Editorial

Editorial 4-24
In den diesjährigen Reigen der 100-Jahrfeiern gesellt sich fast unbemerkt noch eine weitere und oft im Schatten stehende Institution: die Volkssternwarte „Adolph Diesterweg“ beziehungsweise Sternwarte Radebeul. Warum denn 100? werden sich nun unsere Leserinnen und Leser fragen, wurde die Stätte doch erst am 2.5.1959 feierlich eingeweiht.
Weltweit, in nunmehr über 4000 Sternwarten, wird vom Oktober 2023 bis Mai 2025 gemeinsam das Hundertjährige Bestehen des Planetariums gefeiert. 1923 wurde in Jena der erste Plenatariumsprojektor weltweit enthüllt. 1925 wurde mit der Eröffnung des Deutschen Museums in München dann die neuartige Technik der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
In der Sternwarte Radebeul agiert seit vielen Jahren der ehrenamtlich tätige Verein Astroclub Radebeul e.V., der allein zwischen 2005 und 2011 elf Kleinplaneten entdeckte. Überhaupt ist das beeindruckende Engagement aller Beteiligten zu würdigen, denn die allmonatlichen Angebote mit Vorträgen, Filmen, Veranstaltungen für Groß und Klein und Sternenschau sind äußerst bemerkenswert.
Am 4.5.2024 begeht nun die Radebeuler Stätte das große Fest. Ab 15 Uhr lädt die Sternwarte mit mehreren Veranstaltungen bis in den späten Abend ein. Darunter u.a. aktuelle Himmelsbeobachtungen, Weltraum-Abenteuergeschichten, Festvortrag, ein Film zur Kulturgeschichte des Planetariums und schließlich eine Full-Dome-Show mit der Musik von Queen erstmals in einer spektakulären Mehrkanalton-Version mit der neuen Tonanlage des Planetariums.
Der Verein freut sich auf rege Reservierungen und Ihr Kommen!

Sascha Graedtke

Editorial 4-24

In den diesjährigen Reigen der 100-Jahrfeiern gesellt sich fast unbemerkt noch eine weitere und oft im Schatten stehende Institution: die Volkssternwarte „Adolph Diesterweg“ beziehungsweise Sternwarte Radebeul. Warum denn 100? werden sich nun unsere Leserinnen und Leser fragen, wurde die Stätte doch erst am 2.5.1959 feierlich eingeweiht.

Weltweit, in nunmehr über 4000 Sternwarten, wird vom Oktober 2023 bis Mai 2025 gemeinsam das Hundertjährige Bestehen des Planetariums gefeiert. 1923 wurde in Jena der erste Plenatariumsprojektor weltweit enthüllt. 1925 wurde mit der Eröffnung des Deutschen Museums in München dann die neuartige Technik der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

In der Sternwarte Radebeul agiert seit vielen Jahren der ehrenamtlich tätige Verein Astroclub Radebeul e.V., der allein zwischen 2005 und 2011 elf Kleinplaneten entdeckte. Überhaupt ist das beeindruckende Engagement aller Beteiligten zu würdigen, denn die allmonatlichen Angebote mit Vorträgen, Filmen, Veranstaltungen für Groß und Klein und Sternenschau sind äußerst bemerkenswert.

Am 4.5.2024 begeht nun die Radebeuler Stätte das große Fest. Ab 15 Uhr lädt die Sternwarte mit mehreren Veranstaltungen bis in den späten Abend ein. Darunter u.a. aktuelle Himmelsbeobachtungen, Weltraum-Abenteuergeschichten, Festvortrag, ein Film zur Kulturgeschichte des Planetariums und schließlich eine Full-Dome-Show mit der Musik von Queen erstmals in einer spektakulären Mehrkanalton-Version mit der neuen Tonanlage des Planetariums.

Der Verein freut sich auf rege Reservierungen und Ihr Kommen!

Sascha Graedtke

(Kontakt und Anmeldungen, siehe Anzeige S.5)

100 Jahre Museum Hoflößnitz, Teil 4 [V&R April 2024]

»Vor kurzem«, hieß es in den Dresdner Neuesten Nachrichten vom 20. Oktober 1909, »besuchten etwa 70 Mitglieder des Vereins für Sächsische Volkskunde […] das unterhalb des Spitzhauses gelegene Schlößchen Hoflößnitz. Die Führung hatte Herr Professor O. Seyffert übernommen.« Was der bedeutende Volkskundler Oskar Seyffert (1862-1940), der sich damals bereits mit dem Plan trug, im ebenfalls vom Verfall bedrohten Dresdner Jägerhof ein Museum für Sächsische Volkskunst einzurichten, dabei über die Historie des architektonisch verwandten, wenn auch viel kleineren Lusthauses der Hoflößnitz ausführen konnte, ist in unserer Serie schon zur Sprache gekommen. Zitiert sei nur noch der Schlusssatz: »Hoffen wir, daß sich unter den wohlhabenden Bewohnern der Lößnitz ein Retter findet, der die Hoflößnitz erwirbt und sie für die Zwecke eines volkskundlichen Museums zur Verfügung stellt, oder noch besser, der das Herrenhaus dem zu gründenden Museumsverein für genannten Zweck schenkungsweise überläßt.« Erstmals ist hier ein Trägerschaftsmodell angedeutet, das zweieinhalb Jahre später tatsächlich gewählt wurde, nämlich:

Ein »Hoflößnitz-Verein«

Die Hoffnung auf den einen spendablen Sponsor aus dem Kreis der noch heute sprichwörtlichen Radebeuler Millionäre hatte freilich ebenso getrogen wie die – zuletzt war davon die Rede – auf staatliche Anschubfinanzierung. Was die Herren aus der Lößnitz, die mit der vom König gezeugten Museumsidee schwanger gingen, brauchten, war ein gewiefter »Fundraiser«. Und ein solcher fand sich wenig später auch wirklich in Person des Geheimen Finanzrates Dr. jur. Georg Haase.

Porträtfoto Dr. Georg Haase
Quelle: Ecce der Crucianer, 1915, Repro Andert

Georg Friedrich Haase, 1854 in Börnersdorf bei Pirna geboren, hatte in Leipzig Jura studiert und danach eine Karriere im Staatsdienst eingeschlagen, war Finanzrat bei der sächsischen Zoll- und Steuerdirektion geworden und später als Reichsbevollmächtigter für Zölle und Steuern in Posen, Pommern und zuletzt in Königsberg tätig gewesen. Mit Oberlößnitz, wo Verwandte ein Weingut (Haus Friedland, Bennostraße 11) besaßen, war er wohl seit seiner Schulzeit an der Dresdner Kreuzschule sentimental verbunden. 1910 hatte er sich aus gesundheitlichen Gründen nach Dresden zurückversetzen lassen. Wie er, spätestens 1911, auf das Projekt des Hoflößnitzmuseums aufmerksam wurde, ist unklar, klar dagegen, dass er dieses nicht zaghaft, sondern sehr energisch anpackte.

Staatsarchivar Dr. Woldemar Lippert ließ 1926 in der »Lößnitzheimat« (Beilage zum Radebeuler Tageblatt, 2. Jg., H. 7) unter dem Titel »Hoflößnitz und Hoflößnitzverein« seine Erinnerungen an Dr. Haases Wirken Revue passieren. Dieser materialreiche, faktisch freilich nicht fehlerfreie Beitrag zeichnet folgendes Bild: Haase, »ein Oberlößnitzer Kind« (!), habe den Gedanken, »das althistorische Hoflößnitzschlösschen zu retten«, selbständig gefasst und den Plan entwickelt, »durch geeignete Bearbeitung geldkräftiger Leute die erforderlichen Mittel aufzubringen«. Lippert sei von ihm im Februar 1912 gebeten worden, Kontakte zu den »vielen Lößnitzern« zu vermitteln, bei denen »für solche Fragen Anteilnahme und Unterstützung zu erwarten war«, was er gern übernommen habe. Für den 20. März lud Haase zu einer Versammlung in die Grundschänke ein, wo nach dessen einleitenden Worten eine Satzung beraten und der »Hoflößnitz-Verein« durch »sofortigen Beitritt vieler Anwesenden begründet« wurde. Zum Vorsitzenden wählte man Dr. Haase, zum Stellvertreter Dr. Lippert, zum Schriftführer Dr. Beschorner und zum Museumsvorstand Lehrer Erler.

Vereinszweck war der Ankauf des Grundstücks und 2., »ein […] im Erdgeschoß des Schlößchens unterzubringendes Museum der Geschichte der Lößnitzortschaften und des sächsischen Weinbaues ins Leben zu rufen«. Lipperts Werben auch im Königlich Sächsischen Altertumsverein zeitigte den Erfolg, dass der Verein bald auf etwa 120 Mitglieder anwuchs, darunter manch einflussreiche Persönlichkeit und zwei Geschwister des Königs. In allen wichtigen und insbesondere Finanzfragen hätte Haase jedoch von vornherein das Zepter allein geführt, wobei es ihm gelungen wäre, »in einer an das Wunderbare grenzenden Weise« von wohlwollenden Gönnern aus Industriekreisen, über deren Identität er nichts preisgab, binnen kurzem Spenden von zusammen 230.000 Mark zu beschaffen, wodurch sich der Grundstückskauf und der Sanierungsbeginn realisieren ließen.

Diese »One-Man-Show« endete im Mai 1913 in einem großen Krach. Dr. Haase hatte den Spendern, wie sich herausstellte, als Gegenleistung begehrte Kommerzienrats-Titel versprochen, auf deren Vergabe er aber keinerlei Einfluss besaß. Sein Tod 1915 ließ diese Spendenaffäre im Sande verlaufen; »die Ehre, […] daß der Erwerb und die Erhaltung des ganzen Grundstücks in erster Linie ihm zu danken ist«, musste Lippert dem Vereinsgründer in der Rückschau versöhnlich zollen. (Fortsetzung folgt.)

Frank Andert

Mit Stephan Krawczyk poetisch durch das Jahr

Zum Titelbild

Voll unbändiger Lust wirft das Tier mit wehender Mähne den Kopf zurück, ganz so, als fühle es sich eins mit seinem Reiter und dessen froher Kunde. So geht es auch anderen: der „Frühlingsbote zu Pferde“ braucht nur die Hand auszustrecken, schon sitzt einer der munteren Stare darauf, die als erste im Jahr mit frohem Geschwafel den Frühling verkünden.
Mit wenige klaren Linien und Flächen gelingt es Michael Hofmann erneut, die Szene lebendig werden zu lassen. Der Künstler weiß nicht nur, was er sagen will, er hat auch die Mittel dazu: bestechendes handwerkliches Können und vollendetes Formgefühl. Es ist faszinierend zu sehen, wie er die Begeisterung angesichts des erwachenden Jahres allein in Schwarz und Weiß so farbmächtig darzustellen vermag. Die Erfahrungen aus einem langen Künstlerleben kommen ihm hier zu Gute. Gleich nach dem Studium hatte er sich mit der Gestaltung von Glasfenstern für Kirchenbauten einen frühen Wunsch erfüllen können. Hier lernte er ganz konkret, dem Bild inneren Halt und zugleich Leichtigkeit und Bewegung zu geben: Fähigkeiten, die auch der Holzschnitt verlangt.

Mit Albrecht Dürers Bildfolge zur Apokalypse hat sich der Holzschnitt schon um 1500 vom „Bilderbogen“ emanzipiert und als eigene Bildkunst etabliert. Michael Hofmann kann in dieser Tradition gesehen werden. Seine Botschaft allerdings ist eine durchaus andere, verheißungsvollere. Und sie ist dennoch nicht aus der Welt, denn seht, es wird Frühling!
Thomas Gerlach

Radebeuler Miniaturen

Ein Kinderspiel

Im Jahr der nichtendenwollenden Jahrestage und Jubiläen, die dazu anregen sollen, Schwung zu holen, Gas zu geben, zu jubeln, zu weinen, zu verzweifeln, zu feiern und vor allem innezuhalten, sollte ein Ereignis nicht vergessen werden, ein Ereignis, das ausnahmslos jede und jeden schon einmal ereilt hat und jederzeit wieder ereilen kann: Im Jahr 1914, also vor einhundertzehn Jahren, begann Friedrich Joseph Schmidt in München mit der Serienproduktion von „Mensch, ärgere dich nicht!“
Es ist ein Kinderspiel für jedes Alter: Bis zu einer Anzahl von sechs Personen versammeln sich: Urahn, Vater, Mutter, Bube und so weiter um einen Tisch, auf dem der Spielplan liegt. Nun geht es darum, im Takt des Würfels bis zu jeweils vier Spielfiguren auf vorgezeichnetem Weg zu einem vorgezeichneten Ziel zu führen.
Was soll ich noch sagen, Jeder kennt‘s.
Ist nun nach dem Willen des Würfels eine Figur langsamer als eine andere, und treffen sich beide auf dem gleichen Feld, wird die zuerst da gewesene „des Feldes verwiesen“, „nach Hause geschickt“ oder, genauer, „rausgeschmissen“. Nach dem erneuten Würfeln einer „Sechs“ darf die Figur die Reise noch einmal beginnen. Nun wird auch der Name des Spieles klar, denn der Vorgang kann zu erheblichem Ärger führen. Ich kenne keinen, der’s nicht erlitten hätte.
Nach groben Schätzungen wurde das Spiel in den seither vergangenen Jahren gute einhundertmillionen Mal verkauft: Es war und ist ein echter Renner, an dem Generationen von Ehrgeizlingen verzweifelt sind und der dennoch immer wieder gern gekauft und gespielt wird.
Besonders ärgerlich ist, wenn du Runde um Runde kurz vor der rettenden Tür auf die „Eins“ wartest und dann doch noch „rausgeschmissen“ wirst, um nunmehr ebenso vergeblich auf die „Sechs“ zu warten, welche die weitere Teilnahme ermöglicht.
Im modernen Sprachgebrauch hat sich für „Rausschmeißen“ der Begriff „Remigration“ eingebürgert. Der klingt so schön gelehrt und nicht so grob, ist aber kein Kinderspiel mehr, zumal keiner weiß, wer welchen Würfel warum wohin wirft – am Ende heißt es nur, „alea iacta est“ …
Bleibt zu ergänzen, daß in der Schmidtschen Original-Spielanleitung ein „Rausschmeißen“ noch nicht zwingend vorgesehen war. Besonders für schwächere Spielerinnen war und ist das sehr erleichternd …

Thomas Gerlach

Glosse

Feste druff!

Nun ist Motzi eben Motzi! Der führt kein Florett, sondern wohl einen Säbel. Scharf muss er nicht sein. Aber als ehemaliger Bauarbeiter weiß er ihn wohl kräftig zu führen, ist er doch nicht gerade zart besaitet. Vielleicht sollte also die Redaktion von Vorschau & Rückblick künftig an die Glosse und sicher an noch einige andere Artikel eine Trigger-Warnung hängen: Vorsicht – gefährlicher Inhalt! Am besten gleich auf dem Umschlag des Heftes. Da ist rechts unterhalb des Titels noch eine Menge Platz. Man kann ja nie wissen, wer sich wiedermal wegen eines unbedachten Wortes, einer unglücklichen Kombination oder einer falschen Interpretation auf den Schlips oder auf sonst was immer getreten fühlt, in einen psychischen Notstand getrieben oder gar „lebensgefährlich“ verletzt fühlt. Sicher ist sicher! Es war ja nicht so gemeint!!!

Zugebeben, ich bin nicht in der Position, wo ich die große Klappe haben kann. Ich steh keiner Gemeinde vor, sitze in keinem Parlament und kann auch keine Waffen in alle Welt kutschieren. Hab eh nur einen Handwagen. Aber offensichtlich scheint für manche Leute das gesprochene und geschriebene Wort die gefährlichste Waffe aller mörderischen Kriegsgeräte zu sein. Man kennt das ja seit Jahrhunderten. Diese Mischung aus Verbot und Selbstzensur ist seit Ewigkeiten in Mode. War es nicht Cäsar, den man kollektiv hinterrücks meuchelte? Und die Antreiber von der anderen Seite, wie die Großklappe des Deutschen Reiches, will ich gar nicht erst ins Feld führen.
Nun hoffe ich doch noch davonzukommen. Aber ab welcher Verfehlung ist man eigentlich des Todes? Das wüsste ich schon gern – so für meine mögliche eigene Zukunft. Denn, wie schreibt man eine Glosse, ohne jemandem zu nahe zu treten?

Dieses Feld wird seit der Antike bestellt, wenn auch die Bestimmung sich gewandelt hat. Was einst als erklärende Randnotiz gehandhabt wurde, kommt heute polemisch, satirisch, pointiert daher und ist nicht immer leicht zu schlucken. Ein wenig „Spaß“ muss man wohl verstehen als Leser, auch wenn die meisten Glossen nicht nur motzen, sondern sich zwischen ihren Zeilen durchaus Bedenkenswertes verbirgt. Dem begabtesten Glossenschreiber der Weimarer Republik ist das nicht gut bekommen. Ich hoffe nur, dass wir diese Zeiten überwunden haben. Gab es da nicht neulich so eine ominöse Zusammenkunft?

Nun kann man sich für das über uns hereingebrochene Festjahr allerlei wünschen und einfallen lassen. Und es freut mich ungemein, wenn sich die Bürger der Stadt Radebeul ganz eigene Gedanken dazu machen. Und noch schöner, wenn diese dann noch im Festprogramm Aufnahme gefunden haben. Denn, so ein Glück hatten nicht alle.
Ein Königreich wie England sind wir leider noch nicht. Die verstehen es eben zu feiern! Aber was noch nicht ist, kann ja noch werden. Vielleicht in fünf Jahren? Nur die Sache mit der EU macht mir Sorgen. – Ist aber alles nicht so gemeint! Ein kleiner Scherz am Rande.

Die schönsten Feste sind allemal die, die nichts kosten. Und um auf die Blumenwiesen zurückzukommen, kosten einige Samentütchen vom Baumarkt oder einer ortsansässigen Gärtnerei nun wirklich nicht die Welt. Auf diese Weise könnte man, gewissermaßen an alte Traditionen anknüpfend, buchstäblich die ganze Stadt und nicht nur einige Vorgärten zum Erblühen bringen, wenn es schon an Festschmuck fehlt. Das wär dann wohl die beste Glosse aller Zeiten, meint

Euer Motzi.

 

11. Thematischer Filmclubabend

Die Filmauswahl des Wanderkinos „Film Club Mobil“ korrespondiert im Radebeuler Jubiläumsjahr mit städtisch relevanten Themen. Gezeigt wird am 14. März 2024 um 19 Uhr im Lügenmuseum (Radebeul-Serkowitz, Kötzschenbrodaer Straße 39) der DEFA-Film „Alarm im Zirkus“. Im Anschluss folgt ein Gespräch über das Thema „Zirkus und Radebeul“. Eingeladen sind zwei interessante Radebeuler Persönlichkeiten: der 85-jährige Artist Charlie Feistkorn (Künstlername Charly Fistkorn), welcher bereits als Dreijähriger gemeinsam mit den Eltern aufgetreten ist und Ende der 1950er Jahre auch im Zirkus Barlay engagiert war, dem Ort des kriminellen Geschehens im Film. Eingeladen ist auch Gert Morzinek, der die farbenfrohe Fassade des Sarrasani-Hauses auf der Gartenstraße in Radebeul-Ost entwarf. Außerdem sind Mitglieder von der Gesellschaft der Circusfreunde der Sektion Dresden/Ostsachsen zu Gast, deren Anliegen es ist, das kulturelle Erbe des Circus-Metiers in all seinen Facetten zu erhalten.

Die Anregung für den Film „Alarm im Zirkus“ boten die Presseberichte über einen authentischen Kriminalfall des Jahres 1953. Der Besitzer von Zirkus Barlay, welcher sich im Ostteil der Stadt Berlin auf der Friedrichstraße befand, war in den „Westen“ gegangen und wollte seine wertvollen Zirkuspferde auf illegalem Wege über die Grenze bringen lassen. Der Plan flog auf, der Überfall scheiterte und zahlreiche Helfer wurden in einem Prozess verurteilt.

Der Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase (1931–2022), der Dramaturg Hans Kubisch und der Regisseur Gerhard Klein (1920–1970) gestalteten daraus einen spannenden Kriminalfilm für Jugendliche. Der Einsatz von grobkörnigem Schwarz-Weiß-Material verstärkte die reportageartige Wirkung. Entstanden ist ein authentisches Zeitdokument mit sensibel beobachteten Milieustudien. Vor allem die Zusammenarbeit von Wolfgang Kohlhaase und Gerhard Klein war sehr produktiv und fand eine erfreuliche Fortsetzung u. a. mit Filmen wie „Eine Berliner Romanze“ 1956 und „Berlin – Ecke Schönhauser“ 1957, in denen die Halbstarken-Problematik einen inhaltlichen Schwerpunkt bildete. „Alarm im Zirkus“ war ihr erster gemeinsamer Film. Gedreht wurde im Filmstudio Babelsberg und an Originalschauplätzen. Die Premiere fand am 27. August 1954 im Berliner Kino Babylon statt. Mit 3,6 Millionen Zuschauern wurde der Film zum Kassenschlager des Jahres 1954.

Die jugendlichen Hauptdarsteller des Filmes werden von Hans Winter (Klaus) und Ernst-Georg Schwill (Max) verkörpert. Der künstlerische Werdegang lässt sich allerdings nur von Ernst-Georg Schwill (1939–2020) nachverfolgen. Dieser wurde als 14-jähriger in einem Kinderheim von Regisseur Gerhard Klein für den Film „Alarm im Zirkus“ entdeckt. Nach einer Ausbildung zum Filmfotografen, studierte Schwill von 1957–1960 an der Filmhochschule Babelsberg. Seine Filmografie (1954–2018) ist beeindruckend. Auch der gesellschaftliche Umbruch brachte keinerlei berufliche Unterbrechung.

Als Medizinstudent Herbert ist Ullrich Thein (1930–1995) zu erleben. Auch er machte als begabter Nachwuchsschauspieler schon früh auf sich aufmerksam. Nach einem abgeschlossenen Musikstudium nahm er Schauspielunterricht und siedelte 1951 in die DDR über. „Alarm im Zirkus“ war sein vierter Film.

Der Kneiper Klott wird von Erwin Geschonneck (1906–2008) gespielt, welcher 1954 schon längst ein gefragter und vielseitiger Theater- und Filmschauspieler war. Seine erste kleine Rolle hatte er bereits 1931 in dem Film „Kuhle Wampe“. Nach Kriegsende wirkte er u. a. in Filmen wie „Das Kalte Herz“ 1950 und „Das Beil von Wandsbeck“ 1950 (nach kurzer Laufzeit zurückgezogen) mit. Am Theater arbeitete er unter Regisseuren wie Helmut Käutner und Bertolt Brecht.

Alarm im Zirkus
1954, Jugendkriminalfilm, DDR, DEFA, Studio für Spielfilme, 80 Minuten, s/w, FSK 6

Regie: Gerhard Klein; Drehbuch: Wolfgang Kohlhaase, Hans Kubisch; Kamera: Werner Bergmann; Musik: Günter Klück; Besetzung (Auswahl): Erwin Geschonneck, Ulrich Thein, Ernst-Georg Schwill, Hans Winter, Uwe-Jens Pape

Der Film spielt in der Nachkriegszeit im geteilten Berlin. Der Verkehr zwischen den vier Sektoren war noch relativ ungestört möglich. Während sich im westlichen Teil der Stadt das kapitalistische Gesellschaftsmodell etabliert hatte, wurde im östlichen Teil ein sozialistisches bevorzugt. Die Systemkonfrontation spitzte sich zu.

Die Geschichte beginnt im amerikanischen Sektor, in einem Hinterhof einer tristen Mietskaserne. Spielende Kinder werden vom Hausbesitzer, dem Kneiper Klott, beschimpft und vertrieben, eine Drehorgel erklingt und zwei boxversessene Jungen trainieren am Sandsack, der an einer Teppichklopfstange hängt. Deren Fäuste sind notdürftig mit Bandagen geschützt. Was ihnen fehlt sind Boxhandschuhe. Doch die sind unerschwinglich. Das Sparen ist mühsam. Auf der Suche nach Einnahmequellen geraten sie an den Bandenführer Jimmy und den zwielichtigen Klott, welche ihnen für einen einfachen Auftrag schnell verdientes Geld in Aussicht stellen. Das scheint die Lösung ihres Problems zu sein. Allmählich wird ihnen aber klar, dass sie dabei behilflich sein sollen, die Pferde vom Zirkus Barlay von Ost- nach Westberlin zu bringen. Doch in eben diesem Zirkus hatten Klaus und Max neue Freunde gefunden. Statt sich an der ruchlosen Tat zu beteiligen, helfen sie nun mit, das Verbrechen zu verhindern und die Täter zu fassen.
Erzählt wird aus dem Blickwinkel des Ostens. Wenngleich die propagandistische und erzieherische Absicht des Jugendfilms erkennbar ist, wirkt diese nicht vordergründig. Im Mittelpunkt stehen die Menschen aus einfachen Verhältnissen, deren Ringen um Gerechtigkeit eine Belohnung erfährt.
Imposante Bilder von einer rasanten Verfolgungsjagd durch das nächtliche Berlin mit wildem Schusswechsel sorgen für Spannung bis zum Schluss, welcher durch feine Ironie eine zusätzliche Würze erhält.
Doch das eigentliche Finale des Films findet natürlich in der Arena von Zirkus Barlay statt. Dort werden die glücklichen Helden mit Applaus und Blumen gefeiert. Dazu spielt die Zirkuskapelle. Plötzlich ertönt das Trompeten eines Elefanten, der als Dank vom Zirkus die heißersehnten Boxhandschuhe überbringt. Danach setzt wieder die Kapelle ein, dazu traben die eleganten Zirkuspferde rhythmisch im Kreis. Drehorgelklänge mischen sich ein und erinnern an den Hinterhof, wo alles begann.

Karin Baum und Michael Heuser
Sprecher der Cineastengruppe „Film Club Mobil“ im Radebeuler Kultur e.V.


Anmerkung: unter Verwendung von verschiedenen Filmbegleitmaterialien und Wikipedia-Eintragungen.
Information und Reservierung unter: 0160-1038663.

AG Kötzschenbroda

Beitrag zu 3×100

aus: Broschüre „Radebeul 1949 – 1989

Die Stadt feiert und die AG Kötzschenbroda „Heimatabend mit Frühstück“ feiert mit – selbstverständlich auf ihre besondere Art. Dafür aber müssen die Mitglieder der zwölfköpfigen Arbeitsgruppe noch einige Monate lang kräftig in die Hände spucken, ehe sich am 15. September dieses Jahres die Türen des Auszugshauses Altkötzschenbroda 21 für die Besucher öffnen können.
Vorzubereiten ist eine ungewöhnliche Sonderausstellung im Erdgeschoss des Hauses, die an Hand von Texten, Abbildungen und sorgfältig ausgewählter Originalen den Betrachter über die umfangreiche Literatur zu Radebeul und besonders über Kötzschenbroda in Kenntnis setzen soll. Zu sehen sein werden nicht nur Erzeugnisse aus der jüngsten Vergangenheit, sondern beispielsweise auch Adressbücher aus den 1930er Jahren und ältere Werke.
Das Ausstellungskonzept wurde bereits im vergangenen Jahr erarbeitet. Gegenwärtig werden die Exponate zusammengetragen, das Material ausgewertet und für die Ausstellung aufbereitet. Überarbeitet beziehungsweise neu angefertigt werden muss auch das Equipment für die kleine Schau.
Vorgesehen ist unter anderem, eine möglichst umfassende Literaturliste der Publikationen von und über Radebeul zu erstellen und diese in die Ausstellung sichtbar einzufügen. Gern nimmt deshalb die Arbeitsgemeinschaft Hinweise über Radebeul-Bücher entgegen, denn auch die AG-Mitglieder haben keinen Gesamtüberblick über die diese Literatur, obwohl sie schon über 100 Titel gelistet haben.
Folgende Angaben werden benötigt: kompletter Titel der Publikation, Vor- und Zunahmen des Autors oder der Autoren, Verlag und Erscheinungsjahr.
Die Informationen können an Karin und Karl Uwe Baum, Käthe-Kollwitz-Straße 9, in 01445 Radebeul gerichtet – auch unter 0351/830 54 50, 0160/103 86 63 zu erreichen – oder über baum@kunsthaus-radebeul.de gesendet werden.

Karin (Gerhardt) Baum

Als die Läden noch den Namen von Leuten trugen

Ergänzende Leserpost

Am 12.1.24 ging der Brief von Helga Weisbach, einer Vorschau-Leserin aus Dresden, ein und am 14.1. erhielt ich einen Brief von Christian Günther aus Dinkelsbühl, Bayern. Ebenfalls ein ehemaliger Radebeuler, der, wie Frau Weisbach, die Vorschau geliefert bekommt. Beide beschreiben unabhängig voneinander in ihren Mitteilungen Läden und Einrichtungen in Radebeuls Mitte, genauer gesagt, rund um die Weintraube. Die Zeiträume der jeweiligen Erinnerungen überschneiden sich etwas: Herr Günther von etwa 1940 bis 1953 und bei Frau Weisbach von 1948 bis in die 60er Jahre. Wir bedanken uns bei beiden Einsendern herzlich und möchten Teile der Briefe, weil sie zufällig das gleiche Gebiet von Radebeul behandeln, zu einem Text zusammenführen – ein Experiment vielleicht, aber beide Personen haben hierfür ihr Einverständnis erklärt.
Man staunt mit heutigem Blick auf die Gegend um die Weintraube, wie viele kleine Geschäfte es da mal gegeben hatte. Und das Ladensterben begann sogar schon bevor 1990 als die großen Handelsketten Radebeul entdeckt hatten. So schreibt Frau Weisbach: bin geboren in der Klinik von Dr. Taubert (Meißner Str. 158). Gewohnt habe ich auf der Roseggerstraße, gar nicht weit von der Weintraube. Eingekauft haben wir an der Weintraube, da gab es fast alle Geschäfte des täglichen Bedarfs. Angefangen beim Bäcker/ Konditor Schiller in der Meißner Str.156, den es ja heute noch gibt. Weiter in östlicher Richtung folgte ein HO-Lebensmittel, eine kleine Postfiliale in der Tiefe des Hauses und der Friseur Seidel bzw. Tschochner. Dann folgte der Milchladen der Familie Kretzschmer, vor dem sich hier ein kleiner Uhrenladen befand, so die Erinnerung von Herrn Günther. Nach dem Milchladen kam ein Blumenladen, der sich Centraflor nannte. Gefolgt von der Fleischerei Ricius, die später unter anderen Namen weiter bestand. Östlich von der Fleischerei ist die Theaterkasse der Landesbühnen. Dann kommt die Gaststätte „Zur Goldenen Weintraube“, bestehend aus dem Gastraum und einem Tanzsaal. Frau Weisbach erinnert sich, dass die Gaststätte gutes Essen hatte und ihre Familie oft da war. Im Saal wurde mit richtiger Kapelle manchmal getanzt. Die Landesbühnen Sachsen, ein Mehrsparten- und Wandertheater, existieren an dieser Stelle seit 1950. Alle o.g. Läden und Einrichtungen waren unter den Adressen Meißner Str. 152/ 154 zu finden. Der große Umbau der Landesbühnen 2000 verwischte die Strukturen der alten Läden dann vollends. Gegenüber, im Moritz-Garte-Steg, kauften Weisbachs bei Haller (zuvor Stache) Obst und Gemüse. Wenn sie früher als Kind mal krank war, ging sie mit der Mutter zum Kinderarzt Meißner in der Mozartstraße.

Zeichnung: D. Lohse

Zur Bäckerei Hillig, Winzerstr. 1, haben beide Einsender fast gleichlautende Erinnerungen: zur Adventszeit besuchten sie mit ihren Müttern unabhängig voneinander diese Bäckerei zum privaten Stollenbacken – der herrliche Geruch beim Abholen der fertigen Stollen ist für beide heute noch abrufbar! Herr Günther, er wohnte zeitweise in der Schuchstraße, schreibt, dass er auf seinem Schulweg zur Niederlößnitzer Schule (damals hieß sie Richard-Wagner-Schule) u.a. am Gemüseladen Hertzschuch, Winzerstr. 5a, und am Kolonialwarengeschäft Schulz, Zillerstr. 15, vorbeikam. Interessant ist, wie lange sich so eine Ladenbezeichnung noch hielt, hier bis 2006 – denn der 1. Weltkrieg führte ja dazu, dass Deutschland seine Kolonien abgeben musste! Das Weiße Roß, Meißner Str. 148, war damals noch eine richtige Gaststätte, heute nutzt eine Spielbar die Räume. Manchmal gab es auch in der „Weißen-Roß-Apotheke“, jetzt Straße des Friedens 60, etwas abzuholen. Der Apotheke gegenüber war in der Meißner Str. 127 ein Fahrrad- und Motorradgeschäft, wie der Betreiber hieß, weiß Herr Günther aber heute nicht mehr. Soweit die Erinnerungen einer Leserin und eines Lesers an vergangene Zeiten in Radebeuls Mitte.
Ich habe für die Stelle, wo die meisten Geschäfte waren, eine Skizze zur Lage der Läden gemacht, an die sich Frau Weisbach und Herr Günther erinnert haben.

Dietrich Lohse

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