Radebeuler Firmengeschichte

Arevipharma GmbH

Ehemaliges Arzneimittelwerk – 25 Jahre TBA

Jährlich im Frühjahr findet man im Radebeuler Amtsblatt den „Öffentlichkeitsbericht der Thermischen Behandlungsanlage (TBA)“. Das ist eine recht unspektakuläre Sache und selbst Interessierte brechen sicher nach dem ersten Satz mit Lesen ab. Der erste Satz vermittelt nämlich stets Stabilität und umweltgerechten Betrieb. Da es diese Anlage seit nunmehr gerade 25 Jahren gibt, hierzu folgenden „historischen“ Hintergrund.

Das Arzneimittelwerk Dresden mit seinem Hauptwerk auf der Meißner 35 war nicht nur ein wichtiger hiesiger Arbeitgeber, sondern als Kombinats-Hauptwerk Kern der Arzneimittelproduktion der DDR. Mit den Wurzeln in den 1870igern ( von Heyden ) machte es in seiner Entwicklung natürlich alle Umweltsünden weltweiter chemisch-pharmazeutischer Produktion mit. Das waren vor allem die unbehandelte Abwasserentsorgung in die Elbe und der freie Ausstoß von Abluft und Abgas in die Atmosphäre. Mit aufkommendem Umweltbewusstsein begann man in der westlichen Welt ab den 60iger Jahren massiv mit der Abstellung solcher Missstände. Man fixierte das auch gesetzgeberisch. Es war ein schlimmes Versäumnis der DDR-Führung, Umweltschäden bis zum Ende 1989 nicht ernst genug zu nehmen. Die Elbe war entsprechend verseucht und Radebeul roch lax gesagt entsprechend herb. Es gab zwar durchaus punktuelle Verbesserungen; mit dem Bau einer großen Mehrzweckanlage (1977-78) auch eine „Abluftentsorgung“ über einen 165m hohen Schornstein – aber auch aus Geldmangel keine umweltgerechte Lösung. Folgerichtig kam es dann nach der Wende Ende April 1990 zur Werksbesetzung durch Greenpeace. Vor allem wurde hier das Abwasserproblem thematisiert und eine sofortige Werksschließung gefordert.

Ab diesem Zeitpunkt bekamen Ab-Wasser und –Luft die gebührende Aufmerksamkeit. Mit der nachfolgenden Werksübernahme durch Asta-Medica, Pharmasparte der DEGUSSA, mit höchster Priorität. Im Rahmen der umfassenden Umstrukturierung dieses Konzerns war es damals Zielstellung, Radebeul zum einzigen Wirkstoffhersteller des Konzerns auszubauen. Dabei war unbedingt zu beachten, dass für eine weiter Betriebserlaubnis alle geltenden Umweltgesetze der BRD ab dem 1.1.1995 einzuhalten waren.

Als Sofortmaßnahme wurde daher eine Abwasserleitung, sehr teuer, doppelwandig mit Leckageüberwachung, zum Klärwerk Kaditz gebaut. Hier ließen sich die chemietypischen in Mischung mit den kommunalen Abwässern Dresdens gut und umweltgerecht abbauen.

Mit Abluft und Abgasen war das völlig anders . Bis auf eine gewisse Entsorgung, nicht Behandlung, über den Schornstein, lagen sie völlig konfus vor; an hunderten Stellen in den Produktions- und Technikbereichen des Werkes verteilt. In Summe handelte es sich um etwa 100.000m³/Stunde.

Relativ schnell war klar, dass hier nur eine gebündelte Erfassung und angepasste Verbrennung zielführend war. Der Mehrzweckcharakter der Anlagen sowie der ständige Produktwechsel hätten eine eher populäre biologische Abgasreinigung absolut überfordert. Also Verbrennung, welch Teufelszeug! In der Bevölkerung gärte es. Im AWD soll eine Abfall-Verbrennungsanlage gebaut werden! Hier musste zum Vorantreiben des Projektes diplomatisch vorgegangen werden. Da in der Flamme, bei hoher Temperatur, alle Schadstoffe unschädlich gemacht werden können, kann man von einer thermischen Behandlung sprechen. Von nun an wurde nur noch von thermischer Behandlung gesprochen. Das verbleibende Kürzel TBA führte letztlich zur nötigen Ruhe bei der Weiterbearbeitung. Zur damals vorliegenden undefiniert großen Abluftmenge muss gesagt werden, dass alle üblichen in großem Maßstab in der pharmazeutischen Produktion eingesetzten Lösemittel mit Luft explosive Gemische bilden. Nur mit großen Luftmengen umging man dauerhaft der Explosionsgefahr. Mit so großen Luftmengen konnte man aber keine wirtschaftliche Entsorgung betreiben.

Die ingenieurtechnische Aufgabe war daher folgendermaßen zu umreißen:

1. Konzeption des Aufbaus und Dimensionierung der Behandlungsanlage/ 2. Erfassung und Fortleitung sämtlicher Abluft bzw. Abgas/ 3. Gleichzeitige Lösung des Explosionsproblems/ 4. Absolute Minimierung Abluft/ Abgas.

Die Leistung der TBA wurde damals, das war ingenieurtechnisch fortschrittlich, mit 1500m³/h Abluft / Abgas und gleichzeitiger Verbrennung von 350 kg/h flüssiger Abfallstoffe der eigenen Produktion festgelegt und bei den zuständigen Behörden beantragt.

Projektierung und Bauausführung erfolgte durch das Ingenieurwesen der DEGUSSA. Dem technischen und verfahrenstechnischen Team AWD verblieben neben der Projektbetreuung und dann parallel zum Anlagenaufbau eine wahre Mammutaufgabe. Das gesamte Werk musste entsorgungsgerecht umgebaut und anschlussbereit gemacht werden. In erfreulicher Zusammenarbeit gab man uns im Rahmen eines sogenannten „Öffentlich rechtlichen Vertrages“ behördenvertraglich dafür Zeit bis Mitte 1997.

Die Bearbeitung erfolgte von diesem Zeitpunkt an durch ein Trio. Zum Umbau des Werkes soll nur soviel gesagt sein, dass es seitdem auf dem Gebiet der Abgasentsorgung ein völlig anderes Werk gibt. Auch die Belegschaft musste an eine neue, geänderte Bedienung herangeführt werden. Der Umbau erfolgte „auf Sicht“ mit täglichen Abstimmungen zwischen Projektteam, Produktion und einer sehr kreativ flexiblen Rohrbaufirma. Nur so konnte ein „flotter“ Baufortschritt ohne Produktionsstillstand und damit Umsatzausfall gewährleistet werden. Ein Teil der Technik (Reaktoren, Trockner, Trenntechnik, Vakuumtechnik… ) wurden auf entsorgungstechnisch neuen Stand gebracht. So manches wurde ausgesondert und durch neue Apparate ersetzt. Ansonsten erfolgte eine konsequente Kapselung der Ausrüstungen bei gleichzeitiger Dauerinertisierung (Hinzufügung) mit Stickstoff. Die sichere Anwesenheit von Stickstoff verhindert eine explosive Atmosphäre innerhalb der Apparate. Allein schon diese Voraussetzung erforderte den Aufbau einer eigenen Infrastruktur mit weitverzweigten Rohrleitungsnetzen.

Nach von atemloser Spannung begleiteter Zuschaltung des neuen als ASA bezeichnetem Gesamtsystems an die TBA im Juni 1997 konnte folgende erfolgreiche Bilanz gezogen werden:

  • – restloser Anschluss sämtlicher Abluft- und Abgasquellen bei gleichzeitiger Mengenreduzierung auf etwa 1% der früheren Werte
  • – enorme Einsparungen bei der Beheizung der Produktionsstätten
  • – drastische Reduzierung der Abwassermenge soweit, dass heute das Werk deutlich abwasserärmer arbeitet (das waren ursprünglich 60-70 m³ pro Stunde !)
  • – Ertüchtigung der TBA zwecks zusätzlicher Entsorgung beladenen Wasserstoffs einschl. spez. Erfassungs- und Fortleitungssystem
  • – Entschärfung evtl. Sicherheitsentspannungen im Havariefall über Dach; dabei Anschluss einer solchen mit besonderer Brisanz an die TBA mit spez. Anschlusssystem

Seit Mitte 1997 läuft nun die TBA erfolgreich. In ihr werden in einer Brennkammer bei über 1000° C Abluft ,Abgas und flüssige Abfallstoffe unter Erdgaszufuhr sicher verbrannt. Anschließend werden diese Rauchgase mit Wasser extrem schnell abgeschreckt, nun erst unter Verwendung von verdünnter Natronlauge, dann mit vollentsalztem Wasser gewaschen, erneut erwärmt, mit Ammoniak versetzt über einem Katalysator denoxiert ( vgl. Dieselmotoren-Adblue), abgekühlt und nach Messung aller relevanten Emissionskennwerte über Dach ausgestoßen. Die Überwachung erfolgt hinsichtlich evtl. Ausfallzeiten, der Einhaltung der Verbrennungstemperatur, des Ausbrandes , Schwefeldioxid- , Stickoxid- , Salzsäure- und Staubgehalt kontinuierlich. Dioxine sind einer kontinuierlichen Messung nicht zugänglich. Hier erfolgt turnusmäßige Probenahme und Auswertung durch ein unabhängiges Prüflabor. In der TBA wird Abwärme zur Dampferzeugung genutzt. Allerdings nicht umfassend, da ansonsten mit Dioxinbildung gerechnet werden musste.

Aus heutiger Sicht ist der Betrieb der TBA eine Erfolgsgeschichte. Ohne sie wäre das Werk nicht betriebsfähig. Abweichungen in Verfügbarkeit und Nichteinhaltung von Emissionsgrenzwerten waren kaum erwähnenswert. Nach der anlagentechnischen Erneuerung des Prozessleitsystems 2021, in die auch die gebündelte Betreibererfahrung zweier Jahrzehnte einfloss, kann fast von einem Idealbetrieb gesprochen werden. Das konzipierte Entsorgungskonzept war gut gewählt. Auch zwischenzeitliche Verschärfungen der Emissionsgesetzgebung waren unproblematisch erreichbar. Jährlich zulässige Schadstofffrachten nach der 17. Bundes-Immissionsschutzverordnung werden nur zwischen 0 und 34% ausgeschöpft!

Durch Abwanderung der Wirkstoffproduktion im Rahmen der Globalisierung, konnte das Potential der TBA bisher nicht wirksam werden; sie war für eine Erweiterung des Produktionsstandortes vorbereitet. Allerdings ist der hohe Gasbedarf der TBA (einige 100.000 m³ pro Jahr ) gerade jetzt Anlass zu großer Sorge – denn ohne TBA keine Produktion. Hier kann man nur hoffen und der TBA mit dem traditionsreichen Werk eine weitere erfolgreiche Zukunft wünschen.

Am 2. Januar 1874 nahm der Firmengründer am Standort die „Salicylsäurefabrik F.v.Heyden“ in Betrieb. Also vor fast 150 Jahren! – Auch sollte in diesem Zusammenhang erwähnt werden, dass vor 80 Jahren in den Laboren dieses Werkes Epochales entwickelt wurde. Der Chemiker Richard Müller erfand die Grundsynthese der Silikonchemie, bekannt als Müller – Rochow –Synthese – was wären wir heute z.B. ohne Mikro-Chips!

Der Autor wagte einen sehr persönlichen Rückblick auf einen wichtigen Teil Werksentwicklung der jetzigen Arevipharma in Radebeul Ost, an dem er im letzten Jahrzehnt seiner Berufstätigkeit teilnahm. Prägend waren dabei Konzipierung und Dimensionierung der TBA und daraus folgernd die Projektverantwortung bei entsorgungsgerechtem, mengenreduziertem Werksumbau. Unbedingt müssen aber dabei die Herren Peter Dethloff, Radebeul sowie Jürgen Müller ,Meißen genannt werden.

Peter Gühne

Zeugnisse namhafter Architekten in Moritzburg

Auch die Ortschaft Moritzburg hat eine beachtliche Vielfalt von Bauten namhafter Architekten aufzuweisen. Diese Männer können mit Fug und Recht als wesentliche Mitgestalter unserer einzigartigen Kulturlandschaft über einen Zeitraum von nahezu 500 Jahren angesehen werden. Die meisten ihrer entworfenen Bauten prägen noch heute das Ortsbild. Im Folgenden sollen in zeitlicher Reihenfolge die hiesigen und andere wesentliche Zeugnisse ihres umfangreichen Schaffens dargestellt werden.

Das Zunftzeichen der Architekten
Bild: Archiv Ortsgruppe Moritzburg


An erster Stelle ist der Architekt Caspar Voigt von Wierandt (gest. 1560) zu nennen. Als Festungsbaumeister erhielt er von Kurfürst Moritz den Auftrag, für diesen im Friedewald ein Jagdhaus zu entwerfen. Er leitete auch zunächst diesen Bau. Wegen seiner umfangreichen Arbeiten im Zuge der Errichtung von Festungsbauwerken in Dresden und bei der Erweiterung des Dresdner Schlosses zu einer repräsentativen Residenz hat dann der Architekt Hans Dehn-Rothfelser (1500–1561) für Kurfürst Moritz von Sachsen das erste Jagdhaus im Friedewald auf einer flachen Felskuppe am damaligen Mosebruchteich vollendet. Das Holzmodell dieser etwas später von Paul Buchner umgestalteten ursprünglichen Anlage ist noch heute im Schloss Moritzburg ausgestellt. Die Grundform mit den vier markanten Ecktürmen ist teilweise auch in der jetzigen Gestalt des Schlosses noch ablesbar. Zunächst war Dehn-Rothfelser mit dem Umbau des Dresdner Schlosses nach dessen Brand im Jahre 1530 und mit der Erneuerung des Dresdner Elbtores zum Georgenbau am Schloss befasst. Ab dem Jahre 1542 bis 1546 erfolgte der Bau des hiesigen Jagdhauses, das schon bald den Namen „Moritzburch“ trug. Auch die Entwürfe zum Bau des Schlosses Klippenstein als Verwaltungssitz des Amtes Radeberg und für die erste Erweiterung der Dresdner Stadtbefestigung stammen von ihm.

Es sollten über 100 Jahre vergehen, bis ein weiterer namhafter Architekt sein Markenzeichen hier setzte. Es war der Oberlandbaumeister Wolf Caspar Klengel (1630–1691), welcher im Jahre 1656 von Kurfürst Johann Georg II. nach Dresden berufen worden ist. Dieser Kurfürst beauftragte Klengel, das Moritzburger Jagdhaus an dessen Westseite durch eine Kapelle zu ergänzen. Dieser Bau wurde 1661 bis 1672 ausgeführt und am 24. Juni 1672 als evangelisch-lutherische Kirche geweiht. Viele von Klengel für Dresden entworfene Bauten sind nicht mehr erhalten. Heute erinnern lediglich noch die heutige Gestalt des Dresdner Schlossturmes, Teile des Reithauses am Zwinger sowie die von ihm nach dem Brand von 1685 entworfene großzügige Straßenanlage der inneren Dresdner Neustadt an diesen genialen Baumeister, der auch August den Starken in Architekturfragen unterrichtete.

Späterer Nachfolger Klengels war der den meisten wohlbekannte Oberlandbaumeister Matthäus Daniel Pöppelmann (1662–1736), der zunächst noch unter Klengels Leitung im Dresdner Bauamt tätig war. Im Auftrag Augusts des Starken arbeitete Pöppelmann an der großzügigen Umgestaltung des Moritzburger Jagdhauses in eine vielgliedrige barocke Schlossanlage mit reicher Innenausstattung unter Einbeziehung der umgebenden Teiche und deren Umformung zum Schlossteich. Auch die Anlage der Schlossallee als neuem Verkehrsweg nach Dresden mit ihren noch erhaltenen damaligen Handwerkerhäusern (heute die Gasstätten Dreispitz und Forsthaus, die Apotheke und das Haus Schlossallee 17) sowie das ursprüngliche Gebäude des Gasthofes „Goldne Brezel“ entstammen seiner Feder. Ein Bild von der früheren Gestalt der „Goldnen Brezel“ befindet sich noch heute im Gastraum. Viele der von Pöppelmann entworfenen Bauten in Dresden und Umgebung können heute noch besichtigt werden: der Zwinger, das Berg- und das Wasserpalais in Pillnitz, das Taschenbergpalais, die obere Orangerie in Großsedlitz, die Pillnitzer Weinbergkirche oder die Matthäuskirche in Dresden-Friedrichstadt.

Teilweise zeitgleich mit Pöppelmann wirkte am Dresdner Hof der Oberlandbaumeister Johann Christoph Knöffel (1686-1752) – ein gebürtiger Dresdner. Verdienste um Schloss Moritzburg hat er sich insbesondere als Architekt der Innenausstattung erworben. Ursprünglich sollte Pöppelmann diesen Auftrag erhalten, aber dieser nahm ihn 1733 unter Verweis auf sein hohes Alter von 71 Jahren nicht an. Auch am Moritzburger Schlossumbau hat Knöffel mitgewirkt. Die Gestaltung der Schlossparkanlage erfolgte ebenfalls weitgehend nach seinen Plänen. Knöffel entwarf außerdem den Vorgängerbau des heutigen Fasanenschlösschens. Sein Hauptauftraggeber war indessen Graf Heinrich von Brühl. Nachdem diesem die Festungsterrasse von seinem König geschenkt worden war, hat Brühl den Baumeister mit den Entwürfen für alle damals darauf stehenden Bauten beauftragt: das Palais, eine Gemäldegalerie, eine Bibliothek sowie ein Belvedere. Sein architektonisches Hauptwerk war indessen das große Jagdschloss Hubertusburg in Wermsdorf.

Der Architekt französischer Herkunft Zacharias Longuelune (1669–1748) soll ebenfalls kurz erwähnt werden. Er hat sich insbesondere um die äußere Fassadengestaltung von Schloss Moritzburg verdient gemacht, die heute wieder erlebbar ist. Ebenso entwarf er die untere Orangerie in Großsedlitz sowie das Japanische Palais in Dresden.

Dem Architekten Johann Daniel Schade (1730-1798) verdankt die Ortschaft Moritzburg zwei Bauten im Rokokostil. Im Jahre 1782 wurde nach seinen Plänen das Fasanenschlösschen an der Stelle des Knöffelschen Vorgängerbaus errichtet. Als kleines „Paradies in der Nussschale“ wird es von vielen Besuchern bewundert. Auch das nördlich vom Schloss gelegene Hellhaus entstand im Jahre 1776 nach seinen Plänen anstelle eines vorher dort existierenden hölzernen Pirschhäuschens. In Dresden wirkte Schade u. a. als Architekt beim Um- und Erweiterungsbau des Marcolinipalais in Friedrichstadt (heute Stadtkrankenhaus), als Schöpfer des Dresdner Waldschlösschens sowie der Pillnitzer künstlichen Ruine. Außerdem leitete er ab 1783 die erste Wiederherstellung des im Siebenjährigen Krieg durch Beschuss beschädigten Dresdner Zwingers.

Nach über hundertjähriger Pause brachte ein weiterer Architekt ein markantes Bauwerk in unseren Ort: Richard Schleinitz (1861–1916). Von Ihm stammt der Plan für die Moritzburger evangelische Kirche an der Schlossallee. Sie wurde ab dem Jahre 1902 erbaut und am 7. November 1904 eingeweiht. Mit monumentalem Anspruch auf einem ehemaligen Weinberg errichtet, zeigt die Kirche an ihren Schauseiten reiche neubarocke Architekturformen – wie auch manche Dresdner Bauten aus dieser Zeit. Schleinitz schuf u. a. auch die Entwürfe für das Rathaus in Dresden-Coschütz sowie für einige herrschaftliche Mietshäuser und Villen in der Landeshauptstadt, vor allem im Stadtteil Blasewitz.

Als Vertreter der Reformbaukunst hat der Architekt Richard Riemerschmidt (1868–1957) ein interessantes Bauwerk im Landhausstil auf dem Grundstück Bahnhofstraße 17 entworfen. Es wurde im Jahre 1902 als Wohn- und Atelierhaus für den Moritzburger Tiermaler und Postkartengestalter Alfred Mailick gebaut. Nach 1945 befand sich darin ein Kindergarten. Gegenwärtig ist es wieder Wohnhaus. Riemerschmidt hat sich mit dem Bebauungsplan für die Gartenstadt Dresden-Hellerau, mit Entwürfen für die dortigen Reihenhäuser sowie für die Deutschen Werkstätten in Hellerau bleibende Verdienste in der Architekturgeschichte erworben.

Mit Peter Kulka (geb. 1937) hat Ende des vorigen Jahrhunderts ein in ganz Deutschland bekannter und geschätzter Dresdner Architekt für die Ortschaft Moritzburg ein baukünstlerisches Kleinod geschaffen: das Haus des Gastes an der Schlossallee. Sein Stil knüpft trotz seiner modernen Gestaltung mit dem konisch zulaufenden Dach an die Zeltdächer der Handwerkerhäuser aus Pöppelmannscher Zeit an, ohne diese nachahmen zu wollen. In der Landeshauptstadt Dresden schuf Kulka die Entwürfe für den Sächsischen Landtag sowie für die kunstvolle transparente Überdachung des kleinen Schlosshofes. Auch das wieder aufgebaute Potsdamer Stadtschloss (Sitz des Brandenburger Landtages) sowie weitere Bauten in anderen Bundesländern zählen zu seinen Architekturleistungen. Peter Kulka war zeitweise selbst Einwohner von Moritzburg.

Schließlich soll ergänzend noch der Moritzburger Baumeister und Architekt Hermann Ziller (1869– 1938) erwähnt werden. Sein überregionaler Bekanntheitsgrad reicht zwar nicht an denjenigen der vorgenannten Architekten heran. Seine Entwürfe und die von ihm errichteten ca. 40 Bauten in der Gemeinde Moritzburg rechtfertigen jedoch, dass dieser verdienstvolle Mann in unserem Beitrag erwähnt wird. Das erste Haus baute er Am Bahnhof Nr. 2, gefolgt vom Haus Zillerstraße Nr. 3. Sein Architekturbüro besorgte Entwürfe, Bauzeichnungen, statische Berechnungen Kostenvoranschläge und eine Bauberatung. Im Ortsteil Moritzburg ist eine Straße in der Nachbarschaft des hiesigen Bahnhofs nach ihm benannt.

Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass auch in der Ortschaft Moritzburg interessante Mosaiksteine deutscher Architekturgeschichte zu finden sind, an deren wesentliche Schöpfer sich zu erinnern lohnt.

Die Gruppe Ortschronik Moritzburg

Das ewig Weibliche in Mythos und Historie

Der Radebeuler Not-Schriftenverlag brachte ein Kunstband mit Werken von Enrico Scotta heraus

Mit der druckfrischen Herausgabe von „Pandora – Mythologische und historische Frauengestalten in einem anderen Licht“ ist dem Radebeuler Notschriften-Verlag ein veritabler Kunstband gelungen. Das großformatige Buch entführt den Betrachter und Leser mit großer Sogkraft in die ästhetische und mythologische Sinnwelt des Malers und Bildhauers Enrico Scotta.

Bild: PR Notschriftenverlag


Zeigt das Titelbild mit Dreieck noch ein abstraktes Urbild für das Weibliche, durchstreift das Innere eine Vielzahl von mythologischen und historischen Frauengestalten aus ägyptischer, hellenistischer und römischer Zeit.

Federführend für die umfangreichen literarischen Bebilderungen sind hier Kunstprofessorin Gudrun Jägersberg und Frau des Künstlers sowie Schriftsteller Thomas Gerlach. Nahezu paritätisch nähern sich beide in ihren Texten den vielschichtigen Gemeinsamkeiten und Unterschieden von Frauengestalten, die tief im kulturellen Gedächtnis verankert sind. Verzweigte Erinnerungsräume werden geschaffen, narrative Netzwerke aufgedeckt, um vor allem verbindende Elemente in den teils komplexen Strukturen von Liebe, Begierde und Macht auszuloten. Die Geschichten sind kenntnis- und faktenreich und frischen auf amüsante Weise die historischen Stoffe auf.

Die Werke des Künstlers können nicht nur auf dem Papier betrachtet werden. Scotta und Jägersberg laden geradezu in ihre „Villa Fenice“ mit Atelier auf der Heinrich-Zille-Straße (Höhe Horst-Viedt Str./ Gradsteg) ein. Das Künstlerpaar ist zudem des Öfteren fußläufig mit ihrer großen weißen Huskyhündin auf dem Weg nach Kötzschenbroda und dem dortigen italienische Feinkostladen „Terra Mia“ anzutreffen.

Sascha Graedtke

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„Pandora“: Kunst, Essays, literarische Texte 2022, Hardcover, 120 Seiten, 30 x 24 cm, durchgehend farbig mit zahlreichen Abbildungen von Bildern und Skulpturen von Enrico Scotta, 39,80€

Woyzeck und Marie, Harold und Maude – und wir

Zwei sehr unterschiedliche Theaterstücke hatten Premiere an den Landesbühnen

»Harold und Maude«, Szenenfoto mit Anke Teickner und Felix Lydicke
Bild: R. Jentzsch


Das Spielzeitmotto der Landesbühnen „Unser aller Blut ist rot“ benennt auf den ersten Blick lediglich einen banalen Fakt. Auf den zweiten Blick kann es als Botschaft gedeutet werden: Ganz egal, um welche menschlichen Schicksale es (in) einer Aufführung auch gehen mag, die Figuren auf der Bühne und das Publikum haben etwas Wesentliches gemeinsam, weshalb in guten Stücken immer auch Facetten unserer Existenz mitverhandelt werden. Denn gute Stoffe sind zeitlos. Dies trifft auch auf einen noch immer (oder wieder?) verstörenden Text wie Georg Büchners Dramenfragment „Woyzeck“ (1836/37) zu. Nachdem dieses Stück 2007 im großen Saal unter Regie von Jost-Ingolf Kittel letztmalig zur Aufführung gekommen war, entschloss sich Schauspieldirektor Peter Kube dazu, seinen „Woyzeck“ als intimes, den Zuschauern buchstäblich zu Leibe rückendes Kammerspiel auf der Studiobühne zu inszenieren. Dadurch wird es fast unmöglich, sich dem Schicksal von Franz Woyzeck (Johannes Krobbach) und seiner Marie (Maria Sommer) zu entziehen und legt sich die beklemmende Atmosphäre nach und nach wie Nebelschwaden auf und vor die Bühne (Tom Böhm). Franz Woyzeck wird durch den Doktor (Moritz Gabriel) gedemütigt, durch den Hauptmann (Alexander Wulke) verlacht, vom Tambourmajor (Grian Duisberg) als Liebhaber ausgestochen. Wie sollte man da als Mann nicht an sich und der Welt irr werden, noch dazu, wenn das Geld immer knapp ist und Frau und Kind auf einen warten? Johannes Krobbach legt seinen Woyzeck so an, wie man ihn sich als Oberstufenschüler nach der Lektüre wohl vorstellt (in der Premiere war mutmaßlich ein Deutsch-Leistungskurs zugegen, schließlich ist Büchners Stück seit letztem Jahr Pflichtstoff in der Abiturstufe): schäbig gekleidet, zu arm um beschuht zu sein, ständig von Unruhe getrieben. Marie dagegen ist in Kubes Deutung von ganz anderem Kaliber. In ein attraktives rotes (!) Kleid gehüllt spielt sie ihre Anmut und Körperlichkeit sehr bewusst aus und scheint somit gar nicht zu ihrem Franz zu passen. Immerhin aber sind Franz und Marie die beiden Figuren, die ganz und gar als Mensch angelegt sind. Doktor und Hauptmann, Major und Margreth (Sophie Lüpfert), selbst Andres (Maximilian Bendl) und natürlich der Narr (Michael Berndt-Cananá) geraten – auch durch ihre Kostümierung (ebenfalls durch Tom Böhm verantwortet) – mitunter zu Karikaturen, die ihre Rollen unvermittelt drastisch überzeichnen und allein (Andres, Doktor, Hauptmann) oder im Ensemble groteske Szenen abliefern (z.B. auf dem Jahrmarkt). Die Komik, die in diesen Momenten entsteht, verleitet zwar spontan zum Lachen, doch erstickt dieses im nächsten Moment, wenn man einen Blick auf den Woyzeck wirft und sieht, wie er sich derweil in einer Ecke krümmt, sich vor anderen erniedrigt, nach und nach dem Wahn verfällt und sich von Stimmen einflüstern lässt seine Marie töten zu müssen. Die Szene, in der Woyzeck Marie das Messer in den Rücken sticht, ist von berührender Zärtlichkeit und Innigkeit und liefert insgeheim die Begründung dafür, dass Woyzeck ganz zum Schluss mit Blick auf die Leute, die ihn am See suchen, sagt: „Woyzeck ein Mörder? Schaut doch euch an!“ Kubes Woyzeck ist eben kein Mörder aus Eifersucht, sondern ein Mörder aus Not und Verzweiflung, mit dem man mitfühlt. Die Bühne, welche zunächst als eine von Schilf umschlossene Spielfläche gestaltet wird, entpuppt sich nach und nach als eine variabel verschiebbare und damit unterschiedliche räumliche Konstellationen ermöglichende Anordnung.

»Woyzeck«, Szenenfoto mit Maria Sommer und Johannes Krobbach
Bild: L. Böhme


Einen augenfälligen Beleg dafür, wie im Leben einer Schauspielerin mit dem Fortschreiten der Jahre auch die Rollen wechseln (müssen), liefert die Besetzung von Anke Teickner als bald 80-jährige Maude in der Bühnenfassung des gleichnamigen Erfolgsfilmes „Harold und Maude“ aus dem Jahr 1971. Im „Woyzeck“ von 2007 war sie an der Seite von Michael Heuser noch die Marie gewesen, also eine mutmaßlich junge Frau mit kleinem Kind. In Sandra Maria Huimanns sehr sehenswerter erster Regiearbeit für den großen Saal des Stammhauses tritt Teickner nun als gereifte Aktrice auf und spielt sich mit zunehmender Dauer immer mehr in die Rolle der Maude hinein. Diese ist, das macht die Inszenierung sehr deutlich, kein Charakter, der aus dem wirklichen Leben stammen könnte, sondern sie fungiert vielmehr als Projektionsfläche für die ja zumeist unerfüllt bleibende Sehnsucht vieler Erwachsener, doch auch einmal anders sein zu können oder zu dürfen als man ist. Maude ist unangepasst (eignet sich fremdes Eigentum an), schert sich nicht um Konventionen und Gesetze (stört in der Kirche und nutzt fremde Autos) und wäre, hätte man sie als Nachbarin, eine anstrengende Gesellschaft, trotz oder gerade wegen ihrer altersweisen Schrulligkeit. Anders sieht das mit ihrem männlichen Gegenüber aus, dem 19-jährigen Harold Chasen. Aufgewachsen in einem glattgebügelten und porentief rein gehaltenen Wohlstandskäfig leidet er an Selbsthass und Sozialphobie und hält ausschließlich über digitale Medien Kontakt zur Außenwelt, die er an seinen inszenierten Selbstmordversuchen (mit reichlich Kunstblut) teilhaben lässt. Felix Lydike ist eine ideale Besetzung für diese Rolle und gibt ihr ein sehr heutiges, lebensnahes Gesicht. Wer kennt nicht die jungen, konsumgesättigten männlichen Erwachsenen und deren schlurfenden, spannungsfreien Gang, ihren zwischen Coolness und Unsicherheit changierenden Null-Ausdruck und ihre indifferente Haltung zur Wirklichkeit? Daran verzweifelt auch seine Mutter Mrs. Chasen (die fabelhafte Julia Rani scheint sich in ihrer Rolle als vermögende Lifestyle-Mum pudelwohl zu fühlen), die ihrem Sohn gern eine Freundin verschaffen möchte. Tammy Girke hat große, mit Szenenapplaus bedachte Momente in ihren drei Auftritten als die geparshippten oder getinderten Sylvie, Nancy und Sunshine, ebenso wie Julia Vincze in ihren vielen Rollen als Inspektor, Friedhofsgärtnerin und vor allem als Hausangestellte bei Mrs. Chasen. Etwas weniger wirkungsvoll agiert Matthias Avemarg als Pater Finnegan, Dr. Mathews und General. Nicht umsonst heißt das Stück übrigens „Harold und Maude“, und man sollte nicht annehmen, umgekehrt würde es auch stimmig sein. Harold braucht die Maude, nicht die Maude den Harold. Denn es wird ja die Geschichte einer Emanzipation erzählt, Harolds Emanzipation und Selbstwerdung. Weg von der fürsorglichen Pflichtliebe der einen Frau hin zur bedingungslosen Liebe der anderen. Auf geschickte Weise verdeutlichen Videoeinspiele, die links und rechts auf die Bühne (Ralph Zeger) projiziert werden, diese Entwicklung. Vor der Pause sind sie düster und zeigen Anleitungen dazu, blutrünstige Suizide vorzutäuschen. Nach der Pause sind es plötzlich Blumen in Nahaufnahmen, Selfies mit Maude, auch Naturdarstellungen. Alles in allem grandios in ihrer Funktionalität ist diese Bühne, weil sie viele bildkräftige Momente ermöglicht: Die Wohnung der Chasens als steril gekachelte Welt, auf der sich Blutspuren so schön schaurig ausnehmen; Maudes Refugium mit eigenem Aktbild und Plüschvulva; schließlich die einstürzende Wand mit angedeuteter Staubwolke, die sich ins Publikum fortsetzt. Die Reihe gelungener Einfälle ließe sich fortsetzen.

Beide Aufführungen, so unterschiedlich sie auch sind, wurden mit langanhaltendem Applaus bedacht. Beide Stücke werden in den Wintermonaten noch mehrfach aufgeführt und lohnen den Besuch. Und beide bedienen auf ganz eigene Weise das Spielzeitmotto. Schließlich ist unser aller Blut rot.

Bertram Kazmirowski

Nächste Aufführungen von „Harold und Maude“: 2., 9. und 16. Dezember; 1. Januar.; nächste Aufführungen „Woyzeck“: 6. Dezember, 6. Januar, 8. März.

Gedanken zu einem Waffenstillstand (I)

Wer wüsste es nicht. Bauen kostet. Wenn man 120 Jahre baut kostet es ungeheuer viel. Wie zum Beispiel der Bau des
Petersdoms 1506 bis 1620. Und woher nimmt man das Geld? Gern auch aus Deutschland.

Der Sachse Johann Dietze, in Pirna gebürtig, Dominikaner und Ablassprediger im Auftrag des Papstes und des
katholischen Multifunktionärs Albrecht von Brandenburg war der geeignete Mann fürs Grobe. Unter dem Namen Johann
Tetzel bekannt, verkaufte er Ablassbriefe unter Verwendung der Losung: „Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele aus
dem Feuer springt!“ Das Geschäft war ein großer Erfolg, rief aber Menschen auf den Plan, die nach der Sünde Reue
erwarteten und nicht den Erwerb eines schuldbefreienden Knöllchens.

Luther protestierte mit 95 Thesen und wurde zu einem der führenden Reformatoren der katholischen Kirche, wurde zur
Leitfigur des deutschen Protestantismus. 1521 in Worms widerrief er seine Thesen nicht.
Papst und Kaiser waren nicht gewillt, Macht in einem Umfang einzubüßen, wie es die rasante Ausbreitung der
Reformation bedeutet hätte. Mit der Verbrennung von Jan Hus 1415 in Konstanz hatten sie bereits ein
unmissverständliches Zeichen gesetzt. Diesmal – gut einhundert Jahre später – mischten zu allem Überfluss neben den
Gläubigen und manchen Priestern bald auch Fürsten, später die Länder Schweden, die Niederlande, Spanien und
Frankreich mit, die sich an Kirchenbesitz und dem Habsburgerreich gütlich tun wollten, beziehungsweise ihre
dynastischen Konflikte auskämpften.

Die Gemengelage aus religiösem Fanatismus, Machtwillen und Gier nach Kirchenbesitz, Land und Geld mündeten – wen
wundert es – in einen langen, gnadenlosen, grausamen Krieg, den ständige Hungersnöte und immer wiederkehrende
Pestausbrüche ins unerträgliche steigerten. Es gab wohl so etwas wie Verlierer und Gewinner, einen strahlenden Sieger
gab es nicht. Der Krieg wurde beendet, weil nach dreißig Jahren alle Kriegsparteien erschöpft waren. Es kam zum
Westfälischen Frieden von Münster und Osnabrück. In dem dreißig Jahre währenden Krieg von 1618 bis 1648 kamen
drei bis neun Millionen Menschen um, bei einer geschätzen Gesamtbevölkerung von 15 bis 20 Millionen Menschen. Man
geht von prozentual höheren Opferzahlen aus als die des Zweiten Weltkriegs. Bereits 1639 hatten 31 sächsische Städte
Kriegskosten von fast 7 Millionen Talern ermittelt. Von zahlreichen weiteren Städten und 6400 Dörfern lagen zu diesem
Zeitpunkt keine Angaben vor. Man geht für den Dreissigjährigen Krieg von Kriegskosten allein für Sachsen von 60-80
Millionen Talern aus. Eine ungeheure Summe.

Seit dem Frieden von Prag 1635, durch den Sachsen das Bündnis mit Schweden zugunsten eines Bündnisses mit
Kaiser Ferdinand II. auflöste und wofür Johann Georg die beiden Lausitzen als erbliche Lehen versprochen worden
waren, war Sachsen der Rache der Schweden ausgesetzt. Die Kriegsfolgen führten zu Druck auf den Churfürsten, den
seine Familie ebenfalls bedrängte. Er entschloss sich nun 1645 einen Waffenstillstand vollziehen zu lassen.
Die für Sachsen so wesentlichen Verhandlungen ereignete sich in Ziegenfurt, besser bekannt als Kötzschenbroda.
Das genaue Datum wird sowohl nach dem Julianischen Kalender, als auch nach dem Gregorianischen angegeben, da in
den lutherischen Ländern die päpstliche Verordnung von 1582, den genaueren gregorianischen Kalender einzuführen,
bis 1699 hinausgezögert wurde. Also: am 27.08.1645 (jul.) oder 06.09.1645 (greg.) kam es nach 8 Verhandlungstagen –
davon zwei Tage in Cossebaude – zur Unterzeichnung eines Waffenstillstandes zwischen dem Kurfürsten Johann Georg
I. von Sachsen und dem schwedischen Generalissimus Lennart Torstenson.

Das Resultat der Verhandlungen wurde in zehn Punkten formuliert. Die wichtigsten Ergebnisse waren:

  • 1. Das Kurfürstentum Sachsen verzichtet für sechs Monate auf jegliche Teilnahme an den Kampfhandlungen.
  • 2. Drei sächsische Regimenter verbleiben in der kaiserlichen Armee, dürfen aber nicht gegen das schwedische Heer
    eingesetzt werden. Dies diente der Gesichtswahrung des Churfürsten, der sich als Reichsfürst dem Kaiser verpflichtet
    fühlte. Wohl auch aus der Sorge die Lausitzen wieder zu verlieren.
  • 3. Die Städte Leipzig und Torgau bleiben schwedisch besetzt.
  • 4.Das Kurfürstentum Sachsen zahlt monatlich 11000 Taler an das schwedische Heer, zuzüglich Naturalien.
  • 5. Das schwedische Heer darf ungehindert durch das Kurfürstentum Sachsen marschieren, mit Ausnahme einer drei
    Meilen umfassenden Neutralen Zone um Dresden.

Vor Ablauf der Waffenstillstandsdauer wurden die Bedingungen im Frieden von Eilenburg 1646 im Wesentlichen bis zu
dem endgültigen Friedensschluss 1648 verlängert. Die monatlichen Kontributionen wurden auf 8000 Taler reduziert.
Zwar hatte Sachsen noch bis 1650 unter der schwedischen Besatzung zu leiden, jedoch schied Chursachsen aus dem
Krieg aus. Für die Bevölkerung eine wesentliche Verbesserung ihrer Lebensbedingungen.

Der Waffenstillstand von Kötzschenbroda war den Sachsen ein so wichtiges Ereignis, dass noch nach zweihundert
Jahren seiner gedacht wurde. Zur zweiten (!) Säkularfeier 1845 gab Dr. Wilhelm Schäfer, Sekretär des Königlich
Sächsischen Alterthum=Vereins eine Broschüre als Privatdruck heraus, die Vorgeschichte, Begleitumstände, Verlauf und
Inhalte darlegt. In ihr findet sich folgender Satz: „Wenn wir….Betrachtungen über das in Geradheit Gesagte machen, so
wird es uns um so begreiflicher werden, dass Sachsen schon damals mit den Schweden unter jeder Bedingung hätte
Frieden machen sollen und dem Sprichworte eingedenk sein: Besser ungerechter Friede als gerechter Krieg“.

Wie gesagt – bauen kostet. Wieder aufbauen nach Kriegszerstörung kostet mindestens genau soviel. Und woher nimmt
man das Geld…..?

Dr. Frank-Peter Hübner

Editorial Dezember 2022

Und schon sind wir wieder im Dezember. Beim Blick zurück fragen wir uns: Haben wir das Jahr gut bewältigt oder einfach nur überstanden? Auf alle Fälle hatten Sie, liebe Leserinnen und Leser, jeden Monat die „Vorschau“ an Ihrem Lieferplatz oder sogar im Briefkasten. Wir haben es geschafft, wieder zwölf Monate unser Heft zu füllen. Aber, und jetzt kommt’s: Die Druckkosten haben sich leider durch die gestiegenen Papierpreise um 41 % ab Mitte des Jahres erhöht. Nun ist es so, dass die monatlichen Fixkosten und die Vergütung unserer Layouterin Antje Hermann bisher durch unsere Anzeigenkundinnen und -kunden getragen wurden. An dieser Stelle sei deshalb allen, besonders den treuen Inserenten, ganz herzlich gedankt, dass sie in schwieriger Zeit zu uns gehalten haben. Wir wissen das sehr zu schätzen! Umso bedauerlicher, wenngleich für uns nachvollziehbar, ist jetzt der Rückzug einiger Anzeigenkunden, denn der Fortbestand unseres Heftes hing bisher entscheidend auch von ihnen ab.

Liebe Leserinnen und Leser, sollten Sie selbst ein Gewerbe haben oder Geschäftsleute in Ihrem Bekanntenkreis sein, dann überlegen Sie bitte: Könnten Sie uns oder Ihre Bekannten durch die Schaltung einer Annonce, in welchem Rhythmus auch immer, unterstützen? Wenn ja, dann melden Sie sich bitte bei Antje Hermann, deren Adresse Sie in unserem Impressum finden. Gleichzeitig sei allen, die durch freiwillige Spenden unser Heft unterstützen, gesagt: jeder Euro hilft das Loch zu stopfen, das durch ausbleibende Anzeigenerlöse ab Januar 2023 entstehen wird. Können wir weiterhin auf Ihre Hilfe zählen?

Trotz aller Ungewissheit wünsche ich Ihnen allen eine schöne Adventszeit, die sich hoffentlich wieder so normal anfühlen wird wie in der Zeit vor der Corona-Pandemie.

Ilona Rau

Zum Titelbild



… von flüchtigen Momenten …

Verglasung Andachtsraum
St. Benno Verlag
Leipzig | 2020

Die Tage werden kühler und kürzer, während die dunklen Stunden mehr und mehr an Raum einnehmen. Und doch ist etwas anders, als bisher. Das Licht ist aus, fast aus. Die Stadt, die einst wie ein glänzender Juwelenteppich sich im Tal ausbreitete, bedeckt sich nun mit dem Mantel der Dunkelheit, dem Weniger an Licht. Es scheint, als müsse sie nicht mehr posieren, nicht mehr im Glanze erstrahlen, sich nicht mehr darbieten. Sie nimmt sich zurück und gibt sich schlicht der Abendruhe hin. Und doch sehe ich auf meinen nächtlichen Spaziergängen nicht weniger sondern mehr, denn die Sinne dürfen sich entfalten, sich weiten.
Dieses positive Potential, das Krisen von Natur aus in sich tragen, lässt sich auch im Andachtsraum finden. Er wird von einem gläsernen Band umschlossen, das von blauen Papieren mehrschichtig durchzogen ist. Ihre bewegten Formen erschaffen sich in jedem Licht immer wieder neu und bilden abstrakte Räume aus, die sich gedanklich durchwandeln und erweitern lassen. Behutsam nehmen die von Philipp Aust überschmiedeten Prinzipalien in ihrer tiefdunklen Tönung diese Dynamik auf und erden sie zugleich. Die Kerze sendet Licht und Frieden. Möge sie uns im Advent auch Hoffnung sein, in der Reduktion den Ursprung für das Neue zu erkennen – nicht nur für einen flüchtigen Moment …

Constanze Schüttoff

Filmclub mobil präsentiert

5. Thematischer Filmclubabend

am 17. November 2022, um 19.30 Uhr

im Alchimistenkeller der Alten Apotheke, Altkötzschenbroda 48

Der fünfte thematische Filmabend des FilmClubMobil erfolgt in Kooperation mit der Kultur- und Werbegilde Kötzschenbroda. Zu Gast ist der Radebeuler Volkschauspieler und Kunstpreisträger Herbert Graedtke. Viele Weinfestbesucher werden sich an ihn als lebenslustigen Bacchus erinnern. In den Landesbühnen Sachsen hat er unzählige Rolle gespielt. Aber auch in zahlreichen Filmen wirkte er mit. Am Anfang seiner Filmografie stand 1961 die Komödie „Auf der Sonnenseite“. Im Kriminalfilm „Die Glatzkopfbande“, seinem dritten Film, spielte er das Bandenmitglied „Warze“. Von den damaligen Dreharbeiten wird er zur Einstimmung auf den Film einige Anekdoten zum Besten geben.

Der Filmregisseur und Drehbuchautor Richard Groschopp (1906-1996) hatte eine Konditorlehre absolviert und arbeitete danach auch in diesem Beruf. In der Freizeit beschäftigte er sich mit dem Thema Film und erhielt schon bald erste Auszeichnungen für seine Kurzfilme und das Angebot hauptberuflich als Kameramann und Regisseur zu arbeiten. Ab 1946 war er bei der neu gegründeten DEFA in Sachsen tätig und wechselte später ins DEFA-Studio für Spielfilme nach Potsdam-Babelsberg. Zu den bekannten seiner DEFA-Filme zählen u. a. 1961 „Die Liebe und der Co-Pilot“, 1962 „Die Glatzkopfbande“ oder1967 „Chingachgook, die große Schlange“.

Die Glatzkopfbande

DEFA-Film, 1962/63, 74 Min., Regie: Richard Groschopp, Drehbuch: Lothar Kreutz, Richard Groschopp

Es sind nur wenige Tage, bevor sich am 13. August 1961 in Berlin die „Mauer“ schließt. Noch ahnt niemand etwas davon. Plötzlich stürzt auf einer Baustelle ein Neubau zusammen, zwei Menschen kommen dabei ums Leben. Es wird festgestellt, dass „Schluderarbeit“ das Unglück verursacht hat. Einer der Übeltäter ist ein Gastarbeiter aus Westberlin, welcher nun gesucht wird. Der ehemalige Fremdenlegionär hatte inzwischen eine Gruppe junger Männer um sich geschart, die seit Wochen am Ostseestrand ihr Unwesen treiben. Ihren Bandenführer nennen sie „King“ und geben sich selbst recht seltsame Spitznamen. Wie der amerikanische Kinoheld, Yul Brunner, haben sie sich Glatzen scheren lassen, tanzen Rock ’n‘ Roll, singen Westschlager und drehen ihre „Kofferheulen“ auf. Die Situation beginnt zu eskalieren. Ihre Aktionen werden immer brutaler. Als King in den Westen fliehen will, wird er gestellt. Die Staatsmacht bringt ihn und seine ruchlosen Kumpane zur Strecke.

Der 1963 uraufgeführte Film „Die Glatzkopfbande“ basiert teilweise auf realen Begebenheiten. Er war ursprünglich als eine nachträgliche Legitimation des Mauerbaus gedacht und sollte die schädlichen Einflüsse des Westens aufzeigen. Doch der gewünschte erzieherische Effekt schlug fehl und animierte so manchen Jugendlichen wohl eher zur Nachahmung. Der Film löste heftige Kontroversen aus und wurde trotz guter Publikumsresonanz (rund 2,2 Millionen Besucher in fünf Jahren) schließlich aus den Filmtheatern verbannt.

Unmittelbar nach dem Hauptfilm „Revolte am Ostseestrand“, ein Dokumentarfilm von Inge Bennewitz und Jürgen Ast aus dem Jahr 2001 über „Die wahre Geschichte der Glatzkopfbande“, 45 Min. mit freundlicher Unterstützung durch die Bundesstiftung Aufarbeitung

Reservierungen unter: 0160-1038663

Karin Baum und Michael Heuser
Sprecher der Cineastengruppe „Film Club Mobil“ im Radebeuler Kultur e.V.

Mit Gerhard Schöne poetisch durch das Jahr

Radebeuler Miniaturen

Novemberblues
Ein etwas anderes Gedenkblatt

Und dann saß eines Tages – wo ist nur der Sommer hin? – dieser Blonde am Faß. Er hatte seine strohigen Haare sorgsam und very british durcheinandergebracht und schüttelte, während er in sein Bier hinein vor sich hin redete, unaufhörlich den Kopf.
Ich hätte wohl doch lieber nicht kommen sollen, sagte er plötzlich laut und deutlich in meine Richtung. Ich sah ihn fragend an und ermutigte ihn so, weiterzureden.
Hab früher da ganz oben gearbeitet. Bei Glasinvest, meine ich, unterm Dach, falls es da eins gab, jedenfalls wars oben zu und drüber war nichts mehr. Wollte jetzt mal sehen, ob ich den Balkon noch finde, den ich von meinem Fenster aus immer im Blick hatte. Na, schöne Bescherung, hab mich gar nicht mehr zurechtgefunden dort.
Also dieser satt viel rot verzierte „Zahn“ war seinerzeit natürlich ein Unikat in der Stadt, jedoch ehrlich keine große Offenbarung, wie der da so beziehungslos rumstand. Aber es war Platz drumrum und Grünzeug, hätte was werden können. Ich meine, das waren doch auch keine ganz Dummen, die diese Hochhäuser gebaut haben, aber für Tradition und Landschaft hatten sie einfach kein Gefühl – Kommunisten eben hieß es später, denen gings um ganz anderes und Geld hatten sie auch keins. So haben sie den „Verlust gewisser kultureller Grade“, wie Karl Kröner das ausgedrückt hat, billigend in Kauf genommen. Aber, was jetzt dort steht … er schüttelte wieder heftig den Wirrstrohkopf.
Ich meine, sagte er nach einer Weile, der „Wohnpark“, wie er so schön genannt wird, läßt immerhin den städtischen Anspruch ahnen, der seit Jahrhunderten immer mal wieder anklingt – wer will schon in einem Dorf wohnen! Im Sichgroßfühlen sind Kleinbürger ohnehin nicht zu übertreffen, insofern paßt das Ganze am Ende doch ganz gut zu euch. Der Gartenstadt freilich bleibt nur das große Weinen – wein- und Gartenstadt eben, hihi…
Aber deswegen bin ich natürlich nicht gekommen, fährt er nach längerem Schweigen fort. Von meinem Fenster aus dort unterm Dach juchhe, konnte ich jeden Morgen in der zehnten Stunde eine junge Frau auf einem Balkon frühstücken sehen. Ihre kupferfarbenen Haare leuchteten eindrucksvoll im Morgenlicht und schienen fabelhaft zu ihrem weiten roten Morgenkleid zu passen. Viel mehr konnte ich aus der Entfernung nicht erkennen – umso größrer Raum blieb der Fantasie. Und ich hatte viel Fantasie damals noch. Bereits nach einer Woche wohnte sie in meinen Träumen. Hier lebte sie allein und wartete auf mich. Das war natürlich völliger Blödsinn – auf mich hat noch nie jemand gewartet … aber die Träume waren schön.
Ich begann, eine Strategie zu entwickeln, ihr näher zu kommen. Hab mich zuerst mit Brieftauben beschäftigt. Brieftauben, dachte ich, könnten ein Seil hinübertragen zum Balkon und so eine Verbindung schaffen, auf der ich bequem (!) zu ihr gelangen könnte. Bevor es so weit war, wurde Glasinvest geräumt, war ja alles im Umbruch damals. Da war nicht nur dieser Traum vorbei. Als ich jetzt in der Zeitung von der Einweihung des „Wohnparks“ las, wollte ich mal gucken, ob ich nicht wenigstens den Balkon von damals wiedererkennen würde …
Übrigens, hast du Interesse an Brieftauben – hab billig welche abzugeben…
Thomas Gerlach

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