Editorial – Oktober 2014

Angeregt durch den Leserbrief im vergangenen Heft von Herrn Götz aus München,
möchte ich einfach mal meine Erinnerung an die Hoflößnitz kund tun.
Von 1987 -1991 arbeitete ich als Museumsassistentin in dieser Einrichtung. Die Hoflößnitz war Wirkungsbereich für fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und drei bis vier Restauratoren. Schon damals gehörte sie größtenteils der Stadt Radebeul. Unter der organisatorischen Leitung von Ute Dahms wurden nach und nach die Restaurierung der Malereien auf den Holztäfelungen und die Sanierung des Gebäudes vorangebracht – und das zu DDR-Zeiten! Ingrid Zeidler als wissenschaftliche Leiterin und ich gestalteten jedes Jahr zwei Ausstellungen. Vielleicht erinnern Sie sich an die Korbmacherausstellung, die Leben und Handwerk der zahlreichen Korbmacher Radebeuls zeigte, an die Ausstellung über Sarrasani, an eine mit alten Postkarten von Radebeul und Umgebung, aber auch an Expositionen zum ökologischen Anbau im Garten oder zum Lebenselixier Wasser, die 1988/89 in gewissen Kreisen für Aufregung sorgten. Immer waren die Eröffnungen unter den Kastanien etwas Besonderes für Radebeul.
Parallel arbeitete Ingrid Zeidler am Aufbau einer Ausstellung zum Weinbau, die dann auch als eine moderne, den neuen didaktischen Anforderungen voll gerecht werdende Dauerausstellung die Räume ausfüllte, die frisch restauriert, einen schönen Rahmen bildeten.
Nicht zu vergessen sind auch die Konzerte, die es ja bis heute gibt. Alles zusammen trug dazu bei, dass diese Kultureinrichtung den Namen verdiente.
Verwunderlich finde ich dann heute schon, dass sowohl auf der Homepage als auch in der neuen Ausstellung „ 850 Jahre Weinbau“ so getan wird, als ob es diese aktive Zeit nie gegeben hätte und erst in den letzten Jahren die Hoflößnitz, besonders das Haupthaus,
wie“Phönix aus der Asche“ gestiegen wäre.

Ilona Rau

Zum Titelbild Oktober 2014

Im Monat Oktober dreht sich in unserer  Wein- und Gartenstadt natürlich vieles um  das Thema Wein. Die Trauben sind reif, der  erste Federweißer aus hiesigen Anbaugebieten kann verkostet werden. Auch die Schöpferin unseres Titelbildes, Lieselotte Finke-Poser, lebt nicht völlig abstinent. In geselliger Runde darf es schon mal ein Gläschen  Sekt oder lieblicher Wein sein. Aber alles in  Maßen! Wenngleich ihr manche Lößnitzweine ein wenig zu »grande« scheinen, wird sie  als Künstlerin nicht müde, diese werbend zu  preisen. So gestaltete sie bereits zwei Weinetiketten und eine Weinfestmedaille. Aus  derKunstmappe »FliegendeBlätterzumWeinfest« stammt unser Titelbildmotiv. Weil immer  wieder, wenn es um den Wein geht, der  Bacchus oder »Naggsche« dargestellt werden,  dachte sie sich: da machste mal was ganz  andres. Als Anregung diente ihr die Fabel »Der  Fuchs und die Trauben«, die sie recht unterschiedlich interpretiert. Mal streckt sich der  Fuchs vergeblich nach den prallen Trauben,  mal nutzt er mit seinem Diebesgut den Radweg als Fluchtweg, mal ist er völlig betrunken. Unsere Titelbild-Geschichte lässt sich so  oder ähnlich erzählen: Was macht es dem Fuchs schon aus, dass die Trauben für ihn zu hoch hängen, wenn er stattdessen eine ganze Flasche Wein ergattern kann?! In seiner  Gier wird er diese wohl allein ausgetrunken haben. Die Wirkung ist fatal. Stark angeheitert hat er nicht einmal bemerkt, dass ihm der letze Schluck aus der umgefallenen Flasche rinnt. Doch Fuchs bleibt Fuchs! Sobald er wieder nüchtern ist, lauert er der nächsten  (naggschen?) Henne auf, um diese genüsslich mit einem Müller-Thurgau zu vernaschen.  Wohl bekomms!
Karin (Gerhardt) Baum

Kleine Glosse

Stand Radebeul im Mittelpunkt eines bayrisch-sächsischen Tauschgeschäfts?

Nein, wohl eher nicht, aber so ähnlich fing es schon an. Es war nicht alltäglich, als ein Investor aus Nürnberg, der in Radebeul ein Grundstück mit einer Villa von Architekt Oskar Menzel besitzt, im Bauamt die Frage stellte, ob er in seinem großen Grundstück ein Doppel-Carport, bestehend aus elf reich verzierten Gussstützen mit
passendem Glasdach, errichten dürfe. Die Denkmalschutzbehörde hatte nach kurzem Nachdenken dann keine Einwände Mehr »

Leserzuschrift: Die Hoflößnitz – ein Schatz Radebeuls – oder?

Vorschau und Rückblick – der Titel dieses Monatshefts sollte nicht nur gestandene Radebeuler zum wachsamen Betrachten der Vorgänge in ihrer Stadt anregen. Einem regelmäßigen Besucher Radebeuls mag dies auch einmal gestattet sein, vor allem wenn dieser seit mehr als dreieinhalb Jahrzehnten hier befreundete Familien aufsucht und sich dadurch mit der Gegend längst auch innerlich verbunden fühlt. Mehr »

„Lauter August – Stiller Herzog“ und umgekehrt

Dresdner Mimenbühne und „August – das Starke Theater Dresden“ fusionieren in Pieschen

„Unsere Entscheidung ist insgesamt zwar bedauerlich aber nichtsdestotrotz unbedingt notwendig!“ sagte der Dresdner Pantomime Ralf Herzog eingangs der Pressekonferenz am Vormittag des 7. August 2014 im Pieschener Rathaus auf der Bürgerstraße. Damit verwies er auf die aktuellen Mietforderungen des neuen Betreibers der Spielstätte auf der Maternistraße, wo bisher Mimenbühne und Mimenstudio unter einem Dach mit dem Theater Wechselbad nicht nur kooperierten, sondern vor allem harmonisierten. Mehr »

Einladung zum Tag des Offenen Denkmals 2014 am 14. September

Der Tag steht in diesem Jahr unter dem Motto „Farbe“. Damit rückt die Deutsche Stiftung Denkmalpflege ein vielseitiges, stets aktuelles Thema in den Mittelpunkt.
Jedes Stadtbild, jede Straße wird neben den formalen Baukörpern und deren Anordnung auch durch deren Farbe geprägt. Diese unterliegt oft genug dem Zeitgeschmack und wechselt auch entsprechend der ökonomischen Gegebenheiten. Mehr »

Erfolg durch kontrolliertes Nichtstun

10 Jahre Weingut „Drei Herren“ in Radebeul

Alles ist nicht so wie es scheint. Das fängt schon beim Namen an:
die drei Herren sind nämlich nur zwei: Neben dem Dresdner Kunsthistoriker Prof. Dr. Rainer Beck und dem Radebeuler Winzer Claus Höhne wird das Weingut seit September 2004 auch von Antje Wiedemann geführt – einer Betriebswirtin, die vor allem als Sächsische Weinkönigin 2003 hierzulande bekannt wurde. Mehr »

Editorial 9-14

Der Monat September steht in Radebeul wieder ganz im Zeichen des Weines. Während in den Weinbergen je nach Sorte und Reife die Trauben gelesen werden und der süße Most in Gärung übergeht, steuert auf dem Anger zu Kötzschenbroda alles auf das allseits beliebte Herbst- und Weinfest am letzten Septemberwochenende zu. Mehr »

Huch – wer war denn das?

Dies sollte ein deutscher Frauentag sein, und mehr als ein deutscher. Denn nicht nur die erste Frau Deutschlands ist es, die man zu feiern hat, es ist wahrscheinlich die erste Europas.
Mit diesen Sätzen begann Thomas Mann 1924 seine Würdigung der Dichterin und Philosophin Ricarda Huch aus Anlaß ihres sechzigsten Geburtstages.
Eine Dichterin also war es, eine Philosophin und keine Sprinterin oder Fußballerin, die Mann seinerzeit zur ersten Frau Europas kürte und diesen Rang ausdrücklich auch auf ihre Weiblichkeit bezog. Es ist nämlich – und das mag es gewesen sein, was den Hochgeistigen so hoch begeisterte – kein Widerspruch zwischen Geist und Weiblichkeit, im Gegenteil.

Die am 18. Juli 1864 in Braunschweig geborene Ricarda Octavia Huch hatte es nach dem Abitur 1888 zum Studium der Geschichte, Philosophie und Philologie nach Zürich gezogen, denn Deutschland war noch weit davon entfernt, Frauen an Hochschulen auch nur zu dulden. Als eine der ersten Frauen promovierte Ricarda Huch 1891 über ein historisches Thema.
Erste Gedichte erschienen noch unter Pseudonym, doch bald schon veröffentlichte sie Dramen und Erzählungen unter ihrem eigenen Namen. Sie arbeitete als Bibliothekarin und Lehrerin und ließ sich 1897 als Schriftstellerin in Wien nieder.

Aus ihrer ersten Ehe mit einem italienischen Zahnarzt ging eine Tochter hervor, die in späteren Jahren eine wichtige Bezugsperson für sie wurde. Nach ihrer Scheidung heiratete sie mit Richard Huch ihren Schwager und Cousin und die große Liebe ihrer Jugend. Doch auch diese Ehe endete nach großer Enttäuschung mit einer Scheidung.
Seit dem ersten Weltkrieg, den zu feiern sie nie in Versuchung geriet, arbeitete sie kaum noch belletristisch, sondern widmete sich ganz historischen und religionsphilosophischen Themen. Doch auch ihre wissenschaftlichen Arbeiten gerieten zu literarischen Kunstwerken großer Schönheit. In der Charakterstudie Wallenstein etwa stellte sie 1915 dessen Persönlichkeit als exemplarisch für den Geist der Epoche dar.

Ricarda Huch wurde 1924 Ehrensenatorin der Universität München. Im Frühjahr 1933 verließ sie aus Protest gegen die Ausgrenzung jüdischer Kollegen die Berliner Akademie der Künste.
In ihrem Jenaer Wohnhaus entstand sehr bald ein philosophischer Stammtisch, der mit dem Widerstand gegen das Regime sympathisierte. Nur durch Zufall entging ihr Schwiegersohn der nach dem 20. Juli 1944 einsetzenden Verfolgungs- und Ermordungswelle.
Nach Kriegsende nahm sie noch einmal hoffnungsvoll an den Bemühungen zur demokratischen Erneuerung Deutschlands teil. Doch bald schon spürte sie das erneute Erstarken totalitärer Tendenzen. Sie verließ Jena. Doch die Strapazen der Reise zu ihrer Tochter nach Frankfurt/M. kosteten sie ihre Lebenskraft. Ricarda Huch starb am 17. November 1947 in Schönberg im Taunus.

Ein paar Daten können das Wesen einer Persönlichkeit nicht erhellen. Ebenso wenig vermag dies die lange Liste der Publikationen, für die hier der Raum nicht ist. Mit ihrem zweibändigen Werk zur Romantik hat sie ein Bekenntnis und einen Weg zur Erneuerung ihrer Epoche gegeben. Denn der Anspruch der Romantik besteht nicht in der verklärten und verklärenden Betrachtung des Mondes, sondern in stetiger geistiger Erneuerung – ein Anspruch mithin, der, wie die Gegenwart beweist, die das schon gar nicht mehr versucht, wiederkehrendes Scheitern in sich birgt.
In einer gleichfalls 1899 erschienenen Erzählung hat sich Ricarda Huch mit dem mittelalterlichen Gedicht Der Arme Heinrich beschäftig. Ihre Neuinterpretation zählt neben Gerhart Hauptmann gleichnamigem Drama von 1902 zu den literarisch bedeutendsten Bearbeitungen dieses Themas.

Dass die einst gefeierte Dichterin heute weitgehend vergessen ist, zeugt nach Reich-Ranicki …von dem gebrochenen Verhältnis der Deutschen zur besten deutschen Literaturtradition.
Unser Versuch, ihre Erzählung vom armen Heinrich mittels einer Lesung im Hohenhaus vor dem völligen Vergessen zu bewahren, hat sich im ersten Anlauf als zu romantisch erwiesen. Einen zweiten Versuch werden wir vielleicht im Herbst unternehmen – dann haben wenigstens die Vorschau-Leser den Namen Ricarda Huch wieder verinnerlicht – den Namen einer Frau, die für Thomas Mann als erste Frau Europas einen Superlativ wert war.

Thomas Gerlach

„Kommt, wir spielen Bundesrepublik!“

Premiere für ein Generationenprojekt an den Landesbühnen Sachsen

Es gibt Forderungen, die – sind sie einmal ausgesprochen – sehr schnell beginnen, eine ganz eigene Dynamik zu entwickeln. Eine dieser Forderungen liest sich so „Krankenhäuser sollten niemals wirtschaftlichen Zwängen unterliegen, sondern immer das Wohl des Patienten im Fokus haben!“ Das liest sich gut, spricht sich gut und bleibt am Ende dennoch nur eine Fiktion. Sprich; die Forderung geht in der Regel an den konkreten Verhältnissen vorbei. Dennoch; dieser Satz beinhaltet eine kleine Kostbarkeit. Nämlich einen – wenn auch noch sehr, sehr leisen – Aufruf zum zivilen Ungehorsam. Dagegen ist der französische Autor und Übersetzer Stéphane Hessel geradezu ein Titan. Mit 93 Jahren verfasste er den leidenschaftlichen Appell „Empört Euch!“ Hessels Ausgangspunkt bildet dabei das künstlerische Werk des Malers Paul Klee in Einheit mit einem, sich daruf beziehenden Kommentar des deutschen Schriftstellers und Philosophen Walter Benjamin.
Stéphane Hessels Essay müsste – sollte – der gegenwärtigen jungen Generation aus dem Herzen sprechen. Und sollte sie zugleich zum Handeln animieren. Das Theater nimmt sich selbst als das geeignete Podium für den Transport solcherart Botschaften ins Volk noch zu wenig wichtig. Allein deshalb richtet sich die aktuelle Inszenierung der Landesbühnen Sachsen vor allem an jene, die am Beginn eines aktiven Lebens stehen. Die aus Trier stammende Autorin und Regisseurin Judith Kriebel führt seit 2006 Regie; begann mit einem Stück von Tschechov, widmete sich dann einem Stück von Elfriede Jelinek und einem von Yasmine Reza. Und immer wieder hatten es ihr dabei die brennend aktuellen Themen angetan. „Empört Euch“ ist nach einem „Anne Frank Projekt“ (2011) bereits ihre zweite Regiearbeit an den Landesbühnen Sachsen. Das besondere daran ist, dass sie professionelle Schauspieler mit Mitgliedern eines Amateurtheaters („Seniorenclub Q 10“) und Studenten der Theaterakademie Sachsen zusammenbringt und sie gemeinsam spielen lässt. Zwischen den verschiedenen Biografien liegen da mitunter Welten. Doch gerade deshalb kratzen die Texte – bzw. kratzt das Spiel der Akteure – nicht nur an der Oberfläche, sondern geht auf geradem Wege direkt unter die Haut.
Das ist das ein Phänomen; das andere liegt in den so extrem unterschiedlichen Biografien der Akteure versteckt. Natürlich hatte der im Westen Deutschlands aufgewachsene junge Mensch kaum Ahnung von dem, was sich im damals anderen Teil Deutschlands abspielte. Die Geschichtsbücher beiderseits verschwiegen tunlichst alles, was nicht in das jeweilige Weltbild passte. Und die STASI war für den westdeutschen Jugendlichen eher so etwas wie ein Witz, während der Ostdeutsche sich aus gutem Grund mit diesem Phänomen äußerst schwer tat. So ist jene Aufforderung einer Hiesigen an einen von Drüben „Komm wir spielen Bundesrepublik!“ auch eher wie ein Hilferuf als eine tatsächliche Aufforderung zum Spiel zu betrachten. Die Gelegenheit bzw. das Bedürfnis, wirkliche und wahrhaftige Wahrheiten auszutauschen, war wohl noch nie so groß wie gerade jetzt.

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»Empört Euch!«,ein Generationsprojekt

Und aus diesem Austausch erwächst letztendlich die Formulierung „Widerstand leisten heißt Neues schaffen!“ Trotz der gefährlich eskalierenden Situation in der Ukraine, trotz der NSA Affäre, trotz des scheinbar unaufhaltsamen Vormarschs der ISIS-Krieger im Irak. All das suggeriert dem Zuschauer; „Empört Euch!“ ist nur eine Bestandsaufnahme mit dem Charakter eines Zwischenberichtes. Und dennoch ist „Empört Euch!“ eine Notwendigkeit.

Wolfgang Zimmermann

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