Reden kostet nix, erst mal, jedenfalls

Vorschlag für eine nachhaltige Stadtgestaltung

Alle 50 Tage wird in Deutschland eine Fläche, so groß wie Radebeul, bebaut, täglich werden 50 Hektar Fläche versiegelt. Eine endliche Ressource. Um den Verbrauch zu drosseln, beschloss die Bundesregierung 2002 ihre Nachhaltigkeitsstrategie. Demnach soll der tägliche Verbrauch ab 2030 nur noch 30 Hektar betragen. 2016 schärfte sie mit dem Klimaaktionsplan nach: Ab 2050 gilt die Netto-Null. Dann ist Flächenkreislaufwirtschaft angesagt. Was hier neu gebaut wird, ist dort abzureißen. Den Weg dorthin pflastern flankierende Gesetze: Das Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden ist von Juni 2013 – Stichwort „Verdichtung“. Das Gesetz zur Mobilisierung von Bauland ist von Juni 2021. Weitere werden folgen.

Städteplaner auf Landes- und Bundesebene mögen begeistert sein von den neuen gesetzgeberischen „Spielräumen“. Die Radebeuler Kolleginnen und Kollegen befinden sich dabei auf verlorenem Posten. Wenn wir Radebeul so verdichten, wie der Gesetzgeber es erlaubt, dann setzen wir doch gerade das auf’s Spiel, was unsere Stadt so einzigartig macht. Dabei müssen wir für die ansässige Bevölkerung eigentlich nicht mehr bauen, denn diese ist demographiebedingt auf dem Rückzug. Was uns wirklich fehlt, ist bezahlbarer Wohnraum. Doch dieser Debatte entziehen sich unsere Villengebiete. Bauland oberhalb der Meißner hat eher etwas von den Hörnern von Afrikas letzten Rhinozerossen. Man wird sie bald mit Waffengewalt verteidigen müssen. Mancher Bürger bei uns ist, zumindest argumentativ, bereits so weit.

Denn jetzt will uns der südliche Nachbar die Nachmittagssonne verbauen. Schnell sind 100 Unterschriften zur Rettung der Gartenstadt im Rathaus abgeben, die Räte beschließen flugs eine Veränderungssperre und die Aufstellung eines B-Plans. Die Handvoll einschlägig Studierter im Technischen Rathaus erledigt dergleichen aus dem Eff-Eff. Nur wenn der Plan mehr als zwei Straßenzüge umfasst, sind 50.000 Euro für einen Externen nötig. Trotz unserer Schulden, für derartige Peanuts reicht es immer.

Gehen wir ins Konkrete. Eine Stadtratsmehrheit beschloss Bebauungsplan Nummer 102 für ein Geviert aus Emil-Högg-Straße im Westen sowie August-Bebel-Straße im Osten, dem Augustusweg im Norden und der Maxim-Gorki Straße im Süden – innen liegend Sachsenstraße, Fritz-Schulze-, Haupt- und Reichsstraße. Wieso einen B-Plan für ein Gebiet, das schon weitgehend bebaut ist? Ist der nicht eher was für die grüne Wiese? Nun, Ursache war der Bauantrag eines Investors für ein aus Sicht der Anwohner überdimensioniertes Mehrfamilienhaus. Der Stadtrat folgte eben „Volkes“ Willen.

Wenn wir es mit einem furchtsamen Investor zu tun haben, wird er alle Hoffnung fahren lassen. Mit einem Anwalt und etwas Streitlust kommt er auf drei bis vier Jahre, Aussicht: Gar nicht so schlecht. Deswegen gehen die meisten diesen Weg. Und Volkes und des Stadtrats Wille? Wenn’s gerichtlich wird, ohne Belang. Es sei denn, der Aufstellungsbeschluss mündet tatsächlich in einen Plan und gammelt nicht 20 Jahre in Rathaus-Schubladen herum. Der fertige Plan sollte eine einheitliche Satzung haben. Dann verschieben sich tatsächlich die Chancen vor Gericht in Richtung Kommune. Wirklich? Eher bewirkt er das krasse Gegenteil des „gut gemeint“.

Denn „konkret“ ist das Untersuchungsgebiet sehr inhomogen. Mehr als 50 Prozent der vorhandenen Gebäudegrundflächen entsprechen einer Zahl oberhalb von 190 Quadratmetern (qm). 26 Gebäude sind 150 bis 180 qm groß, weitere 26 von 190 bis 220 qm, 14 liegen noch darüber. Da manche Häuser drei Geschosse aufweisen, kommen wir auf Wohnflächen von um die 500 Quadratmeter, und zwar mehrheitlich! Ja, auch kleinere Gebäude gibt es, unter anderem DDR-Typen wie das berühmte EW 58 mit 110 bis 130 qm. Diese stehen jedoch nicht selten auf Grundstücken, die ähnliche Grundmaße aufweisen wie jene mit den großen Kästen.

Am Ende wird der Stadtrat allgemein gültige Vorgaben beschließen, die sich nach den Ausmaßen der bereits stehenden Mehrheit richten. Das heißt in der Konsequenz: Für jedes DDR-Typenhaus im Plangebiet, das künftig auf den Immobilienmarkt kommt, darf, sofern das Grundstück es hergibt, eine Riesenkiste hingestellt werden und zwar ohne, dass ein Investor dafür extra im Rathaus vorbei gucken müsste. Nein, Nein, wehren jetzt einige Bewohner der kleinen Häuser ab: Ich will doch gar nicht größer bauen! Wirklich? Lasst in zehn, zwanzig Jahren nur einen Erbfall eintreten und ein Bruder kann seine Schwester nicht auszahlen. Sofort ist das Häuschen auf dem Markt, wird ein Fall für die Spitzhacke und macht einem größtmöglichen Ersatzneubau Platz – getreu dem B-Plan aus 2022 ff.

Weil wir gerade am Schwadronieren sind, noch eins drauf: Was, wenn wir bei der Aufstellung des B-Plans die jüngste Bundesbaugesetzgebung beachten müssen? Dann werden die großen Verdichtungsbauten geradezu Pflicht. Man male es sich aus: EINER wollte groß bauen, 50 unterschrieben dagegen und dann müssen 50 groß bauen. Wäre doch ein netter Treppenwitz Radebeuler Baugeschichte.

Es muss nicht dazu kommen, besagtes Gesetz sollte eher für Berlin-Kreuzberg gedacht sein. Sollte, müsste. Wissen wir es mit Sicherheit? Oder wollen wir einen uneinheitlichen Plan haben? Es wird sich kein Vorbild finden zwischen Berchtesgaden und Kap Arkona. Fazit: So ein B-Pan ist (eher) etwas für die grüne Wiese, in einem so inhomogenen Bestand wie der Nieder- oder Oberlößnitz richtet er mehr Schaden als Nutzen an. Es sei denn, man strickt ihn zwei Nummern kleiner, gegebenenfalls nur für einen Straßenzug. Aber wenn wir unbedingt „groß“ denken wollen und es Volkes Wille ist: Jede Mehrheit hat das Recht, sich mehrheitlich zu irren.

Es sei denn, der Stadtrat spielt völlig verrückt und setzt noch eine Veränderungssperre oben drauf. So bringt er die K…e so richtig zum Dampfen. Dann wird jedes Umsetzen eines Komposthaufens zum baulichen Verdachtsfall. Auf jeden Fall wird jeder Ersatzneubau nur eines Carports die nächsten vier Jahre verboten sein. Spätestens dann werden sich einige überlegen, ob es eine gute Idee war, auf der Petition zu unterschreiben, mit der alles angefangen hat. Viel Spaß, insbesondere mit all den Gutwilligen, die es dann genauso hart trifft wie jenen Sack, auf den wir eindreschen, wo wir doch nur einen einzelnen Esel meinen.

Ja, was jetzt: Kein Plan ist ja wohl auch keine Lösung?

Vielleicht doch.

Wie wär’s mit so etwas Einfachem wie Reden. Nicht nur in Kötzschenbroda. Reden wir im Rathaus. In der Bauverwaltung. Im Bauausschuss. Im Verein mit dem langen Namen. Im Gestaltungsforum. Nicht nur über- sondern miteinander. Das Grundverständnis ist zweifellos gegeben. Dann brauchen wir keine B-Pläne, jedenfalls keine für große, inhomogene Gebiete. Denn Radebeul ist baulich so heterogen wie das Baurecht komplex. Jede hier neu aufgestellte Regel kollidiert dort mit zwei älteren und macht alles noch komplizierter.

Was spräche gegen ein Verfahren wie folgt: Wir schaffen uns eine (neuhochdeutsch) One-Stop-Agency für Bauwillige. Dazu gehört neben der Bauverwaltung im Weiteren das neue Gestaltungsforum. Bauherren bekommen zunächst eine kleine Broschur an die Hand. Darin sind in sechs Punkten (nicht mehr!) die wichtigsten Grundsätze für Bauen in Radebeul zusammengefasst. Überschrift: Bauherren sind uns willkommen, wenn sie vorab das Folgende beherzigen:

  • 1. Radebeul besitzt Grünstrukturen, die wir erhalten wollen und die der Verursacher, sofern sie Bauten zum Opfer fallen, umgehend ersetzt.
  • 2. Radebeul versteht sich als „offene“ Stadt. Neubauten und ihre Nebenanlagen sollen diesem Ansatz Rechnung tragen und großzügig Freiräume für Grünstrukturen und Sichtachsen belassen (kleine böse Anmerkung: Das neue „Glasinvest“ ist Negativ-Vorbild).
  • 3. Radebeul verfügt über relativ großräumige Grundstücke, die anderswo ein Bauen in zweiter und dritter Reihe ermöglichen. Wir wollen jedoch die ortsbildprägende, vorwiegend straßenseitige Bebauung mit rückwärtig angelegten Nebenanlagen beibehalten.
  • 4. Radebeul ist stolz auf ein ausgeglichenes Maß an versiegelten und unversiegelten Flächen. Diesen Stolz wollen wir uns erhalten.
  • 5. Die Villengebiete der Ober- und Niederlößnitz sind geprägt durch eine vergleichsweise relativ niedrige Zahl an Wohnungen in relativ großen Baukörpern. Dies zeigt sich auch an den zugehörigen Nebenanlagen sowie am ruhenden und fließenden Verkehr in den Quartieren. Wir erwarten, dass sich Bauherren an dieser großzügigen Flächennutzung orientieren.
  • 6. Ein großer Anteil der Radebeuler Bauten verfügt über eine bunte Fassaden- und Gebäudegestaltung unter reichlicher Verwendung ortstypischer natürlicher Baustoffe. Bauherren sollten diesbezüglich mit dem Bestand in einen positiven Wettstreit treten. Dazu gehören Balkone, Erker, Risalite, Gauben und vergleichbare Gestaltungselemente.

Sofern die Baudamen und -herren nicht schon mit einem fertigen Plan für ein Null-acht-fuffzehn-Wohnschließfach aufkreuzen, werden sie ihrem Architekten sagen: Radebeul hat klare Baugrundsätze. Sie scheinen mir zwar keine Rechtskraft zu haben, aber dafür haben sie Veränderungssperre und B-Plan-Absicht sicher in der Hinterhand. Also zeichne mal einen Entwurf in Richtung der Grundsätze. Und besuche das Expertengremium. Da sitzen Kollegen von Dir drin. Reden kostet nix. erst mal, jedenfalls.

Eine naive Vorstellung? Lasst es uns probieren. Was die beiden Folterwerkzeuge angeht: Sie dürfen ruhig bleiben, gut sichtbar ausgestellt im Schaukasten neben dem Ständer mit den Broschüren. Ganz sicher: Unser Radebeuler Lieblings-Hobby „Klagen und Geld verbrennen“ bleibt uns nicht verwehrt. Bereits als Drohkulisse macht es sicher etwas her.

Burkhard Zscheischler

100 Jahre Fachbuchhandlung Sauermann

Eingang heutige Buchhandlung
Foto: Archiv Buchhandlung Sauermann


Es begann in einem Wohnzimmer:

Gemeinsam mit seiner drei Jahre jüngeren Ehefrau Elise eröffnete der damals siebenundzwanzigjährige Heinrich Sauermann im Januar 1922 in beider Leipziger Mietwohnung einen Versandbuchhandel. Mit der beginnenden Inflation spezialisierten sie sich rasch auf den Vertrieb von Fachbüchern für Gartenbau. Der blieb für sie über fast siebzig Jahre ein wichtiger Geschäftszweig.

Bald schon wurde die Wohnung sowohl für das wachsende Geschäft als auch für die wachsende Familie zu klein. Das Blühen ungezählter Gärtnereien im Dresdner Elbtal wirkte als Magnet: Sauermanns wählten die Niederlößnitz als neuen Geschäfts- und Wohnort. Im Jahre 1928 bezogen sie ihr Haus in der Winzerstraße. Von hier aus wurden forthin deutschlandweit Gärtnereien und Landwirtschaftsbetriebe mit Fachliteratur versorgt.

Historische Postkarte „Kötzschenbroda. Meißner Straße“ um 1920 mit den Häusern Meißner Str. 266 (Faber Haus, damals Schreibwaren Carl Finster, in dem die Buchhandlung Sauermann mehrere Jahrzehnte ihr Geschäft hatte), Meißner Str. 264 (heutiger Standort Buchhandlung Sauermann) und Meißner Str. 262 (damals Firma Reinhold Reichert, heute Reformhaus Görner).
Foto: Archiv Buchhandlung Sauermann

Es spricht für tiefwurzelnde Zuversicht, daß sie kurz vor Kriegsende im Faberhaus auf der Meißner Straße zusätzlich noch ein Ladengeschäft eröffneten. In das nun deutlich erweitere Sortiment wurde auch eine kleine antiquarische Abteilung eingefügt. Das Geschäft hatte sich sehr bald unter Bücherfreuden einen Namen gemacht.

Als Heinrich Sauermann 1961 überraschend starb, führte seine Witwe das Geschäft weiter bis Sohn Gottfried seine Ausbildung beendet hatte und in seines Vaters Nachfolge treten konnte.

Gottfried hatte zunächst eine Gärtnerlehre begonnen, diese aber zugunsten einer Buchhändlerausbildung abgebrochen. Immerhin konnte er in fachlichen Belangen mitreden. Eigenen Ambitionen folgend absolvierte er noch eine Ausbildung zum Antiquar. Nicht zuletzt durch seine Mitgliedschaft in der Pirckheimergesellschaft errang er mit seinem profunden Wissen unter Sammlern hohe Achtung.

Historische Postkarte Kötzschenbroda, Buchhandlung und Schreibwarenhandlung Carl Finster um 1920
Foto: Archiv Buchhandlung Sauermann

Seit dem „sozialistischen Frühling“ 1974 führte Gottfried Sauermann sein Geschäft als Kommissär des Volksbuchhandels weiter, bis er sich gleich 1990 wieder freikaufen konnte.

1993 ging er gemeinsam mit Frau Inge, die ihm schon seit Jahren als, wie es damals hieß, „mithelfende Ehefrau“ zur Seite gestanden hatte, ein neuerliches Wagnis ein. Mit der bekannten und erprobten Sauermannschen Zuversicht erwarb er das Haus auf der Meißner Straße 264 und verwirklichte hier seinen Traum von einem großen Antiquariat im Obergeschoß, einem modernen Buchladen im Erdgeschoß und einer Vinothek im Kellergewölbe. Es entstand ein Ensemble hoher Verkaufskultur – bei Sauermanns herrscht die unter Bücherfreunden übliche beinahe sakrale Stille, die nur von gelegentlichem Blättern unterbrochen wird.

Naturgemäß ging mit dem Sterben der Gartenbaubetriebe, auch der Bedarf an einschlägiger Literatur deutlich zurück. Bezeichnenderweise bot sich hier die Schaffung einer Spezialabteilung für juristische Literatur als neues Geschäftsfeld an.

Mit der 2008 erfolgten Übergabe des Geschäftes in die Hände von Tochter Ute Sauermann wird die Buchhandlung nun schon in der dritten Generation als Familienunternehmen betrieben. Freilich blieb der Seniorchef bis zuletzt als gute Seele im Geschäft präsent: mit Vorliebe hielt er sich dann „oben“ unter den guten alten Büchern auf. Als er 2020 starb, wußte er sein Vermächtnis in guten Händen.

Blick in die Buchhandlung
Foto: Archiv Buchhandlung Sauermann

Die Buchhandlung Sauermann möchte das Jubiläum mit ihren Partnern und Kunden feiern:

Am Donnerstag, 30. Juni. 2022 18.30 Uhr liest Ralf Günther aus seinem soeben erschienenen Buch „Goethe in Karlsbad“.

Am Freitag, 1. Juli 2022 heißt es 15-18 Uhr: Wir feiern mit allen Kindern unserer Kunden die „100“. Es gibt kleine Spiele mit Preisen und einen kleinen Imbiß. Für alle Kinder und alle Junggebliebenen, welche die Buchhandlung kostümiert als Kinderbuchheld besuchen, gibt es ein Buchgeschenk!

Am Sonnabend 2. Juli 2022 sind von 9-12 Uhr alle Kunden eingeladen, mit einem Glas Sekt oder Kindersekt auf die „100“ anzustoßen.
Vorschau & Rückblick und der Unterzeichnete gratulieren schon mal vorab.

Thomas Gerlach

Editorial 6-22

Nach sieben Jahren ist es nun wieder soweit und OB-Kandidaten an den Laternenpfählen hängen – also sprichwörtlich gemeint!

Diesmal lächeln uns gleich drei Gesichter entlang der Straßen Radebeuls entgegen, teils so gedrängt, dass man sich den zugewandten Blicken „Wählt mich, wählt mich, wählt mich!“ nur schwer entziehen kann.

Neben dem langgedienten OB Bert Wendsche (parteilos) werben mit Jörg Hüsken (SPD) und Oliver von Gregory (Bündnis 90/ Die Grünen) zwei weitere Aspiranten um die Gunst der Wählerschaft.

Der interessierte Bürger fragt sich nun, wofür die einzelnen Kandidaten wohl stehen mögen?

Hierfür fand zur Klärung am 16.5. im Luthersaal der Friedenskirche unter Moderation der SZ-Lokalredaktion ein Triell statt. Wenn man dem nachgereichten ausführlichen Beitrag Glauben schenken darf, so hat Radebeul im Grunde nur zwei nennenswerte Probleme: miserable Gehwege und mangelhaft ausgebaute Fahrradstrecken. Dies mag als Baustein wohl stimmen, klammert in Zeiten großer Umbrüche wesentliche Aspekte wohl aber aus. Zudem dürften aufgrund der derzeitigen finanziellen wie wirtschaftlichen Verwerfungen Gestaltungsspielräume künftig eher kleiner werden.

So könnte dies für das neue Stadtoberhaupt vorerst bedeuten, sich glücklich schätzen zu können, den in den letzten Jahren mühsam errungenen Status quo überhaupt aufrechtzuerhalten.

Im Spagat zwischen dem Wollen und Können ist ihm bereits an dieser Stelle ein glückliches Händchen zu wünschen!

Sascha Graedtke

Mit Gerhard Schöne poetisch durch das Jahr


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… von flüchtigen Momenten …

imzwischensein | Teil II
prozessuale Rauminstallation
Dresden | 2021

 

Wann fühlen Sie sich frei?

Ein wenig hoffte ich, manch einer von Ihnen hätte die online-Version des Aprilheftes entdeckt und mutig seine Antwort dort hineingetragen …

Es scheint, wir Menschen neigen dazu, unser Augenmerk eher auf äußere Begrenzungen und Einschränkungen zu lenken. Könnte es aber sein, dass wir den eigentlichen Freiraum, den ein jeder von uns in sich trägt, vor Nähe einfach übersehen – den Raum des Geistes, der Phantasie und des Wahrnehmens? Würden wir diese stille Quelle als den uns einzig frei verfügbaren Raum anerkennen, wie auch jenen der anderen achten, gelänge uns vielleicht, frei und trotzdem miteinander zu sein?

Mai 2021. Die Installation wandelte sich täglich. Papiere kamen hinzu. Aus jeder Antwort, die mir die Menschen sandten, formte ich ein papierenes Gebilde, einen Gedankenraum. Niemals gleich und doch sich ähnelnd füllten sie schwebend, zart die drei Ebenen der Galerie. Sie reagierten auf jeden leisesten Hauch einer Bewegung. Und während sie sich für einen flüchtigen Moment sanft noch berührten, gaben sie sich doch schon wieder frei ….

Constanze Schüttoff

Radebeuler Miniaturen

In eigener Lache
Eine Danksagung

In der Nacht zum Hmmstag ist Schloß Castlewood vollständig ausgebrannt. Der alternde Lord hatte, einer guten Gewohnheit folgend, vor dem Zubettgehen die Kerze auspusten wollen. Allerdings nahm er zuvor, einer ebenso guten Gewohnheit folgend, einen kräftigen Schluck eines diesmal hochprozentigen Whiskys. Die Atemluft über der Kerze erzeugte eine Stichflamme, die sofort die Gardine erfaßte. Der Lord versuchte, nachdem er sich mit der erforderlichen Würde einen weiteren Schluck eingeschenkt hatte, mit der Flasche auch sich selbst in Sicherheit zu bringen. Indessen hatte das Feuer von dem Raum Besitz ergriffen. Ein Fenster barst. Das Weitere erledigte der Wind. Die Ortsfeuerwehr war überfordert.
Bereits am nächsten Morgen gab es in Castlewood Forest eine malerische Ruine zu besichtigen. Das Tourismusamt entwarf ein Marketingkonzept mit profunder Werbung. Feuergegerbt bot der Lord selbst, die Flasche noch immer in der Hand, Führungen durch die verrußten Mauern an…

Sag mal, was geht denn in dir vor? ruft Ulrike, während sie mir verbotener Weise bei der Arbeit über die Schulter schaut.
Ich blicke auf und lache ihr ins Gesicht. Ulrike zieht erschrocken den Kopf zurück und schüttelte sich: Wie spät ist es jetzt?
Es ist elf durch, sag ich, die richtige Zeit für den ersten Schluck.
Paß wenigstens auf, daß du unsere bescheidene Hütte hier nicht auch so abbrennst, Touristen lockst du so jedenfalls nicht an. Sie zieht die Flasche hinter der Vase vor, die ich dort gut verborgen geglaubt hatte.
Keine Sorge, sag ich, 40%iger brennt nicht …
Sieh mal, rede ich weiter, das jüngst in diesen Blättern angekündigte Ereignis meine Unwichtigkeit betreffend, ist dank strahlender Sonne in schöner Heiterkeit vorübergegangen. Es hat mir eine Fülle guter Wünsche eingebracht und zahlreiche erlesene Flüssigkeiten die nicht nur bedankt, sondern auch gewürdigt und vor allem genossen werden wollen.
Ich denke, kalauert Ulrike, du wolltest nie „Genosse“ werden …
Bin ich auch nicht, damals, aber heute geht es um die Gegenwart, ums Ge – Nies – Sen! Das ist doch der einzige Grund, weshalb diese Köstlichkeiten immer wieder neu geschaffen werden! Und es ist die beste Möglichkeit, den Schenkenden den schuldigen Dank zu sagen: Hat geschmeckt!
Weiß schon, lacht Ulrike, dir hat es noch nie an einem Grund zum Trinken gefehlt.
Und das bleibt auch so, zumal in diesen Tagen, die, nüchtern betrachtet, kaum zu ertragen sind. Oder soll ich das alles schnöde in den Keller tragen und schimmeln lassen?
Das nicht, aber wie wärs, wenn du nicht alles auf einmal trinkst? Langsamkeit ist die Mutter des Genusses.
Der Wein ist offen, nutze den Tag, wie es der unvergessliche Horaz formuliert hat (so ähnlich jedenfalls), und dieser altehrwürdigen Tradition darf und will ich mich jedenfalls nicht entziehen.
Entziehen, ha – ruft Ulrike, das ist das Stichwort: die Kur wirft ihre Schatten voraus…
Oh, mit dem Schatten käme ich klar, sage ich, allein die Kur kann warten – noch ist nicht aller Dank vollbracht …

Thomas Gerlach

Keine Glosse

Das Ding mit der Badekur

Eigentlich wollte ich mich nicht in die große Weltpolitik einmischen. Unser Blätt‘l kurvt ja um die heimatlichen Themen und verlässt selten den regionale Raum. Schließlich wollte Vorschau & Rückblick ja auch nie mit dem Blättchen, dem letzten Nachfolger der berühmten, eine Zeitlang von Carl v. Ossietzky geleiteten Weltbühne, konkurrieren. Aber manchmal fordern die Ereignisse eben, die eigene festgefügte Haltung aufzugeben und den Denkapparat in Bewegung zu setzen.

Wegen des zutreffenden Tucholsky-Satzes „Soldaten sind Mörder“ wurde Ossietzky 1932 zu einer Haftstrafe verurteilt. Nur auf Grund der sogenannten „Weihnachtsamnestie“ kam er schon nach 227 Tagen vorzeitig frei! Darauf können vermutlich die heutigen Protestierer in Russland nicht hoffen. Ossietzky hatte eben 1914/1915 nachgedacht, sich so von seiner anfänglichen Kriegsbegeisterung gelöst und zu einer pazifistischen Grundhaltung gefunden. Vielleicht aber hatte er sich auch an den aufsehenerregenden Roman der Friedensaktivistin Bertha von Suttner Die Waffen nieder erinnert, der 1889 in Dresden erschien.

Nun sind ja die Deutschen auch ein wenig zu bedauern. Sie hatten halt eine schwere Kindheit. Also, nicht der Einzelne, aber eben das Volk, so im Ganzen. Das lag sicher nicht nur an den Preußen, bei deren der männliche Nachwuchs schon mit dem Säbel an der Seite geboren wurde. Auch die Sachsen waren dem „klingenden Spiel“ nicht abgeneigt und hatten einen Drang nach Osten, genauer nach Polen. Da versuchten sie es ausnahmsweise mal mit „Diplomatie“. Grundsätzlich aber ist der Deutsche mit dem Militärischen groß geworden. Die „politische[n] Null“, wie Ossietzky den deutschen Generalfeldmarschall und Politiker Paul v. Hindenburg einmal bezeichnete, hatte sich ja mit dem makabren Satz „Der Krieg bekommt mir wie eine Badekur.“ hervorgetan. An seinem unsäglichen Erbe tragen noch heute über 50 Gemeinden in der Bundesrepublik, unter anderem auch Radebeul. Dort befindet sich der „Ehrenbürger Hindenburg“ durchaus in Gemeinschaft mit anderen fragwürdigen Größen (s. wikipedia).

„Nie wieder Krieg!“ war die einhellige Meinung aller, die das Inferno des Zweiten Weltkriegs überlebt hatten. Die etwa 60 Millionen Toten, darunter mehr Zivilisten als Soldaten, so glaubte man damals, wären Mahnung für alle Zeiten. Die Traumen waren noch nicht aufgearbeitet, die Trümmer nicht beseitigt, da krachte es schon wieder in anderen Ecken der Welt. Allein zwischen 1945 und 1953 kam es zu sieben kriegerischen Auseinandersetzungen, in denen auch vier europäische Staaten verwickelt waren, die alle noch an den Folgen des gerade beendeten Weltkrieges litten. Der Koreakrieg (1950–1953) forderte damals etwa 3 Millionen Tote! Hatte man nichts gelernt?! Offensichtlich wollte man nichts lernen!

Gerade dieses Russland müsste es doch besser wissen. Aus der einstigen Sowjetunion wieder hervorgegangen, hatte es einen erheblichen Anteil an den 27 Millionen getöteten Sowjetbürgern im Zweiten Weltkrieg zu beklagen. Es mag sicher nicht nur die „späte Geburt“ sein, die den Präsidenten der Russischen Föderation Wladimir Wladimirowitsch Putin zu einem kalten Machtpolitiker werden ließ. Mir scheint, dass die geopolitischen Bestrebungen um Vormachtstellung in der Welt die Menschheit immer wieder an den Rand des Unterganges bringt. Noch gut kann ich mich an die „fliegenden Festungen“ der USA mit einsatzbereiten Atombomben oder die Kuba-Krise auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges erinnern. So ein risikoreiches „Kriegsspiel“ braucht kein Mensch! Ein Angriffskrieg ist durch nichts zu rechtfertigen, egal wer ihn führt! Und Flüchtlinge bleiben eben Flüchtlinge, egal woher sie kommen!

Wer 1991 glaubte, mit der Auflösung des „Warschauer Paktes“ würde sich auch die NATO auflösen, musste sich bald eines Besseren belehren lassen. Die nun erneut in Gang gesetzte Rüstungsspirale wird nicht zu Befriedung beitragen. Ganz im Gegenteil! Die Risiken werden weiter steigen. Da drängt sich mir der Gedanke auf, ob Vernunft und Politik nicht am Ende zwei unvereinbare Dinge sind, meint

Euer Motzi

 

 

 

Tatort Radebeul – der Krimi aus Radebeul

Foto: PR Lügenmuseum

Wirklich spannende neue Tatort-Serien aus Radebeul starten im Frühjahr 22. Jeweils sechs Folgen in sieben Staffeln beschäftigen sich mit faszinierenden und schaurigen Verbrechen von nebenan.
Kaum geht das Lügenmuseum über Bord, gibt es den entsprechenden Krimi dazu. Etwas ist nicht geheuer, damit fängt der Krimi an, konsequente Folge der modernen Welt. Das Rätsel als neuartige Form formuliert unser Misstrauen gegenüber der Gesellschaft. Am Anfang liegt da eine Tote, die alles in Gang bringt. Kommissare ermitteln, am Ende steht der Delinquent da, entblößt, beschuldigt, entlarvt.
In der Fantasie wimmelt es nur so von Ängsten, Intrigen, Entführungen, Verschwörungen, Mord, Totschlag und Hass. Auf der anderen Seite schimmern Hoffnung, Liebe, Radebeul mit seinen Weinbergen und Mentalitäten und vor allem: Gerechtigkeit.
Zum Frühstück hörten die Direktoren des Lügenmuseums ihren Lieblings-Crime-Podcast, wunderbar. Doch plötzlich fliegt ihnen ihre wohlgehütete Vergangenheit um die Ohren und ein actionreicher Höllentrip beginnt. An diesem Tag kommt alles anders, ihr harmonisches Leben gerät aus den Fugen, und sie stecken mittendrin in der Handlung eines Tatort-Krimis aus Radebeul mit dem verheißungsvollen Titel „Das Plüschgewitter“. Es geht darin um eine Himmelsscheibe, ein Loch aus der Zauberflöte von Mozart und ein Tötungsdelikt. Was will man mehr? Sie sind begeistert, bis ihnen klar wird, dass alles in ihrem eigenen Hause passiert, das soll verkauft werden, und im Kellergewölbe aus dem 12. Jahrhundert holt sie plötzlich die von ihnen sorgsam verdrängte Geschichte ein. Ein wilder Tatort beginnt.
Der Regisseur Richard von Gigantikow, bekannt durch die Skulpturengärten auf den Elbwiesen, dreht ohne Proben und ohne Schnitt, er verlangt von den Akteuren volle Aufmerksamkeit. Der Berliner Kameramann Marco Borowski kann ausgezeichnet mit diesen Herausforderungen umgehen. Dazu wurden hervorragende Musiker, Tänzer, Erzähler, Performer und Akteure eingeladen. Die Handlungen spielen im Lügenmuseum, in fotogenen Ruinen und verfallenen Schlössern. Wie eine Büchse der Pandora öffnet sich das Geschehen, alles auf den Tisch, bis er bricht. Selbst Claudia Roth, Staatsministerin für Kultur und Medien, und Barbara Klepsch, Sächsische Staatsministerin für Kultur und Tourismus, traten auf und spielten mit.
Zum Weltlügentag erlebten die ersten Folgen des Tatort Radebeul im Lügenmuseum ihre Premiere. Es gibt sieben Staffeln mit jeweils sechs kurzen Filmen, die auf dem Kanal und der Webseite des Lügenmuseum verfolgt werden können.
Gefördert durch die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen. Diese Maßnahme wird mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.

Reinhard Zabka

Da ein Helm in Baden-Württemberg und hier Radebeul

Eigentlich hätte dieser Artikel bereits im Märzheft erscheinen können, doch genau da begann der Krieg, den Wladimir Putin in der Ukraine begonnen hatte. Ein Kriegsbeginn und in unserem Heft ein Helm, wenn auch historisch, das paßte nicht! Daraufhin hatten wir in der Redaktion beschlossen, den Text zurückzustellen. Da ein Ende des Krieges leider nicht abzuschätzen ist, wollen wir nun doch unseren Artikel bringen.

Da ein Helm in Baden-Württemberg und hier Radebeul – wie geht das in einem Text zusammen?

Foto: L. Trautmann

Eigentlich hatte ich das etwas kafkaeske Thema (ich bin nicht so für’s Militär – und hier geht’s um ein „hohes Tier“ der sächsischen Armee) gar nicht auf meinem Zettel, gemeint ist der Plan, worüber ich in nächster Zeit für die Vorschau schreiben möchte. Andererseits habe ich hier schon über diverse Hobbys geschrieben, wie das Sammeln von Münzen oder Briefmarken. In die Reihe würde ja das Militaria-Sammelgebiet passen, auch wenn es etwas spezieller ist. Und ich denke mal, Militaria-Sammler müssen ja nicht zugleich Militaristen sein, oder?
Eines Tages im Herbst 2021 bekam ich einen Anruf von einem Bekannten aus Vaihingen, dessen Stimme freudig erregt klang, als er mir sagte, dass er gerade einen prächtigen Generalshelm für seine Uniformen- und Militaria- Sammlung erworben habe, den im 19. Jh. ein General der sächsischen Armee getragen hat. Über den Erwerb eines solch seltenen Stückes und den Preis schweigen Sammler meist, so auch hier. Die Person, der dieser Helm einst gehörte, war Adolf von Rabenhorst (1846-1925), damals General der sächsischen Artillerie. Gratuliere, sagte ich, aber wieso rufst du mich da an? Nun, dieser sächsische Offizier soll nach seiner Abdankung in einem Radebeuler Stadtteil gewohnt haben. Deshalb bat mich der Sammler, ob ich als „alter Radebeuler“ wüsste oder ermitteln könnte, wo genau der Wohnsitz des Herrn von Rabenhorst gewesen wäre, in Ober- oder Niederlößnitz.
Auf Anhieb wusste ich das nicht und ich habe es eigentlich, wie schon oben angedeutet, auch nicht so mit dem Militär. Also musste ich wieder mal in die Recherche gehen. Überraschenderweise war das Stadtarchiv, das ich zuerst kontaktierte, etwas kurz angebunden und verwies mich an das neu aufgelegte Stadtlexikon. Da das in meinem Regal steht, fand ich einen von Rabenhorst, aber es war leider nicht der Gesuchte, sondern sein Vater Bernhard von Rabenhorst (1801-1873), auch General, jedoch der Infanterie. Zum Sohn Adolf von Rabenhorst wusste das Stadtlexikon nichts zu sagen.

Wohnhaus Ledenweg 34 Foto: D. Lohse

Der Hinweis im Stadtlexikon, dass Bernhard von Rabenhorst in Schloss Hoflößnitz gewohnt hätte, erwies sich als falsch. Zutreffend als Wohnsitz dieses Offiziers könnte eher Oberlößnitz gewesen sein, wie mir Frank Andert sagte. Er hätte in anderem Zusammenhang schon ähnliche Verwechslungen erlebt – Oberlößnitz ist ein Stadtteil von Radebeul und die Hoflößnitz ist ein bekanntes Grundstück und Bauensemble in Oberlößnitz. Nur am Rande möchte ich erwähnen, dass Bernhard von Rabenhorst, also der Vater, 1848/49 als Befehlshaber des mobilen Korps der Reichstruppen eine aus heutiger Sicht unrühmliche Rolle bei der Niederschlagung der Maiaufstände gespielt hatte. Damals war es aber für seine Karriere dienlich, er wurde dann sogar sächsischer Kriegsminister und 1856 in den Adelsstand erhoben – Sachen gibt’s!
Doch zurück zu seinem Sohn Adolf von Rabenhorst. Der ehemalige Träger des Helms hatte offenbar eine geschichtlich weniger spektakuläre Rolle gespielt als sein Vater. Als General kommandierte er das 2. Feldartillerie-Regiment der sächsischen Armee. 1904 ging er in den Ruhestand und ließ sich dann 1910 in Niederlößnitz nieder. Im Adressbuch der Gemeinde wurde ich hinsichtlich der Adresse nicht fündig. Ein Brief an das Militärhistorische Museum Dresden brachte mich aber der Lösung ein kleines Stück näher. Frank Andert, der Leiter des Museums Hoflößnitz, kannte dann die Hausnummer und wusste auch, dass sich der Straßenname mal geändert hatte, ein Dankeschön an ihn. Der General a.D. wohnte in der damaligen Schulstraße 24 zur Miete, die Adresse des gleichen Hauses wurde später in Ledenweg 34 geändert. Er war verheiratet mit Frau Margarete von Rabenhorst, geb. Freiin von Hausen (1850-1918). Ob Kinder zu der Familie gehörten ist mir nicht bekannt. Ich habe keine Hinweise gefunden, dass er in der Niederlößnitzer Zeit noch Ämter begleitet hätte oder anderweitig in Erscheinung getreten wäre. Als sicher ist anzunehmen, dass er dem Kötzschenbrodaer Militärverein angehört hat. Auch ein Bild oder Foto von ihm konnte ich leider nicht finden, wir müssen uns also mit einem Foto seines prächtigen Helms begnügen. Das Grab des Ehepaares von Rabenhorst fand ich auf dem Dresdner Garnisonsfriedhof, heute auch als Nordfriedhof bekannt.
Besonders die Gemeinden Ober- und Niederlößnitz waren um 1900 als beliebte Ruhesitze für Adlige, Industrielle, Staatsdiener und auch Offiziere bekannt. Leute, die meist in Dresden oder anderen Orten ihr Geld verdient hatten, und sich dann gern in der Lößnitz einen Alterssitz suchten und meist auch fündig wurden. Das führte zu einer zeitweilig ungünstigen Altersstruktur in diesen Gemeinden, sie waren etwas überaltert.
Als ich meinem Bekannten schließlich die gewünschte Adresse durchsagen konnte, überraschte er mich mit der Meldung, dass er gerade jetzt auch die Uniform eines sächsischen Generals erwerben konnte, die zwar nicht Adolf von Rabenhorst getragen hatte, aber doch dienstgradmäßig zu og. Helm passt. Das nenne ich Sammlerglück!
In einem Radebeuler Reformhaus sah ich gesunde und schmackhafte Säfte, die ich schon probiert hatte, von gleichem Namen, aber einen Zusammenhang zu den o.g. hohen Offizieren konnte ich nicht herstellen.

Dietrich Lohse

Schreibwerkstatt (3. Teil) – Carolin Wahl

Mein Schulweg

Wenn ich jetzt morgens zur Schule gehe, ist es noch dunkel. Pünktlich sieben Uhr stehe ich dann, völlig verschlafen, vor dem Tor und muss mich erst einmal an die Kälte gewöhnen. Mein Atem verbreitet sich mit dampfenden Wolken in der Luft. Ich fasse kurz noch einmal meine Gedanken zusammen, stecke meine Hände tief in die Taschen und dann geht es los, ob ich will oder nicht.
Zuerst die Straße, wo der kleine Dackel wohnt. Jeden Morgen steht er am Tor, und wenn ich komme, wedelt er mit dem Schwanz und steckt seine kleine feuchte Nase durch die Latten des blauen Holzzaunes. Ich bleibe kurz stehen und erzähle ihm, wie meine Woche bis jetzt war. Er sitzt da und hört mir aufmerksam zu. Irgendwann schaue ich auf die Uhr und erschrecke: Ich sollte mich jetzt auf jeden Fall beeilen. Ich verabschiede mich schnell von meinem kleinen Freund und setze meine morgendliche Reise fort.
Am Rosa-Luxemburg-Platz ist noch kein Mensch. Das Gebäude der Musikschule ragt imposant in den Himmel. Die rosa Farbe lässt sich durch die Dunkelheit nur erahnen. Dong. Dong. Die große Uhr erinnert mich daran, dass es schon viertel ist und ich kurz davor bin, zu spät zu kommen.
Ich trete in die Pedale, so schnell ich kann. Mein Atem wird schneller, die Dampfwolken dicker. Schon bald ist meine Kraft erschöpft. Ich sollte mehr Sport treiben, fällt mir da wieder auf. Nur schade, dass mir solche Gedanken immer vor der Schule kommen, wenn ich nun wirklich keine Zeit habe. Nachmittags habe ich das dann wieder vergessen und meine guten Vorsätze lösen sich in Luft auf. So wie mein Atmen gerade.
Ich werde wieder langsamer. Inzwischen bin ich bei der katholischen Kirche. Die Sonne geht langsam auf und vereinzelte Lichtstrahlen brechen sich in dem bunten Glas, das das große Kreuz ausfüllt. Die Welt beginnt, langsam wieder Farbe anzunehmen.
Immerhin ist es jetzt nicht mehr so weit. Ich sehe schon das Hauptgebäude meiner Schule. Die beiden Figuren, die über dem Brunnen angebracht sind, schauen mich an. Ich kann ihre Blicke nicht so ganz deuten. Auf jeden Fall scheinen sie nicht gerade froh, mich zu sehen. Ich lächle sie an, um sie zu besänftigen, aber sie reagieren nicht – natürlich nicht. Über hundert Jahre alte Figuren aus Stein können ja wohl kaum auf meine Bemühungen reagieren. Oder doch? Für einen kurzen Moment scheint es, als würde der linke Kopf mir frech die Zunge herausstrecken. Bei genauerem Hinschauen scheint aber alles unverändert. Verwirrt und etwas verärgert über die Dreistigkeit des alten Herrn aus Stein schüttele ich meinen Kopf und widme mich lieber wieder den Personen aus Fleisch und Blut.
Ich sehe andere Schüler, die das Schulhaus betreten. Man kann an ihren Blicken erkennen, ob sie sich auf den Tag freuen oder nicht. Zwei Mädchen zum Beispiel sitzen auf der Treppe und schauen sich noch einmal die Vokabeln für den Französischtest an. Die eine rattert die Vokabeln nur so runter, anscheinend hat sie gut gelernt, während die andere frustriert aufstöhnt und das Buch verärgert in ihren Rucksack packt.
Ein letztes Mal trete ich ordentlich in die Pedale. Das letzte Stück ist das schwerste. Der Berg ist ganz schön steil, aber irgendwie schaffe ich es, mich auch dort hochzutransportieren.
Mit Schwung sause ich in den Schulhof. Dort sehe ich erleichtert, dass ich noch nicht zu spät bin. Eine ganze Horde Jugendlicher tummelt sich da. Sie lachen, spielen Ball oder reden einfach. Zufrieden steige ich vom Fahrrad und freue mich auf einen neuen Tag voller unvorhersehbarer Ereignisse.

Carolin Wahl
Klasse 8 – Lößnitzgymnasium Radebeul

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