Eine Glosse

Kritik erlaubt!
Jetzt verrate ich mal mein best gehütetes Geheimnis: Ich bin verheiratet! Jeden Morgen sitzt mir meine mich hoffentlich liebende Ehefrau am Küchentisch gegenüber und verzehrt ein Marmeladenbrot, welches mit Wurst beleget…
Nein, nein, ich will jetzt nicht den alten Kalauer von den zwei jungen Damen im Alter von 85 Jahren neu aufkochen. Aber mal im Ernst: Es ist ja überhaupt nicht verkehrt, wenn man an seiner Seite ein Korrektiv hat, welches einem auch hin und wieder mal so richtig die Meinung geigt und an den Kopf wirft: „Alter, jetzt spinnst du aber!“. Natürlich gehe ich dann durch die Decke, sehe das überhaupt nicht ein und krame allerlei Argumente, auch die dümmsten, hervor, nur um nicht zugeben zu müssen, dass die Frau in diesem Fall recht hat. Mit Machogehabe hat das überhaupt nichts zu tun. Das sind genaugenommen nur Reflexhandlungen. Insgeheim weiß ich natürlich, dass ich kein „Mister Allwissend“ bin. Die Reaktion freilich ist aber durchaus normal. Zunächst geht ja jeder davon aus, dass stimmt, was er da zum Besten gibt. Wüsste er, dass er nur Unsinn erzählt, würde er es vermutlich lassen. Wer will sich schon blamieren – selbst vor der eigenen Frau nicht.

Aber so einfach ist die Sache nun auch wieder nicht, sonst hätten wir ja auf der ganzen Welt nur noch Friede, Freude, Eierkuchen. Haben wir aber nicht. Und es kracht ja nicht nur zwischen spielenden Kindern, zwischen Frauen und Männern oder den Nachbarn, sondern eben auch zwischen Wirtschaftblöcken, Finanzunternehmen oder gar zwischen Staaten. Und dann wird es richtig blöd, weil immer welche reingezogen werden, die mit der ganzen Sache nichts zu tun haben. Eben wie bei meinem Opa, der seiner Frau auch gleich Schellen angeboten hatte, nur weil er Zoff mit den Kindern hatte.

Natürlich ist es schwierig, vernünftig zu reagieren, wenn die „geistigen Sektkorken“ hochgehen, wenn man sich verletzt oder missverstanden fühlt. Da kommt man ganz schnell zu der „sicheren“ Annahme, dass der Andere einem etwas „am Zeug flicken“ will. Dabei hat er vielleicht nur eine andere Meinung, was ja sein gutes Recht ist. Hier scheint mir der „Hase im Pfeffer“ zu liegen. „Wie kann er nur?! Er muss doch einsehen, dass ich Recht habe.“ Und so schaukelt man sich hoch, bis die „Kanonen“ glühen. Natürlich sind nicht alle „lockige Lämmchen“, die keiner Fliege etwas zu leide tun wollen. Da sollte man schon etwas genauer hinschauen. Süßholz raspeln und hinterm Rücken die Messer wetzen, das kennt man doch zur Genüge!

Häufig geht es eben nicht mehr um die dialogische Erörterung einer Sachlage, als vielmehr um die Verteidigung eigener Standpunkte. Da ist dann jedes Mittel recht, und wenn es nicht anders geht, wird auch mal dreist gelogen. Das ist in der großen Politik genauso, wie im Privaten. Aber irgendwie muss man ja wieder aus der Konfliktlage herauskommen, wenn nicht alles Porzellan zerschlagen werden soll.
Ein schlauer Philosoph hat 1990 hierfür Strategien entwickelt, die mir jedoch ziemlich konstruiert vorkommen, aber vermutlich in der Praxis regelmäßig angewendet werden. Man könnte sie mit den Begriffen „Flucht“, „Kampf“, „Nachgeben“, „Delegieren“, „Verhandeln“ oder „Einigen“ beschreiben. Da würde sich meine Frau aber wundern, wenn ich jedes Mal, wenn es Knatsch gibt, fluchtartig das Haus verlassen würde. Das funktioniert vielleicht noch bei Personen mit gleichem Status, etwa zwischen Freunden oder Ehepaaren. Aber schon eine sachliche Einigung mit einem Vorgesetzten lässt sich nur schwer erzielen. Der hat einfach Recht, weil er der Boss ist!

Was also tun, wenn man in die Bredouille kommt? Was rät da meine kluge Frau? „Erst mal tief Luft holen und dann eine Nacht drüber schlafen.“ Spätestens hier drängt sich mir aber die Frage auf „Mit wem?“, meint
Euer Motzi.

 

 

 

 

 

Zum Stand der Bauarbeiten am Hellhaus

Hellhaus im September 2022 Foto: D. Lohse

Hellhaus im September 2022 Foto: D. Lohse

Es ist nun schon eine Weile her – sh. Märzheft von V+R 2021 – dass ich einen Aufsatz zum um 1780 erbauten Hellhaus in Moritzburg geschrieben hatte, etwa anderthalb Jahre. Dieser Text endet mit der Absicht, die Baumaßnahmen an dem Kulturdenkmal weiter im Blick behalten zu wollen.
Und das habe ich zuletzt im September getan, weil ich erfahren hatte, dass gerade eine Probeachse für die künftige Fassadenfarbe hergestellt worden sei, es solle Grün sein! Da war ich schon etwas überrascht, ein grünes Haus mitten im grünen Wald? Aber „Grün“ und „Grün“ kann sehr verschieden ausfallen und der deutsche Wald, wenn man genau hinschaut, ist nicht mehr so grün, wie man es gewohnt war (Borkenkäferbefall u.a.). In der Probeachse wurden zwei sehr dezente, helle Grüntöne in den Feldern mit lichtem Grau der Lisenen kombiniert, so dass es nirgends als eine große grüne Fläche wirkt. Wenn ich richtig informiert bin, hat die Firma Lehmann / Meißen bei einer Untersuchung der alten Farbbefunde auf dem Putz diese Kombination mit hellen Grüntönen in Resten vorgefunden. Insofern besteht wohl kein Grund zur Aufregung!
Nun, da die Gerüste gefallen sind, sieht man das halbfertige Gebäude. Die Dachdeckung mit roten Biberschwanzziegeln erfolgte in Etappen und ist auch fertig geworden. Die historische Dachzier (kein Schornstein!) steht wieder in der Mitte der Dachplattform. Metallarbeiten an den bisher eingelagerten, historischen Geländern sind bei der Firma Hopf / Moritzburg erfolgt und wieder an den alten Standorten angebracht – man sieht sogar etwas Gold blitzen.
Die in o.g. Aufsatz erwähnte 1. Baustufe am Hellhaus ist damit abgeschlossen und es wird nun eine Bauruhe eintreten, ehe weitere Baustufen, wie der innere Ausbau, folgen werden. Ich wage die Hoffnung zu äußern, wohl wissend, dass derzeit alle in Deutschland klagen und mehr Geld zu brauchen scheinen, dass der Stillstand am Hellhaus nicht zu lange dauern möge. Das neu Geschaffene altert ja, ist der Witterung ausgesetzt und es könnte schließlich wieder Verfall einsetzen, was sich wohl niemand wünscht. An Randale oder Brandstiftung will ich gar nicht denken!
Der erreichte Zwischenstand am Hellhaus, den außer mir auch viele Spaziergänger und nicht nur am Tag des offenen Denkmals erleben konnten, ist nach der jahrzehntelangen Vernachlässigung dieses historischen Gebäudes äußerst befriedigend. Der Dank gilt allen Handwerkern und Beteiligten.

Dietrich Lohse

Petition abgeschlossen

1.433 Unterzeichner fürs Lügenmuseum

Mit dem 5. Oktober dieses Jahre ist eine der interessantesten Petitionen in jüngster Zeit zu Ende gegangen, die wie ein Lackmustest für die kulturelle Verfasstheit der Gesellschaft gesehen werden kann.
Man möge dies nicht falsch verstehen. Nicht, dass hier ein Vergleich oder gar eine Abwägung mit den zehn seit 2016 in Radebeul initiierten Petitionen vorgenommen werden soll. Jede von ihnen hat ihre Berechtigung – auch wenn mitunter das Quorum nicht erreicht wurde –, sind sie doch eine legitime Möglichkeit, den Bürgerwillen öffentlich zu bekunden.
Das trifft natürlich auch für die Petition „Das Lügenmuseum soll im Serkowitzer Gasthof ein zu Hause finden“ zu. An dieser Stelle soll nun nicht die ewige aber mitunter durchaus berechtigte Frage „Ist das Kunst oder kann das weg?“ erneut debattiert werden – ist sie doch längst entschieden. Auch der Frage, warum sich allein in den letzten drei Jahren die Bürger veranlasst sahen, acht Petitionen zu initiieren, will dieser Beitrag nicht nachgehen.

Nun ist ja eine Petition die eine Sache und die Meinung einer Stadtgesellschaft eben eine andere. Nicht jeder Bürger, der eine Meinung hat, ist auch geneigt sie in einer Petition zum Ausdruck zu bringen, also seine Stimme öffentlich zu erheben. Bei Wahlen mag das eine andere Sache sein, aber selbst da gehen eben nicht alle hin. Die Euphorie von 1990 mit 72,8 Prozent Wahlbeteiligung ist längst verflogen. Der schwarze Sonntag bei den Wahlen 2014 mit 49,2 Prozent Urnengängern ist in Radebeul bei der Oberbürgermeisterwahl 2022 mit 48,3 Prozent gar noch unterboten worden.
Deshalb soll vielmehr mit diesen Überlegungen ein Blick auf die Petition selbst geworfen werden.

Nun ist die Sache im speziellen Fall Lügenmuseum doch noch etwas komplizierter. Was auf den ersten Blick wie eine Radebeuler Angelegenheit aussieht, geht eben bei genauerer Betrachtung weit über deren territoriale Grenze hinaus. Um genau zu sein 2.378 Flugkilometer! Die am weitesten entfernte positive Stimme für den Erhalt des Lügenmuseums kommt aus Zypern!
Für den Erhalt der einmaligen Einrichtung haben sich 1.433 Bürger aus acht europäischen Staaten ausgesprochen, die in mehr als 240 Städten und Gemeinden beheimatet sind. Dieses eindeutige Votum spiegelt die Bedeutung dieses Museums für die Allgemeinheit aber auch gleichzeitig die Verantwortung der örtlichen Organe für die Sicherung eines Kulturgutes wider, welches eben nicht nur für die Radebeuler da ist, auch wenn zur Petition das Quorum verfehlt wurde. Das müsste bei allen Entscheidungen immer mit bedacht werden. Damit soll freilich nicht dem plumpen Ruf „Stadt hilf“ gefrönt werden, auch wenn sie nicht ganz aus der Verantwortung herausgehalten werden kann. Dringend ist deshalb anzumahnen, dass gemeinsam nach einer Lösung gesucht werden muss, die dem Lügenmuseum in Radebeul eine Zukunft gibt. Das ist man den 1.433 Stimmen aus halb Europa schuldig! Nicht zu vergessen, auch den 366 Unterzeichnern des Offenen Briefes vom Radebeuler Kultur e. V. an den Stadtrat und den Oberbürgermeister Bert Wendsche, der am 29. März dieses Jahre übergeben wurde.

Karl Uwe Baum

DAS LÜGENMUSEUM SOLL IM GASTHOF SERKOWITZ EIN ZU HAUSE FINDEN

Vorm Radebeuler Rathaus nach der Petitionsübergabe v.l.n.r.: Veranika Chykalava (Bundesfreiwilligendienst Lügenmuseum), Karl Uwe Baum (Redaktionsmitglied V&R), Lea Sadowski (Praktikantin Lügenmuseum), Dorota Zabka (Vorsitzende Kunst der Lüge e.V.), Ilona Rau (Vorsitzende Vorschau und Rückblick e.V.) Reinhard Zabka (Künstlerischer Leiter Lügenmuseum), Günter »Baby« Sommer (Vorsitzender Radebeuler Kultur e.V.), Karin Baum (Redaktionsmitglied V&R, Mitglied Radebeuler Kultur e.V.) Foto: Archiv Lügenmuseum

Die Unterschriftensammlung der Petition für den Erhalt des Lügenmuseums wurde abgeschlossen und am 12.10. um 17 Uhr in der Stadtratssitzung im Sitzungssaal des Radebeuler Rathauses an den Oberbürgermeister übergeben.
Die Petition haben 1.433 Personen unterzeichnet. In 20 Beiträge und 303 lesenswerten Kommentaren drückt sich die vielfältige Wertschätzung aus.
Darüber hinaus hatten 366 Bürger unter den „Offenen Brief“ des Radebeuler Kultur e.V. ihre Unterschrift gesetzt.
Zur Unterstützung des Anliegens erfolgt seit Februar 2022 eine kontinuierliche mediale Begleitung durch das kulturelle Monatsheft „Vorschau und Rückblick“.
In Reaktion auf die Ausschreibung des Gasthofes Serkowitz durch die Stadt Radebeul liegt nun ein Gebot zum geforderten Preis von 310.000 Euro vor.
Ziel des Erwerbs sei es, so der Bieter, das Gebäude im Rahmen einer Stiftung als Zentrum für freie Künstler und Kunst zu erhalten sowie dem derzeit dort befindlichen „Lügenmuseum“ eine dauerhafte Existenz zu sichern. Vorstellbar wäre außerdem, die Liegenschaft als Ort für nationale und internationale Ausstellungen sowie als Stätte für Lesungen, Sprech- und Musiktheater zu nutzen.
Es liegt jetzt an Politik und Verwaltung der Stadt Radebeul eine zukunftsweisende Entscheidung zu treffen.

Karin (Gerhardt) Baum

Zur Familie Richard Lange in Radebeul

Ergänzung zum Artikel „Winzerhaus und Villa im Doppelpack“ in V+R 09/22

Richard Lange, um 1910 Foto: Archiv Uhrenfabrik Glashütte

Während der Vorbereitung des o.g. Artikels hatte ich einen Brief an die Uhrenfabrik Lange & Söhne, Glashütte, geschrieben und um Auskunft zu zwei Personen dieser Industriellenfamilie gebeten. Sie erschienen als Eigentümer oder Bewohner der Adresse Weinbergstraße 32 in Radebeul. Leider hatte sich der Briefwechsel so lange hingezogen, so dass das Ergebnis nicht in den Artikel eingearbeitet werden konnte. Nun liegt mir das Schreiben aus Glashütte vom 29.09.22 vor, das im Wesentlichen meine Angaben im Artikel stützt, aber auch Fakten ergänzt, die es m.E. wert sind, in einem Nachtrag dargestellt zu werden.
Da es sich bei dem Betrieb von A. Lange & Söhne um eine der berühmtesten alten Uhrenfabriken in Deutschland handeln dürfte, möchte ich den mit Radebeul verbundenen Familienzweig hier kurz darstellen. Und, was die Berühmtheit dieser Glashütter Uhrenfabrik anbetrifft, möchte ich nur auf staunenden Experten und die mit der Zunge schnalzenden Händler bei der bekannten ZDF-Fernsehreihe „Bares für Rares“ verweisen, wenn mal wieder eine goldene Lange-Taschenuhr um 1900 mit mehreren Schikanen aufgerufen wird.
Der Gründer dieser Glashütter Uhrenfabrik war 1845 der Dresdner Uhrmacher Ferdinand Adolph Lange (1815-1875). Zehn Tage nach der Gründung des Betriebes wurde am 17. Dezember 1845 der älteste Sohn Richard geboren. Mit seiner Frau Antonia, geb. Gutkaes, hatte er sieben, eine damals durchaus übliche Zahl, Kinder, darunter den jüngeren Bruder Emil. Die Brüder Richard und Emil erlernten dann auch das Uhrmacherhandwerk. Richard trat 1868 in den väterlichen Betrieb ein und übernahm 1875 nach dem Tod des Vaters zusammen mit dem Bruder Emil den Betrieb, der seither als Uhrenfabrik A. Lange & Söhne firmierte – Richard Lange übernahm die technische und Emil Lange die kaufmännische Leitung. Der Betrieb entwickelte sich nun rasch, konnte einige Neuerungen im Uhrenbau als Patente anmelden und hatte guten Absatz. 1887 schied Richard Lange aus gesundheitlichen Gründen aus dem Betrieb aus, blieb aber noch freier Mitarbeiter und Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Uhrmacherschule Glashütte. Emil Lange (1849-1922) führte nach 1887 die Firma weiterhin unter dem bekannten Namen Uhrenfabrik A. Lange & Söhne, er trug den Titel Kommerzienrat.
Richard Lange kaufte 1908 als Altersruhesitz ein Grundstück in „Großlößnitz“, womit die heutige Weinbergstraße 32 in Oberlößnitz (OT von Radebeul) gemeint ist. In das betriebliche Geschehen in Glashütte war er weiterhin locker eingebunden, so konnte er noch 1930 das Patent für eine neue Stahllegierung anmelden, wodurch die Laufleistung der Uhrenfedern verbessert wurde. Am 29. Oktober 1932 stirbt er 86-jährig, wahrscheinlich in Oberlößnitz. Mit seiner Frau Rosa, geb. Rössner, hatte er sechs Kinder, von denen zumindest Sohn Alfred (1884-1968) noch nach 1945 in der Villa in Oberlößnitz gelebt hat.
Alfred Lange soll eine Behinderung, wahrscheinlich eine Gehörlosigkeit, gehabt haben. Wie sein Bruder Felix (1879-1965) hat er auch eine Uhrmacherlehre absolviert haben, später führte er ein eher zurückgezogenes Leben und war im Radebeuler Grundstück noch gärtnerisch tätig.
Bisher war in Radebeul kaum bekannt, dass Richard Lange, ein namhafter deutscher Industrieller, etwa 22 Jahre seines Lebens hier verbracht hatte; auch das Stadtlexikon nennt ihn bisher nicht. Durch den Schriftwechsel mit der Uhrenfabrik können wir nun auch ein Portraitfoto von Richard Lange in unserem Heft veröffentlichen – ich bedanke mich bei Frau Kirsten Hultzsch von der heutigen Lange Uhren GmbH in Glashütte für ihre Unterstützung meiner Recherchen.

Bauzeichnung, heute Weinbergstraße 32 Repro: Radebeuler Stadtarchiv

Dietrich Lohse

TAG DES OFFENEN DENKMALS AM 11.09.2022

DAS MOHRENHAUS UND SEIN PAVILLON

„KulturSpur – ein Fall für den Denkmalschutz“. Unter dieses Motto hat die Deutsche Stiftung Denkmalschutz die deutschlandweite Aktion in diesem Jahr gestellt. 2021 an Radebeul leider „spurlos“ vorbeigegangen, haben wir uns im Verein Gedanken gemacht, welches Objekt in Frage käme. Als mittelfristig zu realisierendes Projekt hatten wir bereits über Objekte der „Romantischen Phase“ des 19. Jahrhunderts nachgedacht. Auf dem Zettel standen u.a. bereits der „Mäuseturm“, die „Blechburg“ in der Oberlößnitz und die Ruine im Mohrenhauspark. Kurzfristig umsetzbar war auch Dank der wohlwollenden Begleitung der Stadtverwaltung der Bereich Mohrenhauspark.
Das seit alten Zeiten „Mohrenhaus“ genannte und mehrfach um- und angebaute „Märchenschloss“ in Radebeul, inmitten ehemaliger Weinberge ist mit seinem weitläufigen Park mit romantischer Ruine, dem Wintergarten und nicht zuletzt dem achteckigen Pavillon ein Kleinod in der Radebeuler Kulturlandschaft. Bereits Anfang der 2000er Jahre auch durch großzügige Spenden der Stiftung Denkmalschutz im Auftrag der Stadt Radebeul saniert und restauriert, erfährt das Haus durch den Kinderschutzbund eine sinnvolle Nutzung als Kindertagesstätte. Die Leiterin des Hauses, Frau Piel und Frau Haufe hatten sich dankenswerterweise bereit erklärt, das Hauptgebäude an diesem Sonntag zu öffnen und Führungen anzubieten.

Foto: R. Bialek

Wir haben die Spur aber nicht ganz unabsichtlich zum in den 1870er Jahren zusammen mit dem Wintergarten des Hauses errichteten Pavillon gelegt. Nach der Sicherung des in einem erbarmungswürdigen Zustand befindlichen kleinteiligen Baues durch die Stadt Radebeul werden jetzt nach und nach kleine Schätze wie die Dachkonstruktion der Kuppel, das Traufgesims und der Fußboden sichtbar. Andere Details, wie der Stuck in der Kuppel, waren nur noch fragmentar erhalten und sollen wieder in neuer Pracht entstehen.
Um ein ansehnliches Äußeres präsentieren zu können, haben wir eine Woche vorher mit Vereinsmitgliedern und Interessierten einen Arbeitseinsatz am Pavillon durchgeführt, bei dem wir die nähere Umgebung des Pavillons beräumen und den attraktiven Fußboden aus keramischen Platten (wahrscheinlich Otto Kauffmann, Niedersedlitz) reinigen konnten.
Zur öffentlichen Präsentation am 11. September haben sich einige Vereinsmitglieder und die Mitarbeiterinnen des Kinderschutzbundes ins Zeug gelegt und mit Bildern, geborgenen Stuckresten aus der alten Kuppel und Informationen 6 Stunden lang die rund 100 Besucher über den Park, das Hauptgebäude und den Pavillon ins Bild gesetzt. Über die große Anzahl der Besucher waren wir

Foto: R. Bialek

freudig überrascht, denn die Vorankündigung in der Presse speziell zu diesem Objekt ist leider nicht erschienen. Nicht zuletzt ehemalige

Foto: R. Bialek

Schüler der früheren Polytechnischen Oberschule „Oberort“ waren aufgrund der Ortskenntnis unter den wissensdurstigen Besuchern. Bei Kaffee und Süßigkeiten wurden Gespräche bis zu einer halben Stunde geführt! In den drei sich nach Süden öffnenden und von gußeisernen Tudorbögen überspannten Seiten des Oktogons stehend, konnte man sich gut den in der Bauzeit noch freien Blick ins Elbtal vorstellen. Ein Exkurs in die Historie des Geländes und die ehemaligen Besitzer eröffnet sogar Beziehungen zur Sektkellerei Bussard, zum Schloss Eckberg in Dresden oder zum Wirken der Gebrüder Ziller in Radebeul.

An dieser Stelle sei allen Beteiligten im Vorfeld und am Tag des offenen Denkmals herzlich für ihr Wirken gedankt. Namentlich erwähnt seien hier stellvertretend für alle, die Leiterin des Hauses Frau Piel, Frau Röber vom Hochbauamt der Stadt und Herr Herrmann vom Verein.
Frei zugänglich, soll der Pavillon jetzt mit Ihrer Hilfe aus seinem Dornröschenschlaf geweckt werden! Der Verein will das Bemühen der Stadt, den Pavillon in seiner alten Pracht wieder herzustellen, nach Kräften unterstützen. Dafür sollen Spendenmittel eingeworben werden. Denn die Fördermittel der Denkmalpflege und die Haushaltmittel der Stadt sind für diesen Zweck nur begrenzt vorhanden. Auch die sächsische Landesgruppe des Bundesvereines der Restauratoren im Handwerk hat Unterstützung zugesagt.

Historische Ansicht Foto: Radebeuler Stadtarchiv

Auch als Denkanstoß zur Zukunft des Pavillons, der künstlichen Ruine und des angrenzenden Parkareals sollte dieser Tag geeignet sein. Warum sollten dort nicht eines Tages kleine Konzertnachmittage stattfinden und ein Glas Bussard Sekt gereicht werden… Auch Ideen dafür sind willkommen!

Robert Bialek

 

 

Endlich wieder Theater!

Und endlich auch wieder Straßentheater zum Herbst- und Weinfest!

Allem voran die Close-Act Company aus den Niederlanden mit ihren „prähistorischen Giganten“ aus der Urzeit, die das Publikum auf dem Dorfanger in Altkötzschenbroda faszinierten.

 

Ein tierisches Vergnügen bot das Theater PasParTouT aus Bergatreute mit dem stets hungrigen Elefanten Rudi und seinem einfallsreichen Dompteur.

 

Herausragend auch das Wandertheater Ton und Kirschen aus Werder (Havel) mit der Aufführung „Die Legende vom heiligen Trinker“ auf der Spielfläche hinter der Friedenkirche, die mit Spielwitz und Können die melancholische Geschichte eines Trinkers erzählte. Fotoserie 1-3 Karin (Gerhardt) Baum

Weitere 13 Gruppen und Akteure ließen sich nennen, die das XXV. Internationale Wandertheaterfestival zu einem besonderen Erlebnis werden ließen. Ein herzliches Dankeschön an alle Organisatoren und Mitwirkenden für dieses wunderbar gelungene Festival.

Karin (Gerhardt) Baum

Lieselotte Finke-Poser Kunstpreis 2022

Lieselotte Finke-Poser zum Radebeuler Grafikmarkt 2014. Foto: Burkhard Schade

Es ist heute schon viel Gutes über Lieselotte Finke-Poser, die diesjährige Kunstpreisträgerin gesagt worden. Sie werden also das eine oder andere schon gehört haben, aber natürlich noch nicht von mir.

Ich beginne mit einem Zitat:

Mein vordringlichstes Anliegen ist zur Zeit: Radebeul schnell noch als Gartenstadt festhalten, bevor der letzte Garten zugebaut, der letzte Baum gefällt worden ist.

Diese Worte Lieselottes fand ich in dem kleinen schwarzen Begleitheft, das die Stadtgalerie im Jahr 2000 anlässlich der Ausstellung zum 75. Geburtstag der Künstlerin aufgelegt hatte.

Lieselotte setzt da eine Sorge in knappe Worte, die tiefe Sorge vieler Radebeuler um das Erscheinungsbild, den besonderen Charakter ihrer Stadt, und es dürfte auch hier im Raum kaum jemanden geben, der diesen Satz nicht unterschreiben würde. Zugleich wird deutlich, dass die Künstlerin mit wachen Augen und klarem Verstand auf die Welt – auf unsere Welt – blickte und immer noch blickt. Sie ist fähig, nicht nur die richtigen Farben, sondern auch die passenden Worte zu finden. Sie hat nicht gelernt, mit ihrer Meinung hinterm Berg zu halten – wie auch, dort, wo sie herkommt, gibt’s kaum Berge. Freilich hat ihr das in ihrem langen Leben nicht nur Wohlwollen eingebracht.

Sie kann da Einiges erzählen.

1945, zum Ende des letzten Krieges – nicht nur Lieselotte, sondern mehr oder weniger wir alle glaubten und hofften 77 Jahre lang, dass es tatsächlich der letzte gewesen wäre – zu Kriegsende also, war sie noch keine zwanzig Jahre alt. Wie die meisten unserer Städte, war auch Leipzig, die Stadt, die sie aufwachsen sah, von Trümmern gezeichnet. Die junge Frau aber, die schon in den Jahren zuvor privaten Mal- und Zeichenunterricht genommen hatte, wünschte nichts sehnlicher, als dass endlich die Akademie beräumt wäre und sie Malerei studieren könnte. Das müssen wir uns vorstellen: Malerei! 1945!! Inmitten von Trümmern!

Ich habe sie nicht gefragt, ob es in jenen wirklichen Hungerjahren nicht ganz andere Probleme gab. Die Antwort liegt auf der Hand:

Kunst ist ein menschliches Grundbedürfnis. So weit wir auch in der Anthropogenese zurückgehen, stets werden wir es sehen: Wo auch immer ein Mensch als Mensch auftritt, hat er Kunst im Gepäck. Die Kunst ist, wenn wir so wollen, ein konstitutives Moment der Menschwerdung. Und gerade in Zeiten äußerer Not ist die Sehnsucht nach Kunst, die Hoffnung auf Schönheit besonders groß. (Das ist auch eine Botschaft an alle Technokraten und MINT-Prediger, die Kunst und Kultur als nicht systemrelevant abtun zu können glauben).

Noch im November 45 konnte sich Lieselotte jedenfalls an der Akademie für Grafik und Buchkunst in Leipzig einschreiben.

Es war kein gutes Studium, sagt sie heute. Die neuen Lehrkräfte mögen gute Maler gewesen sein, ihnen fehlten die Fähigkeiten zum Umgang mit Studenten. Die Gelegenheit, Meisterschülerin bei Max Schwimmer zu werden, hat sie ausgeschlagen – sie hat sich damit um die Möglichkeit gebracht, in späten Jahren der me-too-Bewegung beitreten zu können …

Lieselotte hielt sich mehr in den Druckwerkstätten auf. Dort saßen Männer, die ihr Handwerk verstanden und der jungen Frau, die etwas lernen wollte, solide Grundlagen vermittelten. Sie weiß also noch, wie Lithographenschiefer aufgearbeitet wird. Ohne Handwerk keine Kunst, sagt die Malerin noch heute.

Ihre Zugehörigkeit zur Studentengemeinde wurde ihr von den Oberen der Hochschule freilich ebenso übelgenommen, wie ihr demonstratives Desinteresse an einer marxistisch-leninistischen Weltanschauung. So verzichtete sie 1950 von sich aus auf die Diplomprüfung. Immerhin hatte sie die Anerkennung als freischaffende Künstlerin schon nach dem ersten Semester erhalten. Darauf ließ sich aufbauen.

Und so sehen wir die junge Künstlerin nach durchtrotztem Studium mit der Mappe unterm Arm einen weiteren Beweis für Lebenskraft und Tapferkeit antreten: Auf der Buchmesse zog sie von Tür zu Tür, von Verlag zu Verlag, legte ihre Arbeiten vor und fragte nach Aufträgen. Ernst Wunderlich war mit seinem Jugendbuchverlag der erste, der sie unter Vertrag nahm. Später kamen andere hinzu. Über Jahrzehnte hat sie nachher nicht nur für Meyers Lexikon und den Berliner Akademie Verlag wissenschaftliche Zeichnungen angefertigt. Das war vielleicht keine große Kunst, aber es hielt die Hand in Bewegung. Immerhin durften bei ihr die Vögel fliegen und die Hasen hoppeln, wie sie es gerne wollten. Und wenn es auch nicht viel eingebracht hat, so hat es doch zum Unterhalt beigetragen.

Schon während der Studienzeit hatte Lieselotte den Musikstudenten Willi Finke kennengelernt. Das ist in jungen Jahren zum Glück immer noch unvermeidlich. 1950 haben sich die beiden gegenseitig geheiratet. Als Willi schließlich drei Jahre später in Radebeul an den Landesbühnen eine Stelle als Flötist erhielt, konnte sich Lieselotte als mitreisende Ehefrau erweisen. Sie konnte schließlich ihre Bilder überall malen, er musste dort flöten, wo sein Orchester war. Unvergessen bleibt neben vielem anderen sein Flaschenquartett. Da machten gestandene Männer mit mehr oder weniger gefüllten Flaschen so anspruchsvolle Musik, dass sie sogar ins Fernsehen kamen. Ich stelle mir vor, dass auch das Eheleben voll munterer Musik und eine durchaus heitere Angelegenheit war. Und Sohn Max hatte das Glück, vom ersten Tage an in Radebeul aufwachsen zu können.

Hatte Lieselotte für ihre Illustrationen konkrete Aufträge, schöpft sie ihre freien Arbeiten ganz aus sich heraus. Ihr zentrales Thema ist das Leben selbst. Das klingt banaler als es ist. Die Malerin hatte sich ergreifen lassen von Geist und Werk Albert Schweitzers: Ehrfurcht vor dem Leben: Alles, was die Zeit ihrer Kindheit und Jugend hatte vermissen lassen, alles, worauf sich in den Jahren persönlichen und gesellschaftlichen Aufbruchs hoffen ließ, alles, was ein würdevolles Dasein ausmacht, findet sich in diesem Wort zusammengefasst. Ihr Grafikzyklus Weg des Lebens – Weg des Todes macht allerdings anschaulich, dass sie sich der Fragilität des Glücks durchaus bewusst war. Dennoch oder gerade deswegen wollte sie ihre eigene kleine Stimme einbringen in den Chor der Mahner. Ich sehe ihre Grafik Kinder sind keine Zielscheibe in großer geistiger Nähe zu dem Kollwitz’schen Druck Saatfrüchte sollen nicht vermahlen werden. Und ich erinnere an Lieselottes Zyklus zum Vietnamkrieg. Das ist doch heute alles wieder aktuell, sagt sie dazu.

Ja, leider ist das alles wieder aktuell! Und die sich für zivilisiert haltende Menschheit sollte sich dafür schämen!

Natürlich stehen christliche Themen in ihrem Oevre ganz oben. Die Bedingtheit von Leben und Tod findet sich nirgends besser gespiegelt, als in der Spannung zwischen Karfreitag und Ostern. Besonders eindrucksvoll ist für sie Pendereckis Lucas-Passion, die sie auf ihre Weise grafisch umgesetzt hat. Damit ist zugleich wieder der Bogen zur Musik gespannt. Wie hätte sie als Malerin dreiundfünfzig Jahre lang mit einem Musiker verheiratet ein können, ohne mit Farben auf Klänge zu reagieren!

Viel Freude – und um Freude geht es ja heute zu allererst – hat sie sich und ungezählten anderen mit ihren Portraits bereitet, speziell mit Kinderportraits. Kinder haben es ihr angetan. Die sind immer sie selbst, sagt Lieselotte. Auch alte Menschen, die niemandem mehr etwas beweisen müssen, geben sich natürlich. Lieselotte versteht es, dem Alter im Portrait die ihm gebührende Würde zu verleihen. Problematisch sind für die Malerin die Jahrgänge dazwischen. Da wollen die Menschen etwas darstellen, und danach setzen sie sich in Positur. Doch Frau Finke-Poser hat gelernt, zwischen Haltung und Pose zu unterscheiden. Es ist jedenfalls nicht so ganz einfach, wirklich an einen Menschen heranzukommen. Am besten geht das dort, wo sie beschäftigt sind. Dirigenten, sagt sie, haben beim Dirigieren gar keine Zeit, auf Äußerlichkeiten zu achten. Aber – gleichgültig ob alt oder jung, Dirigent oder Hausfrau – für ein Portrait musst du richtig arbeiten, wenn es gut werden soll, ist die Künstlerin überzeugt. Und richtig gearbeitet hatte sie natürlich auch an ihrem Alber-Schweitzer-Portrait. Sie hat ihm zwei Drucke nach Lambarene in den Urwald geschickt und eins davon mit seiner Unterschrift zurückerhalten. Ein Erfolg, auf den sie noch heute, sechzig Jahre später, stolz ist.

Alle machen Landschaft. So war ihr erster Eindruck, als sie vor neunundsechzig Jahren begann, sich der hiesigen Kunstszene zu nähern. Da wollte sie nicht auch noch einstimmen. Sie hatte, wir hörten es, genügend eigene Themen, mit denen sie sich einen festen Platz in Radebeul sicherte. Einen festen Platz hat sie auch auf dem Radebeuler Grafikmarkt, den sie mit aus der Taufe hob, und wo sie demnächst zum vierundvierzigsten Mal auf ihrem Stuhl neben ihren Arbeiten sitzen wird.

Nach 1990 dann aber kam sie auf die Landschaft zurück. Radebeul ist einfach unergründlich, sagt sie. Immer wieder findet sie neue Ecken, neue Blicke, auf die sie aufmerksam machen möchte. Sie will Anregungen geben, selbst hinaus zu gehen und die Schönheit – solange es sie noch gibt – im Original zu genießen. Seit nunmehr sechsundzwanzig Jahren gestaltet sie ihre Radebeul-Kalender aus genau diesem Grund. Der neue ist schon fertig.

Sie sucht dabei bewusst die schönen Seiten auf: Die Menschen, sagt sie brauchen Schönheit, gerade wieder in unseren Tagen.

Lassen wir sie zum Schluss noch einmal selbst zu Wort kommen:

Kunst, so meine ich, soll den Menschen herausheben aus dem Alltag, ihn erfreuen und nachdenklich machen, ihm eine Botschaft bringen. Wie die Musik, die mich bereichert, gehört auch die Malerei zu den „Schönen Künsten“.

Dem ist von hier aus nur noch eines hinzuzufügen:

Herzlichen Glückwunsch, liebe Lieselotte, zum Radebeuler Kunstpreis 2022!

Thomas Gerlach, Sept./ Okt. 2022

 

Die Redaktion von „Vorschau und Rückblick“ gratuliert der Malerin und Grafikerin Lieselotte Finke-Poser zur Verleihung des Radebeuler Kunstpreises. Wer sich für die humorvolle Seite der Künstlerin interessiert, dem sei die Titelbildserie mit den hintersinnigen Tierkarikaturen und den das Geschehen kommentierenden Begleittexten aus dem Jahr 2014 empfohlen, welche jederzeit im Internet unter www.vorschau-rueckblick.de, Archiv 2014 abrufbar ist.

Redaktion

30 Jahre Städtische Kunstsammlung Radebeul

Jubiläumsausstellung mit Werken von über 50 Künstlern aus drei Jahrhunderten

Heinz Drache „Porträt Paul Wilhelm“, sitzend, Halbprofil. 1961. Kohle auf Papier Repro: Alexander Lange

Bereits die Mitglieder des „Kunstvereins der Lößnitzortschaften“, welcher sich 1907 gegründet hatte, träumten davon, mit einer „reizvollen Sammlung“ den Grundstock für ein „Lößnitz-Museum“ zu legen, „zur Freude künftiger Geschlechter“. Doch schon Ende 1911 stellte der Vorstand den Antrag auf Selbstauflösung. Das Geld wurde knapp. Appelle an Gemeindeverwaltung, Gewerbetreibende und Privatpersonen fruchteten kaum. Schließlich erfolgte im Jahr 1914 das endgültige Aus für den Verein. Die Zeiten waren nicht rosig. Der erste Weltkrieg forderte seinen Tribut.

Wenig später verfügte man durch das im Jahr 1924 neu eröffnete Heimatmuseum tatsächlich über einen Ort, wo sich Sammelgut deponieren ließ – darunter natürlich auch Kunst. Vieles blieb dem Zufall überlassen. Vom gezielten Aufbau einer Kunstsammlung im Museum konnte keine Rede sein, da der inhaltliche Schwerpunkt auf dem Bewahren von stadtgeschichtlich bedeutsamen Sachzeugnissen lag.

Erst mit Eröffnung der „Kleinen Galerie“ in Radebeul-Ost am 16. Dezember 1982 wurde es möglich, Kunst von Radebeuler Künstlern in der Stadt Radebeul kontinuierlich zu präsentieren. Doch im Unterschied zu einem Museum ist eine Galerie zwischen den wechselnden Ausstellungen nur eine leere Hülle. Wie aber wollte man nachfolgenden Generationen verständlich machen, was die so zahlreich in Radebeul ansässigen Künstler geschaffen hatten? Die Idee vom Aufbau einer Städtischen Kunstsammlung blieb über viele Jahre ein kühner Traum.

Es sind wohl immer wieder Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche, die Neues hervorbringen und dessen Umsetzung ermöglichen. Das Anliegen, für die Stadt Radebeul eine Kunstsammlung aufzubauen, stieß bei Dr. Dieter Schubert, der von 1991 bis 2005 in Radebeul die Funktion des Amtsleiters für Bildung und Kultur innehatte, auf großes Verständnis. Und er war es auch, der zwischen Kultur, Politik und Verwaltung vermittelte.

Egbert Herfurth Exlibris für Hellmuth Rauner, 1973. Holzstich Repro: Karin Baum

Schließlich wurde 1992 erstmals ein Budget für Kunstankäufe in den Städtischen Haushalt eingestellt. Darüber hinaus fanden sich zahlreiche Förderer und immer wieder auch Künstler sowie Angehörige von Verstorbenen, die durch Schenkungen oder Verkäufe zur Bestandserweiterung der Städtischen Sammlung beigetragen haben.

Die zunächst an verschiedenen Orten gelagerten Exponate wurden 2009 zusammengeführt und in eigens dafür eingerichteten Depoträumen untergebracht. Endlich konnte mit der fachlichen Arbeit begonnen werden. Aber die Freude darüber währte nur kurze Zeit. Und so hieß es bereits 2015, alle Stahlregale kürzen, das Kunstgut behutsam ein- und auspacken, auf eventuelle Umzugsschäden prüfen, in Regale und Grafikschränke neu einsortieren.

Doch schon wieder wird die Kunstsammlung umziehen müssen. Was das bedeutet, können sich vermutlich nur die wenigsten Menschen vorstellen.

Gegenwärtig umfasst die Städtische Kunstsammlung weit über 3.000 Exponate. Das Profil ist ausgerichtet auf Werke von Künstlern, die in Radebeul ansässig waren oder sind bzw. deren Wirken in einer unmittelbaren Beziehung zur Lößnitzstadt steht. Den Schwerpunkt bilden Arbeiten aus dem 20. Jahrhundert, wobei sich zwei Weltkriege und gesellschaftliche Umbrüche als einschneidende Zäsuren auf das Schaffen und die Existenzbedingungen der Künstler nicht unerheblich ausgewirkt haben.

Jochen Fiedler „Licht auf den Weinberg“ 1994. Kaltnadelradierung Repro: Karin Baum

Dass sich Radebeul ab Mitte des 19. Jahrhunderts zu einem bedeutenden Industriestandort entwickelte, wurde von der Kunstszene weitestgehend ignoriert und bis heute dominiert allgemein die konventionelle Vorstellung von der privilegierten Villen-, Wein- und Gartenstadt. Allerdings vermittelt die aktuelle Jubiläumsausstellung ein völlig anderes Bild

Einer der ersten Kunstankäufe im Jahr 1992 war Heinz Draches Gemälde „Meine Umgebung“ (1960). Gemeint hatte er damit das Industriegebiet in Radebeul-Ost. Der Ankauf dieses Werkes erfolgte ganz bewusst, ging es doch darum, mit dem Klischee zu brechen und das vielfältige Spektrum des künstlerischen Schaffens in der Lößnitzstadt aufzuzeigen. Eine interessante Entsprechung findet sich nun in Peter Grafs Gemälde „Raschufa abends“ (2012), denn es zeigt den Künstler im Atelier auf der Gartenstraße, mit Blick auf die nächtlich erleuchtete „Thermische Behandlungsanlage für Abgas, Abluft und flüssige Abfallstoffe“ des einstigen Arzneimittelwerkes Dresden (AWD). Letztgenanntes Bild ist in der Jubiläumsausstellung zu sehen.

Heinz Drache „Erfinderkollektiv“. 1967. Öl auf LW (Mitarbeiter der AWD-Forschung: Hertha Schulz, Heinz Kohlmay und Dr. Hans-Jörg Schmidt) Repro: Karin Baum

Sehr lange, eigentlich viel zu lange hat es gedauert, bis die Kunst, welche in der DDR entstanden war, als künstlerisch eigenständiges, abgeschlossenes Sammelgebiet und als ein wichtiges Zeitdokument begriffen wurde. Unbedacht hatte man Vieles entsorgt, „verramscht“ oder ins künstlerische Abseits gestellt.

Durch das vertrauensvolle Verhältnis zum Radebeuler Maler und Grafiker Horst Hille und zu Ute Gebauer, die über dessen künstlerischen Nachlass verfügt, konnten wesentliche Werke durch

Horst Hille „Turnschuh-Generation“. 1987. Öl auf Möbelspantafel Repro: Karin Baum

Ankäufe sowie als Schenkungen in die Städtische Kunstsammlung eingefügt werden. Humorvoll persiflierte der Künstler in seinen Arbeiten die DDR-Spießbürger-Idylle und Heimwerkermentalität. Mit dem kleinformatigen Ölbild „Turnschuh-Generation“ (1987) spielte er auf das Lebensgefühl von Jugendlichen der 1980er Jahre an. Aber auch mit der Umweltproblematik sowie der De-Illusionierung nach 1989 hatte er sich auseinandergesetzt.

Durch eine großzügige Schenkung des privaten Sammlers Dr. Johannes Reichel – welcher sich auf solcherart Themen spezialisiert hatte – erfuhr das Hille-Konvolut mit Bildern wie „Wochenendgebetsmühle“ (1989) und „Harakiriradler“ (1989) eine wertvolle Erweiterung. Die beigefügten Original-Rechnungen des Staatlichen Kunsthandels sowie ein ausführlicher Schriftwechsel mit dem Künstler ergänzen die Schenkung.

Ein liebenswert gestaltetes Exlibris von Egbert Herfurth erinnert an den heimatverbundenen Kulturpolitiker, Ehrenbürger, Weinkenner und Mitinitiator der „Vorschau“, Hellmuth Rauner. Der Kunstsammlung geschenkt hatte es sein Sohn.

Der Umsicht von Dr. Susanne Engmann ist es zu verdanken, dass das vom damaligen Arzneimittelwerk Dresden bei Heinz Drache in Auftrag gegebene Gemälde „Erfinderkollektiv“ (1967) von AWD.pharma im Jahr 2011 als Schenkung an die Städtische Kunstsammlung übergeben wurde.

Erstmals in einer Ausstellung zu sehen ist das großformatige Bildnis des im Jahr 1932 verstorbenen Bürgermeisters und Ehrenbürgers der Stadt Radebeul Robert Werner, der die Entwicklung von Radebeul zu einem bedeutenden Industriestandort energisch und konsequent vorangetrieben hatte.

Das im Jahr 1918 von Johannes Mogk geschaffene Gemälde stammt aus dem Sammlungsbestand der Hoflößnitz. Ebenso wie die Kohlezeichnung mit dem Bildnis des Malers Paul Wilhelm (1961) von Heinz Drache. Wie diese Werke in die Städtische Kunstsammlung gelangten, sei noch einmal kurz erklärt:

Mit der Umwandlung des städtischen Museums Hoflößnitz, in die Stiftung „Weingutmuseum Hoflößnitz“, wurde 1997 dessen Gesamtbestand an Kunstwerken aufgeteilt. Der weingutspezifische Teil verblieb in der Stiftung. Ein Konvolut von über 200 vorwiegend stadtgeschichtlich geprägten Kunstexponaten des 18., 19. und 20. Jahrhunderts ging in die Städtische Sammlung ein. Darunter befanden sich künstlerisch anspruchsvolle Gemälde von Karl Kröner und Paul Wilhelm sowie eine große Zahl romantisierender Heimatbilder als auch Porträts regionaler Persönlichkeiten.

Zu den bemerkenswerten Neuerwerbungen mit unverkennbar sozialkritischen Bezügen zählen u. a. Werke wie das siebenteilige Objekt von Wolf-Eike Kuntsche (1986), welches in einer seriellen Anordnung zeigt, wie ein in einem aufklappbaren transparenten Kubus eingezwängter Mensch beginnt, sich aufzurichten und versucht, sich aus seinem Eingesperrtsein zu befreien, was letztlich zu misslingen scheint. Doch plötzlich ist der siebente Kubus leer! Auch das Keramik-Stahl-Objekt „Der Ketzer“ (1995) von Detlef Reinemer beschäftigt sich mit einem Thema von höchster Brisanz. Es geht dabei um die Freiheit der Kunst und das natürliche Recht auf Widerspruch.

Christian URI Weber „Neues aus der Anstalt“. 2012. Acryl/Lack auf Sperrholz Repro: Karin Baum

Das schrillfarbige Acryl/Lackbild „Neues aus der Anstalt“ (2012) von Christian URI Weber spielt darauf an, dass der gewissenlose und zynische Triumph des Kapitals bar jeder Menschlichkeit nur ein Pyrrhussieg sein kann.

Wohltuend friedvoll wirkt hingegen das Gemälde „Abend am Fluß“ (2011) von Friedrich Porsdorf. Es besticht durch seine malerische Kraft. Dem aufmerksamen Kunstfreund wird es sicher sehr bekannt vorkommen, gehörte es doch 2019 zu den Glanzstücken einer kleinen, aber feinen Sonderausstellung im Sächsischen Weinbaumuseum Hoflößnitz. Das schnelle Reagieren des seit 1999 bestehenden Förderkreises der Stadtgalerie hat nicht nur diese Neuerwerbung für die Städtische Sammlung ermöglicht. Auch zum Ankauf des ausgestellten Gemäldes „Der Garten des Künstlers vor dem Minckwitzschen Weinberg“ (um 1942/1943) von Paul Wilhelm hatte der rührige Verein im Jahr 2009 einen finanziellen Zuschuss beigesteuert.

Detlef Reinemer
„Der Ketzer“. 1995.
Keramik, Stahl
Repro: Karin Baum

Dass Kunst nicht erst seit dreißig Jahren in Radebeul gesammelt wird – und das nicht ausschließlich in der Städtischen Kunstsammlung – ist uns durchaus bewusst. Allerdings geschieht es nicht oft, dass Werke aus privaten Sammlungen für die Öffentlichkeit zugängig sind. Und so war es für viele Kunstfreunde eine große Freude, als der Sammler Gottfried Klitzsch eine Kollektion ausgewählter Aquarelle von Paul Wilhelm anlässlich des 50. Todestages in seinen privaten Räumen präsentierte.

Mit ihrer Städtischen Kunstsammlung verfügt Radebeul über einen reichhaltigen Bestand an Kunstwerken der Malerei, Grafik und Plastik von weit über einhundert verstorbenen und lebenden Künstlern, die auf unkomplizierte Weise in die Gestaltung von thematischen Ausstellungen oder in Gedenkausstellungen zur Würdigung verstorbener Einzelkünstler integriert werden können. Darüber hinaus beinhaltet die Sammlung Skizzenbücher, Entwürfe, Modelle, Plakate, Kataloge, Original-Handschriften sowie Bild-, Text-, Film- und Tondokumente. Auch ziemlich kuriose Objekte bereichern die Sammlung auf recht lebendige Weise.

Dass die gegenstandslose Kunst in der städtischen Sammlung keine unwesentliche Rolle spielt, wird in der Jubiläumsausstellung punktuell mit der abstrakten Komposition von Erhard Hippold (1950er Jahre), der Holzkonstruktion (1973) von Ursula Sax und dem Holzobjekt (o.J.) von Dieter Melde angedeutet.

Die Künstler wirken in ihrer Zeit. Geschichten, die hinter den Kunstwerken stehen, bedürfen der Aufzeichnung, sonst gehen wesentliche Zusammenhänge unwiederbringlich verloren. Die Gewissheit, dass in Radebeul eine Städtische Kunstsammlung existiert, aus deren reichem Fundus man schöpfen kann, stimmt zuversichtlich und froh. Für die kunstwissenschaftliche Forschung bietet sich hiermit ein ergiebiges Betätigungsfeld. Wichtig in den nächsten Jahren wird sein, museumspädagogische Angebote zu entwickeln, die digitale Erfassung des Sammlungsbestandes abzuschließen und die Vernetzung mit regionalen und überregionalen Archiven, Museen, Vereinen und Bildungseinrichtungen voranzutreiben.

Mit dem systematischen Aufbau einer Städtischen Kunstsammlung hat sich die Lößnitzstadt zu ihren Künstlern bekannt. Möge die Sammlung auch weiterhin so gut gedeihen wie bisher. Der Anfang wurde vor drei Jahrzehnten gemacht. Und vielleicht erfüllt sich auch eines schönen Tages der Traum von einem öffentlich zugängigen Schaudepot.

Karin (Gerhardt) Baum


Letztmalige Gelegenheiten zum Ausstellungsbesuch bieten sich am 30. Oktober einschließlich Kuratorenführung und am 6. November jeweils von 13 bis 17 Uhr. Bereits am 25. November folgt dann die nächste Jubiläumsausstellung zum 40jährigen Bestehen der Radebeuler Stadtgalerie.

Jubiläumsausstellung zum 30-jährigen Bestehen der Städtischen Kunstsammlung mit Werken von: Dieter Beirich, Manfred Beyer, Günther Brückner, Sophie Cau, Heinz Drache, Robert Erbe, Hanns Erlanger, Jochen Fiedler, Lieselotte Finke-Poser, F.R. (Fricke?), E. Geisler, Peter Graf, Heddenhauser, Egbert Herfurth, Gunter Herrmann, Mandy Herrmann, Horst Hille, Erhard Hippold, Gussy Hippold, C. Höfgen, Werner Juza, Karl Kröner, Ingo Kuczera, Frank Panse, Wolf-Eike Kuntsche, Käthe Kuntze, Christiane Latendorf, Carl Lindeberg, Ruth Meier, Dieter Melde, Johannes Mogk, Hans Mroczinski, Peter PIT Müller, Hermann Naumann, Friedrich Porsdorf, Detlef Reinemer, Markus Retzlaff, Georg Richter-Lößnitz, Gerald Risch, Ursula Sax, Günter Schmitz, Annerose Schulze, Gabriele Seitz, Lothar Sell, Karl Sinkwitz, Johannes Thaut, André Uhlig, Ralf Uhlig, Bärbel Voigt, Fred Walther, Christian URI Weber, Claus Weidensdorfer, Paul Wilhelm, Ute Wittig, Werner Wittig, Klaus Zürner

Editorial

In Zeiten wie diesen scheinen Anmerkungen zum Zustand von Gehwegen und Straßen in Radebeul als eher luxuriös zu gelten.
In der Tat ist es ja im Grunde unerheblich über einen Flickenteppich Jahr um Jahr zu fahren.
Und zudem ist es begrüßenswert, dass Straßenzüge nach und nach wieder mit Bäumen bepflanzt werden. Dies geschah vor einigen Jahren auch im oberen Abschnitt der Freiligrathstraße mit den dort angestammten Robinienbäumen. Nur muss man wissen, dass diese Pionierbäume sind, schnell wachsen und früher oder später mit ihren Wurzeln gar Asphaltdecken sprengen. Der stark gewölbte Bürgersteig Ecke Freiligrath-/ Goethestraße wurde kürzlich einem älteren Herrn zum Verhängnis. Auf das Gesicht gefallen und blutüberströmt musste ihm geholfen werden. Insgesamt ist der Fußweg zwischen Goethe- und Marienstraße mittlerweile in einem beklagenswerten, ja verwahrlosten Zustand. Ein weiterer Baum scheint wohl aufgrund der Trockenheit des Sommers im Absterben zu sein. Keiner will sich recht kümmern, weder die Anwohner, noch die Stadt. Hat es Gründe?
Nun könnte man auch über den allgemeinen Zustand von Radebeuler Straßen die Nase rümpfen. Wie gesagt, im Grunde eine Petitesse, heutzutage.
Umso mehr erstaunt es, dass gerade die Paradiesstraße, mit einem vorzüglichen Straßenbelag und vor einigen Jahren komplett erneuert, jetzt, angeblich mit kleinen Rissen, nun für 90.000€ wiederholt saniert wird.
Nicht nur die Anwohner sind sprachlos.

Sascha Graedtke

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