Editorial April 2014

Mein Arbeitsweg führt mich vorwiegend die Meißner Straße entlang. Trotz des immer gleichen Weges hab‘ ich noch ein Auge für Veränderungen rechts und links der Fahrbahn. So hoffte ich schon lange, dass sich für eine kleine aber feine, leider über die Jahre sehr gealterte Villa gegenüber des „Autohauses Gommlich“ ein Liebhaber findet, der sich des Anwesens annimmt. Vergangene Woche war es dann soweit. Der „Liebhaber“ kam, allerdings mit dem Bagger und wie immer, nichts geht so schnell wie ein Abriss, waren nur noch Schutt und alte Holzbalken zu sehen. Schade, sehr schade! So ist wieder im „Sächsischen Nizza“ ein auch noch im beginnenden Zerfall schönes Haus dem Erdboden gleich gemacht, obwohl es unter Denkmalschutz stand! Weiter fahre ich stadtauswärts, 1 km links: Ein solides zweistöckiges Wohnhaus schon entkernt, neben einem nun schon leergeräumten Gelände. Die Fensteröffnungen geben den Blick ins Innere frei. Ich vermute, auch da rollt der Bagger demnächst an, genauso wie auf dem Grundstück nach dem „Glasinvest-Hochhaus“.nAuch zwei schöne alte Wohnhäuser hinweggefegt. Baustoffsammler hatten ihre Freude an den alten Sandsteinen und Fliesen.
Und so gehen immer mehr, das besondere Milieu prägende Häuser verloren, ganz zu schweigen von alten Bäumen, Gärten und anderen auch stadtökologisch wertvollen Freiflächen.
Nicht nur ich bedaure das sehr. Vor allem weil oftmals die neuen Bauten, wenn sie denn überhaupt entstehen (von manchen leergeräumten Stellen hat die Natur schon Besitz ergriffen, siehe Gelände des  ehemaligen Gasthofes Naundorf), so beliebig und oft auch 0-8-15 sind. Gewinnstreben Einzelner dominiert da, wo eigentlich liebevolles und geschicktes Verbinden von Altem und Neuem mit gestalterischen Anspruch nötig wäre – für umfassende Lebensqualität in Radebeul, der viel gepriesenen Gartenstadt.
Wie kann das geändert werden?
Eigentum verpflichtet, Radebeul verpflichtet!

Ilona Rau

Zum Titelbild März 2014

„Der Elefant hats angenehm.
Er kann in Ruhe und bequem
die Abendzeitung lesen
und hat trotz alledem dabei
noch seine beiden Hände frei
zum Trinken und zum Essen.“

Diesen lustigen Vers hatte Rolf Ihme zur Tierkarikatur von Lieselotte Poser gereimt, welche die Titelseite unserer Märzausgabe schmückt. Entstanden sind die Zeichnung und der Text allerdings schon 1946/47 für die Tanzstundenzeitung „Hofball bei König Nobel“, deren Motto auf den Epos „Reineke Fuchs“ anspielen sollte. Allerdings ließen die beiden Kunststudenten ihrer Phantasie freien Lauf und erweiterten den Hofstaat um Abendzeitung lesende Elefanten, Suppe schlürfende Giraffen und anderes Getier mit recht fragwürdiger Tischkultur. Trotz der Patina, die die Tanzstundenzeitung nach fast sieben Jahrzehnten angesetzt hat, wirkt sie bis heute sehr originell, heiter und erfrischend.
Während Lieselotte Poser nach dem Studium an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst eine künstlerische Laufbahn einschlug, arbeitete der gelernte Lithograph Rolf Ihme später als Lehrer.

Karin (Gerhardt) Baum

Denkmalausstellung im Kulturbahnhof Radebeul Ost

Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (kurz DSD) mit Sitz in Bonn hatte zum 5. Februar 2014 zur Eröffnung ihrer Wanderausstellung „Seht, welch kostbares Erbe!“ nach Radebeul eingeladen. Und viele interessierte Besucher kamen, fast zu viele möchte man sagen, denn nicht alle fanden im Vortragsraum der Stadtbibliothek Platz.
Als Gastgeber sozusagen begann Herr Dr. Müller, 1. Bürgermeister in Radebeul, die Begrüßungsreden und dankte der DSD für die Förderung einiger Radebeuler Kulturdenkmale, u.a. der Weinbergstraße 10 und der Ludwig-Richter-Allee 17. Mehr »

„Schwabbulös und kugelrund“:

Ungewöhnliche Ausstellung anlässlich 20 Jahre Keramikstudio Ines Hoferick

Was ist eigentlich „schwabbulös“? Zum ersten: Ein typisches Ines-Hoferick-Wort. Im Überschwang der Gefühle greift die Radebeuler Keramikerin gern in die Vollen, erfindet Worte, die es laut Duden gar nicht gibt, die jedoch lautmalerisch genau das ausdrücken, was sie meinen. Mehr »

Generationenkonflikte

Zur Premiere von Lear, König am 15./16. 2. an den Landesbühnen Sachsen

Als William Shakespeare 1605 King Lear schrieb, stand er bereits in seinem fünften Lebensjahrzehnt und war ein arrivierter Dramenautor. Gemessen an dem, was man als Mensch im spätmittelalterlichen Europa als durchschnittliche Lebensdauer erwarten durfte, hatte Shakespeare sein Leben fast schon ausgekostet und damit etwas erreicht, was er vielen seiner Dramenfiguren verwehrt: das Überschreiten der Lebensmitte, die damals bei etwa 30-35 Jahren zu veranschlagen war. Mehr »

„Der erste Eindruck ist der Beste!“

Günter Schreiber stellt im Coswiger Museum Karrasburg aus

Argwöhnisch und zum sofortigen Angriff bereit bewacht der Patriarch sein Häuschen. Am Fenster zeigt sich eine nackte Schöne, auf dem Dach üben sich noch weitere Grazien in allerlei erotischen Posen. „My Home Is My Castle“ könnte der Titel des Bildes lauten, doch das wäre zu eindeutig. Der direkte Weg aber ist Günter Schreibers Sache nicht. Er denkt um die Ecke und verbirgt in seinen Bildern manch durchaus kompliziertes Rätsel. „70 + 1“ hat der in Meißen gebürtige Künstler seine Ausstellung überschrieben, die am Abend des 14. Februar 2014 im Coswiger Museum Karrasburg eröffnet wurde. So hintersinnig wie ihr Titel ist aber auch der Inhalt dieser Ausstellung. Denn sie fordert neben einer notwendigen Ästhetik des Betrachtens zugleich auch immer die Fantasie des Besuchers heraus.

»Der erste Eindruck ist der Beste«, Radierung

»Der erste Eindruck ist der Beste«, Radierung

Wie zum Beispiel durch die Aquatinta-Grafik mit dem sinnigen Titel „Lästige Brührung“. Darin trifft der Friede (Pferd) auf den Krieg (Düsenjet). Glücklicherweise bleibt es nur bei einer eher flüchtigen Begegnung. Oder das Ölbild, auf dem ein geflügeltes Pferd (Öl/2014) seinen Reiter abwirft, die Flügel ausbreitet und endlich „frei“ von seiner Last ist. Pegasus lässt grüßen. Auch jene wundervoll hässlichen „Drei Grazien“ (Öl/2014), die sich ihre Unansehnlichkeit schönreden und sich so im Eigenlob sonnen. Sich selbst hat der Maler ebenfalls auf einem seiner Bilder in der Ausstellung untergebracht. „Selbst – Im Kreise der Freunde“ hat er das Ölbild unterschrieben. Die Freunde aber sehen weniger wie solche sondern eher wie das krasse Gegenteil aus. Schließlich sei noch jene Grafik erwähnt, der Günter Schreiber den Titel „Der erste Eindruck ist der beste“ gegeben hat und die ein besonders groteskes Beispiel für die Überheblichkeit des homo sapiens gegenüber der eigenen Art abliefert.

»Frei«, Öl, 2014

»Frei«, Öl, 2014

Egal, mit welcher Einstellung  und von welcher Seite sich der Betrachter den Bildern von Günter Schreiber nähert. Hintersinnig sind sie immer; die grafischen und malerischen Impressionen des im Jahre 1943 gebürtigen Meißners, der zunächst den Berufs des Graveurs erlernte und dann in den Jahren 1970 bis 75 an der Dresdner HfBK ein Studium der Wandmalerei absolvierte. In die Praxis entlassen arbeitete er in den 1980-iger Jahren u.a. am Wiederaufbau bzw. an der Restaurierung  der Semperoper mit, vermittelte seine Erfahrungen als Lehrer an junge Menschen und ist seit 2008 als Restaurator tätig.

»Drei Grazien«, Öl, 2013

»Drei Grazien«, Öl, 2013

Die Ausstellung in der Coswiger Karrasburg zeigt einen repräsentativen Querschnitt des gesamten Werkes von Günter Schreiber, dass sowohl die Malerei als auch die Grafik (mit all ihren verschiedenen Möglichkeiten) beinhaltet.

»Selbst – Im Kreis der Freunde«, Öl, 2013

»Selbst – Im Kreis der Freunde«, Öl, 2013

Wolfgang Zimmermann

Der Verein im Jahre 2014

Der Verein wird sich auch in diesem Jahr wieder in die städtebauliche Diskussion einbringen und versuchen, weiterhin Fürsprecher unserer Denkmale und des Stadtbildes, aber auch offen für Neues zu sein. Entsprechend ist unser Programm gestaltet, zu dem wir herzlich einladen. Als Moderator und Impulsgeber verstehen wir uns insbesondere beim zweiten Forum Was macht Radebeul aus; diesmal unter dem Thema „Wohin führt uns die Meißner Straße“. Diese ist ein Brennpunkt in der Verkehrsdiskussion und an sie sind viele Erwartungen gerichtet: sie soll den Verkehr bündeln und Ausweichverkehr vermeiden, überregionalen Verkehr durch die Stadt leiten und den Touristen als sächsische Weinstraße durch Radebeul führen. Da wir aber ein überkommenes Straßennetz haben und zum Glück keine großen Zerstörungen hinnehmen mussten, sind in vielen Bereichen die Ausbauquerschnitte erreicht. Gleichzeitig haben viele Familien mehr als einen PKW, wird der öffentliche Nahverkehr weiterhin stark nachgefragt und fahren wir wie auch unsere Kinder gern Rad. So bleibt als Alternative, neben einer guten Straßenqualität, oftmals nur, Rücksicht zu nehmen, rechtzeitig loszufahren, das „Immer mehr“ des täglichen Wollens nicht im Straßenverkehr für sich herauszufahren. Aus diesen Gedanken heraus erscheint es wichtig, dass wir unser Leitbild, unsere Vision der Meißner Straße fortentwickeln: für wen soll und kann sie da sein (z. B. Schwerlastverkehr, öffentlicher Personennahverkehr, PKW-Verkehr, Radverkehr, Handel, Wirtschaft, Wohnbebauung, Weinstraße, Aus- und Eingangstor zu Dresden und Coswig). Es sollte uns dabei nicht stören, dass ein Ziel vielleicht niemals ganz erreichbar ist, das Leben stets Abweichungen bereithält und manches nur für Teile zutrifft. Aber einen Leitgedanken zu haben, versetzt uns in die Lage, Vorhaben hieran zu messen und bewusst steuern zu können. Deshalb lädt der Verein für Freitag, den 16. Mai, herzlich in das Gymnasium Luisenstift um 19.30 Uhr ein. Sie sind gern gebeten, bereits vorab uns ihre Kurzstellungnahmen zuzusenden (vv@denkmalneuanradebeul.de), weil wir dann gezielt die Veranstaltung mit Themengruppen vorbereiten können, es soll ja nicht nur dabei bleiben, dass sich jeder seines Unmutes über die Zustände entledigen kann.

Ein weiteres zentrales Vereinsthema ist natürlich der Bismarckturm mit der Idee der Belebung des Denkmales, um damit dessen Sicherung erreichen zu können. Hier läuft unsere Sammlungsaktion gut, ca. 45.000 € sind schon zugesagt und damit etwa ein Viertel der benötigten Mittel, um eine Treppe und eine multimediale Installation einbringen zu können. Letztere ist uns genauso wichtig wie die Treppe, denn sie soll die Geschichte der Stadt dem heutigen Blickfeld gegenüber stellen. Aus einem Schauen ins Land kann damit ein bewusstes Schauen in die Stadtentwicklung werden. Werden Sie Pate einer Stufe oder eines Podestes; Stufen kann man auch gemeinsam mit anderen „erwerben“ und die Namen auf dieser eintragen lassen.

Weitere Themen, mit denen sich der Verein in 2014 befassen möchte, sind am 11. April ein Vortrag mit anschließender Gesprächsrunde zu „Bäumen in Radebeul“. Uns wird interessieren, was in den letzten 20 Jahren gewachsen und verschwunden ist, also die Ergebnisse der Baumerfassung, und in welchem Zustand sich der Baumbestand Radebeuls befindet. Es geht um einen wichtigen Teil des Stadtgrüns und nicht zuletzt steht die Frage zur Beantwortung an, wann ein Baum gefällt werden muss. Am 14. September soll es dann um „Die Haustür – Der Ausweis des Hauses“ gehen. Der Verein bemüht sich ja, auch mit ganz praktischen Hinweisen zu helfen und Orientierung zu geben. Mit Vortrag und Diskussion unter dem Titel „Weißt Du, wo Du wohnst? Radebeuler Ortsteile, ihre Grenzen und geographische Hintergründe“ schließen wir die diesjährige Vortragsreihe ab.

Besonders liegt uns natürlich auch das Erleben der Stadt in ihren Ortsteilen am Herzen. Daher wechseln sich jährlich der Tag der offenen Aussicht und der Tag des offenen Gartens ab. Am 14. Juni, zum dritten Mal nunmehr, ist es wieder soweit: alle interessierten Radebeuler sind herzlich eingeladen, grüne Kleinode zu erleben und sich so Anregungen zu holen und auszutauschen. Wer wann wo für uns öffnet, erfahren Sie rechtzeitig aus der Presse. Interessierte Gartenbesitzer, die jetzt oder in den nachfolgenden Jahren ihren Garten für Besucher öffnen möchten, können sich gern unter der o.g. Email an uns wenden. Das gilt natürlich auch für alle Themen, die der Verein in Radebeul vertreten kann.

Nicht zuletzt lädt jeden letzten Samstag im Monat 11 Uhr der Verein zu einer literarischen Führung durch den Hohenhauspark ein. Im Mittelpunkt steht in diesem Jahr der 100ste Todestag von Marie Hauptmann am 6. Oktober.

Dr. Jens Baumann

Vom Roten Haus zur Streuobstwiese

Ausstellung mit Werken von Irene Wieland in der Radebeuler Stadtgalerie

Wie schön, dass es inmitten der winterlichen Tristesse einen Ort gibt, der an warme sonnige Tage erinnert. Gleich einer heiteren Ouvertüre lädt die erste Ausstellung des Jahres 2014 „Ins Grüne“ ein. Seltsame Stahl-Gewächse sprießen überlebensgroß aus der verschneiten Galerie-Hof-Wiese. Bilder in leuchtender Farbigkeit wecken Sehnsüchte, lassen Kälte und Dunkelheit vergessen. Mehr »

Editorial

Was, nur 30 im Monat?
Samstag war Premiere in der Landesbühne: „König Lear“. Wie immer, erhalte ich freundlicherweise eine Einladung von den Landesbühnen Sachsen, und wenn es die Zeit erlaubt und die Lust dazu kommt, nehme ich die Einladung gern wahr. So auch diesmal, aber keine Angst, die Rezension kommt nicht jetzt an dieser Stelle, sondern einige Seiten später. Die Vorbereitung auf den Theaterbesuch beginnt ja oft mit einem Blick ins Internet, um sich über Anliegen und Darsteller zu informieren und dabei ist mir etwas aufgefallen. Mehr »

Werner Wittig verstorben

Als wir in der Januar-Ausgabe des kulturellen Monatsheftes „Vorschau und Rückblick“ eine Rezension über die Gemeinschaftsausstellung der Radebeuler Maler und Grafiker Werner Wittig und Michael Hofmann veröffentlichten, ahnten wir nicht, dass Werner Wittig bereits am 31. Dezember 2013, wenige Wochen nach seinem 83. Geburtstag, verstorben war.
Mit ihm verliert Radebeul einen der profiliertesten Künstler, welcher in bester Tradition des „Dresdner Malkultur“ stehend, weit über die Grenzen der Lößnitzstadt hinaus Anerkennung fand. Neben nationalen und internationalen Auszeichnungen erhielt er im Jahre 2000 den Kunstpreis der Großen Kreisstadt Radebeul. Geschätzt wurde Werner Wittig vor allem auch von den Grafiksammlern, hatte er doch eine ganz spezielle Holzrisstechnik entwickelt. Gleichsam als Maler und Grafiker reflektierte er die einfachen Dinge des Alltages, lies er Landschaften und Stillleben ineinander verschmelzen, hob er mit seiner Kunst die Grenzen auf von Raum und Zeit.
Ein ausführlicher Beitrag zur Erinnerung an Werner Wittig befindet sich in Vorbereitung und wird in einer der nächsten Ausgaben veröffentlicht.
Die Redaktion

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