Notiz zur Jahresversammlung

Am 01. April fand in bewährter Weise die Jahresversammlung unseres Vereins „Radebeuler Monatshefte e.V.“ in den Räumen der Stadtgalerie statt. Neben Mitgliedern und Freunden hatten sich erfreulicherweise wieder auch neue interessierte Gesichter in die Runde gemischt.

Der Tagesordnung folgend, wurde der Vorstand aus seinen Pflichten entlassen und, in diesmal geheimer Wahl, neu gewählt. Durch eine kleine Panne musste die mühselige „zettelfaltende Prozedur“ gar wiederholt werden. Dennoch gelang uns damit ein kleiner Vorsprung in Hinblick auf die Wahl des derzeitigen Bundespräsidenten. Der aus drei Mitgliedern bestehende Vorstand wurde mit Ilona Rau als Vereinsvorsitzende, Bertram Kazmirowski als Stellvertreter und Wolfgang Zimmermann als Schatzmeister wieder bestätigt. Frank Andert wurde nochmals für seine Arbeit als Redakteur in den vorangegangen zwei Jahren gedankt und Sascha Graedtke als neuer Redakteur in der Runde vorgestellt.

Hörspiel im sakralen Raum

Premiere von »Nathan der Weise«

Radebeul ist nicht gerade als ein Ort bekannt, in dem sich weise Weltläufigkeit und religiöse Toleranz im Alltag zu bewähren bräuchten. Dazu sind die Menschen, die in Radebeul wohnen – bei aller individuellen Verschiedenheit – viel zu ho­mogen. Zwar gibt es einige christliche Ge­meinden und Gemeinschaften, die im Ganzen wohl eine respektable vierstellige Mitgliederzahl auf sich vereinen. Aber anders als in vielen (vor allem westdeutschen) Großstädten fehlen in Radebeul sichtbare Zeichen religiösen Lebens anderer Be­kenntnisse, was nicht nur an der Größe unserer Stadt liegt. Denn die meisten Ra­debeuler werden beim Zensus angegeben haben, dass sie konfessionslos sind. Vor diesem Hintergrund ist die jüngste und mit ungewöhnlichen Partnern initiierte Schauspielproduktion der Landesbühnen ein mu­tiger Schritt aus der Enge des Elbtals: Lessings »Nathan der Weise« wird als ein Beitrag zum Evangelischen Kirchentag (Aufführung am 2. Juni um 20 Uhr in der Himmelfahrtskirche Dresden-Leuben) auf ein gesamtdeutsches Publikum treffen und im September anlässlich der Feierlichkeiten zum zehnjährigen Bestehen der Neuen Synagoge Dresden auch Mitgliedern der Jüdischen Gemeinde zu Dresden in deren Räumlichkeiten zugänglich ge­macht. Konsequenterweise hatte sich das Theater frühzeitig entschieden, auch die Radebeuler Premiere (Inszenierung: Arne Retzlaff) in einem sakralen Raum (Lutherkirche) zur Aufführung zu bringen und mit einer weiteren Tradition zu brechen, indem die Premiere an einem Freitag und nicht wie sonst an einem Sonnabend stattfand.

Nathan der Weise (Szenenfoto)

Lessings bekanntes und manchem durch Schullektüre verleidetes Stück in einer Kirche aufzuführen ist keine neue Idee, sondern wurde vor Jahren beispielsweise in Koserow auf Usedom (mit Jürgen Zartmann als Nathan) sehr erfolgreich über mehrere Sommer hinweg praktiziert. Allerdings erfordert die Entscheidung, das Stück nicht auf einer theatergerechten Bühne, sondern in einem auch für gottesdienstliche Zwecke genutzten Altarraum aufzuführen, einen grundsätzlichen Verzicht auf Regietheaterkonzepte und Entertainment à la Klassik light. Vielmehr als sonst muss sich nämlich die Aufmerksamkeit des Zuschauers auf das gesprochene Wort und auch darauf konzentrieren, ob und wie die Akteure auf der kleinen spartanischen Bühne (Ausstattung: Stefan Wiel) körpersprachliche Signale senden und miteinander ohne die Hilfe von Requisiten umgehen können. Wenn man sich in dieser Weise auf die Darbietung einlässt, dann kann man spüren, dass der Radebeuler »Nathan« ein Eigenleben als Hörspiel zu entwickeln vermag, denn das Erlebnis wird nicht kleiner, wenn man mit geschlossenen Augen nur zuhört und sich ablen­­kungsfrei der Qualität des berühmten Textes hingibt. Retzlaff verdichtet das Schauspiel auf zwei Stunden ohne Pause und kann es dadurch auf einen zutiefst menschlichen Grundkonflikt zuspitzen, der überraschend viel Spannung hervorbringt. Liebendes Begehren (eine Spur zu aggressiv und wild: Marc Schützenhofer als junger Tempelherr; Franziska Hoffmann als Recha) droht erst an religiösen Mauern
zu scheitern, schließlich aber wird durch wundersam zu nennende Fügungen familiäre Eintracht hergestellt und erweist sich Nathan (Matthias Henkel stattet seine Figur mit großer Herzenswärme und sprachlicher Überzeugungskraft aus) als eine gemeinsame Vaterfigur für Recha, Sitta (Sandra Maria Huimann) und den Tempelherrn. Befragte man Lessings Text auf die Plausibilität der Figurenkonstellation, dann stünde es um seine Be-
deutung vermutlich weit weniger gut. Zu unglaublich sind die Biografien von Figuren wie der Daja (Anke Teickner liegt der Kirchenraum weniger, ihre oftmals in starken Am­plituden ausschlagende Stimme trägt nicht gut) und des Klosterbruders (Olaf Hörbe entledigt sich seiner Aufgabe souverän). Aber weil es Lessing nicht um Plausibilität, sondern um »Aufklärung« eines anscheinend unlösbaren Falles ging (Welche Religion ist die wahre?), bedurfte es eines Szenarios, welches dieses Problem auf eine menschliche und damit fassbare Ebene bringt. Die beiden hohen Vertreter des Christentums (Tom Hantschel ist für meinen Geschmack ein wenig zuviel Ideologe und zu wenig Geistlicher) bzw. des Islam (Michael Heuser als Saladin) sind im unterschiedlichen Maße sympathische Fi­guren, verkörpern aber das grundsätzliche Dilemma im Dialog der Religionen: An der Basis ist die gegenseitige Verständigung oft schon viel weiter als es die hohen Repräsentanten wahr haben wollen.

Der Charakter der Inszenierung als Hörspiel wird noch dadurch verstärkt, weil drei Musiker (André Obermüller ist Christ, Gennadiy Nepomnyashchiy Jude und Amir Kalhor Moslem) auf einem Podest hinter der Bühne auf je kulturspezifischen Instrumenten die einzelnen Szenen in Intermezzi illustrieren. Sie tun dies am Anfang zaghaft, am Ende kraftvoller, was sinnreich das Näherrücken und Ineinanderaufgehen der Religionen im Stück illustriert. Dagegen verblassen die Bildeinblendungen von Gesichtern und Landschaften auf einer Leinwand hinter den Musikern und senden missverständliche Botschaften, weshalb auch hier das visuelle Erleben hinter dem akustischen zurückbleibt. Ob die Inszenierung in dieser Form zu einem Publikumserfolg wird, bleibt abzuwarten. Dass sie Radebeul zur Ehre gereicht, daran dürfte allerdings kein Zweifel bestehen. Diese Einschätzung teilte wohl auch das Publikum am Premierenabend, welches anerkennenden Beifall spendete, der angesichts des Ortes etwas weniger euphorisch ausfiel als im Stammhaus zu erwarten gewesen wäre.

Radebeuler Landschaften in warmen Tönen

Der Maler und Grafiker André Uhlig stellt im »Weinmosaik« aus

Am 06. Mai lud der im November 2010 eröffnete Weinladen »Weinmosaik« (Meißner Str. 112) in seinen Räumen zur Vernissage seiner nunmehr zweiten Ausstellung ein. Zum Geschäftskonzept des Inhabers Ronald Schlüter gehören neben dem Weinverkauf von vorwiegend einheimischen Winzern die Präsentation regionaler Künst­ler in einem separaten Ausstellungsraum. Blickt man hier hinaus, so fällt der unverstellte Blick un­weigerlich auf die sanften Lößnitzhänge. Ein guter Ort also, um die Arbeiten des 1973 geborenen Radebeuler Künstlers zu zeigen. Denn für André Uhlig sind es nicht selten auch die heimatlichen Landschaften und eher unscheinbaren Blickfänge, die er in seinen Bildern einzufangen sucht. Neben seiner Heimatverbundenheit sind zahlreiche Arbeiten u.a. auf Reisen nach Indien, Italien und im Böhmi­schen entstanden. Sein langjähriger »Künstlervater« Dieter Beirich hielt eine warmherzige Laudatio in der er seine künstlerischen Phasen, aber auch eigenwilligen, wohl produktiven Widerstände eindrucksvoll umschrieb. Als gelernter Drucker arbeitete er jahrelang als Druckinstrukteur bei der Planeta und betrieb seine Malleidenschaft nebenberuflich, bis ihn schließlich seine gefühlte Berufung 2010 zur offiziellen Selbständigkeit führte.

Ein Werk von André Uhlig

Seit letztem Herbst hat er in Ateliergemeinschaft mit der Theatermalerin Birgit Köhler im »Atelier Köhler« (Neue Str. 18) eine wichtige Wirkungsstätte ge­funden. Dort steht auch seine raumgreifende Druckpresse, welche die Grundlage vieler seiner druckgraphischen Arbeiten bildet. Zu seinen be­vorzugten Techniken gehören u.a. Farbaquatinta, Sandreservage, Kaltnadelradierung, Strichätzung, Aquarell, Öl und Kohle. Als Spezialität kann sicher die maltechnische Verwendung von Kaffee angeführt werden, den er zuweilen als farbliches Ausdrucksmittel verwendet. Er gibt den Bildern Wärme und Tiefe. Ohnehin sind es zumeist die irdenen Töne die seine Bilderlandschaften beherrschen. Die ausgestellten Arbeiten, die mit ihrer ruhigen Ausstrahlung einen romantischen Anstrich nicht verbergen können, scheinen so oft wie ein Fenster in eine vergangene Welt. Bis zum 07. August lädt das »Weinmosaik« dazu in seine Räume ein.

Zwischen Miniatur und Monument

Werke des Radebeuler Bildhauers Wolf-Eike Kuntsche aus fünf Jahrzehnten künstlerischen Schaffens in der Stadtgalerie

»Beobachte die Form genau, die kleine wie die große, und trenne nicht das Kleine vom Großen, wohl aber vom Ganzen das Kleinliche.« Caspar David Friedrich (1774-1840)

Wer kennt sie nicht, die stadtbildprägenden Plastiken und Denkmale im öffentlichen Raum von Wolf-Eike Kuntsche? In Dresden sind es die Stahlplastik »Völkerfreundschaft« (1986) auf der Prager Straße, die Bronzeplastik »Die Familie Körner und ihr Kreis« (1985-87) am Hotel Bellevue, das Kästner-Denkmal (1987) am Al­bertplatz oder die Installation für Caspar David Friedrich (1988-90) im Brühlschen Garten und in Radebeul die Stahlplastik »Weintraube« (1987) im Hof des Gymnasiums Luisenstift sowie das weithin sichtbare plastische Ensemble »Quintett« (2009) im Bürgerpark neben den Landesbühnen Sachsen, welches als Gemeinschaftsprojekt in Zusammenarbeit mit weiteren vier Ra­debeuler Bildhauern entstand.

Wolf-Eike Kuntsche (2011)

Wohl weniger bekannt ist die andere Seite des künstlerischen Schaffens von Wolf-Eike Kuntsche, der in diesem Jahr seinen 70. Geburtstag begeht. In einer Ausstellung der Stadtgalerie Radebeul werden bis zum 26. Juni Werkgruppen in Holz, Zement, Bronze und Porzellan aus fünf Jahrzehnten gezeigt. Zeichnungen, Fotografien, Entwürfe und Dokumente er­gänzen die Präsentation.

Wolf-Eike Kuntsche wurde 1941 in Berlin geboren. Ausgebombt zog die Mutter mit ihm und seinem Bruder zu Verwandten nach Seifhennersdorf in die Lausitz. 1949 siedelten sie nach Dresden über. Sehr spät kam der Vater, ein Bauingenieur, aus der Gefangenschaft zurück – da war Wolf-Eike Kuntsche bereits zehn Jahre alt. Den Ambitionen des Sohnes standen die Eltern recht aufgeschlossen gegenüber. Und so fragte schließlich die Mutter den schmächtigen 14jährigen, ob er nicht Lust hätte, im Zwinger Steinbildhauer zu lernen. Einige Jahre arbeitete Wolf-Eike Kuntsche in diesem Beruf bis er 1961 mit einem Studium an der Kunsthochschule Dresden in der Sektion Plastik begann. Unter den Lehrern befanden sich so be­kannte Bildhauer wie Walter Arnold, Hans Steger und Gerd Jaeger. Ausschlaggebend für die weitere künstlerische Entwicklung wurde jedoch der Einfluss von Herbert Naumann, der in Wolf-Eike Kuntsche die Begeisterung fürs plastische Gestalten weckte und von diesem als skurril, belesen und sehr menschlich be­schrieben wird. An der Kunsthochschule hatte er seine spätere Frau kennen gelernt. Mit ihr, der Malerin und Grafikerin Bärbel Kuntsche, kam der junge Bildhauer 1976 nach Radebeul, wo beide bis heute als freischaffende Künstler tätig sind.

In Radebeul befindet sich auch eines der fünf Male, die er in den 80er Jahren als Auftragswerke für den öf­fentlichen Raum gestaltete. Er hatte es für den Schulhof der damals neu erbauten Weinbergschule konzipiert. Seitdem sind 25 Jahre vergangen. Trotz stark veränderter Umgebungsbebauung hält die abstrahierte Stahlplastik »Weintraube« (runde Scheiben punktgeschweißt mit einem realistischen Blatt) künstlerisch stand, ebenso wie all die anderen Werke von Wolf-Eike Kuntsche, die bis heute nichts von ihrer Aussagekraft verloren haben.

Stahlplastik »Weintraube« (1987)

Die laufende Ausstellung spannt sowohl zeitlich als auch inhaltlich ei­nen weiten Bogen. Zu sehen sind erste künstlerische Versuche aus Kindertagen sowie Köpfe und figürliche Darstellungen, die in den 60er und 70er Jahren entstanden sind – darunter die Halbfigur »Junges Mädchen« mit dem Titelzusatz »Prager Frühling« aus dem Jahr 1968. Aufbruch und Scheitern sind in diesem Werk auf anrührende Weise vereint.

Die Gestaltung von Medaillen ge­hört zu Wolf-Eike Kuntsches Spezialgebiet. Seine erste Medaille mit dem Porträtkopf von Carl Maria von Weber schuf er 1972. Allerdings be­findet sich diese derzeit in einer an­deren Ausstellung. Fast alle kleinplastischen Objekte und Reliefs aus Bronze entstanden ab 1980 auf Symposien. Man hatte dort internationale Kontakte und an Material herrschte kein Mangel. Das war besonders für Bildhauer wichtig, gab es doch in der DDR lange Wartelisten, um einen Bronzeguss ausführen zu können.

Bronzeplastik »Großes Finale« (1984)

Auf dem internationalen Symposium für Medaillenkunst und Kleinkunst in Ungarn lernte Wolf-Eike Kuntsche das Wachsausschmelzverfahren kennen, welches feinste Modellierungen, Zeichnungen, Gravuren und Abdrücke zulässt. Diese Technik eröffnete ihm völlig neue Möglichkeiten. Mit poetisch hintergründigem Humor arrangierte er stilllebenhaft reale Dinge und ließ diese ins Surreale übergleiten. Dabei arbeitete er häufig mit Symbolen wie Schneckenhaus und Uhr. Zyklen und Reihungen betonten diese angestrebte Prozesshaftigkeit. Besonders ab Mitte der 80er Jahre spielte Wolf-Eike Kuntsche in seinem künstlerischen Schaffen zunehmend auf die politischen Verhältnisse an. Beispielgebend hierfür sind die Objekte »Großes Finale« 1984 und »Ende der Vorstellung« 1989 (Ein Schelm, der da­bei an die Landesbühnen Sachsen denkt!). Anstelle von Menschen agieren bei Wolf-Eike Kuntsche meuchelnde Puppen, die wie Marionetten an Fäden hängen, was die Bosheit etwas mildern soll, aber letztlich das Geschehen noch unheimlicher wirken lässt. Verschnürungen, Abdrücke, Masken, Verhüllungen wecken Bilder im Kopf, die heute wieder erschreckend aktuell sind, wie die Maske »Tschernobyl« aus dem Jahr 1986.

Maske »Tschernobyl« (1986)

Doch Wolf-Eike Kuntsche entlässt die Besucher der Ausstellung in heiterer Zuversicht, denn ein bisschen Spaß muss sein. Alle Arbeiten aus Porzellan sind im Jahr 2002 während eines zweiwöchigen Symposiums unter dem Motto »Arkadien liegt in Potschappel« in der Porzellan-Manufaktur Freital-Potschappel entstanden. Sie tragen Titel wie »Die Köcher des Amor«, »Werkzeug für zarte Hände«, »Gestrandetes Flugobjekt« oder »Tablett De Corsage«. Im projektbegleitenden Katalog heißt es erklärend: »Arkadien ist ein paradiesischer Ort voller Harmonie, dessen Bewohner im Einklang mit den Göttern und der Natur ihrer Beschäftigung nachgingen und musische Wettstreite austrugen.« Bleibt nur noch hinzuzufügen, wie schade es ist, dass Arkadien in Potschappel liegt und nicht in Radebeul.

Die Ausstellung ist bis zum 26. Juni zu sehen.

Die »Kaffeemühle« in Zitzschewig

Ein Nachruf von Katja Leiteritz

Als meine Eltern vor 22 Jahren begannen, ein Teil des Steilhanges am Paulsberg aufzu­reben, begegnete mir die »Kaffeemühle« erstmalig. Wie so oft bei Namens­gebungen aus dem Volks­mund hatte man den Nagel sehr liebevoll auf den Kopf getroffen.

Späterhin zog ich nach Zitzschewig und jeden meiner Gäste legte ich nicht nur das Hohenhaus und den Zechstein ans Herz, sondern auch die Kaffeemühle. Als Land­marke weithin sichtbar, diente sie uns zur Orientierung vom Linkselbischen aus. Denn im Gegensatz zu Hohenhaus oder Krapenburg war die Kaffeemühle ob ihrer einsamen Lage im Wein­berg und ihrer prägnanten Form immer leicht zu finden. Wenn wir im Zug sitzend die Kaffeemühle entdeckten – und das gelang den Kindern bereits in sehr jungen Jahren – hieß es: »Sachen einpacken, wir sind zu Hause!«.

Im April dieses Jahres wurde die Kaffeemühle durch die »Weingut und Weinstube Hoflössnitz Betriebsgesellschaft mbH« abgerissen, wohl um den umliegenden Weinberg besser bewirt­schaften zu können und erforderliche Sanierungskosten zu sparen.

Für mich war dies Anlass, in Gedenken an den liebgewonnen »Weggefährten« die Bauakte zu sichten.

Begonnen hat alles 1927, als Regierungsrat a. D. Dr. jur. Adolph Gleitsmann, damaliger Besitzer des Weinguts Paulsberg, die Errichtung einer Feldscheune auf seinem Weinberg beantragte. Der Bau war für ihn äußerst dringlich, »um sein Heu trocken lagern zu können«. Ob­wohl der damalige Stadtrat von Kötzschenbroda keine Bedenken gegen das Vorhaben erkennen konnte, wandte er sich doch an den Landesverein Sächsischer Heimatschutz zur Begutachtung. Am 24. 11. 1927 antwortet Dr. Gerhardt, Re­gierungsbaurat, in einem Schreiben: »Die Form des Stall- und Scheunengebäudes ist interessant und auf die ländliche Umgebung gestimmt.«

Südansicht der Feldscheune, Planung 1927

Als Gegenleistung für die Genehmigung wurde Dr. Gleitsmann seitens des Stadtrates allerdings verpflichtet, beim geplanten Ausbau des Talkenberger ­Weges kostenfrei Land abzutreten. Der Straßenbau erfolgte jedoch nie.

1934 unternahm Dr. Gleitsmann dann bereits den ersten Versuch zum Ausbau der Scheune mit Wohnungen. Dieser wurde abgelehnt, da »die notwendigen Fenster und Anbauten dem Gebäude seinen Charakter als Scheune nehmen und ein architektonisch unver­ständliches und da­her unbefriedigendes wohnhausartiges Gebilde entstehen« würde.

Im Januar 1938 untermauert Dr. Gleitsmann sein Vorhaben mittels »Zeichnungen zum Einbau zweier Kleinwohnungen in die Feldscheune des Gutes Paulsberg« durch den Architekten und Baumeisters E. Wendt aus Coswig.

Erster Entwurf zum Einbau zweier Kleinwohnungen in die Feldscheune des Guts "Paulsberg" vom 30. 12. 1937, Südansicht

Auch dieses Mal wird der Landesverein Sächsischer Heimatschutz in das Verfahren einge­schaltet. Am 29. 01. 1938, so ist zu lesen, fand ein »Beratungsgespräch zur Gestaltung von Türen und Fenstern« statt. Während des Gespräches wird auch die Ausbildung des Zeltdaches angemahnt.

Trotz der darauf folgenden Befürwortung durch den Sächsischen Heimatschutz lehnte das Stadtbauamt Radebeul am 8. 2. 1938 das Vorhaben aus guten Gründen ab. Alles in allem sollte es überarbeitet und neue Pläne eingereicht werden.

Den genannten Forderungen kam der Bauherr recht zügig nach und legte die Planung »der Kaffeemühle« vor.

Endgültiger Entwurf der „Kaffeemühle“ vom 4. 3. 1938, links: Südansicht, rechts: Nordansicht

Die Baugenehmigung wird am 4. 3. 1938 unter den »baurechtlichen Verpflichtungen a) innerhalb von zwei Jahren das Zeltdach zu errichten und b) weiterhin kostenfrei Land beim Ausbau des Talkenbergerweges abzutreten«, erteilt.

Am 24. 3. 1938 erhob Dr. Gleitsmann jedoch, aus mir noch nicht ersichtlichen Gründen Rekurs, was zu einem Baustopp führte. Dieser wurde am 21. 4. 1938 un­ter weiteren Auf­lagen aufgehoben. Die Fassade des Erdgeschosses sollte nun verputzt und nur das Obergeschoss mit einer Holz­schalung ausgebildet werden.

Auch darüber konnte man sich schnell einig werden, denn bereits am 8. 9. 1938 erfolgt die »Ingebrauchnahme«. Allerdings gab es immer noch offene Forderungen – »der Abort im Erdgeschoss war noch aufzustellen, Planzeichnungen zum Dachgeschoss nachzureichen, die Treppe zur Bodenkammer mit feuerhemmenden Material zu verkleiden und die Sammelgrube zu errichten«.

Der letzte Eintrag in der Bauakte er­folgte am 11. 10. 1940 – das versprochene Zeltdach war fertig gestellt, welch Glück!

Worin die wirkliche Notwendigkeit für den Bau einer Feldscheune 1927 bestand, bleibt für mich unklar. Ob der Weinberg damals eine Heuwiese war, konnte ich den Akten nicht entnehmen. Der Preis für die Genehmigung der Scheune, das kostenfreie Abtreten von Land, erscheint mir aus heutiger Sicht jedoch unverhältnismäßig. Das nach nur sieben Jahren ei-
ne Umnutzung beantragt wurde, lässt Vorsatz oder aber Turbulenzen erahnen. Sicher ist, dass in dieser Zeit
große Wohnungsnot herrschte und Zwangs­zuweisungen an der Tagesordnung standen.

Der durch den Abriss entstandene Verlust von Vertrautem geht für mich über das »Bauwerk« mit seiner markanten Lage und Erscheinung, seinen ausgewogenen Proportionen und seines Kosenamen hinaus. Es gibt diese Dinge im Leben, die eine wahre Ketten­reaktion von Erinnerungen hervorrufen. Da ich einer Generation angehöre, die Kaffeemühlen bei den Großeltern noch in Ge­brauch sahen und verwendeten, drängen sich mir mit dem Be­griff weitere Erinnerungen auf – der Duft von frisch gemahlenem Kaffee, Eierkuchen und Zucker & Zimt, die Kü­che meiner Großmutter mit Ausziehs­püle, der ko­chende Wassertopf auf dem Ofen, das schluckweise Aufgießen des Kaffees…

Ob der wirtschaftliche Aufschwung für den in den letzten 10 Jahren recht unge­pflegten Weinberg nun zügiger vor­anschreiten wird, bleibt abzuwarten.

Quelle:
Stadtarchiv Radebeul/ Bauarchiv, Gohliser Straße 1, Bauakte Talkenberger Weg 6 (1927-51)

Editorial Juniheft 2011

20 Jahre »Karl-May-Fest« in Radebeul. Jetzt kommt er endlich, der fast echte, um nicht zu sagen nahezu plagiatsfreie Winnetou aus den Träumen un­zähliger Kinderphantasien. So überzeugend, dass selbst May’s Protagonist nicht selten in den Verdacht einer Kopie geriet. »Pierre Brice«. Wer den Häuptling in edler Pose und hoch zu Ross erwartet, mag sich un­ter Um­ständen einer gewissen Enttäuschung nicht entbehren können. Hierfür sind für den nunmehr 82-jährigen zu viele Jahre ins Land gegangen, aber seine konservierte cineastische Aura wird mit Sicherheit einen Hauch im romantischen Lößnitzgrund zurücklassen.

1988 war Brice schon einmal hier, zu Besuch in der Deutschen Demokratischen Republik. Der Regisseur der damaligen »Winnetou I«-Inszenierung auf der Freilichtbühne in Rathen, Herbert Graedtke, hatte im Vor­wende­jahr einen privaten Westbesuch gleichfalls zur Stippvisite der »Karl-May-Spiele« in Bad Segeberg verwendet. Die Gunst der Stunde nutzend, lud er den Weststar in die ostdeutsche Prärie in Gestalt der Felsenbühne ein. Ohnehin eine Unerhörtheit für eine Privatperson der DDR. Kaum einen Monat später sollte diese »un­glaubliche« Idee schon Wirklichkeit werden. Ich, selbst noch in Adoleszenz begriffen, durfte diesen aufregenden Tag dort vor und hinter den Kulissen miterleben. Ein gefühlter Staatsakt mit Presse und Fernsehen. Nur augenscheinlich unkostümierte Herren mit schwarzen Lederjacken und finsteren Mienen verdunkelten das bunte Treiben. Beseelt von der Be­deut­samkeit ihres Tuns. Dazu zählte u.a. das gelegentliche Herunterdrücken der Telefongabel am Kantinenfenster; denn so manches Mal ersuchten westdeutsche Ra­diosender ein Interview mit dem Regisseur – vergeblich.

Für die staunenden Theaterzuschauer war die Überraschung indes perfekt als Pierre Brice auf offener Bühne begrüßt wurde. Schauspieler und Gäste fassten sich an den Händen und bildeten eine versöhnende Kette. Eine große Geste, und – ein Politikum.

Wunderbare Musik und elementare Traurigkeit

Großer Beifall für Giacomo Puccinis »La Bohème« an den Landesbühnen Sachsen

"La Bohème", eine Inszenierung von Horst Kupich

Sie sind die eigentlich tragenden Säulen jenes merkwürdigen Sammelsuriums, das eine Künstlerwelt (La Bohème) erst ausmacht. Und das schon, seit sich die Künste innerhalb der Menschheitsgeschichte überhaupt zu formieren begannen. Gemeint sind der Dichter, der Musiker, der Maler und zudem der Philosoph als ein Meister des tiefgründigen Gedankens. Schon von Anbeginn wurden solche Menschen bestaunt, belächelt und in gleichem Maße beschimpft. Ihr Tun sei ohne Sinn, sie schüfen keine Werte und wären daher eigentlich vollkommen überflüssig; so der Tenor der Vorwürfe. Den Wert und Sinn eines Kunstwerks zu be­greifen; das hatte dem Menschen nie jemand beigebracht.

Dem Italiener Giacomo Puccini nun verdankt die Nachwelt ein winziges Stück an Aufklärung über das schwere und komplizierte Leben von »La Bohème« – der Welt der Künstler und der Künste. Und ebenso auch ein Quentchen an Verständnis für die von jeher so arg geschmähte Gruppe etwas anders denkender und handelnder Menschen. Nimmt man das Libretto (Giuseppe Giacosa und Luigi Illica) von »La Bohème« zur Hand, dann wird bald schon deutlich, womit Puccini die Wahl gerade dieses Themas für seine Oper rechtfertigte. In einer absoluten Begeisterung des Menschen für das schöpferische Tun nämlich. Vollkommen unabhängig von irgendwelchen ökonomischen Zwängen. Not leiden sie nämlich alle vier, in jenem harten Winter in Paris. Und so kann es geschehen, dass Rodolfo (Kay Frenzel), der Dichter, sein gerade erst beendetes Drama kurzerhand verbrennt, damit sich die Freunde daran ein wenig die Hände wärmen können. Den Hauswirt (Dietmar Fiedler), der die Miete eintreiben will, haben sie gerade vergrault. Und das so gesparte Geld wollen sie nun in der Stammkneipe auf den Kopf hauen. Rodolfo bleibt allein zurück und überhört fast das zarte Klopfen an der Tür. Draußen steht Mimi (Stephanie Krone), die ihn um Feuer bittet, um ihre Kerze anzünden zu können. Sie friert, sie zittert und immer wieder wird sie von einem quälenden Husten geschüttelt. Natürlich verlieben sich beide ineinander und damit beginnt eine der schönsten und zugleich traurigsten Liebesgeschichten, die das Musiktheater überhaupt aufweisen kann. Doch nicht nur im Libretto schlechthin, sondern vor allem in der ergreifend schönen Musik, die Puccini diesem Stoff unterlegen konnte.

Die Radebeuler »La Bohème« (Horst O. Kupich) ist stimmig bis auf das so ge­nannte I-Tüpfelchen. Hervorragend stimm­lich wie auch darstellerisch besetzt ragt die Gruppe der Künstler hervor; Iikka Leppänen (der Musiker Schaunard) glänzt mit einem schönen warmen Bariton, während Hagen Erkraths (der Philosoph Colline) Bass scheinbar genau seiner beruflichen Zuordnung entspricht. Norman D. Patzkes Bariton verleiht dem Maler Marcel nicht nur eine ganz be­sondere Farbe, sondern macht zu­gleich auch die an Besessenheit grenzende Leidenschaft eines Malers wunderbar sicht­bar. Stephanie Krone – nach langer Pause auf die Bühne zurückgekehrt – ist sowohl stimmlich mit großartigem So­pran als auch darstellerisch ausgesprochen überzeugend und wird daher auch optisch zum erklärten Mittelpunkt dieser Künstler-Männerrunde. Nicht zu­letzt bringt sich Christine Poulitsi in der Rolle der Musette mit kraftvoll, kämpferischem Sopran ein und spielt zugleich jederzeit überzeugend die hilfsbereite Freundin. Die wunderbaren Melodien Giacomo Puccinis transportieren eine geradezu greifbare elementare Traurigkeit.

Das Bühnenbild (Lena Heeschen) lenkt in seiner Sparsamkeit niemals von der Handlung ab, stützt aber dennoch eine stimmige Atmosphäre. Die Kostüme (Ann Schaper-Jesussek) atmen zwar Zeitlosigkeit, wirken aber zugleich charmant ab­gegriffen und wie irgendwo und ir­gend­wie zusammengeborgt. Ein personell re­duzierter Opernchor wurde ergänzt durch einen sehr agilen und vor allem spielfreudigen Kinderchor. Und Michele Carulli dirigierte letztlich das Ganze, als wähnte er sich in seiner italienischen Heimat und womöglich sogar direkt in Torre del Lago nördlich von Pisa, wo der Meister Giacomo Puccini die schönsten seiner Opern erschuf. »La Bohème« – ein Muss für die Opernfreunde zwischen Meißen und Dresden.

Ich habe nichts

Zum literarischen Lebenswerk von Hanns Cibulka

Hanns Cibulka, der am 20. September 90 Jahre geworden wäre, gehörte zu den meistgelesenen Schriftstellern der DDR. Sein Leben und Schaffen liegt in einem vielgestaltigen Werk, das Gedichtbände und Tagebücher umfasst, als ein offenes Buch vor uns aufgeschlagen. Ein Strom von Teilnahme und Mitleiden durchleuchtet darin unsere zur Existenz erhobene Welt, weitet unser Wissen und möchte uns besser, ja weiser machen. Hanns Cibulka hat eine Atmosphäre so­zialer und kultureller Verantwortung bilden helfen, und ist dafür als ein Jahrhundertzeuge bezeichnet worden, der das vergangene Säkulum nicht nur durchlebt, sondern gewissermaßen protokolliert hat­te. Viele seiner Tagebuchaufzeichnungen möchten der Orientierung dienen: »Das Tagebuch ist Zustrom, Zentrum, Be­kenntnis. Nur dort, wo es bekennt, strahlt es aus, wird »fremdes Dasein im Eigenen« aufgelöst.« Das Tagebuch bietet sich dem Suchenden und Hoffenden zum Gespräch an, die sich auf den Weg begeben, einen prägnanten Punkt und damit auch eine Anleitung zum bewussten Leben zu finden.

Aus Anlass des Jubiläums veröffentlichte der NOTschriftenverlag Radebeul ein Gedenkbuch für Hanns Cibulka, das Beiträge zu seinem Werk, u.a. von den Radebeuler Schriftstellern Jörg Bernig und Thomas Gerlach sowie vom Autor selbst enthält. Einige Arbeiten widmen sich dem lyrischen OEuvre Cibulkas und erinnern somit an ein immer seltener werdendes Genre: »Worte/ Geschunden,/ getreten,/ ausgewiesen,/ zurückgeholt/ und wieder verleugnet./ –

Brennesselwald./ Und dennoch:/ die zartesten aller Gebilde, staublos.«

In seinem letzten Gedichtband: Der Rebstock (1980) heißt es »Drei Weinberge/ liegen hinter meinem Haus,/ drei Wünsche/ stehen mir noch/ offen …/ den letzten/ trägt eine Taube/ als Rebblatt/ um die Welt.«

Für Schlagzeilen sorgte Cibulka im Jahre 1982 mit seinem Rügentagebuch Swantow, das nicht nur im Hinblick auf die Ereignisse in Japan von bestürzender Gegenwärtigkeit ist.

So beschreibt er die Schönheit von Rügens Landschaft. Gleichzeitig quält ihn der Gedanke, dass der Mensch die technischen Kräfte, die er in Bewegung setzte, nicht mehr beherrschen, dass er im Maßlosen nicht mehr das rechte Maß finden könne. In diesen Aufzeichnungen, die als das heimliche Manifest der in der DDR aufkeimenden Umweltbewegung verstan­den und von der Zensur zunächst verboten wurde, setzte er sich mit der Umweltbedrohung auseinander: »Mit der Klafter des Todes/ vermessen Schnelle Brüter/ das Land./ Im Wasserbett Kernstäbe, Primärkreislauf, abgeblasen/ über den Kamin/ die Radionuklide./ Der Mensch/ im Strahlengeviert./ Im Abwasser staut sich/ die Schuld.«

Als das Buch dennoch erschien, war die erste Auflage von 15 000 Exemplaren binnen dreier Tage vergriffen. Innerhalb eines Jahres hatte der Autor in der DDR etwa einhundert Lesungen! Es war die unbedachte Fortschrittsgläubigkeit, die der Schriftsteller anprangerte, unser selbstverliebtes Wiegen in trügerischer Sicherheit, denn das Schutzkleid unserer Erde ist in tödlicher Gefahr…

In seinem letzten Werk: Späte Jahre (2004) spricht Cibulka von der Klimakatastrophe als Antwort der Natur auf die Habgier der Menschen. Der Mensch mordet sich selbst, allerdings ist es ein Mord auf Zeit.

Herausgeber Günter Gerstmann, den eine langjährige Freundschaft mit Hanns Cibulka verband, verfolgt mit dem vorliegenden Buch das Anliegen, das Andenken an einen Schriftsteller wach zu halten, der zu Unrecht in Vergessenheit zu geraten droht. Er teilt dieses Ansinnen mit den Autorinnen und Autoren, die mit ihren Beiträgen und Engagement das Erscheinen des Bandes ermöglicht haben und sich vehement für das Weiterleben seines literarischen Werkes einsetzen.

Das Buch kostet 11,90 Euro und ist im Buchhandel oder beim Notschriftenverlag erhältlich.

Günter Gerstmann

Mühlen in der Lößnitz

Zur Ausstellungseröffnung im Museumsdepot am 23. März

Thilo Hänsel am Modell einer Bockwindmühle

In seiner parodistischen Bühnenfassung des Märchens »Der gestiefelte Kater« lässt Ludwig Tieck den über Land fahrenden König nicht nur fragen, wem denn die herrlichen Ländereien gehören (dem Grafen Carabas na­türlich). Die Prinzessin möchte vom Bauern auch wissen, warum dieser »denn da das Stroh so um­haue«? Da­rauf Bauer Kunz: »Das ist ja die Ernte, Mamsell Königin, das Getreide.« »Das Getreide?«, schaltet sich der König ein, »Wozu braucht ihr denn das?« Kunz: »Daraus wird ja das Brot gebacken.« Der König zeigt sich er­staunt: »Daraus wird Brot gebacken? Wer sollte wohl auf solche Streiche kommen…«

Die Monarchie ist lange abgeschafft. Heute sind die Kunden König, und die wissen natürlich bescheid, woher das Brot kommt – vom Bäcker oder aus dem Supermarkt. Bauern, die sie eines besseren belehren könnten, begegnet man in der Stadt leider nur noch selten.

Mühlen - Blick in die Ausstellung

Bevor aus Getreide Brot gebacken werden kann, muss es gemahlen werden; da kommen die Mühlen ins Spiel. Vor gut 200 Jahren, als Tieck sein Märchenstück schrieb, musste man das nicht eigens er­wähnen. Da hatte man die Mühlen al­lerorten noch vor Au­gen und ihr sprichwörtliches Klappern im Ohr. Allein in der Lößnitz und der un­mittelbaren Umgebung waren damals 14 Mühlen im Gange. Heute ist davon nur noch eine einzige in Betrieb, die Schefflermühle im Lößnitzgrund. Eine weitere, die Gohliser Windmühle, hat die Zeit als technisches Denkmal überdauert. An die andern erinnern, wenn überhaupt, nur noch Straßen- und Häusernamen und seit 2008 auch der schöne Mühlsteinbrunnen in Radebeul-Mitte.

Dem Radebeuler Architekten im Un­ruhestand Thilo Hänsel war das nicht ge­nug. Seit langem trug er sich mit dem Gedanken, die wichtige Bedeutung und die lokale Tradition des Müllerhandwerks ins rechte Licht zu rücken. Gemeinsam mit Thomas Gerlach hat er sich zunächst auf Spurensuche zur Ge­schichte der Mühlen am Lößnitzbach begeben. Das vorzeigbare Ergebnis dieser Recherchen liegt seit einigen Tagen in Buchform vor.

Da diese Arbeit nun einmal gemacht war und die Autoren und einige ihrer Helfer der Arbeitsgruppe Stadtmuseum angehören, lag der Gedanke nicht fern, die Mühlen der Lößnitz auch zum Thema der zweiten Ausstellung der AG im Radebeuler Mu­seumsdepot zu machen.

Der Ort passt gut, denn nur einen Steinwurf von hier stand bis 1869 eine hölzerne Bockwindmühle, ähnlich der hier im Modell gezeigten. Und die Radebeuler Ursprungsgemeinde Serkowitz, wo wir uns befinden, hatte nicht nur den ältesten Gasthof, sondern – dicht dabei – auch die älteste Mühle der Lößnitz aufzuweisen – zumindest, wenn man sich an der ersten urkundlichen Erwähnung im Jahre 1337 orientiert.

Menschheitsgeschichtlich sind die Techniken der Getreideverarbeitung na­türlich viel älter, und auch dafür gibt es in der Lößnitz Belege. Das Landesamt für Ar­chäologie hat uns für die Ausstellung freundlicherweise Teile eines bronzezeitlichen Fundes von 2007 bei Radebeul-Naundorf zur Verfügung gestellt, darunter ein Steinpaar, das hier schon vor rund 3000 Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Zerreiben von Körnern benutzt wurde.

Von Mühlen spricht man freilich erst, seitdem sich die Mahlsteine drehen. Wie man sich das zunächst vorzustellen hat, demonstriert der kunstvolle Nachbau einer mittelalterlichen Handmühle, der eigens für diese Ausstellung hergestellt wurde. Welcher Anstrengung es bedarf, durch Drehen des Läufersteins damit so etwas Ähnliches wie Mehl zu erzeugen, kann jeder selbst ausprobieren und wird danach noch besser verstehen, dass man sich schon früh be­mühte, die Arbeit durch technische Einrichtungen zu er­leichtern und andere An­triebsarten zu nutzen als die Menschenkraft.

Die historische Bedeutung der Mühlentechnik für die technische Entwicklung im Allgemeinen kann gar nicht hoch genug bewertet werden, und die heute als »alternative Energie« wieder groß in Mode ge­kommene Wasser- und Windkraft wurde zuerst für den Antrieb von Mühlen aller Art genutzt.

Im späten Mittelalter, als erstmals eine Getreidemühle in der Lößnitz erwähnt wird, hatten sich längst drei wesentliche Mühlentypen herausgebildet: Schiffsmühlen, Bachmühlen und Windmühlen. Alle drei Typen waren bis ins 19. Jahrhundert auch in unserem Stadtgebiet vertreten. Wo diese Mühlen lagen, wie sie ausgesehen haben und einiges zu ihrer Ge­schichte ist auf den Tafeln der Ausstellung in Bild und Text dargestellt. Daneben können die Besucher Grundlegendes über die Mühlentechnik erfahren, und auch der Bereich des Kuriosen kommt nicht zu kurz.

Der freundlichen Unterstützung durch zahlreiche Leihgeber haben wir es zu verdanken, dass hier auch viele echte Schätze gezeigt werden können: Modelle und Dokumente, historische Werkzeuge aus
der Landwirtschaft und dem Müller- und Bäckerhandwerk, originale Mühlenteile und nicht zuletzt auch einige Kunstwerke. Ein herzlicher Dank an alle, die der Ausstellung so zu noch mehr Anschaulichkeit verhal-
fen!

Die erste Ausstellung im Museumsdepot »100 Jahre Vor-Stadt-Geschichte – die Lößnitz 1835 bis 1935« war eher etwas für »alte Radebeuler«. So überraschte es kaum, dass unter den zahlreichen Besuchern die Generation 50 + deutlich am stärksten vertreten war. Ich würde mir wünschen, dass es uns diesmal besser gelingt, auch jüngere Leute anzusprechen; insbesondere denke ich da natürlich an die Radebeuler Schulen.

Wenn Ihnen, werte Gäste, die neue Ausstellung zusagt, können Sie uns dabei vielleicht als Multiplikatoren mit etwas Mundpropaganda unterstützen. Zu erfahren gibt es, wie gesagt, einiges. Und wenn bei den Prinzen und Prinzessinnen von heute nur hängen bleibt, dass das Brot eben nicht im Supermarkt wächst, wäre schon viel gewonnen.

Die Ausstellung »Mühlen in der Lößnitz« im Radebeuler Museumsdepot, Wa­sastraße 21, ist immer am letzten Mittwoch im Monat von 15 bis 19 Uhr zu besichtigen. Anschließend gibt es jeweils einen Vortrag; am 25. Mai um 19 Uhr spricht Helmut Harzbecker, Inhaber der Mühle in Bauda, über den Beruf des Müllers. Der Eintritt ist frei. – Zusätzliche Führungen für Gruppen und Schulklassen werden auf Anfrage gern angeboten (Kontakt über Tel. 8311605 bzw. per Email an kulturamt@radebeul.de). – Dank der großzügigen Unterstützung durch die Meißner Sparkassenstiftung konnte pa­rallel zur Ausstellung das vom Verein für Denkmalpflege und Neues Bauen Ra-
debeul e.V. herausgegebene, reich illustrierte Buch »Die Lößnitzbachmühlen« von Thilo Hänsel und Thomas Gerlach erscheinen (Notschriften-Verlag Radebeul).

Gesundheitsmeile Altkötzschenbroda

Immer mehr Angebote am Anger (2. Teil)

Im Aprilheft nahmen wir sie mit auf einen Rundgang, der die Gesundheitsangebote auf der Südseite des Angers beschrieb. Nun setzen wir den Rundgang auf der Nordseite fort.

Pro Natura Altkötzschenbroda

Der Naturkostladen der Familie Schreckenbach »Pro Natura« ist wohl die älteste Gesundheitseinrichtung am Anger und wurde immerhin schon 1998 eröffnet. Anfangs war er als recht kleiner Laden schräg gegenüber des heutigen Standortes in Altkötzschenbroda 15 zu finden. Das große Angebot an Biowaren reicht von Obst, Gemüse, Tee über Kosmetikprodukte bis zu Aromalampen und Dekorationsartikeln. Die Inhaberin Karin Schreckenbach und die anderen Frauen, die hier verkaufen, beraten bei dem fast unüberschaubaren Angebot auch gern und kompetent.

Im Familienzentrum – Altkötzschenbroda Nr. 20 – bietet Uwe Wittig schon seit vielen Jahren seine mobilen Massagen an. Nach dem Motto: »eine halbe Stunde nur für mich« kann man nach telefonischer Voranmeldung besagte halbe Stunde bei diesem staatlich anerkannten Masseur ent­spannen. Der 42-jährige kommt zu den verschiedensten Arbeitgebern in der Region, auch in Ämter und Behörden, um Mitar-
beiter, die oft verspannt an Schreibtischen sitzen, dort durchzukneten. Täglich ist er mobil unterwegs mit seinem klappbaren Massagetisch und (sehr beliebt) dem Massagestuhl, um seine Fä­higkeiten in den Dienst verspannter Mitmenschen zu stellen. Umso erfreulicher, dass das Familienzentrum von Radebeul auch von ihm bedient wird – immer am ers­ten Montag des Monats.

Ebenfalls schon einige Jahre bietet Gabriele Baumann, eigentlich eine gelernte Architektin, hier in der »Fami« Shiatsu-Massagen an. Etwa alle zwei Wochen gastiert sie donnerstags im Familienzentrum, um hier nach japanischer Art Meridian-Dehnungen durchzuführen. Der Patient liegt dabei auf Decken am Boden, so kann sie die eigene Körperkraft bei der Dehnung einsetzen, und man kann liegend tief in Ruhe kommen. Die Wirkung ist phantastisch, alles ist hinterher im Fluss, man fühlt sich wie neugeboren. Gabriele Baumann hat sich auch mit ihrer »Nachbarin« ausgetauscht und beide haben sich gegenseitig massiert, um die jeweils andere Methode kennen zu lernen.

Die Rede ist von Than Cho Htay. Die junge Frau bietet ebenfalls eine asiatische, aber ganz andere, eher kräftige Art der Massage in Altkötzschenbroda 28 am Grad­steg an. Wie man schon am Namen vermutet, handelt es sich um eine Thailänderin. Doch sie bietet keine erotische (wie viele Männer beim Stichwort Thailand wohl denken), sondern ganzheitliche Massagen, die feinstofflich wirken, das Immunsystem stimulieren, den Be­wegungsapparat dehnen, die Muskulatur kräftigen und den Energiefluss des ge­samten Körpers verbessern. Ideal ist, sich viel Zeit zu nehmen: mindestens eine bis anderthalb Stunden, dann ist die Wirkung größer. Man kann dabei auch die Kleidung anlassen. Wer nicht gleich eine Ganzkörpermassage will, kann auch – zum Kennenlernen – zunächst nur eine Gesichts- und Kopfmassage bu­chen.

Hat man den kleinen Gradsteg überquert und bewegt sich Richtung Friedenskirche, sieht man neben dem Eine-Welt- Laden eine Fensterbank mit Flyern, die neugierig machen. »Reiki« steht da drauf zum Beispiel. Reiki beschreibt auch eine Heilenergie, die ursprünglich aus Japan kommt. In Wochenendseminaren kann der Umgang mit dieser Heilenergie erlernt werden. Das System ist recht komplex und hat etwas mit spiritueller Lichtenergie zu tun. Unter der Anschrift Altkötzschenbroda 32 steht Christiane Arndt – Lehrerin für Heilung und Transformation – für Fragen, Beratungen und Massagen zur Verfügung. Sie hält auch Seminare außerhalb von Dresden ab und ist viel unterwegs.

»Die Abwesenheit von Gesundheit ist ein Ungleichgewicht des Körpers, welches sich mit Symptomen äußert.« Das ist die Einstellung mit der die beiden Heilpraktiker in der neuen Praxis »Sonnenbogen« ans Werk gehen. Sie befindet sich fast am Ende des Dorfangers, gegenüber der Friedenskirche. Statt nur an Symptomen herum zu doktern, soll das Gleichgewicht, die innere Balance, wieder hergestellt werden. Deshalb liegt auch hier der Schwerpunkt auf der Energiemedizin. In der Praxis werden Osteopathie, craniosakrale Behandlungen sowie Reflexzonentherapie und physiotherapeutische Leistungen angeboten. Dabei lernt der Mensch sich selbst praktisch neu kennen und gelangt zu mehr Klarheit, Bewusstheit sowie körperlicher und mentaler Gesundheit, versprechen die beiden Heilpraktiker Stefan Wolf und Gerd Duffe.

Und hier schließt sich der Kreis. Denn die beiden sind nicht nur mit Christoph Wutzke vom »NaturkraftCentrum Altkötzschenbroda« befreundet (Sie erinnern sich: Möbel der Kraft, Vorschau & Rückblick April 2011) sie empfehlen sich auch ge­genseitig. Das macht Sinn: denn beide »Unternehmen« ergänzen sich bei der Beratung zu mehr Gesundheit – und davon profitieren nicht nur Radebeuler Bürger.

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