Landschaftsmalerei von Klaus Henker

Eine neue Ausstellung im Rathaus Coswig

Foto: privat

Die Stadtverwaltung Coswig nimmt den in diesem Jahr noch zu begehenden 85. Geburtstag des Malers Klaus Henker zum Anlass, die coronabedingte Kulturpause zu beenden und im Rathaus eine neue Ausstellung zu präsentieren. Dazu sei beiden, der Stadt und dem Maler, herzlich gratuliert.
Mit seinen neuen Bildern verfolgt Klaus Henker erklärtermaßen die Absicht, seine Stadt Coswig als das darzustellen, was sie für ihn ist: lebendig, voller Optimismus und positiver Energie. So jedenfalls sieht er sie, wenn er sich mit dem Skizzenblock in der Hand hineinbegibt, wenn er auf Spurensuche geht, sich nach Motiven umschaut. Da sehen wir den Maler sich drehen zwischen Rathaus und Karrasburg, die beiden für die Stadt tragenden Gebäude in eine beziehungsreiche Spannung zu setzen. Da sehen wir ihn den solitären Baum betrachten, der dann in zwei Variationen fast gläsern in Erscheinung tritt. Schließlich sehen wir ihn zum Wochenmarkt schlendern, nicht um Einkäufe zu machen, sondern um Menschen zu sehen. „Menschen gehören nun mal in eine lebendige, fröhliche Stadt“, sagt er.
Klaus Henker ist nämlich keiner, der mit dem Zufall spielt. Mit der ihm eigenen Zähigkeit, die ihn das Leben bis auf den heutigen Tag bestehen ließ, verfolgt er jeden Gedanken bis in tiefste Tiefen. Der tiefste Gedanke, dem er auf der Suche nach seinen Bildern folgt, heißt „Freude“ – was ihn bis heute als den Träumer erweist, der er seit Kindertagen ist.
Schon dann, wenn er vor Ort mit schnellem Stift seine Motive notiert, beginnt die gedankliche Auseinandersetzung. Getreu dem Merksatz Goethes „Das Was bedenke, mehr bedenke das Wie“, entsteht das Bild zunächst im Kopf. Die eigentliche Arbeit erfolgt dann zu Haus in seinem kleinen Atelier. In erinnerndem Betrachten rückt er da Linien und Flächen zu- und gegeneinander, testet Formen, experimentiert mit Farben, um die dem Motiv innewohnende Kraft lebensvoll in Szene setzen zu können. Klaus Henker baut seine Bilder als Kompositionen, als Sinfonien aus Farben, Linien und Flächen, woran sich Gedanken und Empfindungen entzünden. Das Motiv wird, wie er sagt, „zum Medium“, es bleibt aber bei allem, auch das ist dem Maler wichtig, im Untergrund erkennbar.
Noch immer ist der Traum in ihm wach, nach dem er als junger Mensch gerne Musik studiert hätte. Als Erzgebirger – Klaus ist in Freiberg zur Welt gekommen und aufgewachsen – stand ihm allerdings ein Brotberuf zu Gebote. Sein früh erkanntes Zeichentalent wurde durch den Freiberger Porzellanmaler Odrich geformt. Insgesamt 35 Jahre hat er dann der Meißner Porzellanmanufaktur gedient, als Indischmaler, als Zeichenlehrer, als Dekorentwickler, bevor er schließlich 1996 in den Vorruhestand verabschiedet wurde. An der Begeisterung für die Musik hat er festgehalten. Auch seine Kunst ist musikalisch dominiert: Wenn ihn ein bestimmtes Motiv besonders tief bewegt, probiert er unterschiedliche Abstraktionsgrade, wechselt er von runden zu mehr geraden von linearen zu mehr flächigen Formen. Variationsreich spielt er so mit Farben und Formen, wie Beethoven vor zweihundert Jahren mit Tönen und Klängen spielte.

Coswig, »Wochenmarkt auf dem Wettiner Platz«, Acryl, 2019 Foto: K. Henker

Die Art des Umgangs mit dem Motiv ist neu für den Maler. Vielleicht wird eines Tages von einem Spätwerk gesprochen. Wer das Wirken des Malers verfolgt hat, wird sich an die Experimente mit der Heidelbeere erinnern, an die Kompositionen mit den Flaschenmenschen. Auch wird in Erinnerung sein, dass wir schon mehrfach Gelegenheit hatten, jede einzelne seiner Arbeiten als philosophische Dissertation zu betrachten. Die Bilder atmen bei aller Tiefe eine Fröhlichkeit, der nicht anzumerken ist, wie schwer sie errungen wurde. Als ein Mensch, der die größere Hälfte seines Lebens nun wahrlich hinter sich hat, weiß Klaus Henker zu gut, dass das Leben nicht nur, wie Goethe meinte, „zu kurz ist, schlechten Wein zu trinken“. Es ist auch zu schade, in all den täglichen Misshelligkeiten zu versinken und, wie es heute leider üblich ist, vor lauter Zank und Wutbürgertum die Sonne nicht mehr zu sehen. Dieser Tendenz entgegen malt der Künstler seine Bilder. Und es gelingt ihm auf bemerkenswerte Weise, die positive Energie des Motivs voll augenzwinkernder Heiterkeit in der Balance von Abstraktion und Realität in voller Farbigkeit an die Betrachter heranzutragen.
Denn immer geht es um das Leben, das aus den Bildern atmen soll, ein Leben, das den Namen wert ist und nicht nur aus Coswig einen Ort voller Optimismus und positiver Energie machen kann.
Thomas Gerlach

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Die Ausstellung ist noch bis 30.12.2020 zu sehen.

Radebeuler Miniaturen

Ferien vom Jetzt
(Für I.)

Oktobersonne: Susanna liebt das späte Licht.
Aufrecht stolz und schön und ohne sich weiter um die Blicke der Neugierigen zu kümmern ist sie aus dem Bade gestiegen. Nun sitzt sie da, von luftigem Gewand umgeben und all der Sonne, die der Tag nur für sie noch einmal bereitet hat und träumt von ihrer großen Reise: Eine Welt hat sie gesehen.
Sie ist erst nach Süden gereist, hat sich dann gen Westen gewendet, bald drauf ist sie nach Norden umgebogen, um schließlich in östlicher Richtung nach Hause zurückzukehren. Der zauberhafte Gesang ferner Welten drang in ihr Ohr, die alles beherrschende Hoffnung der Kunst und der Künstler. Die elastischen Bewegungen des Gondoliere konnte sie bewundern, die so voller Kraft waren und Eleganz. Der Mut der Jugend ist ihr aufgegangen, die gespielte Abgeklärtheit des Alters. Dann stieg ihr das vielversprechende Aroma blühenden Weines in die Nase.
Es hätte sich ewig so weiterdrehen können!
Sie lacht laut auf: Fast hat die Geschwindigkeit ihr den Atem genommen, wenn in rasantem Vorwärtsdrehen das Leben auf sie zukam. Im Rückwärtsgang aber hieß es sich gut festzuhalten, um nicht aus der Bahn geworfen zu werden, wenn alles Leben flieht.
Noch lange sitzt sie so und folgt den Bildern die vor ihr auftauchen: lachende Mütter, staunende Kinder, trinkende Väter, als sei das Leben ein Jahrmarkt; sitzt und lächelt in sich hinein: Um solcher Tage wegen ist das Leben gemacht.
Schon blinzelt grüßend der Vollmond, der erste von zweien in diesem Oktober, durchs Geäst des schirmenden Nußbaums. Und während unter der Rose das Einhorn zufrieden wiederkäut (es weiß längst, daß das Theaterkarussell im nächsten Jahr wiederkommen wird), steigt Susanna, aufrecht, stolz und schön – aber das wissen wir ja schon …
Thomas Gerlach

Traum…

Tobias Märksch

Traum…

Räumst meine Seele auf beizeiten,
ganz wehrlos überkommst du mich.
Kann nicht am Biertisch mit dir streiten,
nimmst mich im Schlafe in die Pflicht:

Hab‘ musiziert am gläs‘ nern Flügel,
mit Udo, dort, im Kärntner Schloss.
Saß auf dem Panzer mit dem Ölzweig –
in allen Sprachen klang der Tross.

Die mittelalterliche Stadt, sie lebte
und ich stand plötzlich mittendrin.
Im Sternenschiff weit fort ich schwebte.
Traf des Kupferberges Königin.

Ein Albdruck ließ mich mal erwachen,
vertrieben erst vom Nachttischlicht.
Doch gäb‘ s da Sachen noch zu machen…
Denk dir‘ s! Davon erzähl‘ ich nicht.

Warst viel zu früh zu oft zu Ende,
draußen war‘ s kalt, ein Wecker schrie…
Doch gab ich dir gern meine Hände,
du bist doch stets ein Teil

…von mir

Leserzuschrift

zum Beitrag „Zum 55. Todestag des Malers Paul Wilhelm“ (V&R, Oktober 2020)

Liebes Redaktionskollegium,

euer Heft war mir Anlass, den 3. Oktober mal ganz anders zu würdigen. Ich packte unsere Friedhofsutensilien (großer Eimer, Unkrautstecher, Häckel, Schere, kleinen Fächerbesen etc.) ein und besuchte den Johannes-Friedhof. Gut, dass ich dank des Fotos im Heft recht schnell die Ruhestätte des Ehepaars Wilhelm an der südlichen Friedhofsmauer entdeckte. Es war eine dankbare Aufgabe.
Dass hier ein Ehrenbürger Radebeuls ruht, war wirklich nicht zu erkennen, weder an einer Inschrift auf dem Stein, noch am Pflegezustand der Grabstätte. Mir gingen beim gärtnerischen Werkeln viele Gedanken durch den Kopf, z.B. kann das Wort Ehrenbürger ja durchaus bedeuten, dass die Bürger der Stadt diesen Menschen ehren, indem sie die Ruhestätte besuchen und auch mal pflegen.
Im Übrigen zeigte sich im Laufe der Tätigkeit, dass z.B. kleine Röschen, Lavendel und Kleines Immergrün vor nicht allzu langer Zeit in guter Erde gesetzt worden waren. So könnte also – auch ohne Spaten – der eine oder andere Kunstfreund mit kleinerem Gerät seiner Verehrung des Künstlers praktischen Ausdruck verleihen.
Danke, Frau Baum, für die Anregung!

-ila-, eine kunstbeflissene Leserin

Anti-Glosse

Außer Spesen, nix gewesen?

Das hätten wir uns zu Beginn des Jahres nicht träumen lassen, was sich so alles ereignen oder eben auch nicht ereignen würde. Eine Aufzählung von all dem Nichtstattgefundenen würde diesen Beitrag sprengen, deshalb fange ich gar nicht erst damit an. Teilweise war es so ruhig in Radebeul, dass man glauben konnte, die Einwohner sind alle ausgewandert. Ist natürlich Quatsch. Wohin auch? Amerika wie vor 150 Jahren kam ja wegen der aktuellen Lage dort nicht mehr in Frage. Da scheint nun auch der Lack vom „gelobten Land“ etwas abgeblättert zu sein.

Nun ja, Radebeul hat dieses Jahr auch keine all zu gute Figur abgegeben. Immer dieses „raus aus den Kartoffeln“ und wieder rein. Machen wir nun das Weinfest oder nicht…? Auf die Sache mit dem Kulturamtsleiterposten will ich nicht erst zu sprechen kommen. Darüber hatte sich die ganze Bundesrepublik gewundert. Mittlerweile ist da Ruhe eingezogen. Seit dem 1. September hat dieses Amt wieder eine stabile Führung erhalten. Lange genug hat es ja gedauert. Man kann sich aber gut vorstellen, dass der obersten Kulturfrau unserer Stadt ob der vielen Probleme nun der Kopf schwirrt.

Die Umfrage zum Verkehrskonzept in Radebeul-West um die Bahnhofstraße herum, ist ja auch nicht besonders gelungen. Von den drei zur Auswahl vorgelegten Varianten wollte keine so richtig passen. Am Ende blieb nur eine NULL übrig – ? Die Variante NULL! So zumindest soll sich die Mehrzahl der abgegebenen Stimmen bei der Umfrage entschieden haben. Also: nix ändern, alles so lassen wie es ist! Da mag man sich gar nicht ausmalen wie es ausgegangen wäre, wenn die Umfrage nicht in den Sommermonaten stattgefunden hätte. Man könnte also das Ergebnis mit dem Satz „Außer Spesen, nix gewesen“ zusammenfassen.

Dieses Jahr scheint überhaupt eine Zeit der Schlagwörter zu werden: Lockdown, Hotspot, Lebensart, Dritter Ort… Wie soll sich hier der Radebeuler noch zurechtfinden? Ein Glück, dass wir unsere Mauern haben… Mittlerweile sind ja die Infektionszahlen im Landkreis wieder angestiegen. Da ist die Landeshauptstadt noch besser dran. Haben wir etwa vor 25 Jahren da einen Fehler gemacht?

Apropos Lebensart… Warum dieses Jahr das Herbst- und Weinfest nicht Herbst- und Weinfest heißen durfte, hab ich auch nicht verstanden. Sie etwa…? Wein gab es doch genügend. Freilich strömten schon wegen der misslichen Wetterlage die Besucher nicht so wie gewohnt, und mit dem Theater wollte es aus bekannten Gründen auch nicht recht klappen. Die geliebte französische Gruppe vom letzten Jahr hat man erst gar nicht außer Landes gelassen. Dafür gab es diesmal viele Veranstaltungsinseln. Es sollen 19 an der Zahl gewesen sein. Die entferntesten lagen ca. sieben Kilometer voneinander entfernt. Da nahm der WEINHERBST, wie das diesjährige Fest genannt wurde, regelrecht sportliche Züge an. Aber die Besucher sahen es locker. Das fehlende Gedränge auf dem Anger vermisste kaum einer.
Auch wenn das Fest diesmal gewissermaßen außerhalb der offiziellen Wertung lief, so war ich schon etwas verwundert, dass zur 30. Veranstaltung der Auftakt von 1991 vom Kulturamt mit keiner Silbe erwähnt wurde. Es ist doch das Verdienst eben dieses Kulturamtes der Stadt, dass wir das Fest seither Jahr für Jahr feiern können. Ehre, wem Ehre gebührt! Für das in allerletzter Minute zusammengezimmerte Programm muss man allen Beteiligten Hochachtung zollen. In deren Haut hätte ich in diesen Tagen nicht steckt wollen. Allein schon die vielen zu erstellenden Hygienekonzepte würden mir die Haare zu Berge stehen lassen.
Eine Frage aber beschäftigt mich nun beständig: Was nun ist „Radebeuler Lebensart“? Ich bin noch nicht dahinter gekommen.

Vielleicht gehört Schloss Wackerbarth zur „Radebeuler Lebensart“. Neulich habe ich doch seit Jahren mal wieder die einstige kurfürstliche Anlage aufgesucht. Da war ein Gedränge! Alle Tische und Stühle besetzt! Dass daraus kein Schloss-Hotspot geworden ist, kann eigentlich nur am Wein gelegen haben. Der soll ja schon im Mittelalter gegen die Pest geholfen haben… Radebeuler habe ich aber dort verhältnismäßig wenige ausmachen können.

Wenn wir schon nicht nach Amerika können, holen wir ein Stück Amerika halt nach Radebeul, haben sich vermutlich die Stadtmütter und -väter gedacht. Also einen Teil, den „Dritten Ort“. Das muss ich erklären: In Radebeul-Ost wurde ein neuer Anlaufpunkt eingerichtet. Die Idee stammt aus den sozialen Bewegungen der USA in den1980er Jahren, als die Lage der Bevölkerung besonders in den größeren Städten schwierig war. Ob das Modell aber so einfach auf eine sächsische Kleinstadt übertragbar ist, noch dazu auf eine Gartenstadt wie Radebeul, bleibt abzuwarten. Sicher kann man einwenden, dass wir eigentlich auch kaum öffentliche Räume haben, die unentgeltlich genutzt werden können. Bedenken sollte man aber, dass dieser Radebeuler „Dritte Ort“ eher ein Ort für junge Menschen geworden ist, auch wenn er ein „Herrenzimmer“ besitzt. Wo…? Entschuldigung! Die Stadtbibliothek-Ost und die ehemalige Schalterhalle des Bahnhofs wurden mit neuen Möbeln versorgt. Nun kann man an Tischen sitzen, auf Sofas lümmeln, Kuchen essen, Filme sehen, Leute treffen und Kicker spielen – und alles auf Rädern. Lesen und Bücher ausleihen kann man auch, und nach der Webseite der Stadt zu urteilen, sollte man dort ebenfalls die künftigen Angebote zur Demenz- und Familienberatung wahrnehmen. Der „Dritte Ort“ möchte so zu einer besseren, offeneren, kommunikativeren und sozialeren Stadtgesellschaft beitragen.

Radebeul hat nun einen „Dritten Ort“. Wie es aber mit Kulturbahnhof weitergehen soll, ist mir dabei nicht so richtig klar geworden.

Euer Motzi

„Zwischen Pitti und Stern Meissen“

Kindheit in Sachsen als szenische Collage von Esther Undisz im Rahmen von 30 Jahre Mauerfall

Szene mit Theresa Winkler, Matthias Avemarg, Felix Lydike, Julia Vincze (v.l.) Foto: R. Jungnickel

Neben mir sitzt eine junge Frau vom Lessing-Gymnasium in Hoyerswerda. Ihre Eltern sagt sie, finden ihre Interviews mit Zeitzeugen aus der ehemaligen DDR gut und wichtig: „Auch, wenn ihre Biografie eine andere ist.“ Beteiligt waren außerdem an den 50 Zeitzeugenberichten, die als Grundlage für die Collage dienten, Schüler aus der Oberschule Schmiedeberg und dem Lößnitzgymnasium in Radebeul.
Die persönlichen Erfahrungen und Erinnerungen in einem „untergegangenen Land“ sind Ausgangspunkt für die Inszenierung von Esther Undisz. Dargeboten von vier Schauspielern der Landesbühnen. Sie reichen von der jungen Frau vom Lande (Julia Vincze), die, wegen zu schwerer Arbeit und weil sie nicht lernen durfte von zu Hause weglief, wiedergebracht wurde und ihre Kindheit im Rückblick bis auf Ausnahmesituationen als belastend empfunden hat.
Erinnert wurde, beinahe malerisch, an die soziale Situation im Neubau der Vorzeigestadt Hoyerswerda. Kindergarten, Schule, Betreuung und viele Spielplätze mit glücklichen Kindern und ausreichend Wohnraum standen nach Zeitzeugenberichten zur Verfügung und Arbeitslosigkeit gehörte zu den Fremdwörtern dieser Generation. (Theresa Winkler)
Kritikpunkt war ebenfalls die Wehrerziehung in den Schulen, die Mitte der 80er Jahre eingeführt wurde. Besonders die Kirchen in der DDR liefen dagegen Sturm. Es vertrug sich in keinem Falle mit dem christlichen Motto: „Schwerter zu Pflugscharen.“ Manch ein Jugendlicher, der das Abzeichen sichtbar trug, wurde von der Stasi (Staatssicherheit) vorgeladen, gespielt von Felix Lydike. Von seinen Eltern, die einen Friseurladen hatten, berichtete Matthias Avemag. Er hatte als Kind und Jugendlicher alles was man zum Leben braucht. Allerdings gab es keine Luxusartikel. Im Lebensmittel-Exquisit gab es Ananas nur an Feiertagen. Die Kehrseite der Medaille: Er bekam jahrelang von seinem Vater Prügel, die er bis heute nicht vergisst. So wollte er seine eigenen Kinder nicht erziehen. Was ist eine „Natoplane“? Ein Traummantel aus Nylon der 70er Jahre, den mancher Mitschüler mit den heiß begehrten Westpaketen bekam. Bei anderen Jugendlichen mussten die Eltern für das gleiche Produkt tief in die Tasche greifen.
Berichtet wurde auch, dass man in der ehemaligen DDR gelernt hat, aus „Stroh Gold zu spinnen.“ Theresa Winkler stellte Erfindungen wie z.B. Ketten aus Tütensuppen und Hagebutten vor, die sie mit ihren Freundinnen bastelte.
Die einzelnen Beiträge sind mit Motiven aus dem Abendgruß getrennt und mit dem damaligen Kultsong von Nina Hagen „Du hast den Farbfilm vergessen“ unterlegt. Ein Stück Kulturgeschichte spiegeln die „Pioniere“ und die Jugend bei der FDJ (Freie Deutsche Jugend) wieder. Die christlichen Kirchen bildeten mit Junger Gemeinde und Konfirmation den oftmals substanzielleren Gegenpol. Schüler, so wurde berichtet, die aus christlichen Elternhäusern kamen, hatten es allerdings nicht immer einfach, die Balance zwischen Kür und Pflicht in der Schule zu finden.
Die Ausstattung zur Produktion „Zwischen Pitti und Stern Meißen“ stammt von Tilo Staudte und als Mitarbeiterin für Textfassung zeichnet Odette Bereska.
Eine gelungene Uraufführung, die vom Publikum mit anhaltendem Beifall bedacht wurde.

Ein Gespräch, zu dem das Regieteam um Ester Undisz im Anschluss der Inszenierung einlud, ermöglichte den Zuschauern ihre eigene Eindrücke zu schildern.

Angelika Guetter

Vor 470 Jahren: Gründung des Amtes Moritzburg

Nähert man sich auf der Allee unserem Moritzburger Schloss, so fällt rechter Hand nach der historischen Anlage des Landgestüts ein langgestrecktes, grau verputztes dreistöckiges Gebäude auf, das zuletzt lange Zeit den Namen „Landhof Moritzburg“ trug. Gegenwärtig trägt es die Bezeichnung „Genusshaus Prinz von Sachsen“ mit der Brennerei „Augustus Rex“ und dem Moritzburger Hofladen. Dieser ursprünglich ein Stockwerk niedrigerer Bau ist eng mit der Moritzburger Verwaltungsgeschichte verbunden. Er war einst der Sitz des Amtes Moritzburg, das ursprünglich um das Jahr 1550 auf Geheiß von Kurfürst Moritz geschaffen worden ist. Worin bestand der Anlass dafür?
Als sich der Sachsenherzog Moritz mit dem Friedewald als einem von ihm bevorzugtes Jagdgebiet entschieden hatte, ließ er auf einer flachen Felskuppe am damaligen Mosebruchteich seit dem Jahre 1542 ein festes Jagdhaus errichten. Dieser Bau wurde vorläufig im Jahre 1546 abgeschlossen und nachweisbar seit 1549 „Moritzburch“ genannt. Ein solcher Jagdsitz mit Bediensteten, Stallungen und anderem mehr bedarf zur Bewirtschaftung und Unterhaltung einer ökonomischen Grundlage. Im seinerzeitigen Feudalstaat waren dazu Natural-, Dienst- sowie zunehmend auch Geldleistungen an den Landesherrn aus dem Umfeld des neu errichteten Jagdhauses erforderlich.
Als Kurfürst griff Moritz deshalb kurzerhand in die bis dahin bestehende Ämterstruktur ein und löste aus dem Bestand des Amtes Großenhain die Dörfer Bärnsdorf, Bärwalde, Geißlitz, Mittel- und Oberebersbach, Naundorf, Steinbach und Volkersdorf sowie aus dem Amt Dresden die Dörfer Coswig, Cunnertswalde, Eisenberg, Kötitz, Kreiern und einen Teil von Rähnitz heraus. Er unterstellte sie – wie auf der dargestellten Kartenskizze ersichtlich ist (1) – dem neu geschaffenen Amt Moritzburg. Unser Nestor der Landes- und Regionalgeschichte, Professor Karlheinz Blaschke, bemerkte hierzu: „Es dürfte kaum an einer anderen Stelle in Sachsen zu Beginn der Neuzeit einen so starken Eingriff in die gewachsene Gliederung der inneren Verwaltung gegeben haben wie an dieser Stelle“(2). Es war also eine „Verwaltungsreform von oben“.
Das Amt Moritzburg war ein verhältnismäßig kleines Amt. Es wurde deshalb aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung in der Regierungszeit von Kurfürst Friedrich August III. (dem „Gerechten“) im Jahre 1770 mit dem Amt Großenhain kombiniert, bestand aber als Amtsbezirk weiter fort.
Diesen Ämtern oblagen außer der Eintreibung der erforderlichen Einnahmen noch die gerichtliche Verhandlung mittelschwerer Straftaten, notarielle Beglaubigungen und die Regelung von Grundstücksangelegenheiten. Geringfügige Vergehen wurden auf dörflicher Ebene geahndet.
Ursprünglich war das Amt Moritzburg im südöstlichen Turm des Schlosses untergebracht. Daher trägt dieser bis heute den Namen „Amtsturm“. Im Jahre 1730 wurde schließlich wegen größeren Raumbedarfs und der Vermeidung von Publikumsverkehr in dem unter August dem Starken umgestalteten Schlossareal das schon erwähnte stattliche Gebäude mit zunächst zwei Geschossen an der heutigen Schlossallee errichtet. Im 19. Jahrhundert (1886) wurde das Amtsgebäude noch um eine Etage aufgestockt. In diesem Gebäude befanden sich auch Räumlichkeiten zur Unterbringung von Untersuchungsgefangenen. Ihre Lage war noch bis in die jüngste Vergangenheit an der Nordseite des Gebäudes durch die vergitterten kleinen Fenster erkennbar.
Nach der Gründung des einheitlichen Deutschen Reiches wurde das Amt Moritzburg im Zuge der Justizreform im Jahre 1873 aufgelöst. Zunächst wurde dieses Gebäude von der Dresdner Blindenanstalt genutzt. Als diese Einrichtung nach Chemnitz verlegt wurde, brachte man darin ein Kranken- und Pflegeheim unter. Später etablierte sich hier die Brüderanstalt unter dem Namen „Friedensort“. Im Rahmen von eigentumsrechtlichen Auseinandersetzungen konnte die Dresdner Blindenanstalt schließlich wieder von diesem Gebäude Besitz ergreifen. Über eine weitere Nutzung als Alters- und Pflegeheim wurde es in Kriegszeiten ein Lazarett für verwundete Soldaten. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges diente es schließlich als „Dr.-Margarethe-Blank-Heim“ bis 1998 wieder der Altenpflege und -betreuung. Namensgeberin war eine verdienstvolle Ärztin. Dr. Margarete Blank wurde am 21. 02. 1901 in Kiew geboren und entstammte aus einer deutsch-baltischen Familie. Nach dem Tod ihrer Mutter während der russischen Februarrevolution 1905 siedelte sie mit ihrer Familie nach Deutschland um. Hier studierte sie in Leipzig Medizin. Nach Abschluss ihres Studiums gründete sie eine eigene Landarztpraxis in Panitzsch bei Leipzig. Während des Zweiten Weltkrieges half sie als Ärztin unter heute nicht mehr vorstellbarer persönlicher Gefährdung Kriegsgefangenen sowie in der Rüstungsindustrie beschäftigten ausländischen Zwangsarbeitern. Im Jahre 1944 wurde sie wegen ihres geäußerten Zweifels am deutschen „Endsieg“ denunziert und daraufhin verhaftet. Der „Volksgerichtshof“ verurteilte sie zum Tode. Am 8. Februar 1945 wurde Dr. Margarete Blank im Dresdner Gefängnis am Münchner Platz hingerichtet.
Nach dem sich ab 1998 anschließenden längeren Leerstand wird das ehemalige Amtsgebäude nun seit einigen Jahren durch gastronomische Einrichtungen genutzt. In ihm finden auch die jährlichen vorweihnachtlichen Dankeschön-Veranstaltungen der Gemeinde für die fleißigen ehrenamtlichen Austräger unseres Moritzburger Gemeindeblattes statt.

Die Gruppe Ortschronik Moritzburg

(1) Blaschke, K.: Die Gründung des Amtes Moritzburg. In: Schriften des Vereins für sächsische Landesgeschichte, Band 8, Beucha 2004, Seite 61
(2) Ebenda, Seite 62

Labylysium

Serkowitzer Gastspiel auf dem Leipziger Burgplatz

Wenn sich Bierschinken und Blutwurst vereinigen, entsteht ein völlig neues Bild der Erde. Niemand hat die Absicht, das zu bezweifeln.

Foto: R. Zabka

Ein „niederschwelliges partizipatives Kunst- und Kommunikationsangebot als alternatives Einheitsdenkmal“ – mit diesem Anspruch bespielte Reinhard Zabka mit seinem Künstlerteam zwischen dem 1. und 11. Oktober den Burgplatz in Leipzig mit einem begehbaren Skulpturengarten. So wie im Herbst `89 die Politik auf der Straße stattfand, sollte der öffentliche Raum geöffnet werden für aktives Erinnern unter Bürgerbeteiligung. Die damals geträumten hoffnungsvollen Träume vom Elysium (spätestens seit Schiller als Mutter der Freude bekannt) am Ende der Diktatur führten zu einem Erwachen im Labyrinth verfehlter Wünsche und enttäuschter Hoffnungen am Rande von Utopia. Labylysium suchte beides zu verbinden. Es erzählte von den Visionen und Hoffnungen der Akteure von `89, von den labyrinthischen Erlebnissen der Vereinigung, ohne bei den Verlusterfahrungen hängen zu bleiben.
Geschult an fünfundzwanzigjähriger Aufbauarbeit immer neuer Labyrinthe zum Radebeuler Herbst- und Weinfest auf den Elbwiesen, gestählt durch die Erlebnisse der WuKaMenta in Dresden wirkten die Künstler in den öffentlichen Raum hinein, zum Mittun und Mitlachen zu ermuntern. So traf zeithistorische Ausstellung auf zeitgenössische Kunst, deren Internationalität auf diese Weise unkonventionell vermittelt wurde. Leider gelang es nur bedingt, die Scheu der Neugierigen zu überwinden, auch der Aufruf, ein eigenes Einheitsdenkmal mitzubringen, fand (noch) keinen Widerhall – die höhere Freiheit der Kunst wird offenbar immer noch zu wenig geübt. Auch fehlt es wohl am Bewusstsein für Systemrelevanz …
Reinhard Zabkas Gastspiel in Leipzig kann nur ein Anfang gewesen sein.
Thomas Gerlach

BAUHAUS in Radebeul, gibt‘s denn das?

Die Antwort ist ein klares „Jein“! Nein, weil keiner der großen Bauhausmeister wie Walter Gropius oder ein Schüler der Bauhausschulen in Weimar, Dessau oder Berlin in Radebeul gewirkt und seine Spuren hinterlassen hat. Nein auch, weil die Stadt Radebeul, bzw. ihre Ursprungsgemeinden Ober- und Niederlößnitz als eher konservativ galten. Diese Gemeinden waren auch etwas überaltert, weil sich hier gern Leute, die ihr Geld in Dresden oder anderen Städten verdient hatten, Land kauften und gefällige Häuser als Altersruhesitz bauen ließen. Ja, weil natürlich die Ideen des Bauhauses auch in Radebeul bekannt waren und z.B. Max Czopka auch in der Richtung experimentiert hat.

Eduard-Bilz-Straße 60, Bauzustand von Südwest, 1997 Foto: D. Lohse

Schade, ich bin mit diesem Thema etwas spät dran – das Bauhaus hatte 2019 seinen hundertsten Geburtstag. Zufällig, nein, ein bisschen geplant war es schon, weilte ich im Herbst 2019 in Weimar, wo sich viele Ereignisse auf das Thema bezogen hatten, u.a. die Eröffnung eines neuen Bauhausmuseums am Schwanenteich.
Woran erkennen wir eigentlich den Bauhausstil? Auf jeden Fall sollte er anders als bisherige Baustile oder Stilrichtungen sein. Die Gründerzeit mit baulichen Zitaten von Gotik, Renaissance und Barock war schon überwunden, der Jugendstil mit bewegten Formen nach Tier- und Pflanzenmotiven sollte endgültig abgelöst werden. Einige Ideen des Deutschen Werkbundes wurden im Bauhaus aufgenommen, man wollte aber

Eduard-Bilz-Straße 60, Straßenansicht 2011 Foto: D. Lohse

konsequenter, strenger im Erscheinungsbild sein und sparsamer, also moderner bauen. Das 1919 in Weimar gegründete Bauhaus betrachtete Handwerk, Kunst und Bauen als eine Einheit, neue Techniken und Materialien wurden gesucht und man wollte nach dem Krieg preiswert für Arbeiter und die Mittelschicht bauen, worin eine soziale Komponente des Bauhauses erkennbar wird. Die Architektur zeigte deutlich eine horizontale Betonung der Geschosse, z.B. mit horizontalen Fensterbändern und neuen Flachdachkonstruktionen. Gleichzeitig gehörte eine helle Farbigkeit der Fassaden in Weiß, gebrochenem Weiß, Beige und Ocker mit wenigen farblichen Akzenten z.B. gelegentlich Stahlblau für Fenster oder Weinrot für Türen dazu. Selbstverständlich hatten die Bauhausmeister auch Vorschläge für die Ausstattung der Häuser; hier ein paar Beispiele: lederbezogene Stahlrohrsessel von Marcel Breuer, moderne Lampen von Marianne Brandt, Keramikgeschirr von Otto Lindig oder Grafik und Gemälde von Lyonel Feininger. Man kann sagen das Bauhaus endete in Deutschland 1933, denn die Nazis erkannten und bekämpften im Bauhaus eine linke Bewegung. Interessanterweise nahmen einige der zur Auswanderung gezwungenen Bauhausmeister wie Gropius und Mies van der Rohe die Bauhausideen mit in die USA oder auch in das spätere Israel, so dass wir auch dort noch Bauhausarchitektur finden können.

Pfeiferweg, 2020 Foto: D. Lohse

Eigentlich war die Radebeuler Kommune (s.o.) von vornherein gegen solche modernen Bauideen eingestellt. Aber in zwei Fällen können wir bei Neubauten mehr oder weniger Bauhausgestaltungen erkennen. Wenn wir das Schaffen der etwa zeitgleich in der Lößnitz tätigen Architekten Albert Patitz, Dr. Alfred Tischer und Max Czopka vergleichen, so erkennen wir zumindest bei letzterem Ansätze von Bauhausarchitektur, wenn auch nur vereinzelt. Es ist nicht allein der Architekt, der etwas Neues zeigen will, es gehört ein aufgeschlossener Bauherr dazu und auch die jeweilige Genehmigungsbehörde kann sich so oder anders entscheiden. 1925 war man im benachbarten Dresden-Trachau jedenfalls mutiger als in

Pfeiferweg, 2020 Foto: D. Lohse

Radebeul, als man eine ganze Siedlung mit Flachdächern nach Plänen von Architekt Hans Richter bauen ließ.
Nun zum ersten Standort einer bauhausähnlichen Villa in der Eduard-Bilz-Straße 60 in Oberlößnitz. Der 1931 noch junge Zahnarzt Dr. dent. Erich Schönherr, ein offenbar aufgeschlossener, zielstrebiger, nicht unvermögender Mensch, erwarb eine größere, vom Haus-Sorgenfrei-Grundstück abgetrennte Fläche als Bauland und bestellte bei Architekt Czopka den Entwurf eines Wohnhauses mit mehreren Etagen, Balkonen und Terrassen und einem Flachdach. Das zur Genehmigung bei der zuständigen Amtshauptmannschaft Dresden eingereichte Projekt wurde abgelehnt, weil der beteiligte Sächsische Heimatschutz eine zu große Verschiedenheit des Neubaus gegenüber dem Haus Sorgenfrei – Bauhaus neben Zopfstil – festgestellt hatte. Ein vom Zahnarzt bei der höheren Behörde, der Kreishauptmannschaft, eingelegter Widerspruch hob die Ablehnung auf und die Amtshauptmannschaft musste dem modernen Entwurf von Czopka nun zustimmen, so dass der Bau 1932 endlich begonnen werden konnte.
Sanitätsrat Dr. Schönherr hatte sich in der DDR als Zahnarzt auf Kieferorthopädie und die entsprechende Behandlung bei Kindern spezialisiert und wurde weit über Radebeul hinaus bekannt. Er verfasste fachliche Artikel und Bücher, die z.T. international veröffentlicht wurden. In seinem Fachgebiet hat er bis ins hohe Alter (über 90!) gearbeitet. Nach seinem Tod besaß eine Immobilienfirma das als Kulturdenkmal eingestufte Haus und hatte in kürzester Zeit den Putz abgeschlagen, Fenster und Türen herausgebrochen und Details entfernt. In dem Zustand erwarb eine Privatperson das Anwesen, die nun entsprechende Vereinbarungen mit der Denkmalpflege traf und beim Aufbau den Bauhauscharakter des Hauses wieder erreichte. Die Farbe – ein sehr helles Blaugrau – war der Wunsch des Bauherrn und kommt der Bauhausfarbpalette zumindest nahe. Das schon immer begrünte Grundstück wurde nach der Sanierung noch dichter bepflanzt, so dass man leider die charakteristischen Formen von der Straße aus kaum noch sehen kann. Heute bewohnt wieder eine Arztfamilie die Villa.
Die zweite Adresse eines privaten Wohnhauses, das dem Bauhausstil recht nahe kommt, ist der Pfeifferweg 46 im Radebeuler Ortsteil Wahnsdorf. Hier haben wir kein Kulturdenkmal vor uns. Vom Jagdweg aus über den Lößnitzgrund geschaut, erkennt man das Haus oberhalb des großen Steinbruchs – eine unverbaubare Lage mit guter Aussicht! Laut Plan von Architekt Conrad Baum sollte es 1936 ein Steildach erhalten. Ausgeführt wurde aber nach zeichnerischer Tektur ein sehr flach geneigtes Dach, im Prinzip ein Flachdach, somit wurde hier spät noch mal mit Bauhausmerkmalen gearbeitet. Größere Fenster auf der Westseite betonen die Horizontale. Die heutige Fassadenfarbe, ein helles Ocker, entspricht auch dem Farbspektrum des Bauhauses. In der Zeit nach 1933 kann es sich nur um Nachwirkungen des Bauhauses handeln, die die Behörde übersehen oder gerade noch hat durchgehen lassen. Wenn man beide Häuser hinsichtlich Bauhaus vergleicht, so ist schon die Eduard-Bilz-Straße 60 näher dran als der Pfeiferweg 46.
Man merke, Bauhaus hatte eine politische Komponente!

Dietrich Lohse

Sieben Jahre im Zeichen der Integration Geflüchteter in Radebeul

Das Bündnis Buntes Radebeul unterstützt seit 2013 das Ankommen in Radebeul

Als sich 2013 ein Gruppe junger und älterer Menschen fand, um vor allem im Wohnheim auf der Kötitzer Straße mit Lern- und Freizeitangeboten für ein Stück Ankommen zu sorgen, hätte wohl keiner der Beteiligten gedacht, dass der Verein, der sich kurze Zeit später aus der Initiative gründete, schon bald zum Bild von Radebeul gehören sollte.

Bei der Gründung des Bündnisses stehen vor allem die Bewohner des Heimes auf der Kötitzer Straße im Fokus aller Bemühungen. Das bleibt auch so, als 2015 viel mehr Flüchtlinge nach Radebeul kommen und in der Hauptsache im dortigen Heim untergebracht werden. Der Bedarf beflügelt, viele neue Mitglieder stoßen in dieser Zeit zum Verein und bringen sich mit großem Engagement in verschiedenste Projekte ein. Viele Ideen werden geboren, um die „neuen“ Radebeuler beim Ankommen zu unterstützen. Von Sprachkursen am Nachmittag, über Nähkurse oder Hausaufgabenbetreuung für die Jüngsten bis zu Plauderrunden im Heim, um den Ankommenden immer wieder Gelegenheit zu geben, die deutsche Sprache zu sprechen, das Angebot ist so breit und umfassend wie nie zuvor. Die Mitglieder und Unterstützer bringen sich ein, wo sie können, um in Radebeul eine Willkommenskultur zu gestalten. Dabei kann sich der Verein immer auch auf ein breites Netzwerk in und um Radebeul verlassen. Gemeinsam mit Partnern werden viele Vorhaben entwickelt und umgesetzt. Eines dieser Beispiele ist das „Kochen kunterbunt“, das durch Mitarbeitende der Landesbühnen Sachsen ins Leben gerufen und hoffentlich nach Corona wieder zum Leben erweckt wird.

Ausflug ins Stadtmuseum Radebeul Foto: Bündnis Radebeul

2014 machte der Verein mit einem ganz besonderen Projekt auf sich aufmerksam. Die beiden Vereinsmitglieder Stephanie Kerkhof und Sophie Ruby geben gemeinsam mit dem Bunten Radebeul das Kochbuch „Mit der Kochkunst ins Herz“ heraus. Als Zeichen der Dankbarkeit waren die beiden schon oft von Flüchtlingen bekocht worden. Es waren immer Momente, in denen sie gemeinsam ins Gespräch gekommen sind oder – wenn die Sprachbarriere doch einmal zu hoch war, einfach ein schönes Beisammensein genossen haben. Beim gemeinsamen Kochen kann man sich oft, ohne viele Worte, näher kennen lernen. Dabei entsteht die Idee, gemeinsam mit den Flüchtlingen am Herd zu stehen und von ihnen zu lernen, wie sie ihre landestypischen Gerichte zubereiten. Und nicht nur das. Sie erzählen über ihre Herkunftsländer. Es entsteht ein Kochbuch gemixt mit Herdgeschichten, die Nachfrage ist so groß, dass es bereits eine 2. Auflage gibt.
Eine vergleichbar große Aufmerksamkeit erfahren die Radebeuler Flüchtlinge 2015 durch das Projekt „Mein unruhiges Herz“ in Kooperation mit dem Stadtmuseum Dresden und der Landeszentrale für Politische Bildung. In einem mehrtägigen Workshop entstehen 18 „Bilder der Migration“, die eindrucksvoll die Gefühlswelt der Geflüchteten wiedergeben. In den Bildern werden Fluchtgeschichten oder auch traumatische Erlebnisse in den Herkunftsländern sichtbar. Die Bilder werden im Anschluss noch ein halbes Jahr im Stadtmuseum Dresden ausgestellt.
Bereits 2015 wurde im Heim eine erste Fahrradwerkstatt aufgebaut, um einerseits die vielen gespendeten Fahrräder gemeinsam mit den Heimbewohnern wieder fahrtüchtig zu machen und ihnen damit ein Stück Mobilität abseits von der Nutzung des ÖPNV zu ermöglichen und ihnen andererseits auch die Möglichkeit zu geben, sich sinnvoll zu beschäftigen, ist doch der Alltag, wenn man keine Arbeitserlaubnis hat, vielfach trist und eintönig. Als im Frühjahr 2016 das Heim aufgrund eines technischen Defektes abbrennt, sucht der Verein nach Ersatz. Gemeinsam mit der Stadt Radebeul wird im Laufe des Jahres 2016 eine Alternative auf dem Rosa-Luxemburg-Platz gefunden. Als Ende 2017 das Heim wiedereröffnet wird, entscheidet man sich, an beiden Standorten weiter zu machen. Gemeinsam mit dem ADFC und vielen Freiwilligen betreibt das Bündnis diese beiden Fahrradwerkstätten. Der Zuspruch an beiden Orten ist ungebrochen. Um diese auch in Zukunft weiter betreiben zu können, ist die Mithilfe von Menschen gefragt, die Lust am Schrauben und Basteln haben. Die Fahrradwerkstatt am Rosa-Luxemburg-Platz öffnet von Frühjahr bis Herbst immer montags und samstags ihre Pforten, die im Heim ist in den wärmeren Monaten immer dienstags geöffnet.
Das Bündnis erfährt im Laufe der Jahre viel Unterstützung durch die Radebeuler. Ein herausragender Höhepunkt ist die Aktion der Friedenskirche, die anlässlich des Weihnachtsfestes 2014 unter dem Motto „Flüchtlinge sind uns willkommen“ zur Spende in Höhe des Begrüßungsgeldes, das DDR-Bürger 1989 erhielten, auffordert. Die Aktion ist ein Riesenerfolg. Das Geld wird vor allem dazu verwendet, Deutsch-Sprachkurse, die in der Anfangszeit weder durch das Bundesamt für Migration und Flüchtling (BAMF) noch durch die Ausländerbehörden finanziert werden, zu unterstützen. Diese Aktion zeigt dem Verein, dass viele Radebeuler die Arbeit und vor allem dem Zweck des Vereins gegenüber sehr positiv aufgeschlossen sind.
Ein Projekt des Vereins, das seit der Gründung läuft, ist das sogenannte „Mitgänger-Projekt“. Mehr als 20 Mitglieder und Nichtmitglieder unterstützen Flüchtlinge und Menschen mit Migration bei Behördengängen und Fragen das Alltags, die für Menschen mit Sprachbarrieren oft eine große Herausforderung darstellen. Der Alltag gestaltet sich vielfach so, dass Anträge gemeinsam angeschaut werden, Behördengänge gemeinsam gemacht werden, beim Verstehen von amtlichen Schreiben geholfen wird, Miet- oder Telefonverträge durchgeschaut werden oder eben einfach beim Alltag unterstützt wird. Das klingt simpel, ist aber in der Regel sehr zeitaufwendig. Denn was für unser einen normal und einfach ist, gestaltet sich für Flüchtlinge aufgrund der Sprache oder verschiedener kulturellerer Gegebenheiten doch vielfach kompliziert. Viele Ehrenamtliche haben vor ihrem Einsatz als Mitgänger selten Berührungspunkte mit den unterschiedlichen Aufenthaltsregelungen gehabt. In der Praxis tauchen aber gerade bei diesen Themen immer wieder Fragen auf.
Die Arbeit des Bündnisses hat sich heute, sieben Jahre nach Gründung, verstetigt. Wie bei allen Vereinen gibt es Höhen und Tiefen. Das Engagement ist in vielen Projekten – von denen hier nur wenige Beispiele genannt sind – ungebrochen. Doch auf lange Sicht, werden mehr helfende Hände gebraucht, um Projekte wie Mitgänger, Deutschnachhilfe, Unterstützung von Auszubildenden oder die Fahrradwerkstätten auch über 2020 hinaus mit ganzer Kraft betreiben zu können. Neben den vielen einzelnen Projekten will sich der Verein in Zukunft noch stärker auf das Thema Willkommenskultur und die Begegnung mit verschiedenen Kulturen fokussieren. Dazu plant der Verein aktuell eine Reihe von Buchlesungen und Begegnungsmöglichkeiten für alle Radebeuler.
Damit der Verein noch besser nach außen wirksam werden kann, wird aktuell die Internetseite neugestaltet. Wer Lust und Zeit hat, sich im Bündnis Buntes Radebeul zu engagieren, ist jederzeit willkommen.

Susanne Herrmann und Angelika Richter
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Kontakt: info@buntes-radebeul.de

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