Editorial September 2020

30 Jahre „Vorschau & Rückblick“

Der Herbst naht und wir starten einen zweiten Anlauf, auch wenn im Moment die Corona-Zahlen wieder etwas ansteigen, unseren runden Geburtstag von „Vorschau & Rückblick“ gebührend zu feiern.
Am Freitag, dem 23. Oktober ab 18 Uhr wollen wir gemeinsam mit unseren Mitgliedern und allen geladenen Gästen im Gewölbesaal des Kavalierhauses der Hoflößnitz diesen runden Geburtstag begehen.
Ich hoffe, dass alle, die zum Mai unsere Einladung erhielten, diese wohl verwahrt haben und sich nun mit uns auf diesen Abend freuen. Wir sorgen für Speisen und Getränke und musikalische Umrahmung.
Sie bringen bitte gute Laune mit und Ideen Wir erinnern nochmals daran, auf Blumen zu verzichten. Weinflaschen sind jedoch willkommen.
Zur besseren Planung bitten wir um eine Rückmeldung bis zum 30. September 2020.

Bis dahin wünschen wir Ihnen einen sonnigen Herbst und hoffentlich wieder vermehrt analoge Begegnungen im Rahmen der jahreszeitbedingt anstehenden Herbst- und Weinfeste!

Mit herzlichen Grüßen
im Namen des Vereins

Ilona Rau
Vereinsvorsitzende

 

Ein Wanderer zwischen den Welten

Erinnerungen an Frank Hruschka
(geb. 15.September 1961; verst. 25. Oktober 2019)

Frank Hruschka zwischen 1995 und 1996 aufgenommen, Foto: Michael Lange

Im September wäre Frank Hruschka 59 Jahre alt geworden. Als es im Oktober des vorigen Jahres hieß, der Frank ist tot, war das für viele von uns kaum vorstellbar. Trotz des traurigen Anlasses glich die Feier, welche nach der Beerdigung im „Atelier Oberlicht“ stattfand, einer großen Party und alles schien nur darauf zu warten, dass Frank plötzlich um die Ecke kommt, wie immer, mit vielen neuen Ideen im Kopf.
Von seinem schweren Herzleiden haben nur wenige gewusst.

Schon an diesem Tag gab es erste Überlegungen, dass man die vielen Geschichten, die sich mit Frank verbinden, einmal aufschreiben müsse. Hatte er doch über zwei Jahrzehnte die alternative Kunst- und Kulturszene von Radebeul mitgeprägt. Doch wer sollte das tun? Frank Hruschka war ein Wanderer zwischen den Welten und oftmals mit mehreren Dingen gleichzeitig befasst.

Meine eigenen Erinnerungen an Frank beziehen sich hauptsächlich auf die unmittelbare Nachwendezeit. Er wurde mir durch den Radebeuler Maler Peter PIT Müller vorgestellt. Ich selbst leitete damals die „Kleine Galerie“ in Radebeul-Ost auf der Ernst-Thälmann-Straße (heute Hauptstraße). Da meine Kollegin Petra Clausnitzer wieder in ihrem Beruf als Architektin arbeiten wollte, wurde für sie ein Nachfolger gesucht. Frank war vielseitig ambitioniert und als freischaffender Ausstellungsgestalter, Fotograf und Gebrauchsgrafiker aktiv. Obwohl er keine für die Tätigkeit erforderliche Ausbildung besaß, verlief das Einstellungsprozedere aus heutiger Sicht erstaunlich unkompliziert. Er bewarb sich, wurde für geeignet befunden und im Bildungs- und Kulturamt ab April 1991 als „Sachbearbeiter für Ausstellungen und Gestaltung“ eingestellt. Allrounder wie Frank waren damals gefragt. Improvisation stand auf der Tagesordnung. Die Aufbruchstimmung und der damit verbundene Enthusiasmus ließen wenig Raum für Bürokratie.

Die kleine kommunale Galerie entwickelte sich bei laufendem Ausstellungs- und Veranstaltungsbetrieb nun auch zu einer Art Basislager für Stadtteilkultur. Cornelia Bielig (heute Sachgebietsleiterin für Feste und Märkte), Frank Hruschka und ich waren u.a. für die Konzeption, Organisation und Dokumentation von Großveranstaltungen zuständig. Oft arbeiteten wir bis in die Nacht hinein. Stechuhren sowie Rauch- und Musikverbote in Diensträumen gab es damals noch nicht.

Das erste Herbst- und Weinfest in Altkötzschenbroda, welches vom 27. bis 29. September 1991 stattfand, wurde innerhalb von zwei Monaten auf die Beine gestellt. Auch der erste Nachwende-Weihnachtsmarkt in Radebeul-Ost fiel in unsere Zuständigkeit. Die Dezernentin Frau Dr. Ellen Brink und der Amtsleiter Dr. Dieter Schubert gewährten amtlichen Beistand und hielten ihre schützenden Hände über uns. Als praxiserprobte Eingreiftruppe waren wir nun auf unterschiedliche Weise in mehrere Projekte eingebunden. Das Jahr 1992 hatte es in sich. Auf die ersten Karl-May-Festtage Mitte Mai, folgte bereits Ende Mai die erste Gewerbemesse und im Juni die Eduard-Bilz-Festwoche. Danach fanden im September wieder das Herbst- und Weinfest sowie Anfang November der Grafikmarkt statt. Zahlreiche Flyer, Broschüren, Logos, Plakate, Gestaltungselemente aus jener Zeit tragen Frank Hruschkas Handschrift.

Von Frank Hruschka gestaltetes Logo für das Radebeuler Herbst- und Weinfest

Nachdem ich mit meiner Kollegin Cornelia Bielig unters Dach einer Villa auf dem Körnerweg gezogen war, arbeiteten wir trotz der räumlichen Trennung auch weiterhin mit der Vor-Ort-Besatzung von der Stadtgalerie eng zusammen. Personelle Verstärkung hatte Frank Hruschka inzwischen durch Cornelia Müller erhalten. Beide harmonierten sehr gut miteinander, denn auch sie bewährte sich als kreatives Multitalent.

Bemerkenswert war u.a. die Gemeinschaftsausstellung „Schon mal gesehen“ (1992), vereinte sie doch die Werke der in das ehemalige DDR-Gebiet zurückgekehrten Künstler Cornelia Schleime und Ralf Kerbach sowie der dagebliebenen, nicht minder widerständigen Künstler Peter PIT Müller und Reinhard Sandner. Für kontroverse Diskussionen und mediale Aufmerksamkeit sorgten auch die Ausstellungen mit kommunalpolitischem Bezug wie „Hingerichtet – ist der Blick auf die Jugend“ (1993) oder “Familienfreundliches Radebeul“ (1994).

Das vorläufige Aus für die Galerie kam dann ziemlich abrupt. Der Hausbesitzer hatte die angemieteten Räume per 30. Juni 1995 gekündigt. Das Gute daran war, dass die Sanierung des Dreiseithofes Altkötzschenbroda 21, wo ja ohnehin seit 1990 der künftige Galeriestandort vorgesehen war, endlich wieder Fahrt aufgenommen hatte. Fortan ging die Galerie für zwei Jahre ins Exil. Da Frank ausgesprochen kommunikationsfreudig war, fiel es ihm nicht schwer, zahlreiche temporäre Ausstellungsmöglichkeiten zu erschließen. Selbst die noch unsanierten Räume in der sogenannten „Kulturschmiede“ (zeitweilige Bezeichnung für das Objekt Altkötzschenbroda 21) wurden in ihrem ursprünglichen Zustand für Ausstellungszwecke genutzt.

Unsere Wege begannen sich 1996 zu trennen. Als Geschäftsführer des neu gegründeten Vereins „Kultur im Umland“ wendete sich Frank Hruschka anderen Aufgaben zu. Hin und wieder kam es zur projektbezogenen Zusammenarbeit wie beim Gedenkkatalog für den verstorbenen Künstler Ingo Kuczera (1964-2004).

Von Frank Hruschka gestaltetes Logo für die IG JazzGEFLÜSTER

Die Stadtgalerie wurde schließlich im September 1997 am neuen Standort eröffnet. Franks Kommentar lautete knapp: „Viel zu klein!“. Er dachte eben immer groß. Auf Initiative des Münchner Investors Dr. Christoph Dross, der im Sanierungsgebiet Altkötzschenbroda gern auch Künstler ansiedeln wollte, bot sich die Möglichkeit, zu bezahlbaren Konditionen ein zentral gelegenes Gemeinschaftsatelier anzumieten. Die Künstler Homayon Aatifi, Nikolai Bachmann, Julius Hempel, Frank Hruschka, Ingo Kuczera und Markus Retzlaff ergriffen die Chance und gründeten 1999 die Produzentengalerie „Atelier Oberlicht“. Die ursprüngliche Idee vom gemeinsamen Arbeiten, Reden und Feiern funktionierte mal mehr und mal weniger. Legendär und immer gut besucht, waren die Veranstaltungen der IG Jazz, die sich im Jahr 2005 gegründet hatte. Vom lebhaften „JazzGEFLÜSTER“ wird noch heute geschwärmt. Bei vielen Aktionen war Frank ein wichtiger Motor. Schließlich verließ er nach zehn Jahren das Gemeinschaftsatelier und zog 2009 ins Loschwitzer Künstlerhaus. Damit begann für ihn ein völlig neuer Lebensabschnitt. Den Radebeuler Künstlern – vor allem Markus Retzlaff, der das „Atelier Oberlicht“ bis heute weiterführt – blieb er bis zu seinem frühen Tod freundschaftlich verbunden.

Frank Hruschka 1994 nach getaner Arbeit im Hof des Bildungs- und Kulturamtes auf dem Körnerweg Foto: Privatarchiv

Frank Hruschkas innige Beziehung zur Lößnitzstadt kommt vor allem auch in zahlreichen Fotografien zum Ausdruck. Er hatte einen sicheren Blick für das Besondere im Alltäglichen. Eine Vorliebe galt der schwarz/weiß-Analog-Fotografie. Was nicht ausschloss, dass er auch digital und farbig fotografierte. Sehr stimmungsvolle Aufnahmen existieren aus den Anfangsjahren der Radebeuler Feste. Und immer wieder fotografierte er in Altkötzschenbroda, so zum Beispiel vor der Sanierung, während des Hochwassers oder in den stillen Stunden der Nacht. Ungewöhnliche Momentaufnahmen sind auf Reisen mit Künstlerkollegen nach Frankreich, Kuba und Italien aber auch in der Radebeuler Partnerstadt St. Ingbert entstanden.
Das 30. Radebeuler Herbst- und Weinfest bietet den Anlass, an Frank Hruschka und sein fotografisches Schaffen zu erinnern.

Karin (Gerhardt) Baum

Frischer Wind im Kulturamt Radebeul

Interview mit der Kulturamtsleiterin Gabriele Lorenz

Nach nunmehr einem Jahr und sieben Monaten kann die Position des Kulturamtsleiters ab 1. September dieses Jahre neu besetzt werden. Dazu waren zwei Ausschreibungen nötig, da das erste Auswahlverfahren zu keinem Ergebnis geführt hatte. Auch das zweite Verfahren drohte zu scheitern und musste nochmals an den Stadtrat zur Entscheidung zurückgegeben werden. Schließlich setzte sich nach einer weiteren Abstimmung Frau Dr. Gabriele Lorenz durch.

Mit Frau Dr. Lorenz führten die Redaktionsmitglieder von „Vorschau und Rückblick“ Karin (Gerhardt) Baum und Karl Uwe Baum nachfolgendes Gespräch.

Dr. Gabriele Lorenz, Jahrgang 1961; geboren in Schlema im Erzgebirge, promoviert als Dr. phil. in Romanistik; 1995 bis 2004 Mitarbeiterin in der Kulturabteilung der französischen Botschaft in der Bundesrepublik Deutschland; 2005–2020 Kulturmanagerin in Annaberg-Buchholz; seit 2007 ehrenamtliche Bundesvorsitzende des Erzgebirgsvereins.

Designierte Amtsleiterin Dr. Gabriele Lorenz auf der diesjährigen Radebeuler Kasperiade
Foto: Karl Uwe Baum

K. (G.) Baum Frau Dr. Lorenz, die Redaktion von „Vorschau und Rückblick“ gratuliert ihnen herzlich zur Übernahme des Kulturamtes in Radebeul.

In einem Beitrag der Sächsischen Zeitung vom 17. Juni 2020 war nach ihrer Wahl zur Radebeuler Kulturamtsleiterin der Satz zu lesen: „Radebeul hat alles, was mein Kulturherz höherschlagen lässt.“ – Können sie das genauer benennen?

Dr. Lorenz Ich danke ihnen zunächst für Ihre Glückwünsche und die Möglichkeit, mich in V&R vorstellen zu können.

Radebeul habe ich entdeckt, als ich von 2015 bis 2018 in Dresden wohnte und mit dem Fahrrad die Umgebung erkundete. Ein begeisterndes Erlebnis war dabei für mich das Internationale Wandertheaterfestival verbunden mit dem Weinfest auf dem Anger in Altkötzschenbroda. Zu allen Jahreszeiten bietet Radebeul diese Festformate zu verschiedenen Themen, vom Faszinosum Karl May bis hin zur zauberhaften Kasperiade. Eindrucksvoll ist auch das reiche künstlerische Leben vor Ort, besonders in der Bildenden Kunst. Dass neben den privaten Galerien auch eine Städtische Galerie betrieben wird, finde ich ein wichtiges Zeichen der Wertschätzung für die Künstler. Auch die Nutzung eines Bahnhofsgebäudes für die Kultur verstehe ich als ein starkes Signal. Mit den renommierten Landesbühnen Sachsen verfügt Radebeul über einen weiteren wichtigen Kulturvermittler. Einzigartig finde ich, wie sich Kultur und Landschaft von den Elbauen bis hin zu den Weinhängen miteinander verbinden und gegenseitig inspirieren. Es ist eine große Freude für mich, an einem Ort mit so viel Potential für die Kultur wirken zu können.

K. U. Baum Über ihre bisherigen beruflichen Erfahrungen wurde bereits im Vorfeld in den Medien ausführlich berichtet. Uns interessiert die Frage, wo sie die Unterschiede zwischen Annaberg-Buchholz und Radebeul sehen, doch sicher nicht nur in den 483 Metern Höhenunterschied?

Dr. Lorenz Das haben sie nach Adam Ries gut ausgerechnet! Der größte Unterschied liegt sicherlich zunächst in der Entstehungsgeschichte der beiden Städte. Annaberg und Buchholz begründeten sich vor über 500 Jahren durch wertvolle Erzfunde, die in kurzer Zeit stolze Bergstädte hervorbrachten, wo zuvor nur dichter Wald war. Hier kommt alles vom Bergwerk her, begründet Tradition und Brauchtum. Beides hat bei den Menschen einen hohen Stellenwert. Eine Wein- und Gartenstadt wie Radebeul an einem großen Fluss in unmittelbarer Nähe zur sächsischen Residenz gelegen, ist durch Landschaft und Geschichte ganz anders geprägt. Ein großer Unterschied ist auch die städtebauliche Struktur.

Wie viele Bergstädte hat Annaberg-Buchholz ein historisch gewachsenes Zentrum, um das sich auch die vielfältigen Kulturangebote konzentrieren. Das Stadtgebiet von Radebeul ist als Zusammenschluss mehrerer ehemals autarker Gemeinden weitflächiger verteilt. Neben der Geschichte prägt aber sicher auch das Wetter die Mentalität der Leute. Es ist eben ein großer Unterschied, ob man im rauen Gebirge lebt, wo es bis in den Mai noch schneit oder im fast mediterranen Klima Radebeuls, wo exzellente Weine reifen. Daher versteht sich die Stadt auch als ein Ort zum Genießen, während der Erzgebirger mit dem Genuss doch eher fremdelt.

K. (G.) Baum Woher kommt eigentlich ihre Begeisterung für die kulturelle Arbeit?

Dr. Lorenz Ich bin schon mit Musik und Literatur aufgewachsen. Später dann kamen Theater und Bildende Kunst auch durch die Arbeit verstärkt in mein Leben. Durch meine Tätigkeit an der Französischen Botschaft konnte ich viele Kulturprojekte begleiten und Menschen über die Kultur zusammenbringen. Ich finde es einfach wunderbar, wenn man in Gemeinschaft mit Anderen Musik, eine Aufführung oder eine Lesung erleben und ins Gespräch kommen kann. Die Freude der Besucher nach einer gelungenen Veranstaltung, die neue Horizonte oder Erkenntnisse eröffnete, einen besonderen Genuss für alle Sinne oder befreiendes Lachen über die Absurditäten des Alltags anregte, ist mein schönster Lohn und motiviert mich zu weiteren Taten. Kultur und kreative Beschäftigung machen unser Leben reich und sollen für jeden zugänglich sein. Dies zu vermitteln und zu ermöglichen ist mein Antrieb. Dabei empfinde ich es als beglückend, dass mich meine Arbeit mit so vielen Menschen, Kulturschaffenden und Kulturinteressierten zusammenführt, die mich wiederum inspirieren.

K. (G.) Baum An welchen interessanten kulturellen Unternehmungen haben sie bisher mitgewirkt oder welche haben sie gar selbst initiiert?
Dr. Lorenz In meiner Zeit an der Französischen Botschaft konnte ich u. a. an Internationalen Literatur- und Poesiefesten mitwirken. Ich habe dort bereits auch schon selbst Veranstaltungsformate initiiert, wie eine deutsch-französische Lesereihe mit dem Literarischen Colloquium Berlin oder in Kiel in Zusammenarbeit mit dem dortigen Literaturhaus das Europäische Festival des Debütromans, dass es nun schon seit 18 Jahren gibt. In Annaberg-Buchholz habe ich gleich in meinem ersten Jahr das mediterrane Sommerfest PIAZZA ins Leben gerufen, das auf Anhieb ein Erfolg wurde. Auch die Fête de la musique habe ich ins Erzgebirge geholt und eine Kammermusikreihe initiiert. Die Organisation der Schulmusikbegegnung Sachsen – Baden-Württemberg mit rund 300 Jugendlichen, die gemeinsam musizierten und in der ganzen Stadt Konzerte gaben, bleibt mir unvergessen. Auch am Internationalen Märchenfilmfestival fabulix, das 2017 seine Premiere in Annaberg-Buchholz hatte, konnte ich mitwirken.

Mein letztes und sehr erfolgreiches Projekt war im Bereich der kulturellen Bildung die Gründung der Kinder- und Seniorenuniversität in Zusammenarbeit mit der TU Chemnitz im November 2019.

K. (G.) Baum Vor 30 Jahren hat der 50-jährige promovierte Ingenieur Dr. Dieter Schubert das Radebeuler Kulturamt übernommen. Sie selbst wechseln mit 58 Jahren in eine neue Herausforderung. Was versprechen sie sich davon?

Dr. Lorenz Als Kulturmanagerin in Annaberg-Buchholz habe ich unzählige Veranstaltungen, Lesungen und Ausstellungen organisiert und dabei immer auch über den „Tälerrand“ geschaut. Ich hatte Verantwortung für ein Kulturzentrum, die Städtischen Museen und die Bibliothek. Vieles konnte ich dabei in den letzten 15 Jahren bewegen. In Radebeul eröffnet mir das Kulturamt zu meinen bisherigen Erfahrungen noch einmal neue Betätigungsfelder. Ich denke dabei vor allem an den Bereich der Feste und Märkte. Das hat mich schon immer gelockt und mit der PIAZZA konnte ich erste Erfahrungen sammeln. Gleichzeitig werden in Radebeul kulturell gerade wichtige Weichen gestellt. Die Bibliothek ist auf dem zukunftsweisenden Weg zum „Dritten Ort“, zu Karl May wird ein Museumsneubau geplant. Als Ethnologin verfolge ich dies mit großer Aufmerksamkeit. Es sind spannende Prozesse im Gang und viele Herausforderungen, auf die ich mich freue. Wie schärft man das kulturelle Profil der Stadt in unmittelbarer Nähe zu Dresden, ist dabei auch ein wichtiges Thema, das mich beschäftigt. Das kulturelle Leben in Radebeul ist so erfrischend vielseitig und ich glaube, dass ich mit meinem Erfahrungshintergrund hier genau richtig bin! Auf meinem Lebensweg begleitet mich das Credo: Nie aufhören anzufangen und nie stehenbleiben!

K. U. Baum Ist eventuell ein Umzug nach Radebeul geplant?

Dr. Lorenz Sollte ich mich bewähren, steht der Umzug nach Radebeul auf jeden Fall auf dem Programm. Ich habe für die Übergangszeit bereits eine kleine möblierte Unterkunft in Radebeul gefunden, so dass ich meine ganze Kraft sofort auf die Arbeit konzentrieren kann.

K. (G.) Baum Sie bezeichneten „Kultur als wichtigen Standortfaktor“ für die Stadt. Was bedeutet das für ihre künftige Arbeit als Amtsleiterin?
Dr. Lorenz Die Kulturangebote der Stadt sind das Herzstück für die touristische Anziehungskraft von Radebeul. In Verbindung mit der Weinkultur und kulinarischen Genüssen, mit Architektur und Landschaft bieten sie ein einzigartiges Gesamterlebnis, vermitteln ein besonderes Lebensgefühl. Das heißt für mich als Amtsleiterin, weiter attraktive Veranstaltungsformate zu entwickeln und dabei aktiv die Gastronomen und andere touristische Leistungsträger mit einzubeziehen. Gemeinsam mit dem Tourismusmarketing gilt es, diese Angebote überregional bekannter zu machen und neue Zielgruppen zu erschließen. Dabei ist mir die Kooperation mit den Nachbarstädten im Meißner Land aber auch mit Dresden wichtig. Die Kultur trägt dadurch zur Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen bei. Dies zu unterstützen und zu befördern ist eine meiner wichtigen Aufgaben.

K. U. Baum Eine Aufgabe, so ihre eigenen Worte, sei „Kulturschaffenden eine Bühne zu geben“. Damit allein ist es doch sicherlich nicht getan?

Dr. Lorenz Zunächst einmal werde ich mir einen genauen Überblick über die bestehenden Kulturangebote verschaffen und mit allen Akteuren das Gespräch suchen. Zuhören, Erfahrungen und Erwartungen aufzunehmen, ist der erste Schritt. Ich bin stark beeindruckt vom Engagement der Bürger, die sich in Vereinen zusammenschließen, um die Kulturlandschaft Radebeuls zu erhalten und zu entwickeln. Dabei unterstützen sie auch die Arbeit der städtischen Einrichtungen und des Kulturamts, wie man bei der tollen Veranstaltungsreihe Radebeuler LebensArt sehen kann. Die Landesbühnen sind ein wichtiger Partner mit überregionaler Strahlkraft. Diese Kooperation möchte ich vertiefen. Als Amtsleiterin sehe ich meine Rolle auch darin, den Austausch zwischen den einzelnen Kulturakteuren zu befördern, Angebote besser abzustimmen und zu koordinieren, den Blick über die eigene Einrichtung hinaus auf die gesamte Stadt zu weiten. Ich bin eine leidenschaftliche Netzwerkerin und kann Menschen mit Ideen begeistern und zusammenbringen. Die vielen Künstler und Kulturschaffenden in Radebeul sollen weiter ein Podium bekommen, Auftrittsmöglichkeiten und Räume für Kunst. Nie war das so wichtig, wie in diesen Zeiten. Ich bin ihre Ansprechpartnerin und möchte dabei eines besonders vermitteln: Wertschätzung. Daneben gilt es aber auch, die finanziellen Rahmenbedingungen zu sichern, die das reiche kulturelle Leben der Stadt ermöglichen, über den Haushaltsetat der Stadt, über Förderprogramme und Sponsoring. Das ist sicherlich nicht die kleinste Herausforderung!

K. U. Baum In der Sächsischen Zeitung haben sie sich zu Ihren künftigen Aufgaben geäußert. Die sehen sie u. a. darin, bestehende Angebote konzeptionell und strategisch weiterzuentwickeln. Was verstehen sie darunter?

Dr. Lorenz Radebeul hat ja bereits ein sehr facettenreiches Spektrum kultureller Angebote in den einzelnen Einrichtungen oder in der Festkultur. Aber wichtig ist ein Kulturentwicklungskonzept, das die Richtung für die kommenden Jahre weist. Wo stehen wir und wo wollen wir hin? Welche Formate gilt es zu stärken? Wie tragen wir der Digitalisierung Rechnung und wie wirkt sich das auf unsere Arbeit der Kulturvermittlung aus? Welchen Investitionsbedarf gibt es? Wie stellen wir uns als Stadt strategisch auch im regionalen Umfeld auf? Es ist aus meiner Sicht, wenig sinnvoll, Veranstaltungsformate von Nachbarstädten zu kopieren. Wir müssen in Radebeul unsere eigenen Besonderheiten, unsere Stärken in den Fokus rücken und dabei historisch Gewachsenes und Neues verbinden. Nachhaltigkeit, Originalität und qualitativer Anspruch sind für mich wichtige Kriterien. Durch Corona werden diese Denkprozesse und Debatten beschleunigt: wie wichtig ist uns Kultur und was sind wir bereit, dafür zu geben? Die existentielle Not vieler Künstler ist aktuell groß, gleichzeitig wurde durch den Lockdown bei den Menschen das Bewusstsein geschärft, wie sehr Kultur unser Leben reicher macht. Jetzt müssen auch bewährte Veranstaltungsformate vom Chorkonzert, der Theateraufführung bis hin zu den Großveranstaltungen neu gedacht werden. Also der perfekte Zeitpunkt, um konzeptionell und strategisch die Weichen zu stellen!

K. U. Baum Radebeul veranstaltet u. a. zwei Groß-Feste, die Gäste nicht nur aus dem Landkreis anziehen. Welche Bedeutung hat in diesem Zusammenhang für sie und damit für die künftige Profilierung des Amtes die kulturelle Basisarbeit?

Dr. Lorenz Neben den überregional strahlenden Großveranstaltungen, die von Bedeutung für den Kulturstandort Radebeul sind, ist mir die kulturelle Basisarbeit besonders wichtig. Kultur ist ja zunächst für die Bürger der Stadt eine wichtige Quelle der Identifikation, ein Stück Heimat und Lebensqualität. Kulturelle Teilhabe und Bildung sollen über soziale Unterschiede allen ermöglicht werden und auch die Generationen verbinden. Das fängt mit den Kleinsten an, z. B. bei der Leseförderung in der Bibliothek und verschiedensten Kreativangeboten. Dabei sind mir die ehrenamtlich Tätigen in Vereinen sowie Familienzentren und Schulen wichtige Partner. Auch möchte ich in die einzelnen Stadtteile gehen, die als ehemals selbstständige Gemeinden ein starkes Gemeinschaftsgefühl haben. Niemand soll sich abgehängt fühlen.

K. (G.) Baum Das Radebeuler Kulturamt ist das einzige im Landkreis Meißen. Sehen sie aus diesem Umstand eine besondere Aufgabe und Verantwortung erwachsen?

Dr. Lorenz Das ist wirklich etwas Besonderes, wo andernorts die Kultur nicht einmal mehr ein eigenes Sachgebiet hat. Ich verstehe es als starkes Bekenntnis zur reichen Kulturlandschaft der Stadt und ich bin mir der Verantwortung bewusst. Es liegt nun an mir zu beweisen, dass dieses Amt gebraucht wird und für die Entwicklung und zum Wohl der Stadt wichtige Impulse gibt.

K. U. Baum Sie haben bisher nicht nur im stark traditionell geprägten Annaberg-Buchholz gearbeitet, sondern waren fast 10 Jahre in der französischen Botschaft in der Bundesrepublik Deutschland tätig und haben zuvor mit einer Arbeit über ein spezielles französisches Thema promoviert. Wie glauben sie, diese dabei gewonnenen ganz unterschiedlichen Erfahrungen in Ihr künftiges Arbeitsgebiet einbringen zu können?

Dr. Lorenz Ich glaube, dass meine verschiedenen Erfahrungen mich nicht nur persönlich immer ein Stück weitergebracht haben, sondern in meiner neuen Arbeit auch richtig zum Tragen kommen können. Mein analytisches und logisches Denken konnte ich bereits bei meinem Chemiestudium in Freiberg entwickeln. Nach meiner Ausreise kam ich durch das Studium der Literatur- und Sprachwissenschaft zur Kultur. Meine Dissertation beschäftigte sich mit der Entwicklung des konservativen Denkens in Frankreich im 19. Jahrhundert. Durch dieses Thema vertiefte ich mich in Geschichte, Theologie und Politik. Ich behandelte zwar Frankreich, doch ich gewann Erkenntnisse über gesellschaftliche Zusammenhänge, die ich auch auf Deutschland übertragen kann. An der Französischen Botschaft machte ich wertvolle Erfahrungen bei internationalen Projekten in Kunst und Literatur. Dann kehrte ich bewusst in meine sächsische Heimat zurück, um hier etwas zu bewegen. In Annaberg-Buchholz leitete ich dann selbst ein Kulturzentrum und musste in einem traditionell geprägten Umfeld ein Kulturangebot aller Sparten entwickeln, das sein Publikum findet. Qualität und Anspruch verbunden mit guten Besucherzahlen waren die Herausforderungen an meine Arbeit. Gleichzeitig bekam ich eine hohe Wertschätzung für das Ehrenamt, in dem ich auch selbst tätig wurde. Meine Leidenschaft und Kompetenz in der Kultur bringe ich nun in Radebeul ein und freue mich, dass ich mit dem Institut francais in Dresden auch die Verbindung zu Frankreich wieder aufnehme.

K. (G.) Baum/K. U. Baum Wir bedanken uns für das Interview, wünschen ihnen viel Erfolg im neuen Amt und hoffen auf künftig gute Zusammenarbeit.

Zur Titelbildserie

Nur wenige Spazierminuten vom Wohnatelier der Radebeuler Malerin und Grafikerin Bärbel Kuntsche entfernt, befindet sich das Weingut Schloß Wackerbarth. Namensgeber und Bauherr des einstigen Adels- und Landsitzes, auch „Wackerbarths Ruh“ genannt, war Reichsgraf von Wackerbarth (1662–1734), der die weitläufige Anlage am Fuße der Weinberge durch den Landesbaumeister Knöffel (1686-1752) als Alterssitz errichten ließ. Trotz mehrerer Besitzerwechsel und Umbaumaßnahmen blieb der ursprüngliche Charakter bis heute weitestgehend erhalten. Alle historischen Gebäude und die Gartenanlage stehen unter denkmalpflegerischem Ensembleschutz. Neue Funktionalbauten fügen sich harmonisch ein.

Vom schloßähnlichen Herrenhaus führt eine Treppe als Mittelachse zum höhergelegenen achteckigen Belvedere, welches eine schöne Aussicht bietet. Beidseits säumen Buchsbaumkegel den Weg. Wie eine Kulisse bilden streng terrassierte Weinhänge den Hintergrund. Jahreszeiten, Tagesstimmungen oder Wetterkapriolen verleihen der gestalterischen Inszenierung einen zusätzlichen dramaturgischen Reiz.

Für unser Titelbild begab sich Bärbel Kuntsche vor Ort und fertigte vom Belvedere mehrere Bleistiftskizzen aus unterschiedlichsten Blickwinkeln an. Schließlich entschied sie sich für eine Ansicht, welche die Symmetrie der Anlage besonders betont. Nebensächliches wie Tische, Stühle oder Sonnenschirme wurden weggelassen. Die Tuscheausführung der Zeichnung entstand vor wenigen Tagen im Atelier der Künstlerin. Wie sie meint, befördert die Distanz zum Motiv den künstlerischen Umsetzungsprozess.

Karin (Gerhardt) Baum

Mit Wolf Biermann poetisch und politisch durch das Jahr

Vom Einhorn (für S)

Das Einhorn wirft einen Schatten auf die Uhr. Die Welt riecht nach Frühstück.

Ohne weiter auf die Blicke der Neugierigen zu achten, steigt Susanna aus dem Bade, aufrecht, stolz und schön. Sie streift ihr Kleid über, schlingt sich, etwas verfrüht, das herbstfarbene Seidentuch um den Hals und schwingt sich aufs Fahrrad. Es ist eins von den elektrischen, ihr Fahrrad, mit dem sie ohne Mühe jeden Anstieg meistert, vor allem den kleinen Hügel vor ihrem Haus. Bergab aber rollt es von allein.

Der Morgen ist wie von Seide: Ein Sonnabend ohne Verpflichtung, die Sonne strahlt, die Luft ist sanft. In den Apfelbäumen beschäftigt sich ein Meisenpaar mit der Erziehung seiner zweiten Brut. Der gewissenhafte Ernst, mit dem die kleinen Wesen ihr Geschäft betreiben, hat etwas Rührendes. Susanna vertreibt die Wolke Melancholie, die sich auf ihre Seele setzen will und wirft den eifrigen Eltern ein paar fröhliche Grüße zu.

Die Straße führt durch erntereife Felder, ein paar späte Kornblumen leuchten blau, und wenn Susanna jetzt einen Hut hätte, sie würfe ihn in die Luft. Es gibt solche Tage. Sie sind selten genug.

Nach einem heiteren Plausch mit der Bäckersfrau nennt sie einen Beutel Semmeln ihr Eigen und macht sich auf den Heimweg. Obwohl sie sich auf den Honig freut, den Elvira, wie sie vermutet, in genau diesem Moment auf den Tisch stellt, hat sie zu Eile keinen Anlaß. Mit weit geöffneten Nasenflügeln saugt sie die herrliche Ernteluft ein. Gemütlich rollt sie mitten auf der Straße ihrem Heim zu, bis sie den großen schwarzen Wagen hinter sich bemerkt. Sie rückt brav zur Seite und winkt den Großen fröhlich vorüber. Der Fahrer tritt aufs Gaspedal und ist mit einem Satz an ihr vorbei. Benommen blinzelt sie in seine Staubwolke.

Wie sie um die Kurve rollt, steht das schwarze Dings vor ihrer Einfahrt. Sie steigt ab, zwängt sich an dem Koloß vorbei. Da bemerkt sie den Fahrer, der sich am Tor zum Nachbargarten zu schaffen macht.

Ach, guten Morgen, Herr Einhorn, ruft sie fröhlich, ist das nicht ein herrlicher Tag heute!

Eisborn, knurrt der Angesprochene zurück.

Oh, Entschuldigung! Guten Morgen, Herr Eisborn, ist das nicht ein herrlicher Tag heute?

Frauen, antwortet der Nachbar und richtet sich zu ganzer Größe auf, Frauen machen ja ohnehin alles falsch, aber im Straßenverkehr sind sie unerträglich. Besonders auf Fahrrädern!

Susanna stutzt einen Moment. Recht haben Sie, Herr Einhorn, sagt sie dann. Wissen Sie, ich sage immer, Frauen sollte die Teilnahme am Straßenverkehr gesetzlich verboten werden. Sie können ja mal ein Gesetz einbringen, Sie sind doch Fraktionär, oder?

Sie schwingt sich in den Sattel und nimmt spielend den kleinen Anstieg zum Haus hinauf, ohne sich weiter umzublicken.

Leute gibt’s, sagt Susanna, und steigt, ohne sich um die Blicke der Neugierigen zu kümmern, ins Bad, während Elvira auf der Terrasse den Tisch fertig deckt. Das Einhorn knabbert inzwischen an der neuen Rose …

Thomas Gerlach

Ehrendes Gedenken an den europäischen Gartenkünstler Carl Eduard Adolph Petzold

Zu den vier bedeutendsten Vertretern der Periode des Landschaftsgartens in der europäischen Gartenkunst neben Friedrich Ludwig von Sckell ( 1750 – 1823 ), Hermann Ludwig Heinrich Fürst Pückler von Muskau ( 1785 – 1871 ) und Peter Joseph Lenne‘ ( 1789 – 1866 ) zählt Carl Eduard Adolph Petzold ( 1815 – 1891 ). Somit ist er einer der renommiertesten deutschen Gartenkünstler des 19. Jahrhunderts. Petzold schuf rund 170 Park- und Gartenanlagen in Polen, in Holland, in Deutschland, in Tschechien, in Österreich, in Bulgarien und in der Türkei. Von ihm erschienen mehr als 30 Publikationen. Petzold wurde am 14.01.1815 in Königswalde ( poln. Lubniewice ) als vierter Sohn in erster Ehe des Pfarrers Carl Friedrich Petzold ( 1783 – 1866 ) und seiner Frau Christiane ( 1789 – 1815 ) geboren. Am 10.08.1891 starb er in Dresden – Blasewitz und wurde neben seiner zweiten Frau Mathilde Friederike Amalie Petzold geb. Eiserhardt ( 1825 – 1881 ) auf dem Tolkewitzer Johannisfriedhof beigesetzt. Zehn Jahre vorher starben bereits am 08. September sein langjähriger Dienstherr ab 1852 Prinz Friedrich der Niederlande ( 1797 – 1881 ) und am 25. Oktober seine Frau. Nachdem der Prinz Petzold am 01.09.1852 als königlich niederländischen Garteninspektor in seiner freien Standesherrschaft Muskau ernannt hatte, wurde er 1854 erstmalig in die Niederlande zur Überplanung der 2.000 Hektar umfassendem Besitzungen bei De Paauw gerufen. Am 10. Juli 1872 berief der Prinz ihn zum Königlichen Park- und Gartendirektor der Niederlande und ihm damit als ersten deutschen Gartenkünstler dieses Amt in den Niederlanden übertrug. Daneben durfte Petzold als selbständiger Landschaftsgärtner tätig sein. Im Juli 1878 schied er aus den Diensten des Prinzen Friedrich der Niederlande. 1982 zog Petzold mit seinem Sohn Walter nach Dresden und erwarb im Oktober 1883 ein Grundstück in Blasewitz in der damaligen Friedrich – August – Strasse der heutigen Prellerstrasse neben seinem Freund Friedrich Preller d. J. zum Bau eines Hauses. Dieses war im Juli 1884 bereits bezugsfertig. Später vermutlich kriegszerstört.
Als europaweit sehr angesehener Gartenkünstler trat Petzold nur gutachterlich 1885 zum Waldpark Blasewitz in Erscheinung. Dazu sind keine Unterlagen erhalten geblieben. Vermutlich ging es dabei um einen Sichtachsenfächer zu markanten Geländepunkten auf den Loschwitzer Höhen.

Eduard Petzold, um 1890
Foto: Archiv Walter Gresky, Baden-Baden


Zu seinem 129. Todestag gibt es am 9. August bereits ab 17 Uhr eine Gedenkvortrags- und Benefizveranstaltung im „ Luisenhof „ zu seinem Wirken in Niederschlesien und in Sachsen als Fachvortrag des Petzoldexperten und wissenschaftlichen Referenten für Gartenkunst Dipl. Ing. Volker A. W. Wittich. Tags darauf dann um 14 Uhr ein ehrendes Gedenken an seiner europäisch bedeutsamen Gedenk- und Doppelgrabstätte auf dem Johannisfriedhof unweit vom Gedenkhain in Dresden – Tolkewitz.

(Noch) unsaniertes Grab- und Gedenkkreuz
Foto: V. Wittich


Foto: V. Wittich


Herzlich Willkommen zu beiden Gedenkveranstaltungen für diesen großartigen europäischen Gartenkünstler C. E. A. Petzold!

Volker A.W. Wittich

Aus Eins mach Vier, gib Binsenkraut…

Der neulich vom Bildungs-, Kultur- und Sozialausschusses (BKSA) gefasste Beschluss zum „Geschäftsbesorgungsvertrag Touristischer Informationspunkt Radebeul West“ besagt nichts anderes, als dass in den seit einiger Zeit etwas verwaisten „Bürgertreff“ ein „touristischer Servicepunkt der Stadt Radebeul“ einziehen soll. Der oben erwähnte Geschäftsbesorgungsvertrag wird dazu mit der Redaktions- und Verlagsgesellschaft Elbland mbH geschlossen, die ebenfalls einzieht. In dem ehemaligen Laden wird künftig auch die Sanierungsbeauftragte ein Plätzchen erhalten und selbstverständlich soll er weiterhin als Bürgertreff zur Verfügung stehen.

Als ich diese Zeilen aus der Beschlussvorlage des BKSA 04/20-19/24 vom 23. Juni dieses Jahres gelesen hatte, schwirrte mir der der Kopf und sofort kam mir die Zeitungsmeldung über die geplante Liquidierung der preußischen Kulturstiftung in den Sinn. Die Kulturstaatsministerin Grütters hatte mit dem Spruch „Aus eins mach vier“ für das fragwürdige Vorhaben geworben.

Nach solchen Meldungen drängen sich einem so allerhand Gedanken auf. Um was geht es hier eigentlich? Alle wollen, ja brauchen vermutlich ein Dach überm Kopf. Aber Dächer sind nun mal in der Bahnhofstraße rar, weil die meisten davon fremden Menschen gehören. Und da drängt sich schon wieder eine Frage auf: Warum eigentlich muss die Stadt die wenigen eigenen Dächer an Fremde vermieten, statt sie selbst zu nutzen? Dies scheint überhaupt so eine Marotte der Stadtverwaltung zu sein. Lieber zieht man irgendwo mit seinen Abteilungen zur Miete ein, als die eigenen Immobilen dafür zu verwenden. Die werden allzu gern an Fremde verpachtet, vermietet oder gar verkauft. Das verstehe wer will…

Ein Dach überm Kopf zu haben ist heutzutage schon von existenzieller Bedeutung, schließlich kann man sich nicht irgendwo eine Hütte bauen oder gar in einer Höhle hausen. Jeder Mensch, aber auch jede Einrichtung braucht gewissermaßen eine Behausung, eine schützende Hülle. Und natürlich muß die Hülle auch einen Hausherren oder eine Hausfrau haben. Aber wie das halt so ist, hier fängt es an kompliziert zu werden. Auf den wenigen Quadratmetern in der Bahnhofstraße Nr. 8 werden sich künftig vier Herrinnen oder Herren drängen. Sicher sind sie nicht Eigentümer dieser Räume, aber immerhin… In diesem Zusammenhang fällt mir doch glatt das altdeutsche Sprichwort „Ein Haus leidet keine zwei Herren.“ ein. Da bin ich mal gespannt, wie das alles zusammengehen soll. Mein Orakel prophezeit Ungemach. Die DDR wollte sich auch immer selber überholen. Vor lauter Rennerei ist ihr am Ende die Puste ausgegangen. Da befürchte ich, dass es auch diesmal nichts mit der „eierlegenden Woll-Milch-Sau“ werden wird. Dabei wurde der „Bürgertreff“ erst im Januar 2017 vom Radebeuler Oberbürgermeister mit sichtlichem Stolz eröffnet und im Laufe der Zeit so perfekt eingerichtet, dass er multifunktionell genutzt werden konnte. Und was hat hier nicht alles stattgefunden! Zahlreiche Ausstellungen, Figurentheatervorstellungen, Talkrunden, Informationsveranstaltungen und Beratungen wurden durchgeführt. Ein Bürgerservice sowie Kinder- und Stadtteilfeste wurden organisiert und die Räume gar an Dritten für eigene Veranstaltungen vergeben.

Mit den häufigen personellen Wechseln flauten die Aktivitäten zusehends ab. Was zu Beginn fast reibungslos lief, entwickelte sich sukzessive zum Störfall. Der Beschluss des Bildungs-, Kultur- und Sozialausschusses kam dann ziemlich abrupt, sodass ich fast vom Hocker gerutscht wäre. Plötzlich soll die ganze Ausstattung entfernt und der Laden neu eingerichtet werden, vermutlich vom Feinsten. Und wohin mit den Bürgern und den „Gelben Säcken“? Sie erinnern sich, dass jeden Mittwoch ein gesprächsbereites „Kommunikationsteam“ unter anderem die heiß begehrte „Ware“ austeilte und dafür auch Ideen einsammelte? Aber vielleicht wird das ja eine Aufgabe dieser neuen Einrichtung, die gewissermaßen auch zum Servicepunkt des ganzen Sanierungsgebietes Radebeul-West erklärt wurde. Nur vom Sanierungsgebiet selber erfährt man in letzter Zeit relativ wenig, wenn man mal von den wunderlichen Vorschlägen für die Verkehrsplanung um die Bahnhofstraße absieht. Ich spüre schon förmlich, wie die Herzen der Händler und Gastronomen höher schlagen werden…

Damit nun auch jedem klar wird, um was es hier eigentlich geht, will ich für unsere Leserinnen und Leser den vollen Wortlaut des Beschlusses wiedergeben:

„Der Bildungs-, Kultur- und Sozialausschuss beschließt in weiterer Umsetzung der Grundsatzentscheidung des Stadtrates zum zukünftigen Standort der Radebeuler Tourist-Information sowie zur Struktur der touristischen Gästebetreuung (SR 21/13-09/14 vom 29.05.2013) und analog zum Geschäftsbesorgungsvertrag zum Betreiben des touristischen Servicepunkts in der Hoflößnitz und Auslobung der Betreibung eines weiteren in Radebeul-Kötzschenbroda (BKSA 01/16-14/19) den Abschluss eines Geschäftsbesorgungsvertrages zum Betreiben eines touristischen Servicepunktes der Stadt Radebeul als integraler Bestandteil des Sanierungskonzeptes bzw. des Händlerleitbildes in Radebeul Kötzschenbroda der Redaktions- und Verlagsgesellschaft Elbland mbH anzutragen. Der Geschäftsbesorgungsvertrag soll im Jahr 2022 evaluiert werden.“ Alles klar?!

Euer Motzi

Die große Treppe – auch als Spitzhaustreppe bekannt

Im Aprilheft von V&R 2019 hatte Herr Axel Fricke – wir kennen uns nicht – begeistert über die Treppe geschrieben, jedoch weniger über das Kulturdenkmal, sondern mehr über den Sport, der da betrieben wird. Er ist offensichtlich jung, treibt selbst Sport und spricht vom sächsischen Mt. Everest Treppenmarathon, aus seinem Blickwinkel ist das völlig okay. Wenn er aber August den Starken und dessen Baumeister Pöppelmann direkt mit dieser Treppe in Verbindung bringt, sollte man das, wie ich glaube, ein wenig genauer betrachten. Da ich schon etwas länger hier wohne, möchte ich Herrn Fricke als einem eventuell Zugezogenen und allen anderen Freunden der Vorschau die lange Geschichte der Spitzhaustreppe in kürzer Form darlegen.

Die ehemals churfürstlichen Besitztümer in der Lößnitz, Haus Hoflößnitz und Spitzhaus, existierten bereits, als man in den 20er Jahren des 18. Jh. auf die Idee kam, beide Objekte durch eine möglichst bequeme Treppe zu verbinden. Der steile, mit Wein bestockte Hang ließ damals eine Wege- oder Straßenverbindung nicht zu. In eine erste Skizze zu einer Treppe soll August der Starke eigenhändig eine Korrektur eingetragen haben. Zu Lebzeiten, er starb 1733, konnte er aber noch kein Baugeschehen an dieser Treppe gesehen haben. Sicherlich war der Hofarchitekt Matthäus Daniel Pöppelmann (1662-1736) in die Vorgespräche und Skizzen einbezogen gewesen, aber es war nicht sein Projekt für eine große Treppe, das dann endlich von 1747-1750 realisiert worden war. Das Projekt für die barocke Treppe wird viel mehr dem Architekten Johann Christoph Knöffel (1686-1752) zugeschrieben. Die Geschichte bis dahin ist nicht restlos gesichert, so viel steht aber fest, es war nicht August des Starken Treppe, allenfalls die seines Sohnes und er kann diese nicht begangen haben. Wie die fertiggestellte barocke Treppe im Detail ausgesehen hat, ist heute kaum noch nachzuvollziehen, jedenfalls hatte sie unregelmäßig lange Treppenabschnitte. 1751 erhielt die Treppe mit dem Muschelpavillon einen oberen Abschluß, einen Zielpunkt für die Aufsteigenden.

Nach knapp hundert Jahren Benutzung der Spitzhaustreppe muß sie aber sehr schlecht beschaffen gewesen sein, denn der Landbaumeister Carl Moritz Haenel (1809-1880) erhielt 1845 den Auftrag, diese in Stand zu setzen. Daraus wurde aber ein neues Projekt mit geänderten Treppenabschnitten und Absätzen – erst zum Zeitpunkt 1845/46 konnte also von der sogenannten Jahrestreppe mit Abschnitten von je sieben Stufen gesprochen werden! Wenn man weiß, wo man zu zählen beginnen muß, bekommt man mit 52×7=364 ein ideales Jahr heraus. Haenels neue Treppe wirkte nun strenger und regelmäßiger als die alte Treppe, sie trug klassizistische Merkmale. Zum Ensemble der großen Treppe kam 1923 dann noch der gestaltete Torbogen zum Weinberg „Goldener Wagen“ dazu. Wenn man den Muschelpavillon als Endpunkt der Treppe betrachtet, müssen wir beim Torbogen vom Anfangspunkt sprechen.

Seit 1846 gingen reichlich 100 Jahre ins Land, in denen die große Treppe genutzt wurde aber immer nur kleinere Reparaturen ausgeführt worden waren. Ich erinnere mich, dass um 1970 die Spitzhaustreppe in einem fast unbegehbaren Zustand war, es bestand akute Unfallgefahr. Die Ursachen sind wohl im Baugrund, in der Wirkung von Oberflächenwasser und auch unterirdischen Wasseradern zu suchen – natürlich war es kühn gewesen, diese Treppe so in den Steilhang zu setzen. 1971 schließlich rief der Rat der Stadt Radebeul die Bevölkerung zu einer Masseninitiative zur Rettung der Treppe auf. Und ich war auch dabei: Unkraut jäten und Büsche roden, einzelne Sandsteinstufen geraderücken und ein paar Fugen zuputzen. Zu einer grundhaften Instandsetzung aber taugte diese Initiative natürlich nicht.

Nach der politischen Wende 1989 kam bald der Wunsch auf, die für Gäste unserer Stadt aber auch für die Einwohner Radebeuls selbst wichtige Treppe bald in einen besseren Zustand zu versetzen. Schließlich war sie ein touristischer Höhepunkt und ein Kulturdenkmal und es bestanden nun technische und wirtschaftliche Möglichkeiten so eine Aufgabe anzugehen. Die Baumaßnahme erstreckte sich über die Jahre 1991/92. Zunächst wurden die wenigen noch intakten Sandsteinstufen von 1845 geborgen und unterhalb der Hoflößnitz als Ergänzung einer anderen Treppe eingebaut. Dann sah das Projekt den Abbruch der Treppenreste und den Bau einer Seilbahn für Materialtransporte vor. Es folgten Drainagen, Baugrundverfestigung und Fundamente und schließlich der Einbau neuer Treppenstufen, Podeste und Ruhebänke aus festem Postaer Sandstein. Komplettiert wurde die neue Treppe mit beidseitigen eisernen Geländern und einer modernen elektrischen Beleuchtung. Das alles konnte die Stadt Radebeul nicht allein stemmen, sie bekam auch staatliche Fördermittel bewilligt. Zu dem Zeitpunkt ahnte hier keiner, dass die Treppe eines Tages für Sportwettkämpfe genutzt werden würde und es gab keine Fördermittel in dieser Richtung. Ob Fördermittel der Denkmalpflege eine Rolle gespielt haben, kann ich zZ. nicht beurteilen. Eine denkmalpflegerische Instandsetzung der vorgefundenen Treppe schied leider aus, weil deren Zustand so desolat war, dass sich die Beteiligten einig waren, dass hier nur ein Neubau nach altem Vorbild in Frage kam. Ja, die Freude über die neue alte Treppe zum Spitzhaus war damals überall in Radebeul zu spüren. Architekt Wolfram Sammler, im Ingenieurbüro Gütler Radebeul zuständig für die Gestaltung, hatte eine nette Idee als Zugabe beigesteuert. Ein von ihm gereimter Text zum Sinn der Jahrestreppe wurde als Bronzetafel(?) im unteren Abschnitt der Treppe angebracht.

Damit der Volksmund Recht behält,
wird künftig erst ab hier gezählt.
Von hier an ist es wirklich wahr,
bis oben hin ergibt‘s ein Jahr.

Aber es dauerte nicht lange, da war sie gestohlen – Souvenirjäger oder Buntmetalldiebe? Gleichwohl verabscheuenswürdig, wie auch andere Zerstörungen an Sandsteinteilen oder an der Beleuchtung. Inzwischen wurde eine neue Messingtafel mit gleichem Text angebracht, hoffen wir, dass sie länger erhalten bleibt. Mit der Zeit hat der helle Sandstein etwas Patina bekommen, heller wirken nur die bei steinmetzmäßigen Reparaturen eingesetzten Paßstücke an den Stufenkanten.

Dann aber, Herr Fricke sprach von 2005, hatten die Laufsportler die Treppe als Trainingsstrecke entdeckt. Aus Training wurde, logisch, ein Wettkampf auf der Treppe, meist im April jeden Jahres. Der Wettkampf wurde bald international als 24-Stunden-Lauf bekannt und entwickelte sich so zum Extremsport. Am Anfang schien das auch der Stadtverwaltung zu gefallen, trug es doch zur größeren Popularität Radebeuls bei. Wenn sich dieses Event dynamisch weiter entwickeln sollte, und das wünschen sich sicherlich die Veranstalter, droht in der sensiblen Lage von Landschafts- und Denkmalschutzgebiet etwas aus dem Ruder zu laufen. Unvorstellbar der Gedanke, es könnten einmal Zuschauertribünen seitlich der Treppe in den Weinberg gebaut werden und kurz darauf würde das Ganze vielleicht noch eine statisch geniale Überdachung erhalten und, und, und so weiter. Irgendwie ist das wie mit der alten Geschichte mit dem Geist in der Flasche, einmal herausgerufen kriegt man ihn nicht wieder in die Flasche. Wie mir kürzlich ein Anlieger an der Treppe erzählte, üben auf der Spitzhaustreppe nun gelegentlich auch „uniformierte Organe“, also Feuerwehr und Polizei, um im Ernstfall genug Kraft und Kondition zu haben. Wo trainiert eigentlich die Feuerwehr in den vielen Orten, die keine Spitzhaustreppe haben? Ganz sicher bin ich mir, dass August der Starke, als er hier von so einer Treppe träumte, nicht an ein Sportevent gedacht hatte.

Als „älteres Semester“ gönne ich es all denen, die mit Sport auf der Treppe Spaß und Ehrgeiz haben, Kampf und Sieg erleben wollen, darunter ein paar, die vielleicht Radebeul sonst nie kennen gelernt hätten, doch bei der Stadt sehe ich die Aufgabe, für diesen Treppensport das richtige Maß zu finden, keine bei anderen Sportarten üblichen Steigerungsraten (höher, schneller, weiter …) in dieser sensiblen Gegend zuzulassen und immer das Wohl der Stadt jederzeit im Auge zu behalten.

Dietrich Lohse

Fotos: D. Lohse

Verwendete Literatur:
„600 Jahre Hoflößnitz“, H. Magirius u. Autorenkollektiv, Michel Sandstein Verlag 2001

„Stadtlexikon Radebeul“, F. Andert u. Autorenkollektiv, Stadtarchiv Radebeul, 2005

„Denkmaltopografie Radebeul“, V. Helas, M. Müller, M. Nitzsche, Sax Verlag 2007

DIE HEILSGESCHICHTLICHE WINDROSE AUF DEM VORPLATZ DER NEUEN PETER PAULS-KIRCHE ZU COSWIG IN SACHSEN (Teil 2)

COSWIG – ALTE KIRCHE PETER UND PAUL 1497 N. CHR.

Schriftart: Renaissance Antiqua

Der Grundherr Nickel von Karras auf Coswig und seine Gattin Frau Anna von Pöllnitz stiften 1496 die Mittel zum Bau der Kirche. 1497 wird sie geweiht. Ihr Altar ist ein zierliches Kunstwerk dieser Zeit mit einem dreiteiligen Altaraufsatz: Im mittleren Schrein Maria mit dem Jesuskind, flankiert von den Nothelferinnen Barbara und Katharina; in den Seitenschreinen in zwei übereinander angebrachten Reihen die übrigen zwölf Nothelfer. Alle Figuren sind lebensecht geschnitzt (und waren farbig gefasst). Sie zeugen von natürlicher Frömmigkeit. (Die Figuren gingen leider durch Diebstahl verloren. Herr Lothar Holube hat sie originalgetreu nachgeschnitzt und die Repliken der Gemeinde geschenkt.)

Die Bewohner von Coswig und Kötitz, vor dem Bau der Kirche in Kötzschenbroda eingepfarrt, bilden Dank der Stiftung seit 1597 die Kirchgemeinde Coswig. Seit 1597 feiert die Gemeinde den Gottesdienst nach der lutherischen Ordnung. (3)

FULDA – DOM 751 N. CHR.

Schriftart: Römische Uniziala

Im Auftrag von Erzbischof Bonifatius wird 744 von dessen Schüler Sturmius das Kloster Fulda gegründet. 751 erfolgt die Grundsteinlegung des Domes. Im gleichen Jahr wird auf Antrag von Bonifatius das Kloster durch Papst Zacharias aus der lokalen bischöflichen Leitung gelöst und dem Papst direkt unterstellt; dadurch erhält es überregionalen Rang.

Zur Vorgeschichte: Die Erhebung des Klosters Fulda ist das Ergebnis von über 30 Jahren Missionsarbeit. 718 legt Wynfred, der Abt von Nursling (Südengland), sein Amt nieder, um sich der Missionsarbeit in Franken zu widmen. Er reist nach Rom. Papst Gregor II. erteilt ihm 719 die Missionsvollmacht für Germanien und verleiht ihm den Namen Bonifatius.
In Franken übt Karl Martell die Regierungsgewalt aus. Er führt Kriege zur Einigung des Frankenreiches. 732 schlägt er die eingedrungenen Berber und Araber bei Pointirs. Er ist an einer streng geführten Landeskirche interessiert und unterstützt die Missionsarbeit.

Bonifatius missioniert zunächst östlich des Rheins. Er weiht u.a. Kirche und Kloster in Fitzlar, die Johanneskirche in Altenbergen, die Klöster in Ohrdruf und Amöneburg – auch in Erfurt und Salzburg – und setzt Äbte ein. Später, als Erzbischof, ist er für die Kirche im gesamten Frankenreich verantwortlich.

Nach 741 baut Bonifatius, unterstützt von Karlmann, dem Sohn und Nachfolger Karl Martells, die Struktur der fränkischen Kirche auf, ein Netzwerk von Bischofsitzen, das über Fulda mit Rom verbunden ist.

Die Gründung des Klosters Fulda 744 und die Verleihung des Zachariasprivilegs 751 sind Höhepunkte im Schaffen von Bonifatius. Danach zieht er sich von seinen Ämtern zurück. Der Achtzigjährige geht noch einmal als Missionar nach Friesland. – Am 5. Juni 754 (oder 755) wird er auf dem Weg zu einer Firmung friesischer Christen zusammen mit seinen 50 Begleitern von Heiden erschlagen. Sein Leib ist im Dom zu Fulda beigesetzt.

Karl Martell und Bonifatius haben das Frankenreich vom Mittelmeer bis zum Atlantik und von den Pyrenäen bis zur Saale politisch und religiös geeint und damit die Grundlage der einheitlichen europäischen Kultur geschaffen.

(http//www,credodox.de/bistum1.htm, 11.07.2016)
(https//de.wikipedia.org/wiki/Karl_Martell, 25.05.17)
(https//de.wikipedia.org/wiki/Bonifatius, 06.03.17)

ROM – PETERSKIRCHE 350 N. CHR.

Schriftart: Römische Capitalis monumentalis

Der Vorgängerbau der heutigen Peterskirche wird im Auftrag Kaiser Konstantins d. Großen (Regierungszeit 306-337 n. Chr.) 322 n. Chr. als fünfschiffige Basilika erbaut. Die Weihe erfolgt 326 n. Chr. durch Papst Silvester I., die Fertigstellung um 350 n. Chr.. Mit diesem Kirchenbau setzt er ein Zeichen; er ist bemüht, das Zentrum des Christentums von Konstantinopel nach Rom zu holen, will die christliche Religion im Römischen Reich zur Staatsreligion erheben. Das erreicht aber erst 380 n. Chr. Kaiser Theodosius I., der in einem Edikt an die Gesamtbevölkerung des Römischen Reiches das nicaeanische Christentum zur Staatsreligion erklärt.

(http://de.wikipedia.org/wiki/Petersdom)

JESUS – 30 N. CHR. „ICH LEBE UND IHR SOLLT AUCH LEBEN“

Schriftart: Römische Capitalis monumentalis

Diese schlichten, Trost spendenden Worte Jesu Christi aus den Abschiedsreden (Johannes 14, 19) wählt Heinz Koop, um Jesus Christus zu charakterisieren: Jesus aus Nazareth heilt Kranke, lehrt Nächstenliebe und Gottvertrauen, verkündet das Reich Gottes und das ewige Leben auf der Basis der jüdischen Religion. – Die Hohenpriester der Juden in Jerusalem erzwingen zusammen mit ihren Knechten beim römischen Prokurator Pontius Pilatus seine Hinrichtung, die Jesus mit der festen Überzeugung, dass ihn der allmächtige Vater im Himmel erwartet, als Opfertod auf sich nimmt (Johannes 19,12). Jesus Christus wird 30 n. Chr. in Jerusalem gekreuzigt. – Mit seinem Handeln, seinen Predigten und seinem Vorbild formt er das Ethos der christlichen Religion. Sein Bruder Jakobus führt die Bewegung weiter und legt den Grundstein für die erste christliche Gemeinde.

((8) (Gal. 1,19) (Apg. 12.17) (Apg. 21, 15-26))

JERUSALEM – TEMPEL 955 V. CHR.

Schriftart: Hebräisch, Römische Capitalis monumentalis

Gestützt auf die politische und wirtschaftliche Macht, die sein Vater König David (1040 – 965/964 v. Chr.) für Israel erkämpft hat, errichtet König Salomo (965-926 v. Chr.) das Gotteshaus und schafft damit ein religiöses Zentrum. Die Bauzeit beträgt 7 Jahre. Bau und Logistik sind bewundernswert.) ((8) (3 Könige (1 KG) 5-6) (2 Chronik 3-5))

Durch den Tempel verbindet Salomo erstmalig die Gläubigen zu einer großen, an ein Gotteshaus gebundenen Gemeinde. Gott erneuert seinen Bund mit dem Volk Israel. (1. Könige, 6) „Und das Wort des Herrn ging an Salomo: „Mit dem Haus, das du baust, verhält es sich so: Wandle in meinen Satzungen, befolge meine Vorschriften, beachte meine Befehle und wandle nach ihnen! Dann werde ich mein Wort an dir in Erfüllung gehen lassen, das ich zu deinem Vater David gesprochen habe: Ich werde inmitten der Israeliten wohnen und mein Volk Israel nicht im Stich lassen!“ ((8) (3 Könige (1 KG) 11-13))

KONSTANTINOPEL – HAGIA SOPHIA 360 N. CHR.

Schriftart: Griechisch

Unter Kaiser Konstantin dem Großen wird Konstantinopel ein Zentrum des Römischen Reiches und des Christentums. 325 n. Chr. findet unter seinem Vorsitz das Konzil von Nicaea statt; im Streit mit den Arianern entscheidet er: Christus ist Gottes Sohn und Gott gleich. In Konstantinopel fördert er eine reiche Bautätigkeit, auch von Kirchen. 360 n. Chr. wird als christliche Kirche die erste Hagia Sophia errichtet. Das Konzil von Konstantinopel (381 n. Chr.) formuliert das christliche Trinitätsdogma und das „nicaeano-konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis“, das im Wesentlichen heute noch gilt.

(http:geschichtsverein-könige.de.htm 10.01.2017)

UR – ABRAHAM 1700 V. CHR. ERZVÄTER

Schriftart: Keilschrift

Ur am Euphrat in Babylonien – heute eine Grabungsstätte in der Republik Irak – ist die Geburtsstadt Abrahams ((8) (Genesis 11)). Um 1700 v. Chr. verlässt er Ur. Gott schließt mit Abraham ein Bündnis: „ … da erschien ihm der Herr und sprach zu ihm: „Ich bin der Höchste Gott; wandle vor mir und sei ungeteilt mit mir. Ich will einen Bund zwischen mir und dir stiften und will dich überaus zahlreich machen.“ … „Fortan soll dein Name nicht mehr Abram heißen, sondern Abraham, denn zum Vater einer Völkermenge will ich dich bestellen.“ ((8) (Genesis 17)). Das ist der Ursprung der jüdischen, christlichen und mohammedanischen Religion. Abraham, sein Sohn Isaak und sein Enkel Jacob werden als die Erzväter bezeichnet.

Brigitte & Siegfried Grunert

Quellen

3. Mai, Hartmut: Alte und Neue Peter Pauls-Kirche Coswig. DKV-Kunstführer

8. Die Heilige Schrift des Alten und Neuen Testamentes, vollständige Ausgabe nach den Grundtexten übersetzt und herausgegeben von Prof. Dr. Vinzenz Hamp, Prof. Dr. Meinrad Stenzel, Prof. Dr. Josef Kürzinger. Weltbild Verlag GmbH 1998 Augsburg. ISBN 3-89604-609-8.

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