Endlich 18…

… endlich frei!

Wer dächte nicht manchmal jenes Stoßseufzers aus jungen Tagen! Manchem Ungeduldigen erschien der Schritt in die Freiheit wie der Sprung eines Löwen durch den Feuerreif in eine neue Welt. Drüben wartete meist die mehr oder weniger große Enttäuschung – jedenfalls verlor das Älterwerden recht schnell seinen Glanz. Dennoch bleibt eine Faszination mit dem Datum verbunden, die Erinnerung an einen schönen Traum.

In dem nun angebrochenen Jahr 2011 wird der verein für denkmalpflege und neues bauen radebeul e.v. seinen 18. Geburtstag feiern. Er muß dazu durch keinen Reifen springen – vom ersten Tage an hatte er immer wieder Gelegenheit, Reife zu beweisen. Auch wenn das nicht in jedem Falle gelungen ist, kann er doch voll Stolz den Rückblick wagen. Seine Beiträge zur Stadtkultur sind deutlich breiter gefaßt als nur die gleichnamige Veröffentlichungsreihe in der Sammelmappe. Stets geht, stets ging es um den besonderen Charakter der Stadt, stets geht, stets ging es um Stadtkultur…

Stadtkultur…

Als Dr. Dieter Schubert im Gründungsverfahren den etwas umständlichen und eigentlich viel zu langen Namen vorschlug, mag ihm Goethe über die Schulter geblickt haben (»Ältestes bewahrt mit Treue, Freundlich aufgefaßtes Neue«), und beide hatten sie dabei tatsächlich die Stadtkultur im Blick, als Inbegriff alles dessen, was durch die Menschen geschieht.

Dabei wird Kultur als etwas angesehn, das Mühe macht, etwas immer wieder auch Gefährdetes, Unstetes, hin und wieder sogar Unzuverlässiges – also etwas zutiefst Menschliches. Wenn es anders wäre, hätte es die Plattenbauten an der Wasastraße und deren neuere Adaptionen gegenüber und an der Hauptstraße gar nicht geben dürfen. Kultur, auch Stadt- und erst recht Baukultur reagiert sehr sensibel auf gesellschaftliche Befindlichkeiten. Wie bei einer roten Nase, die Ausdruck sein kann fröhlichen Genusses, fürchterlichen Schnupfens oder einer Faschingslaune, ist da nicht immer von vornherein eine Bewertung vorzunehmen: hat sie das gewünschte Niveau, die Kultur, erklimmt sie ungeahnte Höhen oder verfällt sie gar? Auch in scheinbarer Morbidität kann der Keim für etwas Neues liegen, das freundlich aufzufassen lohnt.

Damit ist das Wagnis angedeutet, das die Gründungsmitglieder auf sich genommen und an die vielen Hinzugekommenen weiterverteilt haben. Das größte Verdienst liegt dabei wohl darin, Fragen gestellt und Diskussion angeregt zu haben.

Geburtstage verleiten dazu, überm Rückblick ins Schwafeln zu geraten. Auch wenn es ein paar mehr sein könnten: Noch hat der Verein aber genug Enthusiasten in seinen Reihen, daß immer etwas geschieht – so wird’s, sind erst der Worte genug gewechselt, auch 2011 wieder Taten geben.

Vielleicht sehen wir uns ja bei dieser oder jener Gelegenheit, vielleicht gar im Verein: Kultur braucht Mittäter; aufs Alter kommt’s dabei gar nicht an.

Thomas Gerlach

[V&R 1/2011, S. 5f.]

Zu den Titelbildern des neuen Jahrgangs 2011

Zunächst sei an dieser Stelle Thilo Hänsel für die zurückliegende Titelbildserie gedankt; uns begleiteten 2010 ein Jahr lang Architektenskizzen, leicht und treffsicher – gekonnt ist eben gekonnt.

Wer aufmerksam durch unser Radebeul geht, dem kann es passieren, dass ihn Gesichter anschauen. Nein, die neugierigen Nachbarn meine ich nicht, vielmehr denke ich an Köpfe und Gesichter auf Fassaden. Da gibt es Frauengesichter in Stuck, Sandstein-Männerköpfe, halb- und vollplastische, große und kleine Formate, groteske, ja fratzenartige Gesichter, portraithafte, einer bestimmten Person zuordenbare, aber auch solche, die Manufakturware waren, die sich also möglicherweise mehrfach in Radebeul finden lassen. Mehrheitlich handelt es sich um Fassadenschmuck an gründerzeitlichen Häusern oder Jugendstilvillen, gelegentlich auch Schmuck in Treppenhäusern und manchmal an Grab- und Denksteinen. Einige sind markant und springen dem Betrachter sofort ins Auge, andere dagegen wollen entdeckt werden. Um das Thema abzugrenzen will ich mich im Falle weniger Ganzfiguren auch da auf die Darstellung der Köpfe beschränken.

Genügend Objekte zu finden, traue ich mir zu. Fotografisch könnte mich das Thema aber vor schwierige Aufgaben stellen, ich fürchte, mein 210er Teleobjektiv könnte da an seine Grenzen stoßen. Zu jedem Objekt muss ich je nach Lage die günstigsten Beleuchtungsverhältnisse herausfinden, also z.B. vormittags oder am späten Nachmittag fotografieren. Wenn sie im Schatten liegen, kommt die Plastizität nicht heraus. Zu den einzelnen Motiven will ich mich auf Kurzkommentare beschränken, werde aber die Adressen nicht verheimlichen. Freuen Sie sich auf ein »kopflastiges Jahr« mit ›Vorschau & Rückblick‹!

Das freundliche Januar-Mädchen lächelt uns von der Jugendstil-Villa Bodelschwinghstraße 8 an. Diese Stuckarbeit von 1904 auf einer gewölbten Wandfläche dürfte ein Unikat sein.

Dietrich Lohse

[V&R 1/2011, S. 21]

Eingesandt: Radebeul 21=?

Nach 1990 haben die Bürger und die Stadtverwaltung von Radebeul in Eigeninitiative, verbunden mit viel Eigenkapital und Fördergeldern, in Altkötzschenbroda ein urbanes Kleinod für die Stadt, die auch oft das Sächsische Nizza genannt wurde und wird, geschaffen. Dieses Kleinod wurde durch die Jahrhundertflut 2002 bedroht, teilweise zerstört und wiederum mit viel Eigeninitiative, Eigenkapital und staatlichen Fördergeldern so aufgebaut, dass es weiterhin eine Perle im städtischen Ensemble von Radebeul und damit ein touristischer Anziehungspunkt weit über die Landeshauptstadt Dresden und den Freistaat Sachsen hinaus ist. Deswegen ist es verständlich, dass der Staat (das sind wir, und nicht nur das Volk, wie vor 1990) dieses Kleinod vor zukünftigen Hochwasserschäden schützen möchte und den Auftrag zum Bau eines Hochwasserschutzes erteilt hat. Vielleicht verständlich ist auch noch, dass im ersten Ansatz eine Lösung gefunden wird, die technisch und ökonomisch optimal, allerdings landschaftsarchitektonisch schlecht ist und keine Bürgernähe, sondern Abschottung ausstrahlt. Der Staat soll und muss verantwortungsbewusst mit den Steuergeldern der Bürger umgehen. Völlig unverständlich ist aber, wie seitens der Verantwortlichen von Stadt und Land die Öffentlichkeit in dieses Bauvorhaben, das das Gesicht von Altkötzschenbroda wesentlich verändern wird, einbezogen bzw. nicht einbezogen wird.

Mit Betroffenheit habe ich in Vorschau & Rückblick, Heft12/2010, in dem Beitrag von Karin Funke gelesen, dass die Pläne bis zum 18. November im technischen Rathaus auslagen und die Widerspruchsfrist der Betroffenen am 2. 12. 2010 abgelaufen ist. Warum, frage ich, hat die Stadtverwaltung nicht die Chance genutzt und die Bürgerschaft breit und intensiv, auch in den Medien, über das geplante Bauvorhaben informiert? Warum ist dazu keine Ausstellung im Foyer des technischen Rathauses als Information und Diskussionsgrundlage für die Bürger initiiert und realisiert worden? Warum hat man die Bürger für so eine Ausstellung nicht zur Mitarbeit aufgerufen, um Zeit- und Kostenaufwand in Grenzen zu halten? Formal gesehen ist natürlich bis jetzt alles dem Verwaltungsrecht entsprechend abgelaufen, Informationspflichten und Fristen sind eingehalten.

In Radebeul werden u. a. Kunstpreise, Bauherrenpreise und sogar ein Couragepreis verliehen. In der Sparkasse und in Autohäusern der Stadt werden Kunstausstellungen durchgeführt. Sollte dort nicht mal eine Ausstellung zu einem aktuellen, die Bürger der Stadt bewegenden Thema möglich sein. Ich kann nur hoffen, dass der Zug noch nicht endgültig abgefahren ist und seitens der Planenden bei der Landestalsperrenverwaltung, der Stadtverwaltung und durch eine Mitsprachemöglichkeit der Betroffenen sowie der Bürger von Radebeul noch eine technisch sinnvolle sowie landschaftsarchitektonisch gute und damit bessere Lösung als die derzeitige gefunden wird. Oder wollen Erstere in Sachsen ein Stuttgart 21 bzw. sollen Letztere nach der kleinen Hufeisennase suchen? – mit Sicherheit ein Vorgehen, das den Staat und damit uns mehr kosten wird als eine von allen Beteiligten gemeinsam getragene Lösung.

Dr. Volker Gerhardt

[V&R 1/2011, S. 22f.]

Glossiert: Auf der Suche nach den Gelben Säcken

Was wertvoll ist, ist rar und teuer. Das stimmt meist, aber nicht immer. Zum Beispiel der grün gepunktete Verpackungsmüll, der sich in atemberaubender Schnelle im Haushalt ansammelt. Für die Recycling-Unternehmen ist er wertvoll, aber rar ist er nicht, und teuer wird er für mich nur, wenn ich ihn, obwohl ich beim Einkauf bereits für seine Entsorgung bezahlt habe, in meine (teure) Restmülltonne schmeiße. Doch dafür gibt’s ja zum Glück die Gelben Säcke. Die Frage ist nur: Wo gibt es die? Stets aufs Neue begebe ich mich auf die Suche nach diesen raren (und ergo wertvollen) Behältnissen, und immer wieder fallen mir dabei die Ritter der Tafelrunde ein und ihre Suche nach dem Heiligen Gral…

Bei Eisenwaren Lindner in der Bahnhofstraße bekomme ich flüsternd einen Geheimtipp: »Die Säcke werden am Montag Nachmittag geliefert, am Mittwoch sind sie immer schon weg. Also am besten dienstags nachfragen!«. Ich denke an Bückware aus seligen DDR-Zeiten, Karl-May und Erotika unterm Ladentisch, und fühle mich fast schon wie das Mitglied in einer Verschwörung. Die nächste Station ist der Vita-Markt gegenüber der Aral-Tankstelle. Mit »leider nein« muss auch dort der Verkäufer absagen, empfiehlt mir aber stattdessen frische gelbe Paprikaschoten. Immerhin, die Farbe ist ähnlich, doch nicht die Funktion. Im Rathaus gibt es auch Gelbe Säcke, zu den behördlichen Öffnungszeiten, versteht sich. Heute ist die Tür leider verschlossen. Auf der (gelben!) Liste, die ich mal im Landratsamt Meißen zu fassen bekam, steht noch eine Adresse in Wahnsdorf. Soll ich durch den Schnee extra nach Wahnsdorf hochfahren, wo ich doch sonst mein Auto stehen lasse? Das wäre dann doch Wahnsinn!

Ich lasse Folien und Milchtüten, Quark- und Joghurtbecher also erst einmal heimlich und mit schlechtem Gewissen im Restmüll verschwinden und verschiebe meine Suche nach den heiligen Säcken auf einen Dienstag, einen langen Dienstag, wie er in der Sprache der Verwaltung heißt – und siehe da, das Glück ist mir hold. Feierlich wird mir im Erdgeschoss des Rathauses eine gelbe Sackrolle überreicht, verziert mit rotem Gummiband. Warum nicht 2, 3 oder 4? Auch daran ist der Wert der Säcke erkennbar, dass man damit haushalten muss, und kürzlich hatte es ja auch in der Zeitung gestanden, dass das vom Dualen System gnädig zugemessene Jahresdeputat im ganzen Kreis praktisch erschöpft sei. Unverfroren bitte ich trotzdem um drei Rollen, denn ich hätte noch meine Nachbarn mit zu versorgen, fällt mir spontan ein. Wieder habe ich Glück.

Mit stolz geschwellter Brust komme ich mit den Säcken nach Hause und lege, aus der Lüge Wahrheit machend, wie ein Nikolaus zwei der wertvollen Rollen heimlich vor den Nachbarstüren ab. Eine bleibt mir – wie lange sie wohl reichen wird? Was danach kommt, ist sicher, dann geht sie wieder los, die Suche…

Karin Funke

[V&R 1/2011, S. 25]

Kalenderweisheiten zur Weihnachtszeit

Haben Sie schon einen Kalender für 2011? Sicher, denn ohne kommt man heutzutage nicht aus. Es gibt sie in allen möglichen Formen, dekorativ für die Wand, übersichtlich für den Schreibtisch, en miniature für die Brieftasche. Wer oft unterwegs ist und viele Termine hat, trägt zwangsläufig auch einen Notizkalender mit sich herum, es sei denn, er verlässt sich auf moderne elektronische Hilfsmittel, die so vieles können, nur herunterfallen oder feucht werden dürfen sie nicht…

Notiz- oder Buchkalender sind heute zumeist schmucklos und ganz auf die praktische Nutzbarkeit zugeschnitten. Man kann sich mit ihrer Hilfe leicht in den Monaten, Wochen und Tagen des Jahrs zurechtfinden. Daneben bieten sie kurze Informationen zu Schulferien und Feiertagen, zu Auf- und Untergang von Sonne und Mond und vielleicht noch zu Postgebühren, Auslandsvorwahlnummern und ähnlichem. Zu lesen findet man darin in der Regel nur das, was man selbst hineingeschrieben hat. So spartanisch ging es nicht immer zu.

Gedruckte Kalender sind so alt wie der Buchdruck. Wandkalender gab es schon in der Inkunabelzeit Ende des 15., Jahreskalender in Heft- und Buchform dann seit dem frühen 16. Jahrhundert. Damit sind sie das älteste periodische Druckmedium überhaupt. Anfangs fast unerschwinglich, wurden sie mit der Ausbreitung des Buchdrucks billiger, und zumindest im protestantischen Deutschland, wo die Alphabetisierung nach der Reformation schnell Fortschritte machte – Sachsen war da ein Musterland –, gab es schon im 17. Jahrhundert kaum einen Bauern, der sich nicht Jahr für Jahr beim Buchbinder, auf dem Markt oder vom Hausierer seinen Kalender erwarb.

Für die einfachen Menschen waren diese Kalender damals freilich rechte Zauberbücher, angefüllt mit einem Wust von astronomischen und astrologischen Symbolen und Informationen und daraus abgeleiteten medizinischen und wirtschaftlichen Ratschlägen, Wettervorhersagen, Horoskopen sowie Prophezeiungen über Krieg und Frieden, Ernteerträge, Glück und Unglück etc. Die gebräuchlichsten Kalender, Hefte im Quartformat, um die vier bis sechs Bogen stark, bestanden immer aus zwei Teilen, dem Kalendarium und der »Practica« bzw. dem »Prognosticon«. Vor allem in diesem zweiten Teil stellten die hoch geachteten Kalendermacher ihre astrologischen Fertigkeiten unter Beweis. Da der Glaube an das gedruckte Wort damals noch stärker war als heute, der breiten Masse der Bevölkerung aber die Fähigkeit zur kritischen Auseinandersetzung mit solchen Prognosen abging, vom Verständnis für ihre komplizierte Herleitung aus den himmlischen Aspekten und Konstellationen ganz zu schweigen, leisteten diese astrologischen Kalenderinhalte dem ohnehin tief verwurzelten Volksaberglauben kräftig Vorschub, vor allem dem so genannten Kalenderaberglauben.

Darunter versteht man, kurz gesagt, den Glauben daran, dass man von bestimmten kalendarischen Daten (Lostage) auf zukünftige Ereignisse/Schicksale schließen kann. Eine harmlose Form davon sind die Bauernregeln Witterung und Vegetation betreffend (»zu Georgi blinde Reben später volle Trauben geben«, »schön zu St. Paul füllt Tasche und Maul«, »ist es an Weihnachten kalt, ist kurz der Winter, das Frühjahr kommt bald« etc.). Die treffen ja bekanntlich häufig zu, was daran liegt, dass sie sich auf jahrhundertelange Erfahrung stützen und oft auch Interpretationsspielraum bieten. Versucht man, an einem Ort gemachte Beobachtungen, deren Ursachen man nicht kennt, in ein universal gültiges System zu überführen, wie es etwa der »Hundertjährige Kalender« unternimmt – eine Publikation, die viele Verleger reich, aber wenige Bauern klug gemacht hat –, wird die Sache schon kritisch. Grober Unfug schließlich sind Regeln, die ohne Erfahrungsgrundlage oder etwa nur auf der Basis von Zahlenmystik quasi magische Wirkungen unterstellen. – Wer fest an solche Wirkungen glaubt, wird sich ihr Ausbleiben irgendwie zurechtlegen, aber wer sich darauf verlässt, der ist verlassen.

Im aufgeklärten 18. Jahrhundert wurde die Zurückdrängung des Kalenderaberglaubens ein großes Thema, dazu vielleicht bei Gelegenheit mehr. Diesmal sollen – der Jahreszeit angemessen – lediglich einige Beispiele für abergläubische Regeln rund um den Heiligen Abend vorgestellt werden. Gesammelt hat sie Theodor Grässe, einer der bedeutendsten Dresdner Philologen des 19. Jahrhunderts, der vor gut 125 Jahren, am 27. August 1885, auf seiner kurz zuvor erworbenen Besitzung Wackerbarths Ruhe in Niederlößnitz verstorben ist.

1858 brachte Grässe, damals Direktor der königlichen Münz- und Porzellansammlungen, ein hübsch illustriertes Büchlein unter dem Titel »Des deutschen Landmanns Practica« heraus, mit dem er den Versuch unternahm, die im Volksmund und in der Literatur der frühen Neuzeit überlieferten kalenderabergläubischen Gebräuche in denkbarer Vollständigkeit zu dokumentieren und damit – in Anlehnung an Jacob Grimms (des Märchensammlers) »Deutsche Mythologie« – eine Art »Mythologie des Kalenders mitzutheilen«. Er führt diese Gebräuche nicht, wie vor ihm die (Volks-)Aufklärer, anklagend vor, sondern behandelt sie als kulturhistorisch interessante Denkmäler ihrer Zeit, die – die Aufklärung hatte Wirkung gezeitigt – vor dem drohenden Untergang zu bewahren wären. So »ungereimt und albern« diese Geheimkünste erscheinen müssten, würde »das Lesen derselben dem gebildeten Landwirth unserer Tage eine belustigende Unterhaltung sein, wenn er sieht, was unsere Vorfahren für sonderbare Dinge geglaubt und vorgenommen haben«, schreibt Grässe im Vorwort. Anderthalb Jahrhunderte später, die deutschen Landwirte sind inzwischen alle gebildet und trotzdem fast schon auf der Roten Liste, gilt das sicher umso mehr. Nun also einige Beispiele des Kalenderaberglaubens rund um den Heiligen Abend, wie bei Grässe (S. 181ff.) kommentarlos und gedacht zum Schmunzeln und zur Erbauung:

Am Weihnachtsabend sollen Brautleute Nüsse ins Feuer werfen; verbrennen dieselben ruhig, so bedeutet es eine glückliche Ehe, zerspringen sie aber mit Knistern, so bedeutet es ein vielbewegtes Leben.

Wenn das Licht am Weihnachtsabend auslöscht, so glaubt man, dass einer der Anwesenden dieses Jahr sterben muss.

Man soll am Weihnachtsabend einen großen Klotz Holz in den Ofen werfen und daran mehrere Tage brennen. Stößt man die davon übriggebliebenen Kohlen, so helfen dieselben, als Pulver eingenommen, gegen Zahnschmerzen, legt man sie aber unter das Bett, so wenden sie den Blitz ab.

Was man am Weihnachtsabend gesäet hat, und wäre es auch auf dem Schnee, das verdirbt nicht.

Wenn die Weihnachtsnacht hell ist, so wird die Scheune nach der Ernte des nächsten Jahres finster (d.h. voll) sein, wenn dieselbe aber finster ist, so wird die Scheune hell (d.h. leer) sein.

Man soll in der Weihnachtsnacht nicht spinnen, das bringt Unglück.

Wer in der Weihnachtsnacht vom Wolf spricht, dem fällt derselbe das nächste Jahr in die Herde.

Ein Hund, der in der Christnacht heult, wird das nächste Jahr toll.

Wenn eine ledige Weibsperson in der Christnacht heißes Blei ins Wasser gießt, bekömmt dies die Gestalt wie das Handwerksgerät dessen, den sie heiraten wird.

Wenn eine Dienstmagd wissen will, ob sie länger bei ihrem Herrn im Dienst bleiben oder abziehen werde, soll sie auf den Weihnachtsheiligenabend den Schuh rücklings über den Kopf werfen. Fällt derselbe mit der Spitze nach der Tür zu, so zieht sie ab.

Wer am Weihnachtsabend Geld zählt, dem wird es das ganze Jahr an Geld nicht mangeln.

So oft der Hahn in der Christnacht kräht, so viele Schillinge kostet das nächste Jahr das Viertel Korn.

Wer unter der Frühpredigt des ersten Weihnachtstags geboren ist, kann Geister sehen.

Wer etwas an sich trägt, das mit Zwirn genäht ist, der in der Christnacht gesponnen wird, an dem haftet keine Laus.

Wenn eine Jungfer wissen will, ob sie im nächsten Jahr einen Mann bekommen werde, so soll sie am Weihnachtsabend an das Hühnerhaus klopfen und sagen: Gackert der Hahn, so krieg ich einen Mann, gackert die Henn, so krieg ich kenn (d.h. keinen).

Will eine ledige Dirne wissen, ob ihr Liebster gerade oder krumm sein werde, so soll sie am Weihnachtsabend an einen Stoß Holz treten und rücklings ein Scheit ausziehen; wie nun das Scheit ist, also wird auch der Liebste sein.

Wer am heiligen Weihnachtsabend etwas stiehlt und wird nicht darüber ertappt, der kann das ganze Jahr über sicher stehlen.

Die Probe aufs Exempel sollte man in diesem Fall vielleicht lieber bleiben lassen. Wer Lust hat, alte Kalenderweisheiten zu überprüfen, kann sich ja an folgendem, ebenfalls nach Grässe zitierten Kalenderspruch versuchen:

»Ist am Abend auch die Christnacht klar,

Ohne Wind und Regen nimm eben wahr,

Und hat die Sonne des Morgens ihren Schein,

Dasselbe Jahr wird werden viel Wein.«

Eine klare Christnacht wünscht

Frank Andert

[V&R 12/2010, S. 3-6]

Radebeuler Ehrenbürger (Schluss?): Ilja Schulmann und Boris Taranenko

Inzwischen ist es schon gut ein Vierteljahrhundert her, dass das Ehrenbürgerrecht der Stadt Radebeul zum bislang letzten Male verliehen wurde. Geehrt wurden damals, »aus Anlaß des 40. Jahrestages des Sieges über den Hitlerfaschismus und der Befreiung des deutschen Volkes vom Faschismus«, erstmals zwei Ausländer, die Sowjetbürger und ehemaligen Angehörigen der Roten Armee Ilja Schulmann und Boris Taranenko.

Der Beschluss über die Ehrung wurde im Stadtrat unter Vorsitz von Bürgermeister Theuring (LDPD) am 24. April 1985 gefasst und am Tag des Jubiläums, am 8. Mai 1985, von der Stadtverordnetenversammlung bestätigt. Es war ein politischer Akt, keine Frage, ein Bekenntnis zur »unverbrüchlichen Freundschaft« mit dem Land der Befreier, dem »Großen Bruder«, wo sich gerade gewaltige Umwälzungen anzubahnen begannen (zwei Monate vorher war Gorbatschow Generalsekretär der KPdSU geworden), was man aber damals so genau noch nicht wusste. Anders als bei den politischen Ehrenbürgerrechtsverleihungen von 1933 hatten sich die beiden 1985 Geehrten in unterschiedlicher Weise tatsächlich Verdienste um die Stadt Radebeul erworben.

Am augenfälligsten waren die von Ilja Bela Schulmann. Dieser hatte, zu Kriegsende Oberleutnant und Dolmetscher im 290. Gardeschützenregiment des 32. Gardeschützenkorps, beim Vorrücken der sowjetischen Truppen auf die Lößnitz am 7. Mai 1945 von Friedewald aus mehrere bedeutsame Telefonate mit den Stadtverwaltungen von Dresden und Radebeul geführt, die zumindest im Falle Radebeuls maßgeblich zu einer fast kampflosen Übergabe der Stadt beitrugen.

Die genauen Umstände und Folgen dieser Telefonate sind in verschiedenen Quellen recht unterschiedlich beschrieben. Die 2005 vom Bund der Antifaschisten herausgegebene Broschüre »Gegen das Vergessen. Die Tage im Mai 1945 in Radebeul« und ein später dazu nachgereichtes, verschlimmbesserndes Ergänzungsblatt haben die Geschichte noch zusätzlich verwirrt. Die wegen der zeitlichen Nähe zum Geschehen vermutlich verlässlichste, von Willi Sowinski recherchierte Darstellung der Ereignisse im Juniheft der alten ›Vorschau‹ von 1955, S. 6f., berichtet folgendes: »Um 17 Uhr erreichte die Stadtverwal­tung ein telefonischer Anruf aus Friede­wald. Der Anrufer meldete sich als Lebensmittelgeschäft Müller und über­gab die Leitung sofort an einen sowje­tischen Offizier, der in gebrochenem Deutsch aufforderte, die Übergabe von Radebeul und von Dresden vorzuberei­ten. Wenn die Stadt nicht kampflos übergeben werde, müsse sie damit rech­nen, von schwerer Artillerie beschossen zu werden. […] Der sowjetische Offizier gab der Stadt­verwaltung eine Stunde Bedenkzeit, nachdem er sich zuvor nach der Be­schaffenheit der Elbübergänge bei Nie­derwartha und Kaditz erkundigt hatte. Severit versicherte ihm, daß die Stadt nicht verteidigt werde.«

Oberbürgermeister Heinrich Severit – wir erinnern uns an den Stolz, mit dem er 1933 die Dankesschreiben der von ihm gekürten Ehrenbürger Hitler und Hindenburg als Wandschmuck in seinem Dienstzimmer platzierte – hatte seine Amtsgeschäfte bereits kurz vor diesem Telefonat an eine eilig einbestellte Gruppe von ausgewiesenen Antifaschisten übergeben. Unter dem Druck des von Schulmann durchgegebenen Ultimatums wurden die Vertreter der alten und der provisorischen neuen Stadtverwaltung nun gemeinsam aktiv und erreichten, dass die im Stadtgebiet verbliebenen deutschen Truppen, soweit man mit ihnen Verbindung herstellen konnte, abzogen bzw. die Waffen streckten. Sowinski weiter: »Die Verhandlungen mit dem sowjeti­schen Offizier in Friedewald zogen sich mehrere Stunden hin. Noch einige Male wurde hinüber- und herübertelefoniert. Der letzte Anruf aus Friedewald kam um 20 Uhr. Er brachte die Anweisung für die Polizeieinheiten der Stadt, alle Schußwaffen an bestimmten Stellen ihrer Dienststellen zu hinterlegen.« Artilleriebeschuss, der am Nachmittag des 7. Mai in Radebeul einige zivile Todesopfer gefordert hatte, fand danach nicht mehr statt, beim Einmarsch der sowjetischen Truppen in der folgenden Nacht gab es nur wenig Blutvergießen.

Es ist nicht auszudenken, wie Radebeul heute aussähe, wenn die Stadt stattdessen, wie vom Radebeuler Ehrenbürger Martin Mutschmann geplant, als Teil der Festung Dresden verteidigt worden wäre. Die beinahe kampflose Übergabe Radebeuls 1945 war das Ergebnis des besonnenen Handelns mehrerer auf allen Seiten, und Ilja Schulmann spielte dabei eine wichtige Rolle. Als man 1985 in Radebeul durch die Ehrenbürgerrechtsverleihungen ein Zeichen setzen wollte, hätte man kaum einen besseren Kandidaten finden können.

Die besonderen Verdienste von Boris Leontjewitsch Taranenko um Radebeul liegen, genau genommen, im Dunkeln, verborgen hinter den Bretterverhauen, durch die sich die Besatzungstruppen in den beschlagnahmten öffentlichen Gebäuden und Villenquartieren schon bald nach Kriegsende abschirmten. Im Text von Taranenkos Ehrenbürgerurkunde werden Einzelheiten nicht erwähnt. Was man sicher weiß, ist, dass Taranenko, damals im Kapitänsrang (das entspricht dem deutschen Dienstgrad Hauptmann), in den ersten Jahren nach Kriegsende eine Zeit lang die Funktion des Polit-Stellvertreters des Radebeuler Stadtkommandanten bekleidete. Auch wenn diese Besatzungszeit für die Radebeuler Bevölkerung mit zum Teil großen Härten verbunden war, darf man davon ausgehen, dass er seinen Teil zum Wiederaufbau der Verwaltung und des öffentlichen Lebens in der Stadt sowie zum einigermaßen geordneten Funktionieren des Besatzungsregimes beigetragen haben wird. Dass ihn 1985 das Radebeuler Ehrenbürgerrecht ereilte, dürfte wohl damit zusammenhängen, dass er der einzige namentlich bekannte Funktionsträger der einstigen Stadtkommandantur war, der 40 Jahre nach Kriegsende noch unter den Lebenden weilte bzw. ausfindig zu machen war. Über Taranenkos Leben weiß man in Radebeul ansonsten wenig, nicht mal sein Geburtstag im Jahr 1910 ist bekannt. Die Tatsache, dass er als Veteran den Dienstgrad eines Oberstleutnants a.D. führte, deutet darauf hin, dass er nach dem Krieg Berufsoffizier blieb. Er wohnte in Rostow am Don, war Träger des Vaterländischen Verdienstordens der DDR in Silber, hat Radebeul zumindest noch einmal besucht und starb am 19. April 1988 in der damaligen Sowjetunion.

Über Ilja B. Schulmann, den nach Rechtslage momentan einzigen Radebeuler Ehrenbürger, wissen wir mehr. Er wurde am 30. November 1922 als Sohn jüdischer Eltern in Gomel/ Weißrussland geboren, und schon sein Name weist auf deutsche Vorfahren hin. Nachdem ihn Hitlers Krieg die besten Jugendjahre gekostet hatte, nahm er seinen Abschied vom Militär und arbeitete in seiner Heimatstadt jahrzehntelang als Deutschlehrer. Als er 1985 von der unerwarteten Ehrung aus Radebeul erfuhr, soll er bescheiden festgestellt haben, dass er überrascht sei, er habe doch nur seine Pflicht getan – eine sympathische Reaktion auf die plötzliche Umarmung. 1995 erhielt die Stadtverwaltung Radebeul Nachricht, dass es dem Ehrenbürger sehr schlecht gehe, worauf die Stadt Hilfssendungen organisierte; nicht alle haben ihn erreicht. Die wirtschaftlichen und politischen Zustände in Gomel nach dem Zerfall der Sowjetunion waren für ihn und seine Familie dramatisch, so dass er nach Deutschland übersiedelte und heute in Bochum lebt. Ein kürzlich mit ihm geführtes Telefonat ergab wegen seines schlechten Gesundheitszustands leider kaum vertiefende Informationen.

Doch noch mal zurück zum Anfang: Bürgermeister Horst Theuring, selbst Kriegsinvalide, war die symbolische Ehrenbürgerrechtsverleihung an zwei der Befreier von 1945 sicherlich auch ein persönliches Bedürfnis, eine Geste der Wertschätzung und ein Beitrag zur Versöhnung. Eigentlich ist es ja erstaunlich, dass diese – seien wir ehrlich: im Grunde hilflose und  propagandistisch aufgeladene – Geste erst vierzig Jahre nach Kriegsende erfolgen konnte, dass keiner der Bürgermeister vorher auf die Idee kam. Trotz der verordneten Brüderschaft und der Parteipropaganda, die die DDR-Bürger per 7. Oktober 1949 zu den guten und die »Bonner Ultras« zu den bösen Deutschen erklärte, war das Kriegs- und Nachkriegstrauma auch in der DDR 1985 noch nicht verarbeitet, sondern lediglich unter den Blümchenteppich der deutsch-sowjetischen Freundschaft gekehrt. Alle Kinder lernten Russisch, aber eine große und ehrliche Rede zum Thema »Tag der Befreiung« wie die, die Bundespräsident Richard von Weizsäcker just am 8. Mai 1985 im Deutschen Bundestag hielt – längst überfällig, aber dann mit gewaltiger Wirkung –, hätte in der Volkskammer nie gehalten werden können. Wir gehörten ja – par ordre de mufti – (zu) den Siegern, die »ewig Gestrigen« und schon gar die »Faschisten« waren die anderen, und zwar schon immer.

Dass die Radebeuler Ehrenbürger von 1985 auf ihren Urkunden mit »Genosse« angesprochen werden und dass der Sekretär der SED-Ortsleitung gleichberechtigt mit dem Bürgermeister unterzeichnete, ist, nebenbei bemerkt, eine stillose Peinlichkeit, wie sie nur zu DDR-Zeiten denkbar war. Hat sich mal jemand gefragt, warum »unser« Ehrenbürger Ilja B. Schulmann, als er die Wahl hatte, zu den »ewig Gestrigen« nach Bochum und nicht ins sonnige »Pensionopolis« nach Radebeul gezogen ist? Schwamm drüber, das ist ja zum Glück alles Geschichte…

Seit April hat ›Vorschau & Rückblick‹ – angeregt durch die IG Heimatgeschichte und aus Anlass des nun zu Ende gehenden Jubiläumsjahrs – alle bisherigen Radebeuler Ehrenbürger in der gebotenen Ausführlichkeit vorgestellt, alles in allem ein rundes Dutzend. Mancher Name und manches Faktum war vielen sicher neu, manches Verdienst konnte in verdiente Erinnerung gerufen werden, und auch das bisher eher schamhaft umgangene Kapitel der »Ehrenbürger« von 1933 erwies sich, bei Lichte besehen, als lehrreich. Ein herzlicher Dank an alle beteiligten Autoren!

Eine vage für diesen November ins Auge gefasst gewesene städtische Veranstaltung zum Thema Ehrenbürgerrecht hat es angesichts drängenderer Probleme an vielen Fronten nicht in den Veranstaltungskalender geschafft. Vielleicht ergibt sich ja unter günstigeren Vorzeichen noch einmal die Gelegenheit, öffentlich darüber zu diskutieren, ob dieser höchste kommunale Ehrentitel auch von der Großen Kreisstadt Radebeul verliehen werden sollte und was dabei zu beachten ist, damit die Auszeichnung ihren Wert behält, parteipolitischen Ambitionen entzogen bleibt und nicht zum schmückenden Selbstlob verkommt. Beispiele dafür, wie man’s macht und wie man’s nicht machen sollte, haben die neun Folgen unserer Serie geliefert.

Eine unvorgreifliche Bemerkung noch zum Schluss: Wer sagt eigentlich, dass Radebeuler Ehrenbürger immer männlich sein müssen?

Frank Andert und Dietrich Lohse

[V&R 12/2010, S. 14-18]

Hochwasserschutz in Radebeul – mit oder ohne Bürgerbeteiligung?

Die Flut vom August 2002 ist nicht vergessen, die Betroffenen erinnern sich meistens noch minutengenau an die dramatischen Situationen, die sie erlebt haben, an die Schäden an den Häusern und Geschäften, an die Folgen, die zum Teil bis heute spürbar sind. Bei der Landestalsperrenverwaltung (LTV) in Pirna wurden seither, teils in Zusammenarbeit mit der TU Dresden, Berechnungen, Pläne und Simulationen zur Verbesserung des Hochwasserschutzes erstellt. Ein detaillierter Plan für die Radebeul betreffenden Maßnahmen hat inzwischen den Status eines Planfeststellungsverfahrens erreicht. Die Unterlagen dazu wurden bis Mitte November für die Bürger der Stadt ausgelegt, um eine Bürgerbeteiligung zu ermöglichen. Doch genau da liegt das Problem: Eine echte Beteiligung scheint gar nicht stattzufinden.

»Eine Mauer – wer will hier eine Mauer errichten?« – Wenn man sich unter Spaziergängern am Elbdeich hinter der Friedenskirche umhört, bekommt man den Eindruck, als seien die Pläne hier völlig unbekannt. Die Baggerarbeiten am Deich haben nichts mit der geplanten Mauer zu tun, erfährt man aus dem Rathaus, es ist eine Sanierungsmaßnahme, der Altdeich wird befestigt. Geht man vom Deich über die Streuobstwiesen Richtung Altkötzschenbroda, kommt man der Sache schon näher. Zum Herbst- und Weinfest hatten Mauergegner hier ein Gerüst aufgestellt, das die gewaltigen Dimensionen des geplanten Schutzbauwerks veranschaulichen sollte. In einer weiteren Aktion wurden alte Obstbäume, die der Mauer weichen müssten, mit weißen Tüchern umwickelt und mit Flugblättern bestückt. Ein erst Mitte September gegründeter Verein »NaturRaum Radebeul e.V.« bemühte sich damit um Aufmerksamkeit für die Folgen, die die geplanten, am hundertjährigen Hochwasser (HQ 100) orientierten Baumaßnahmen hätten. Kötzschenbroda wird sich verändern, einiges von seinem Reiz einbüßen. Stehen Kosten und Nutzen wirklich in einem gesunden Verhältnis?

Wie erwähnt gab es bis zum 18. November im Technischen Rathaus die Möglichkeit, Einblick in die Pläne zu nehmen. Nur wenige Bürger folgten dieser Einladung, die recht unauffällig im Oktober-Amtsblatt stand; genau 47 waren es bis zum Buß- und Bettag. Dabei konnten sie feststellten, was der Begriff »Öffentliche Auslegung« bedeutet: Statt übersichtlicher Tafeln im Foyer waren die Informationen in genau 25 dicken Aktenordnern versteckt, einsehbar im Amtszimmer 1.08. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, eine Essenz aus den Aktenbergen verständlich auf den Punkt zu bringen. Welcher interessierte Laie hat denn schon nach Feierabend Zeit, bis zum Büroschluss der Rathausmitarbeiter so viele Ordner durchzuackern? Vielleicht ist das auch gar nicht gewollt?

Zwar gab es im Frühjahr eine Versammlung im Goldenen Anker dazu, und auch die »(Nicht nur) Reden in Kötzschenbroda« befassten sich Anfang November mit dem Thema, doch diese beiden Veranstaltungen ersetzen nicht eine ausgiebige öffentliche Diskussion.

Fest steht, dass die Planung schon sehr weit fortgeschritten ist. Demnach soll im Bereich der Stadt Radebeul auf 2,3 km Elblänge eine Kombination aus statischer Mauer und mobilen Schutzwänden entstehen. Die, vom Angerniveau aus gemessen, etwa zwei Meter hohe, befahrbare Mauer würde im Bereich Altkötzschenbroda auf der Südseite der Angergrundstücke hochgezogen werden, da, wo jetzt ein kleiner Trampelpfad verläuft. Dieser Weg fällt weg, und statt auf die Elbe blickt man aus den Gärten dann auf die Mauer, Betreten verboten. Der Pfarrgarten hinter dem Lutherhaus ist besonders betroffen; für die Anlegung einer Wendeschleife soll er zu großen Teilen unter Beton verschwinden. Am Kirch- und am Elbgässchen sind »infrakstrukturelle Querungen« geplant, die bei Bedarf mit mobilen Schutzwänden geschlossen werden können.

Sicherheit ist ein hohes Gut, aber, wie gesagt, sind nicht alle von diesem Vorhaben begeistert. »Schutz ja, aber doch nicht so! Mauer bleibt Mauer, auch wenn sie begrünt werden soll«, meint eine Anwohnerin, die nicht namentlich zitiert werden will. In einer Pressemitteilung vom 23. September erklärt Antje Mehnert, Vorsitzende des NaturRaum Radebeul e.V., der Verein wolle »die anstehende Planung der Hochwasserschutzanlagen im Gebiet der Stadt Radebeul [..] begleiten« und »dazu beitragen, dass der notwendige Hochwasserschutz in Art und Weise sowie Umfang so gering wie möglich den Naturraum der Elbe und der elbnahen Gebiete beeinträchtigt.« Das klingt nicht nach einseitiger Interessenvertretung und radikaler Ablehnung, sondern eigentlich ganz vernünftig. Bei der Stadt scheint man dagegen das Damoklesschwert möglicher Umplanungs- und Folgekosten so scharf am Hals zu spüren, dass man lieber nicht an der LTV-Planung rührt.

Noch bis zum 2. Dezember können Betroffene Widerspruch einlegen und ihre Bedenken schriftlich (nicht per Email) äußern. Beeinträchtigungen und Benachteiligungen müssen glaubwürdig nachgewiesen werden. Die Seite der Technokraten ist von Hause aus stark aufgestellt. Für die weichen Faktoren – Landschaftsschutz, Charme, Lebensqualität, Tradition – müssen sich die Bürger ins Zeug legen. Vielleicht tut sich da ja noch was. Bei aller Einsicht in die Notwendigkeit darf man die Hoffnung nicht aufgeben, dass eine für alle Seiten befriedigende Lösung möglich ist.

Karin Funke

[V&R 12/2010, S. 11-13]

Faust als mediales Gedächtnisprotokoll

Zur Premiere von »Faust I« an den Landesbühnen Sachsen

Goethes »Faust« – ein Fels im Kanon der deutschen Literatur und altbekannter Schulstoff. In der jüngsten Landesbühneninszenierung (Regie Arne Retzlaff) wird der chronologische Erzählstrang der Tragödie zugunsten von reflexionsartigen Rückblenden zerschnitten. Eine Videokamera bleibt unentwegt auf Faust und seinen Stuhl fixiert. Der Zuschauer hat beides vor Augen, den Erzähler und sein monströses Abbild auf transparenter Projektionsfläche. Die Ausstattung von Stefan Wiel setzt auf Schlichtheit. Eine nüchterne, industriehallenartige Konstruktion markiert den neutralen Bühnenraum, mit teils in die Unendlichkeit weisenden Fluchten, eine Gazewand als Tor zwischen den Welten trennt außen und innen, dort und hier, Erinnerung und Wirklichkeit.

Faust I an den Landesbühnen Sachsen (Foto LBS)

Die skelettierte Textfassung blendet ein weites Figurenarsenal aus und konzentriert sich auf die Zentralgestalten Faust, Mephisto und Gretchen – Teufelspakt und Liebestragödie. Damit entstehen kompositorische Freiräume. Dialogisch konzipierte Stellen des Originaltextes etwa fließen streckenweise in die monologische Binnenwelt Fausts ein, sodass dessen innere Zerrissenheit und Bitternis noch klarer hervortreten. Olaf Hörbe als alter Faust präsentiert mit einsamen Monologen eine ausgedehnte Exposition. Eine raffiniertere Auslotung der bekannten Texte wäre im Rahmen der unkonventionellen Konzeption wohl spannender gewesen. Seine Erinnerungen spulen sich durch Lebensschichten, die im Bühnenhintergrund von chorischen Szenen begleitet werden. Hier zeigt sich ein Kaleidoskop von Gestalten, die eine stringente zeitliche Verortung vermissen lassen. Auerbachs Keller in tumber Biertischatmosphäre und Osterspaziergang, als Fitnessstudio skizziert, bleiben Fenster zu einer unzugänglichen, fremden Welt. Der Widerstreit zwischen suchender intellektueller Abgeschiedenheit und der Zerstreuungslust des gemeinen Volkes erscheint unauflösbar.

Retzlaff bedient sich zeitlicher und optischer Überblendungen, die Faust zunächst noch in den Garten seiner Kindheit mit frommer gottesfürchtiger Kinderseele zurückführen, bevor er sich in der Abkehr vom Glauben mit dem Teuflischen verbindet. Erst mit Erscheinen Mephistos werden weltliche Begehrlichkeiten geweckt, denen er sich fortan nicht mehr entziehen kann und will. Mario Grünewald spielt den Widerpart mit einer ausladenden dämonisch-heiteren Präsenz, die das Stück über weite Teile zusammenhält. Mit gleichem Kostüm ist er nicht nur rein äußerlich als Alter Ego Fausts erkennbar. Er ist Freund, Kumpel und feiert schließlich als Entertainer mit dem jungen Faust im Rausch der Walpurgisnacht eine geradezu orgiastische Verbindung.

Nicht nur die Ruhe ist hin... (Foto LBS)

Dramaturgisch geschickt ist die Zweiteilung des Abends: Während im ersten Teil der alte Faust in Gram mit sich und Mephisto ringt, gibt nach der Stückpause mit seinem jüngeren Ich die Liebestragödie konsequent ihren Auftakt. René Geisler spielt ihn mit jugendlicher Lässigkeit, die alle Weisheit seinem Eroberungswillen geopfert hat. Vor allem in der anfänglich zart aufkeimenden Liebesgeschichte wartet die Inszenierung mit einer eindrucksvollen Bilderwelt auf. So sanft ihre erste Begegnung ist, umso ergreifender werden die Brüche Gretchens mit dem Verlust ihrer Familie. Dörte Dreger zieht von kindlicher Unschuld bis zur existentialistischen Ekstase einen weiten Spannungsbogen. Mit der Tötung ihres Kindes wird der in ihr aufsteigende Wahn letztlich auf die Spitze getrieben. Symbolhaft streut sie sich die Asche ihrer verlorenen Leibesfrucht – und damit ihrer eigenen Existenz – aufs Haupt. Am Ende der Rückblende sitzt der alte, nunmehr gebrochene Faust, wieder auf seinem Stuhl, auf welchen er vor dem finalen Black durch ein Anatmen, etwas uneindeutig, wohl auf den Fortgang der Tragödie verweisen will.

Insgesamt bleibt der Eindruck einer durchaus interessanten Neuauflage, die aber trotz der teils aufwendig geschaffenen Bilderwelt insbesondere in der zweiten Hälfte mehr Straffung vertragen hätte.

Nach dem Applaus verließ das Ensemble den Saal unerwarteterweise durch den Zuschauerraum, um das Publikum vor den Toren des Hauses für eine Petition zu gewinnen, die sich gegen den drohenden Kulturabbau richtet. Wie wichtig ist uns Kultur? – Vielleicht eine an Bedeutung gewinnende Gretchenfrage unserer Zeit.

Sascha Graedtke

[V&R 12/2010, S. 22f.]

Die Hölle bleibt geschlossen. Umjubelte Premiere der »Zauberflöte« an den Landesbühnen

Leidenschaftlich und voller Zorn gibt sich die Königin der Nacht ganz und gar unversöhnlich. »Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen«, singt sie mit kraftvoller Stimme und man möchte ihr in diesem Moment eher nicht im Wege stehen. Sarastro heißt ihr Gegenspieler und der ist der Herr der Priesterschaft des Sonnenkreises. Um eben jenen Sonnenkreis entzündet sich die Rivalität zwischen Sarastro und der Königin der Nacht. Wie leicht könnte in diesem Konflikt die aufkeimende Liebe zwischen Pamina und Tamino zerrieben werden. Was zum Glück eines harmoniesüchtigen Publikums und vor allem dank der Musik des Genies Wolfgang Amadeus Mozart natürlich nicht geschieht. All das konnte der Zuschauer am 16. Oktober an den Landesbühnen Sachsen erleben, als die mittlerweile fünfte Inszenierung der wohl bekanntesten Mozart-Oper Premiere hatte.

Zwölf Jahre liegt die letzte Inszenierung der »Zauberflöte« am Radebeuler Theater inzwischen zurück. Ein Dutzend Jahre nur, in denen sich die Gesellschaft aber radikal gewandelt hat. Schon von daher wurde es Zeit für eine neue Lesart dieser Märchenoper, die bei näherem Hinschauen eigentlich alles andere als ein Märchen erzählt. Vielmehr ist es eine Art »unendlicher Geschichte« über die zahllosen Wirrnisse innerhalb der Menschengemeinschaft.

Natalie de Montmollin, Norman D. Patzke, Hannah Schlott und Silke Richter (LBS/Martin Krok)

Nicht nur für das Radebeuler Theater ist es ein Glücksfall, dass eine gerade mal 31 Jahre junge Regisseurin sich zugetraut hat, ihre Sicht auf die Probleme der Gegenwart in die wunderbare Musik Mozarts einzubinden, was ihr überzeugend gelungen ist. In Therese Schmidts Inszenierung bleibt die wahre Hölle verschlossen, auch wenn die Königin der Nacht noch so droht und wütet. Die Botschaft lautet eher: Konflikte kann, ja sollte man anders lösen als durch Gewalt und Intrige. Dabei krempelt die Regie die Fabel jenes Wielandschen Märchens aber keineswegs um, das Mozarts Librettist Schikaneder als Vorlage wählte. Sie betrachtet nur alles, was geschieht, aus einem etwas andern Blickwinkel. Das beginnt schon damit, dass der Vogelmensch Papageno aus einer Art Gewächshaus heraus die Szenerie betritt und die »listige Schlange« in Taminos Träumen eher als Plüschtier daherkommt.

Bühnenbild wie auch Kostüme (Stefan Wiel) sind von großartiger Konsequenz geprägt. Zwischen den Akten finden keine Umbauten statt, alles optisch Notwendige wird im Interieur eines einzigen Raumes mit verschiedenen Ebenen versammelt. Hagen Erkrath gibt dem Sarastro nicht nur durch seinen reifen Bass die notwendige Würde. Christina Poulitsi als Königin klettert in ihrer berühmten Arie mühelos die Koloraturtreppe hinauf. Norman D. Patzke ist ein äußerst munterer und auch recht furchtloser Papageno. Die Knabenrollen sind tatsächlich mit Knaben besetzt, die auch wahrhaft gut singen können. Judith Hofmann ist eine bezaubernde Pamina, in die sich Tamino geradezu zwangsläufig verlieben muss. Die Kostüme des Chores wirken zwar durchweg etwas farblos, doch stimmlich bringen die Damen und Herren sich erstaunlich wirkungsvoll ein. Das Orchester unter Stabführung von GMD Michele Carulli unterstreicht mit großartigem Gespür auch für die ganz leisen Töne den guten Gesamteindruck der Inszenierung, die vom Premierenpublikum begeistert aufgenommen wurde.

W. Zimmermann

[V&R 11/2010, S. 18f.]

Torbögen an Radebeuler Bauernhöfen

Da ich im Februarheft 2010 ausführlich die Kaditzer Torbögen beschrieben hatte, bin ich wohl auch eine Auskunft zu den entsprechenden, in den Dorfkernen von Radebeul noch vorhandenen Bögen schuldig – wer A sagt, muss auch B sagen! Radebeul hat mit insgesamt neun solcher Toranlagen (acht davon historisch) zwar mehr als Kaditz (4), aber die verteilen sich auf vier der dörflichen Ursprungsgemeinden unserer Stadt. Im innerstädtischen Vergleich liegt Naundorf mit drei Torbögen vorn. Grundsätzliches zu Historie und Zweck dieser großen Tore war bereits dem Beitrag über Kaditz vorangestellt. Die folgende kurze Bestandsaufnahme in Text und Bild ist wiederum mit dem Wunsch verbunden, dass die noch vorhandenen historischen Torbögen auch in Zukunft erhalten bleiben mögen. Für Hinweise auf eventuell übersehene Tore wäre ich dankbar.

Altzitzschewig 3 (D. Lohse)

Altzitzschewig 3. In einer verputzten, etwa vier Meter hohen Mauer befindet sich ein nahezu im Halbrund ausgebildeter Bogen; der Sandstein ist nur im Schlussstein, der Bogenlaibung, den zwei Steinen, die den Bogenansatz markieren, und im Prellstein (früher waren es sicher zwei) sichtbar. Das schlichte, braune Brettertor hat eine integrierte Pforte. Der Schlussstein lässt die Initialen J.G.C. und die Jahreszahl 1824 erkennen. Die Spuren einer zweiten, wohl älteren Inschrift sind noch zu erahnen, aber nicht mehr lesbar. Der Zustand des Tores ist befriedigend.

Altzitzschewig 10 (D. Lohse)

Altzitzschewig 10. Die in drei Höhen gestaffelte Mauer, die Tor und Pforte aufweist, besteht an den Kanten aus Sandsteinquadern und Syenit-Bruchstein in den Flächen. Die Mörtelfugen sind flächig und unregelmäßig breit angelegt, so dass insgesamt ein rustikaler Eindruck entsteht. Zum Alter von Mauer und Tor gibt es hier keine Hinweise, es existiert auch kein Schlussstein. Die Maueroberfläche ist pultdachartig zum Hof hin geneigt. Der Zustand ist gut.

Altnaundorf 29 (D. Lohse)

Altnaundorf 29. Hierbei handelt es sich sicherlich um den interessantesten der Radebeuler Bögen. Die verputzte, nach innen entwässernde Schildmauer zeigt einen in Front und Laibung sichtbaren, halbrunden Sandsteinbogen mit der Jahreszahl 1597 (die Buchstaben sind durch Verwitterung unleserlich). Die Bogen- und Flankensteine sind ab etwa ein Meter Höhe innen und außen mit einer für das Baualter typischen Phase versehen. Das dreiviertelhohe Holztor mit integriertem Schlupftor hat einen geraden Abschluss mit Lattenwerk in Form von Sonnenstrahlen darüber. Beide Prellsteine sind hier noch vorhanden; die Sandsteinverblendung im Spritzwasserbereich ist offensichtlich neueren Datums. Der Zustand ist insgesamt gut.

Altnaundorf 31 (D. Lohse)

Altnaundorf 31. Das an das Auszugshaus anschließende grüne Holztor mit integrierter Pforte hat keinen Bogen. Links vom Tor steht vor dem Haupthaus ein kräftiger, gemauerter und verputzter Pfeiler. Zwischen Pfeiler und Auszugshaus spannt sich eine schmale, nach innen und außen abfallende und einseitig abgewalmte Dachkonstruktion mit Biberschwanzziegeln. Prellsteine sind noch erkennbar. Der Zustand des Tores ist schlecht, jedoch ist der der leer stehenden Gebäude noch schlechter!

Altnaundorf 32 (D. Lohse)

Altnaundorf 32. Die etwa vier Meter hohe, verputzte Schildmauer verbindet Haupt- und Auszugshaus. Die Mauer entwässert nach innen und zeigt, ähnlich wie bei Altzitzschewig 3, Sandsteine als Schlussstein, am Bogenansatz des Korbbogens und bei den Prellsteinen. Im Schlussstein erkennen wir unter einer simsartigen Verdachung das Monogramm M.M. und No. 50, eine ältere Hofbezeichnung, jedoch keine Jahreszahl. Der bauliche Zustand ist gut.

Kötitzer Straße 11 (D. Lohse)

Kötitzer Straße 11 (Kötzschenbroda). Der relativ kleine Torbogen und die anschließenden Mauern sind ganz aus steinsichtigen Sandsteinquadern aufgemauert, wobei die Torpfeiler leicht vor die Mauerflucht gestellt wurden. Der auch im oberen Abschluss geschwungene Bogen ist beidseitig mit Biberschwanzziegeln belegt, das grüne Tor aus senkrechten Brettern gebildet. Die daneben am Haus eingelassene Schrifttafel »Pilgers Ruh« mit den Initialen A.R. und der Jahreszahl 1862 hat keinen Bezug zum Tor, das wohl jünger ist. Der Zustand ist gut.

Altkötzschenbroda 26 (D. Lohse)

Altkötzschenbroda 26. Diese Toranlage in Sandstein gibt sich in Art, Form, Größe und Inschrift (F.K. 2007) als völliger Neubau zu erkennen. Tor und Pforte werden mit kräftigen, grün gestrichenen Latten geschlossen, wobei beide allerdings wegen der in Haus und Hof befindlichen Gaststätte meist offen stehen. Die historische, der jetzigen nicht gleichende Toranlage war schon lange verschwunden.

Neue Straße 23 (D. Lohse)

Neue Straße 23 (Kötzschenbroda). Die schräg zur Straße stehende Schildmauer hat eine fast halbrunde Bogenöffnung mit stark verwittertem Schlussstein, der keine Information über Alter und Bauherrn mehr preisgibt. Das zweiflüglige, den Bogen abschließende Brettertor hat ein mittig angeordnetes Schlupftor mit Segmentbogenabschluss. Beide Prellsteine sind noch vorhanden. Der Zustand muss hier als schlecht erkannt werden. Zwei das Tor flankierende Bäume wurden in jüngerer Zeit als Ersatz für ältere, eingegangene Bäume gepflanzt.

Altwahnsdorf 63 (D. Lohse)

Altwahnsdorf 63. Den großen Bauernhof schließt straßenseitig eine etwa drei Meter hohe Mauer ab, in die die Pforte integriert wurde. Über dem großen Torbogen ist die Mauer reichlich vier Meter hoch, sie entwässert nach innen. Ein wohl erneuerter Schlussstein weist die Initialen I.G.R. und 1769 aus. Tor und Pforte sind ganz durch halbrunde, braune Brettertore geschlossen. Der bauliche Zustand ist gut.

Dietrich Lohse

[V&R 11/2010, S. 3-5]

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