rund, sprichwörtlich „aus dem Vollen geschöpft“ leuchtet mir das Erhoffte entgegen.

Ein neues Fasss macht richtig Spasss …

Wieder ein Gleichnis: Brunnen, Kiesgrube, Steckdose, oder eben Bierfaß: Du kannst nur rausholen, was drin ist. Nichts ist unendlich verfügbar. Die einfachste Stammtischlogik führt so den Traum vom ewigen Wachstum ad absurdum.

Der Wirt zieht sich wortlos hinter seine Hähne zurück. Er hat sich den Nachmittag mit Steuerunterlagen verdorben und keine Lust, nun auch noch über Mark-Wirtschaft zu bierosophieren.

Bleibe ich also allein mit meinen Weltgedanken, die sich einfach um Schwieriges ranken. Manchmal ist es auch umgedreht, könnte Ulrike jetzt sagen, da verdrehst du das Einfache so, daß es schwierig wird. Schwierig ja, könnte ich kontern, aber dadurch wird’s interessant. Die Tür zur Gaststube zum Beispiel hat, wie ich sehe, eine Klinke. Es bedarf also lediglich der Energie eines Kindes, die Klinke erst runter- und die Tür dann aufzudrücken. Da muß kein fernes Atomkraftwerk aktiviert werden, die automatische Gasterkennungs- und Türöffnungs-mechatronik in Gang zu setzen. Die Tür geht auch nicht ständig auf und zu, nur weil draußen jemand vorüber läuft, der gar nicht rein will. Und sie läßt sich auch bei durchgebrannter Sicherung ganz einfach öffnen und schließen. Klingt nach Steinzeit, funktioniert aber immer und hilft sparen, ohne daß es auffällt.

Wir, also ich und ich, könnten so am Faß eine Klinken-Initiative gründen und damit landesweit ungefähr so viel Strom einsparen, daß die Schließung des Pumpspeicherwerkes Niederwartha nicht mehr ins Gewicht fällt – aber die fällt ohnehin nicht ins Gewicht. Aber viele kleine Dinge könnten schon, wenn sie …

Seufzend nehme ich einen großen Schluck aus dem formschönen Glas. Da stößt mir auf, daß es diesen Trank nie wieder so geben wird: Das zum Getränk vergorene Getreide wird zwar tiefgekühlt zur Köstlichkeit, dann aber in Energie umgewandelt, die sich speziell in Bauchform äußert: Metamorphose ins Megaformlose … So jedenfalls haben es die Götter beschlossen, als sie die Menschheit listig auf den verhängnisvollen Weg der Seßhaftigkeit lockten. Göttlicher Braukunst kann sich – die Biergärten beweisen es – noch heute kaum jemand entziehen. Nur schade, daß dabei die ästhetische Komponente so gründlich aus den Augen verloren wurde.

Wie ich so am Faß darüber meditiere, was „wir“ alles könnten, sehe ich eine Ameise das Glas erklimmen. Sie umrundet zwei, drei Mal den Rand, findet schließlich den ihr offenbar zugedachten Tropfen. Dann richtet sie sich auf, breitet die Flügel aus und fliegt davon.

Woher die Flügel plötzlich kamen?

Egal – es sind die kleinen Dinge, die uns beflügeln, denke ich auf dem Heimweg. Jetzt zum Beispiel wartet Ulrike mit dem Abendbrot.

Thomas Gerlach

Copyright © 2007-2025 Vorschau und Rückblick. Alle Rechte vorbehalten.