Eine Glosse?

Die schwäbische Hausfrau

Ob nun der 2021 ins Häusliche zurückgetretenen Angela die alleinige Schuld an der Reanimierung der „Schwäbischen Hausfrau“ seit 2023 in die Schuhe geschoben werden kann, soll hier nicht diskutiert werden. Offensichtlich aber wollte sie die Dame nicht mit nach Hause nehmen. Sie ist vermutlich in der Besenkammer des Kanzleramtes steckengeblieben und einer hat sie da unlängst wieder rausgelassen. Ob versehentlich oder absichtsvoll wird gegenwärtig noch geprüft. Fakt aber ist, dass nun schon wieder alle vom Sparen schwadronieren, auch weil Staat, Europäische Union und damit letztlich die Wirtschaft vor zehn, fünfzehn Jahren die Kurve nicht bekommen haben und auch nichts dazulernen wollten. Wer über seine Verhältnisse lebt, so der Slogan, der muss halt sparen. Und seit der Eurokrise wurde besonders an den Löhnen und den Investitionen gespart.

Nicht genug, dass die Europäische Union 2013 den Europäischen Fiskalpakt eingeführt hat, setzte das Kabinett-Merkel III mit Sparfuchs Schäuble als Finanzminister noch eins obendrauf, in dem die Schuldenbremse 2016 ins Grundgesetz geschrieben wurde. Nun klemmt die Säge vollends und es geht nichts mehr vor und zurück. Selbst der CDU dämmert es langsam, dass hier irgendetwas nicht stimmen kann.

Will aber jetzt keinen Vortrag über verfehlte Bundesfinanzpolitik halten. Die Spatzen pfeifen es eh schon längst von den Dächern. Zur Ehrenrettung der schwäbischen Hausfrauen sei aber angemerkt, dass diese sehr wohl den Unterschied zwischen mikro- und makroökonomischem Denken begriffen haben. Für die Instandhaltung des eigenen Hauses wurde da schon mal ein Kredit aufgenommen.

Selbst Mitarbeiter des Bundesministeriums für Wissenschaft und Klimaschutz haben bereits 2016 festgestellt, das „Investitionen und stabile Staatsfinanzen“ kein Widerspruch sein müssen und beispielsweise Investitionen in die Bildung Rendite abwerfen.

Dass aber der neue Schulcampus in Kötzschenbroda nur entstehen kann, wenn andere intakte Gebäude abgerissen werden, will mir einfach nicht in den Kopf. Muss man jetzt bauen, weil vorher auch zwei Schulgebäude plattgemacht wurden? Interessieren würde mich auch, woher dann eigentlich die Schüler kommen sollen, da die Geburtendelle in absehbarer Zeit wohl nicht überwunden wird und die Erwerbsbevölkerung in Sachsen bis 2040 um 36,5 Prozent schrumpfen soll? An der „Schwäbische Hausfrau“ kann es nicht liegen.

Die Investitionen der Stadt Radebeul für 2024 beliefen sich laut Plan immerhin auf über 19 Millionen Euro, die höchste Summe seit 2013. Dennoch dirigiert auch in Radebeul die „Schwäbische Hausfrau“, wenn sich CDU-Fraktion in der Haushaltsdebatte im April 2024 gegen jedwede Kreditaufnahme wandte. Realisiert wird also nur, wofür es Fördermittel gibt und da wird es wohl in den nächsten Jahren schlecht aussehen. Bereits Anfang 2024 ahnte der Oberbürgermeister, dass es künftig weniger geben wird. Dennoch wurde die Kolbe-Villa erworben, als ob die Stadt nicht schon genug Vorhaben an der Backe hätte. Gegenwärtig laufen dort die ersten Sicherungsmaßnahmen. Bei allen zweifelsfreien Erfolgen vermisst der Bürger eine Strategie, eine Prioritätenliste. Was man im April 2024 auf der Haushaltsberatung im Stadtrat noch als Standort für das neue Stadtarchiv „feierte“, verkaufte man sieben Monate später in einer Bürgerversammlung Anfang Dezember – welch wundersame Wandlung – als „Haus der Kultur und Geschichte“ in einem neuen städtischen Zentrumsbereich in Radebeul-Mitte. Die Jugendherberge soll da auch gleich einen Neubau erhalten. Baubeginn, so war nun in der Zeitung an 6. Januar zu lesen, frühestens 2031! Alles natürlich fördermittelabhängig. Ohne Fördermittel scheint in Radebeul nichts mehr zu gehen. Seltsamerweise war von diesem bedeutenden Projekt im Interview des Oberbürgermeistes Bert Wendsche in der Sächsischen Zeitung vom 27. Dezember über die Frage „Was kann sich Radebeul nächstes Jahr leisten?“ noch keine Rede. Die Bürger, die bei der Vorstellung des Vorhabens durch die Stadtverwaltung dabei waren, werden sich wohl verdutzt die Augen gerieben oder vermutlich beim Ohrendoktor angemeldet haben.

Aber was soll’s, auch vieles Andere kam in dem Interview nicht zur Sprache, etwa der soziale Wohnungsbau, wie die Klimabilanz der Stadt, die perspektivische Stadtentwicklung, von der Kultur ganz zu schweigen. Da wird wohl wieder die „Schwäbische Hausfrau“ zugeschlagen haben.

Euer Motzi

Keine Leistung?

Kulturgut Lügenmuseum

HundertzweiundfünfzigTage ist das Lügenmuseum nun offiziell geschlossen! Anfang Dezember, so der Betreiber, kam dort angeblich der Nikolaus vorbei und hat für kurze Zeit ein Weihnachtsmuseum und gar am 27. Dezember die Ausstellung „Zack-Zack“ eröffnet.

Auf oder zu? – Das ist hier die Frage!


Wer Eins und Eins zusammenzählen kann und im Sinne des Besitzers des Gebäudes denkt und fühlt, wird diese Aktion als eine reine Provokation interpretieren. Juristisch gesehen ist das so. Aber handelt es sich hier eigentlich nur um einen Streitfall zwischen dem Vermieter, der Stadtverwaltung in Gestalt des Oberbürgermeisters Bert Wendsche und dem Mieter der Familie Zabka als Betreiber des Museums? Gab es denn eigentlich eine Alternative für die Betreiber des Museums?

Bekannt ist, dass die Stadtverwaltung den ehemaligen Serkowitzer Gasthof bereits kurz nach dessen Erwerb 2007 wieder verkaufen wollte und bis heute an diesem Beschluss festhält. Die Nutzung durch die Betreiber des Lügenmuseums war also von vornherein nur als eine Interimslösung gedacht. Die bisherigen diesbezüglichen Versuche, das Objekt zu verkaufen, sind allesamt gescheitert, zumeist wegen zweifelhafter Wirtschaftlichkeit. Auch die Vermittlung an einen nichtwirtschaftlich interessierten Käufer schlug fehl. Mittlerweile ist das Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter derart zerrüttet, dass an eine einvernehmliche Lösung des Problems nicht zu denken ist. Der Mietvertrag wurde gekündigt, dennoch „sitzt“ der Mieter noch im ehemaligen Gasthof. Aber seit geraumer Zeit hat sich die gesamte Lage um den Casus „Lügenmuseum“ gravierend geändert, so dass es höchste Zeit ist, die Diskussion vom Kopf auf die Füße zu stellen.

Seit Einzug des Lügenmuseums in das Gebäude des Serkowitzer Gasthofes hat sich dieser zu einem wahren „Pilgerort“ für Radebeul-Besucher entwickelt und die Stadt über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus zu mehr Ansehen und Anerkennung verholfen. Wer so eine Einrichtung in seinen Mauern hat, der, so die weit verbreitete Annahme von Besuchern, muss etwas für Kultur übrig haben. Den starken Besucherstrom bekommen auch die Beherbergungs- und Gaststättenbetreiber zu spüren, was wiederrum hilft, das Steuersäckel der Stadt zu füllen. Und so hat auch dieses Gewerbe seinen Anteil am 2022 erwirtschafteten Überschuss von 9,5 Millionen geleistet. Die Kultur- und Kreativitätswirtschaft steht in der Bruttowertschöpfung der Bundesrepublik nach dem Fahrzeugbau an zweiter Stelle.

Warum also ist es so, dass Stadtrat und Verwaltung von Radebeul diese Binsenweisheit nicht zur Kenntnis nehmen wollen? Liegt es an dem vermeintlichen ungebührlichen Verhalten der Familie Zabka oder passt hier die ganze Einrichtung nicht ins Konzept? Rührt eventuell die Haltung beider Gremien von der bestellten negativen Einschätzung des einstigen Stiftungsdirektors der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen her, der am liebsten alle Museumsstücke auf einen Abfallcontainer gesehen hätte? Warum haben die 93 Briefe (s. Homepage Lügenmuseum), die seit Juni 2024 für den Erhalt des Museums sprechen und an den Oberbürgermeister Bert Wendsche und das Museum gegangen sind, nicht zu einem Umdenken oder doch wenigstens zu einem Innehalten und Überdenken des eignen Standpunktes geführt? Warum wurden all die Fragen, Probleme und Schwierigkeiten hinter verschlossenen Türen besprochen, verhandelt und kein öffentlicher Diskurs geführt? Spüren die Mandatsträger der Stadt keine Verantwortung gegenüber den Bürgern Europas, wenn sie dieser einmaligen Einrichtung in der Bundesrepublik den Stuhl vor die Tür setzen? Ein Museum oder eben eine Einrichtung dieser Art klemmt man nicht einfach unter den Arm und zieht weiter wie die bettelnden Gaukler vergangener Jahrhunderte. Dabei sei hier noch nicht auf die Leistungen verwiesen, die das Museum seit 12 Jahren bis zur seiner unfreiwilligen Schließung erbracht hat: Geöffnet an Feiertagen und Wochenenden, Betreuungen in den Schulferien, Kurse und Werkstätten, Sonderausstellungen, Konferenzen sowie Projekte im In- und Ausland. All diese Angebote haben die Stadt so gut wie nichts gekostet.

Natürlich hat die Stadt Mittel aufgewendet, um den ehemaligen Gasthof in einen Zustand zu versetzen, der eine Nutzung überhaupt erst ermöglicht. Diese Instandsetzungsarbeiten haben aber primär nichts mit dem Lügenmuseum zu tun. Sie wären auch so angefallen. Wie aber die Denkmalpflege in einer Stellungnahme bescheinigt, haben die Betreiber des Museums wesentlich zum Erhalt des Gebäudes beigetragen. Keine Leistung? Oder wird hier einfach fallengelassen, was nicht in den Kram passt? Es wäre höchste Zeit nochmals darüber nachzudenken, um eine sinnvolle Lösung anzustreben, ehe man als Kulturverhinderer am Pranger steht. Denn Kunst ist es zweifelsfrei, aber vermutlich nicht für alle, muss es aber auch nicht sein.

Karl Uwe Baum

15. Thematischer Filmclubabend


Es ist nun schon eine schöne Tradition, dass wir unsere Veranstaltungsreihe Film Club Mobil zum Jahresauftakt in der Heimatstube Naundorf eröffnen. Das lodernde Kaminfeuer, Harmoniumklänge, Gänsefettschnittchen und ein sich immer wieder aufs Neue, mit köstlichem Wein füllender Zauberbecher in urgemütlichem Ambiente nostalgisch anmutender Ausstellungsstücke stimmen auf den Filmclubabend ein. Gezeigt wird der Märchenfilm „Die Geschichte von der Gänseprinzessin und ihrem treuen Pferd Falada“. Die Vorlage für den Film bildete das Märchen „Die Gänsemagd“ der Gebrüder Grimm, welches recht grausame Passagen enthält. Der Film hingegen bietet eine menschenfreundlichere Interpretation. Themen wie Krieg und Frieden, Recht und Unrecht, Vertrauen und Missgunst werden nicht ausgespart und erfahren eine feine Nuancierung.

Bei unseren Recherchen stießen wir auch wieder auf einige überraschende Zusammenhänge. So ist der Regisseur Konrad Petzold (1930–1999) ein gebürtiger Radebeuler. Im Radebeuler Stadtlexikon steht, dass er (um 1948) Organisator der Jugendbühne Radebeul gewesen ist. 1952 wurde er zum Regiestudium an die Filmhochschule Prag delegiert. Regie führte er u.a. in Filmen wie „Das Kleid“ (1961) und „Alfons Zitterbacke“ (1965). Auch war er als Drehbuchautor und Schauspieler tätig. Nach dem gesellschaftlichen Umbruch kam seine Regiearbeit gänzlich zum Erliegen. In diesem Jahr würde Konrad Petzold seinen 95. Geburtstag begehen.

Die Geschichte von der Gänseprinzessin…“ hatte am 29. Januar 1989 im Berliner Colosseum Premiere. Es war der letzte Spielfilm des Regisseurs Konrad Petzold. Für den Schauspieler Alexander Höchst, in der Rolle des Prinzen, war es das Filmdebüt.

Während die zwei tschechischen Hauptdarstellerinnen Dana Moravková (Aurinia) und Michaela Kuklová (Liesa) sowie Alexander Höchst (Ivo) noch am Anfang ihrer filmischen Karriere standen, gehörten Gerry Wolff (1920 –2005) und Eberhard Mellis (1929–2019) in der DDR zu den bekannten künstlerischen Schwergewichten. Beide waren sehr vielseitig und mit ihren markanten Stimmen als Synchronsprecher gefragt.

Die Geschichte von der Gänseprinzessin
und ihrem treuen Pferd Falada

1988, DDR, DEFA-Studio für Spielfilme, 80 Minuten, FSK 6

Regie: Konrad Petzold; Drehbuch: Angelika Mihan; Kamera: Hans Heinrich
Musik: Zdének John; Besetzung: Dana Moravková (Aurinia), Michaela Kuklová (Liesa), Eberhard Mellis (König), Regina Beyer (Königin), Gerry Wolff (Soldat), Alexander Höchst (Ivo)

Auf dem Berg überm Tal lebte ein junges Königspaar mit seinem neugeborenen Töchterlein Aurinia. „… Frieden war und Sommerzeit. Das Korn auf den Feldern stand in goldener Reife und versprach eine reiche Ernte…“ Bis ein wildes Reitervolk das Land überfiel. Die Menschen folgten dem Ruf des Königs und verteidigten ihr Land. Auch König Ewald aus dem Nachbarreich eilte zur Hilfe. Gemeinsam besiegten sie das Reitervolk. Der Reiterkönig aber erschlug in blinder Wut seine Frau. Auch seine neugeborene Tochter Liesa wollte er töten, doch Aurinias Vater rettet den Säugling und wird dabei von einem Pfeil getroffen. Im Sterben verspricht er seine Tochter König Ewalds Sohn Ivo. Liesa wiederum, die zusammen mit Aurinia aufwächst ist von Missgunst geplagt.

Als Aurinia im heiratsfähigen Alter ist, schickt sie die Mutter auf die Reise zu Prinz Ivo, um das Versprechen des Vaters einzulösen. Begleitet wird sie von ihrer Ziehschwester Liesa, die sich als Magd angeboten hat, einem alten Soldaten und dem treuen Pferd Falada. Mit auf den Weg gibt ihr die Mutter ein Tuch mit 3 Tropfen Mutter-Blut und einen Zauberpokal, der sich von selbst mit Wein füllt.
Doch Liesa ist hinterlistig und es gelingt ihr, das Tuch, den Kelch und das Pferd an sich zu bringen. Dem Kleidertausch folgt der Rollentausch. Fortan gibt sich Liesa als Prinzessin aus. Die gutgläubige Aurelia wiederum wird gezwungen, sich als Magd auszugeben und hütet fortan mit dem Hütejungen Kurdchen die Gänse. Dem treuen Pferd Fallada wird der Kopf abgeschlagen und über ein Tor genagelt. Immer wenn Aurelia hindurchgeht, vertraut sie dem sprechenden Pferdekopf ihren Kummer an. König Ewald und Prinz Iwo werden allmählig misstrauisch, denn Liesa ist kalt und hartherzig. Zu Aurelia hingegen fühlt sich der junge Prinz seit der ersten Begegnung hingezogen.

Vorm Happy End gilt es jedoch noch einige Proben zu bestehen. Durch die Kraft des Zaubertuches, welches König Ewald der falschen Prinzessin entrissen hat, erscheint Aurinias Mutter und überführt Liesa der Lüge. Schließlich wird auch das Pferd Falada wieder lebendig. Liesa lässt man großmütig vom Hofe reiten und der König meint dazu, “Lasst sie, sie straft sich selbst mit Einsamkeit“

Karin Baum und Michael Heuser
Sprecher der Cineastengruppe „Film Club Mobil“ im Radebeuler Kultur e.V.
Anmerkung: unter Verwendung von verschiedenen Filmbegleitmaterialien und Wikipedia-Eintragungen
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Termin: 6.2.2025, Einlass: 19 Uhr, Reservierungen unter: 0160-1038663, Veranstaltungsort: Heimatstube Naundorf, Fabrikstraße 60, 01445 Radebeul

Editorial

Unser Heft schickt sich von jeher an, neben den kulturellen Ereignissen in Radebeul auch Orte in der näheren Umgebung im Blick zu haben.

Diesmal richtet sich unser Interesse auf Schloss Burgk, ein Kleinod am Fuße des Windberges der Stadt Freital. Der aus dem 14. Jh. stammende Herrensitz ist regionaltypisch mit dem dortig ansäßigen Montanwesen verwoben, was in mehreren Ausstellungen anschaulich repräsentiert wird.

Ein zweiter, überaus bedeutender Schwerpunkt gilt, hier fast unvermutet, zwei hochkarätigen Sammlungen des 19. und 20. Jahrhunderts. Neben der Städtischen Sammlung, die 2024 ihren 100. Geburtstag feierte, kam 1993 mit der Übernahme der privaten Sammlung des Dresdners Friedrich Pappermann der überaus glückliche Umstand hinzu, die Entwicklung der Dresdner Kunst von der Gründung der Königlichen Kunstakademie im Jahre 1764 bis zur unmittelbaren Gegenwart zeigen zu können. Besondere Höhepunkte der Stiftung bilden Werke von Meistern der ersten und zweiten Romantikergeneration, wie Johan Christian Clausen Dahl, Carl Gustav Carus, Johann Anton Castell, Victor Paul Mohn oder Karl Robert Kummer.

Die Konzentration von Künstlern der „Dresdner Schule“ über Generationen in beiden Expositionen ist bemerkenswert. Als Glanzpunkte gelten Werke von Otto Dix sowie sein gesamter Umkreis u.a. Wilhelm Lachnit, Pol Cassel, Conrad Felixmüller, Otto Lange oder Curt Querner.

Und schließlich, um den Bogen in die Heimatstadt zu schlagen, sind mit Bildern von Paul Wilhelm mit einer Lößnitzlandschaft, Claus Weidensdorfer und Günter Schmitz auch Radebeuler Künstler in der Sammlung vertreten.

Sascha Graedtke

Zur Titelbildserie




Historische Winzerhäuser in Radebeul
Den Reigen von Winzerhäusern will ich mit dem sogenannten „Bennoschlösschen“, Bennostraße 35, eröffnen. Ich habe den im Volksmund verhafteten Namen gewählt, obwohl ich die Umschreibung als „Steinernes Haus“ besser fände – den Volksmund verbessern zu wollen, ist nahezu ein Unding. Das wohl älteste Radebeuler Winzerhaus ist um 1580 gebaut worden, Bischof Benno (gest. 1107) kann also das Haus nicht erbaut, besessen oder bewohnt haben. Anders als andere Winzerhäuser finden wir hier kein Fachwerk in den Außenwänden, so trifft es mit „Steinernes Haus“ besser. Markant sind seine Renaissance-Giebel nach vier Seiten. Zu der Zeit soll es weitere, ähnlich gestaltete Häuser in der Lößnitz gegeben haben, so z.B. einen Vorgängerbau des Hauses Albertsberg in der Eduard-Bilz-Straße. Das Bennoschlößchen ist das letzte seiner Art in Radebeul. Auffallend sind bei diesem Winzerhaus die kleinen Fensteröffnungen, bzw. das Verhältnis der Summe der Fensterflächen zu den gemauerten und verputzten Fassaden. Typisch ist die freie Lage des „Bennoschlößchens“ in der Landschaft, umgeben von Wein auf drei Seiten.

Dietrich Lohse

Lyrikseite 2025

Im Dezemberheft 2024 hatte sich der Kreis mit 12 Texten von Stephan Krawczyk geschlossen. Als Höhepunkt durften wir im letzten Sommer den Künstler in einem wunderbaren Konzert am Fuße der Weinberge im Weingut Aust erleben.
Für 2025 konnten wir den Dresdner Schriftsteller und Lyriker Michael Wüstefeld für unsere Lyrikseite gewinnen und freuen uns, dass er mit seinen Gedichten unser Heft bereichert.

Sascha Graedtke


MICHAEL WÜSTEFELD, geboren 1951 in Dresden, absolvierte ein technisches Studium an der TU Dresden, arbeitete bis 1991 in einem Dresdner Ingenieurbu?ro, seither als freiberuflicher Autor und Kritiker. Seit 1996 Mitglied im P.E.N.-Zentrum Deutschland. Zahlreiche Stipendienaufenthalte, u.a. Paris, Künstlerdorf Schöppingen, Amsterdam, Künstlerhaus Edenkoben, Villa Waldberta, Calwer Hesse-Stipendium, Pécs im „Auswärtsspiel“ der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen, Stadtschreiber zu Rheinsberg.
Jüngste Veröffentlichungen: „Paris, geschenkt“ (2008), „Fünfkirchen fünf vor zwölf. Ein Pécs-Tagebuch“ (2016), „Kinogeschichten“ (2016), „Gegenwärtige Vergangenheit. Gedichte aus 40 Jahren“ (2020), „NachSchlag“ (2021).


 

Eine Glosse

Die Kronjuwelen…?

Die Kronenjuwelen des britischen Königshauses sollen ja das Kostbarste sein, was man auf dieser Welt besitzen kann. Ihren Wert schätzt man auf über 20 Billionen Pfund! Gewissermaßen ein Schatz der Superlative. Um die Klunkern zu schützen, bewahrt man sie seit einer kleinen Ewigkeit in einer beeindruckenden Festung auf, dem Tower of London. Der war nicht nur Schatzkammer des Königreiches, sondern zeitweise auch Waffenkammer, Hinrichtungsstätte, Zoo und Königspalast. Verständlich, dass die Herrscherfamilie ihr Wertvollstes und Liebstes natürlich ständig um sich haben wollte. Allein die St.-Edward-Krone beziffert man heute auf 39 Millionen Dollar. Das lässt man nicht gern allein. Auch will man natürlich die Edelsteine hin und wieder mal in der Hand fühlen. Wozu hat man sie denn sonst?
Natürlich verlief die Geschichte des Kronenschatzes nicht so glatt, wie man meint. Nicht immer ist man am Laufband an diesem „vorbeigeschwebt“. Erst seit 1967 ist dieser im Waterloo Barracks im Tower of London untergebracht. Ganz am Anfang wurden er in der Westminster Abbey, dem Krönungsort des Oberhauptes, aufbewahrt. Sicher war es da allerdings auch nicht, meldete doch die Chronik 1303 einen Diebstahl. Überhaupt sind die Herrscher lange Zeit ziemlich nachlässig mit ihrem Schatz umgegangen. Eduard III. hatte die Kronjuwelen sogar mal verborgt, um den Hundertjährigen Krieg (1337–1453) zu finanzieren.
Andere bewahren ihre „Kronjuwelen“ in Strumpf oder in der Matratze auf, wie neulich in Italien. Die böhmischen Kronjuwelen beispielsweise werden an drei verschiedenen Orten gelagert. Die Preußischen wurden gar im Zweiten Weltkrieg vor der heranrückenden Roten Armee im Thüringer Bergwerk Bernterode versteckt, um sie später den Nachfahren zu übergeben. Einiges ist aber auch abhanden gekommen. Das alte Sprichwort „Dreimal umgezogen, ist wie einmal abgebrannt.“, bewahrheitet sich halt immer wieder.
Die „Kronjuwelen“ von Radebeul werden in Bälde zum dritten Mal umziehen. Wohin weiß nur der Kuckuck allein. Da kann man nur hoffen, dass sie nicht auch nach Trier kommen, wie seinerzeit 1339, als Eduard III die englischen Kronjuwelen dem Kurfürst Balduin von Luxemburg geliehen hatte, weil der mal wieder knapp bei Kasse war.
Das freilich könnte der Großen Kreisstadt in den nächsten Jahren auch passieren. Die neusten Prognosen des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ sagen einen Rückgang von 10,2 Prozent voraus. Die Baukosten für geplante Vorhaben wie die Erweiterung des Karl-May-Museums, des Schul-Campus, des Objektes für Kunstsammlung und Stadtarchiv, der Sicherung der Kolbe-Villa und des Straßenbaus werden steigen. In die Hoflößnitz sollen auch demnächst die Handwerker einziehen. Die Inflationsrate hat mit +2 Prozent wieder angezogen. Welches Tafelsilber kann hier die Stadt eigentlich auf die Waagschale legen, wenn die Nummern schief gehen? Ob das Karl-May-Fest und das Herbst- und Weinfest das eingespielt haben, was man sich erhoffte, ist ohnehin fraglich. Und wie man hört, wird auch mit dem Vereinshaus jongliert und am Rosenhof sei man ebenfalls interessiert. Klingt alles verdächtig nach Monopoly.
Freilich hat Eduard III. sich Zeit gelassen mit dem Rückholen der Juwelen, aber 1343 konnte er dann die 50.000 Gulden auf den Tisch legen – nebst Zinsen versteht sich. Später beschloss man, dass der Schatz England nie mehr verlassen darf. Vermutlich hat man, als die Lage während des Zweiten Weltkrieges besonders brenzlig wurde, veranlasst, zwei Kopien der Kronjuwelen anzufertigen. Die durften dann auch mal auf Reisen gehen.
Für den Radebeuler Schatz kommt diese Lösung natürlich nicht in Frage. Hier ist die Lage eine ganz andere – den will niemand stehlen und ein Angriffskrieg ist auch nicht zu erwarten. Die Situation ist entstanden, weil einfach der Mietvertrag planmäßig ausgelaufen ist. Das konnte man ja nicht wissen. Der englischen Krone kann das nicht passieren. Da hatte sie schon 1086 vorgesorgt. Will aber gegenwärtig ein Radebeuler etwas aus dem Archiv ausleihen oder sich nur ansehen, muss man das bei einer Interimsstelle anmelden. Verständlich, dass man nicht wegen jedem Blatt einen Transport bestellt. Es muss sich ja lohnen, sich nach dem 14 Kilometer entferntem Ort aufzumachen. Wie es mit der Kunstsammlung überhaupt weiter geht, steht gegenwärtig noch in den Sternen.
Na gut, man kann halt nicht alles haben. Vielleicht ist der eine oder andere Bürger interessiert. Vielleicht sollten wir den Vorschlag des einstigen Oberbürgermeisters von Löbau aufgreifen und den Mitarbeitern und Bürgern einige Blätter und Kunstwerke einfach in die Hand drücken. Die würden sich freuen, und die teuren Unterbringungskosten könnten auch gespart werden, meint

Euer Motzi

 

Radebeuler Ansichtskarten – Wie sich Bilder ändern lassen

Sowohl für die alteingesessenen wie die neuen Radebeuler hat die Stadt zahlreiche Aspekte, die von Interesse sind: Bauwerke, Geschichte, Ereignisse… Eine Widerspiegelung dieser Dinge findet sich in einer besonderen Kunstform, den vielfältigen Ansichtskarten die von Radebeul und den Ortsteilen seit dem letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts

Abb. 1

herausgegeben wurden. Dieses besondere Format der historischen Zeugnisse hat eine wachsende Zahl von Interessenten. Legendär sind die Sammlungen von Gottfried Thiele, der in den Reihen „Archivbilder“ und „Bilder aus der DDR“ des Sutton Verlags Erfurt Teile seiner Sammlung veröffentlichte und von Gert Morzinek, der in mehreren Bänden des Verlags M. Lange die Stadt Radebeul und seine Ursprungsgemeinden in alten Ansichtskarten darstellte. Natürlich dürfen die beiden Bände von Frau Lieselotte Schließer „Radebeul in alten Ansichten“, herausgegeben von der Europäischen Bibliothek Zaltbommel/Niederlande, in dieser Aufzählung nicht fehlen. Die letzte Publikation dieser Art aus dem Jahr 2018 hat Michael Schmidt unter dem Titel „Grüße aus der Karl-May- und Eduard-Bilz-Stadt Radebeul in historischen Ansichtskarten“ geschaffen und im Sonnenblumen-Verlag Dresden veröffentlicht.

Abb. 2

Die Verlage, die diese Post- und Ansichtskarten vom jetzigen Radebeul anboten sind vielfältig: Der bedeutendste ist sicher Brück und Sohn, Meißen, aber auch Carl Pittius, dessen Nachfahren ein Schreibwarengeschäft in Radebeul-West betrieben, das den älteren Radebeulern noch in guter Erinnerung sein dürfte, hat viele Ansichtskarten herausgegeben. Daneben gibt es eine Reihe Dresdner und kleinerer Radebeuler Verlage.

Abb. 3

Befördert wurde der Verkauf von Ansichtskarten durch die zunehmende Beliebtheit der Lößnitz als Ausflugsort

Abb. 4

der Dresdner. Besonders für Ausflugsziele wie Friedensburg, Meierei, Bilzbad oder Spitzhaus gab es Ansichtskarten in großer Vielfalt von den verschiedensten Verlagen. Veränderungen im Stadtbild waren für diese Verlage eine Herausforderung. So wurde die schöne Ansicht der Friedensburg mit der Niederlößnitz durch den Bau des Wasserturms 1914 plötzlich unmodern. Veraltete Ansichtskarten ohne den neuen Turm zu verkaufen, schien problematisch zu sein. Also fügte man dieses Bauwerk im Druckstock manuell hinzu, wie es die Ansichtskarten des Verlags Albert Ernst aus Dresden erkennen lassen. Von diesem Verlag gab es viele Ansichtskarten mit Bildern aus den ehemaligen Radebeuler Orten. Den eingefügten Wasserturm kann man trotz des Versuchs durch eine gleichzeitige Änderung der Handkolorierung von einem Sommerbild zu einem Frühjahrsaspekt deutlich als Fälschung erkennen (Abb. 1 und Abb. 2).
Die Ansichten auf den Karten sollten ja besonders schön sein. Manchmal fanden die Ansichtskarten-Produzenten offenbar Strommasten als störend für die Harmonie des Bildes und retuschierten sie in der Nachauflage einfach weg.

Abb. 5

Das kann man an Beispielen aus den 50er Jahren sehen. Aus dem Verlag Brück und Sohn, Meißen, stammt die Karte von der Bahnhofstraße (Abb.3) und aus dem Verlag A. & R. Adam, Dresden, die Karte, die die Straße „An der Jägermühle“ abbildet (Abb.4). Der gewissenhafte Historiker muss also bei Ansichtskarten vorsichtig sein und mit geschönten Darstellungen rechnen.
Kurios sind dagegen die Karten aus dem Verlag von Carl Pittius, die die Häuser Lößnitzgrundstraße 38 zeigen, über die Dietrich Lohse in Vorschau und Rückblick im Heft 06/2017 berichtete. Postalisch gelaufen sind sie 1915 und 1917. Warum wohl haben die beiden Damen vor dem Grundstück den Verleger gestört (Abb.5)? Sollten sie vielleicht nicht von der imposanten Stromtrasse des gerade in Betrieb gegangenen Elektrizitätswerks in der ehemaligen Pönitzschmühle ablenken, die Radebeul mit Strom versorgte?
Nun sind diese Beispiele Zufallsfunde. Bei der großen Zahl von hergestellten Ansichtskarten ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass man noch mehr solcher Bearbeitungen finden kann.

Wilfried Rattke

Weißes Roß

Der Januar

Winterimpressionen im Innenhof Foto: Archiv C. Grün

Wenn das lang herbeigesehnte Weihnachtsfest vorbei war – wie lang erschien uns Kindern damals ein Jahr – dann begann es langsam mit dem Schnee. An so genannte „Grüne Weihnachten“ kann ich mich oft erinnern, im Januar blieb der Schnee dann meist liegen. Ungeduldig waren schon die Schlitten aus der „10“, dem unteren Vorraum des Garagenbodens, hinter unseren Kinderfahrrädern hervorgeholt und von Staub und Spinnweben befreit worden. Wolfgang schmirgelte mit Sandpapier die Kufen ab und rieb sie mit Speckschwarte ein. Ich kann mich noch erinnern, dass ich einmal lange am Kinderstubenfenster gestanden habe und mit Inbrunst „Schneeflöckchen Weißröckchen“ gesungen habe. Und dass es dann tatsächlich zu schneien anfing, ein kleines Kinderwunder.

Endlich hatte sich der Grasgarten in eine weiße, in der Wintersonne flimmernde Fläche verwandelt. Immer wieder war ich angetan von den bunt funkelnden Schneekristallen. So stellte ich mir den Eispalast der Schneekönigin hoch oben im eisigen Norden immer vor, strahlend und gleißend. Über die unberührte weiße Fläche durfte um nichts in der Welt drübergelatscht werden, nur dort, wo die Schlitten eine Spur zogen. Wolfgangs Schlitten war neu, sehr stabil aus hellem, lackiertem Holz, bei Leiter-Franke gekauft. Ich musste, wie in vielen Dingen, Muttels Utensilien aus ihrer Kinderzeit benutzen, auch z.B. den Schulranzen. Mein Schlitten war lang und schmal und hatte nur einen Sitz im hinteren Drittel aus Leinwand. Da diese morsch geworden war, bekam der Schlitten längs und quer ein Gurtband gespannt, angefertigt vom Polstermeister aus Wahnsdorf. Er besserte jeden Sommer auf dem Garagenboden die in sein Fach schlagenden Möbel aus und hatte eine etwas wimmernde Stimme. Oma verbot uns strengstens darüber zu lachen. Dann war in unserem Schlittenarsenal noch die Käsehitsche vorhanden, klein und einsitzig.

Vater Pätzold, das Faktotum Foto: Archiv C. Grün

Mit Begeisterung wurde im Hühnergarten Schnee zu großen Ballen gerollt, die dann zu einer Schneebude verbaut wurden. Ich kann mich noch erinnern, dass Wolfgang hineingekrochen war und plötzlich der ganze Bau über ihm zusammenbrach. Ein älterer Junge, er hieß Lipsky, zog Wolfgang an den Beinen heraus, es war wirklich Eile geboten. Ältere Kinder waren bei Oma und Muttel nicht so beliebt, beide waren davon überzeugt, dass sie uns nur zu Unfug verleiteten. In diesem Fall war es aber recht gut, dass ein älterer dabei war. Infolge dieses Geschehens wurde das Bauen von Schneebuden strikt verboten. Aber findig wie wir waren, fanden wir eine große Holzkiste, die wir mit Schnee umpappten. Vater Petzold, Omas Haus- und Hoffaktotum, nagelte einen Sack vor die Öffnung, so konnten wir trotz der Kälte eine Weile darinnen hocken.

Wir sind natürlich auch viel rodeln gegangen. Erst in der Nähe, dann wurde mit zunehmenden Alter der Aktionsradius immer mehr erweitert. Nähe, das bedeutet, dass wir den Hof und den kleinen Abhang unserer Wiese am Mühlweg hinunterfuhren. Die Obstwiese war damals noch nicht aufgefüllt und stand bei Hochwasser, welches der Lößnitzbach mit sich brachte, ständig unter Wasser. Die bis hinunter an die Kleinbahnschienen über die Lößnitzgrundstraße hinweg war dann einige Winter unsere Rodelbahn. Autos gab es kaum, es war Kriegszeit. Nachdem wir eine Weile mit den Schlitten solo gerodelt waren, wurde Bob gemacht. Alle vorhandenen Schlitten wurden hintereinander zusammengebunden und vornweg Wolfgang mit seinem stabilen Gefährt. Am Ende hing die Käsehitsche dran, die während der Abfahrt unheimlich hin und her schlenkerte. Und damit komme ich auf Gunther. Er war ein sogenannter Mongoloid, etwa zehn Jahre älter als wir, aber auf unserer Entwicklungsstufe stehengeblieben. Seine Mutter war froh, wenn er mit uns ziehen konnte. Zu unserer Ehre sei gesagt, so richtig geärgert haben wir ihn nicht. Allerdings wurde er auf Kinderart zu Handlungen genutzt, zu denen keiner Lust hatte. Er musste verschossene Bälle zurückholen, oftmals aus dem Gestrüpp. Oder er musste herbeiholen, was wir gerade so brauchten. Gunther tat ziemlich freudig, was wir von ihm verlangten, hatte er es satt, ging er nach Hause. Beim Bobfahren war es für Gunther selbstverständlich, dass sein Platz auf der Käsehitsche war. Er konnte sich meistens nur bis zum halben Berg halten, dann warf es ihn hinunter. Unverdrossen wartete er oben am Abfahrtspunkt, um dann wieder auf der Hitsche Platz zu nehmen. Gunther trug gestrickte weiße Fingerhandschuhe, die von unseren bunten Fäustlingen seltsam abstachen. Er starb in den Hungerjahren nach 1945, weil er die ungewohnte Nahrung strikt verweigerte.

Gefährlicher zum Rodeln war die Haarnadelkurve (oberer Teil der Hoflößnitzstraße) oberhalb der Grundmühle. An einen Unfall aber kann ich mich nicht erinnern, Der Sternweg, er geht vom Augustusweg vor der Baumwiese rechts ab, war auch eine beliebte Rodelbahn. Nur waren wir meist zu faul bis dahin zu laufen. Und zu Seiferts Wiesen nach Wahnsdorf sind wir später nur mit Skiern hingekommen. Das waren so unsere Winterfreuden bis weit in den Februar hinein, wenn der Schnee liegen blieb.

Zuhause wurde mit den Spielsachen gespielt, die wir zu Weihnachten bekommen hatten. Die Regale und Schubfächer von Wolfgangs Kaufmannsladen und meiner Puppenküche waren vom Weihnachtsmann neu aufgefüllt worden. Das waren leckere Dinge aus Marzipan, Butterstückchen in Kleeblattform, Würste und Brote und auch buntbestreute Schokokladenplätzchen. Leider war der Vorrat in meiner Puppenküche schnell verbraucht und so bediente ich mich heimlich in Wolfgangs Kaufmannsladen. Wenn er die leeren Fächer aufzog, bezog ich regelmäßig meine Dresche. Meine Puppen, sechs an der Zahl, die Brunhilde, die Krimhild, die Heidi, die Steffi, die Ursel und der Puppenjunge Siegfried waren von Muttel auch neu eingekleidet worden. Sie, die für Näherei sonst nie einen Nerv hatte, entwickelte sich zu einer wahren Modistin.

Als Juttel in das Alter kam, dass sie meinen blauen Puppenwagen kriegen sollte, wurde mein großer Weihnachtswunsch, lang ersehnt, endlich erfüllt. Ich bekam einen schicken Puppensportwagen, die damalige Bezeichnung für Wagen für Kleinkinder, die aus dem Babyalter heraus waren. Dieser elegante Wagen war der Stolz meiner Puppenzeit. Leider haben meine Herren Söhne später alles zur Minna gemacht, indem sie damit, mit allem Möglichen beladen, im Hof herumkapriolten. Jungen fehlt eben für so etwas der Sinn.

Das war der Januar unserer Kinderzeit.

Christa Stenzel/ Christian Grün

Baum erneut ausgezeichnet

Auszeichnungsakt zur Vergabe des 3. Hauptpreises für Sächsische Heimatforschung 2024 im Klemperer-Saal der SLUB am 15. November 2024.
Die Personen von l. n. r.: Gerald Heine, Abteilungsleiter beim Staatsministerium für Kultus, Martin Munke von der SLUB, die Autoren Karl Uwe Baum und Roland Friedel sowie René Misterek vom Landesverein Sächsischer Heimatschutz e. V. Foto: K. (Gerhardt) Baum

Interview mit Landespreisträger für Heimatforschung

Karin (Gerhardt) Baum im Gespräch mit Karl Uwe Baum über seine kürzlich erfolgte Auszeichnung mit dem Sächsischen Landespreis für Heimatforschung für die Arbeit Die letzte Nummer. Geschichten aus einem Landesverband.

Nach dem du bereits 2020 für deine Webseite www.amateurtheater-historie.de den Sächsischen Förderpreis für Heimatforschung erhalten hattest, konntest Du im November letzten Jahres erneut einen Preis entgegennehmen.

Ja, darüber freue ich mich natürlich sehr. Den 3. Hauptpreis habe ich zusammen mit meinem Freund Roland Friedel aus Leipzig erhalten für unsere gemeinsame Arbeit über den Landesverband Amateurtheater Sachsen e.V., in dem wir über 20 Jahre mitgewirkt haben.

Der dritte Preis ist für Viele so etwas wie ein Trostpreis. Wie siehst du das?

Natürlich nimmt man an so einem Wettbewerb teil, um zu gewinnen. Und ich würde lügen, wenn ich etwas anderes behaupten würde. Aber es handelt sich hier ja nicht um eine Klassenarbeit. Man muss sich einer Jury stellen und die hat in dieser Kategorie halt nur einmal eine Note EINS zum vergeben. Zum Wettbewerb 2024 wurden landesweit immerhin über 50 Arbeiten eingereicht, da sind wir mit dieser Platzierung schon sehr zufrieden.

Der sächsische Landeswettbewerb für Heimatforschung ist sehr breit aufgestellt. In einem „Orchideen-Fach“ wie dem euren, ist es sicher schwer, in so einem Wettbewerb zu bestehen.

Meines Wissens ist unser Beitrag von 2024 und sind die von mir 2017 und 2020 eingereichten Beiträge bisher die einzigen Arbeiten zum Thema nichtprofessionelles Theater, die sich für den Landespreis beworben haben. Aber einen wirklichen Überblick habe ich natürlich nicht, da keine Listen über die bisher vorgelegten Arbeiten zugängig sind.
Vergangenes Jahr wurden Werke ausgezeichnet, die sich u.a. mit Themen wie Archäologie, Tieren und Pflanzen in einer Bergbaufolgelandschaft, Geschichten aus Riesa, Historisches aus einer Familienstiftung oder Bergbau im Erzgebirge beschäftigten. Auch einem Film über Falkenstein wurde geehrt. Da ist Theater eher eine ausgemachte Seltenheit, noch dazu, wenn das Thema in der heutigen Zeit verortet ist.

Um was geht es eigentlich in eurer Arbeit konkret?

Einerseits beschreiben wir aus unserer Erinnerung die Entwicklung des Verbandes seit seiner Gründung 1990 bis 2013. Andererseits zeigen wir in der Arbeit auf, wie die Transformation des Amateurtheaters der DDR in eine andere Gesellschaft erfolgte und wie die Akteure mit den anderen kulturpolitischen Verhältnissen zurechtgekommen sind. Hier wird weniger theoretisiert, vielmehr werden konkrete Begebenheiten beschrieben und Problemfelder aufgezeigt.

Wie muss man sich das vorstellen?

Im Abschnitt „Strukturfalle mit Atempause“ beispielsweise beschreiben wir, wie der Verband 2004 aus der Förderung durch das Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst herausgeflogen ist und was er daraufhin unternommen hatte. Wir haben dann sofort sehr scharf reagiert und den Vorgang öffentlich gemacht. Darauf sah sich das Ministerium veranlasst, seine Entscheidung zurückzunehmen. Aber 2005 büßte der Verband wegen diesem „unfreundlichen Akt“ die Hälfte seiner Vorhaben ein.
Die Arbeit enthält noch weitere Fälle, bei denen es zu Auseinandersetzungen mit Behörden und Einrichtungen gekommen ist.

Es gab aber sicher nicht nur negative Erlebnisse?

Natürlich nicht! Da wären wir beide vermutlich auch nicht über 20 Jahre dabeigeblieben. Die vielen erfolgreichen Projekte, die besonders ab 2000 einsetzende dynamische Entwicklung des Verbandes, die Etablierung des Sächsischen Amateurtheater-Preises 2007 und die Schaffung der Preis-Skulpturen von den Radebeuler Künstlern Gabriele und Detlef Reinemer und viele andere erfreuliche Ereignisse wurden ebenso genannt und mit reichlichen Abbildungen versehen
Das alles hat Martin Munke von der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek auch in seiner Laudation zur Preisverleihung sehr warmherzig beschrieben, freilich nicht im Detail ausgeführt.

Wie soll es nun weitergehen?

Zusammen mit dem Landesverband Amateurtheater werden wir 2025 die Arbeit als Publikation in einer kleinen Auflage im Eigenverlag herausbringen. Gegenwärtig befassen wir uns mit der Überarbeitung des Textes. Eventuell wird es zu einer kleinen Erweiterung kommen, ergänzt durch zusätzliche Abbildungen. Sicher hat die Arbeit nicht das Zeug zu einem Bestseller, obwohl der Text durchaus unterhaltend und spannend verfasst ist. Wir sind aber sicher, dass das Buch nicht nur in Fachkreisen seine Leser finden wird. Die Publikation Auf der Scene. Gesichter des nichtprofessionellen Theaters in Sachsen von 1500 bis 2000, die der LATS 2013 herausbrachte und an der Roland Friedel und ich beteiligt waren, ist heute u. a. an allen deutschsprachigen Hochschule gelistet.

Da kann ich euch für 2025 nur viel Erfolg bei der Herausgabe der Publikation wünschen. Danke für das Interview.

Karin (Gerhardt) Baum

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