Fahnenstangenhalterungen

Ergänzung zum Artikel in V&R Heft 9/20

Foto: D. Lohse

Nach der Veröffentlichung des Artikels ist mir zufällig noch eine aktive Fahnenstangenhalterung, also so eine mit Fahne, in Serkowitz begegnet. Dieser Fund ist auch insofern wichtig, weil dadurch das von mir beklagte Missverhältnis Radebeul Ost, ein gefundenes Beispiel – Radebeul West, fünf Beispiele, ein wenig verbessert werden könnte.

Foto: D. Lohse

Foto: D. Lohse

Am Seitengebäude von Altserkowitz 3 weht seit etwa 2008 eine rote Werbefahne der Fa. Ullbrich, die in der umgebauten Scheune eine Autosattlerei betreibt. Der große Bauernhof, genannt Klotzschehof, hatte an der Stelle keine Fahne, wozu auch. Der jetzige Eigentümer Siegfried Ullbrich hat zunächst das Seitengebäude saniert und ist derzeit dabei, das einsturzgefährdete Haupthaus in Stand zu setzen. Die Scheune war bereits vom Voreigentümer im Sinne einer Werkstatt verändert worden. Vielleicht ist diese Werbeidee mit einer Fahne am Denkmal sogar besser als eine Werbeschrift auf der Fassade oder gar eine Leuchtwerbung. Die Fahnenstangenhalterung aus Stahl ist in historisierender Form gestaltet und durch die Bauaufsicht geprüft worden. Der I-Punkt der Gestaltung ist aber eine kleine Schleife aus Bandstahl am Träger der Fahne, soweit also ein hübsches Detail. Hübsch kommt noch weiter zum Einsatz, wenn der Bauernhof jetzt anderen Zwecken dient und keinen Misthaufen mehr hat, hier nun Wohnen und Arbeiten. Aber wie weit sollte man das „Aufhübschen“ treiben?
Dietrich Lohse

Landschaftsmalerei von Klaus Henker

Eine neue Ausstellung im Rathaus Coswig

Die Stadtverwaltung Coswig nimmt den in diesem Jahr noch zu begehenden 85. Geburtstag des Malers Klaus Henker zum Anlass, die coronabedingte Kulturpause zu beenden und im Rathaus eine neue Ausstellung zu präsentieren. Dazu sei beiden, der Stadt und dem Maler, herzlich gratuliert.
Mit seinen neuen Bildern verfolgt Klaus Henker erklärtermaßen die Absicht, seine Stadt Coswig als das darzustellen, was sie für ihn ist: lebendig, voller Optimismus und positiver Energie. So jedenfalls sieht er sie, wenn er sich mit dem Skizzenblock in der Hand hineinbegibt, wenn er auf Spurensuche geht, sich nach Motiven umschaut. Da sehen wir den Maler sich drehen zwischen Rathaus und Karrasburg, die beiden für die Stadt tragenden Gebäude in eine beziehungsreiche Spannung zu setzen. Da sehen wir ihn den solitären Baum betrachten, der dann in zwei Variationen fast gläsern in Erscheinung tritt. Schließlich sehen wir ihn zum Wochenmarkt schlendern, nicht um Einkäufe zu machen, sondern um Menschen zu sehen. „Menschen gehören nun mal in eine lebendige, fröhliche Stadt“, sagt er.
Klaus Henker ist nämlich keiner, der mit dem Zufall spielt. Mit der ihm eigenen Zähigkeit, die ihn das Leben bis auf den heutigen Tag bestehen ließ, verfolgt er jeden Gedanken bis in tiefste Tiefen. Der tiefste Gedanke, dem er auf der Suche nach seinen Bildern folgt, heißt „Freude“ – was ihn bis heute als den Träumer erweist, der er seit Kindertagen ist.
Schon dann, wenn er vor Ort mit schnellem Stift seine Motive notiert, beginnt die gedankliche Auseinandersetzung. Getreu dem Merksatz Goethes „Das Was bedenke, mehr bedenke das Wie“, entsteht das Bild zunächst im Kopf. Die eigentliche Arbeit erfolgt dann zu Haus in seinem kleinen Atelier. In erinnerndem Betrachten rückt er da Linien und Flächen zu- und gegeneinander, testet Formen, experimentiert mit Farben, um die dem Motiv innewohnende Kraft lebensvoll in Szene setzen zu können. Klaus Henker baut seine Bilder als Kompositionen, als Sinfonien aus Farben, Linien und Flächen, woran sich Gedanken und Empfindungen entzünden. Das Motiv wird, wie er sagt, „zum Medium“, es bleibt aber bei allem, auch das ist dem Maler wichtig, im Untergrund erkennbar.
Noch immer ist der Traum in ihm wach, nach dem er als junger Mensch gerne Musik studiert hätte. Als Erzgebirger – Klaus ist in Freiberg zur Welt gekommen und aufgewachsen – stand ihm allerdings ein Brotberuf zu Gebote. Sein früh erkanntes Zeichentalent wurde durch den Freiberger Porzellanmaler Odrich geformt. Insgesamt 35 Jahre hat er dann der Meißner Porzellanmanufaktur gedient, als Indischmaler, als Zeichenlehrer, als Dekorentwickler, bevor er schließlich 1996 in den Vorruhestand verabschiedet wurde. An der Begeisterung für die Musik hat er festgehalten. Auch seine Kunst ist musikalisch dominiert: Wenn ihn ein bestimmtes Motiv besonders tief bewegt, probiert er unterschiedliche Abstraktionsgrade, wechselt er von runden zu mehr geraden von linearen zu mehr flächigen Formen. Variationsreich spielt er so mit Farben und Formen, wie Beethoven vor zweihundert Jahren mit Tönen und Klängen spielte.
Die Art des Umgangs mit dem Motiv ist neu für den Maler. Vielleicht wird eines Tages von einem Spätwerk gesprochen. Wer das Wirken des Malers verfolgt hat, wird sich an die Experimente mit der Heidelbeere erinnern, an die Kompositionen mit den Flaschenmenschen. Auch wird in Erinnerung sein, dass wir schon mehrfach Gelegenheit hatten, jede einzelne seiner Arbeiten als philosophische Dissertation zu betrachten. Die Bilder atmen bei aller Tiefe eine Fröhlichkeit, der nicht anzumerken ist, wie schwer sie errungen wurde. Als ein Mensch, der die größere Hälfte seines Lebens nun wahrlich hinter sich hat, weiß Klaus Henker zu gut, dass das Leben nicht nur, wie Goethe meinte, „zu kurz ist, schlechten Wein zu trinken“. Es ist auch zu schade, in all den täglichen Misshelligkeiten zu versinken und, wie es heute leider üblich ist, vor lauter Zank und Wutbürgertum die Sonne nicht mehr zu sehen. Dieser Tendenz entgegen malt der Künstler seine Bilder. Und es gelingt ihm auf bemerkenswerte Weise, die positive Energie des Motivs voll augenzwinkernder Heiterkeit in der Balance von Abstraktion und Realität in voller Farbigkeit an die Betrachter heranzutragen.
Denn immer geht es um das Leben, das aus den Bildern atmen soll, ein Leben, das den Namen wert ist und nicht nur aus Coswig einen Ort voller Optimismus und positiver Energie machen kann.
Thomas Gerlach

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Die Ausstellung ist noch bis 30.12.2020 zu sehen.

Editorial November 2020

Heute, am 23.10., erfolgt die Druckfreigabe für unser Novemberheft an die Lößnitz-Druck GmbH. Ein Unternehmen, das uns seit nunmehr drei Jahrzehnten die Treue hält und immer ein verlässlicher Partner war. An dieser Stelle sei all den Mitarbeitern aus-drück-lich ein herzliches Dankeschön entsendet!
Einige Tage werden also noch vergehen bis eine Vielzahl von Kartons mit dem vertrauten Geruch des frisch gedruckten Papiers zur eiligen Verteilung bereitstehen wird.
Heute sollen für unsere „Vorschau“ noch ganz besondere Stunden beschieden sein. Immerhin feiern wir in diesem Jahr unseren 30. Geburtstag! Nur wann fragt man sich in dieser geprügelten Zeit?
Die geplante Feier, korrespondierend mit dem allerersten Heft im Monat Mai, musste bekanntermaßen aufgegeben werden. Unverdrossen verschoben wir den Festakt in den fernen Herbst, gedanklich weit nach der Misere. Und dennoch weit gefehlt.
Die Lage ist nunmehr kaum tröstlicher, aber heute Abend soll es allen Widerständen zum Trotz und nach all den Vorbereitungen im schönen Ensemble von Hoflößnitz stattfinden.
Wir hoffen auf viele Gäste, Sympathisanten und Förderer die uns lange begleiten und unterstützen.
Wie zu erwarten, blieben vereinzelte schmerzliche Absagen nicht aus, aber wir erhielten dafür schriftliche Bekundungen aus der Ferne.
Solch ein Tag, der insbesondere den weit aufgespannten Bogen einer „Rückschau“ bedarf, verleitete mich, die „Vorschau“ vom November 1990 zur Hand zu nehmen. Es ist nahezu erstaunlich und beglückend zugleich, dass wir alle dort bereits schon schreibende Redaktionsmitglieder am heutigen Abend begrüßen dürfen.

Sascha Graedtke

Gesehen. Rom.

Nah und doch so fern
Zwei Ausstellungen reflektieren eine Italienwanderung

Goethe war vielleicht nicht der erste Romreisende, doch sein Beispiel hat Schule gemacht unter Künstlern und Literaten. Über lange Zeit hinweg gibt es keine Künstlerbiografie in der nicht irgendwie auch Rom eine Rolle gespielt hätte. Ludwig Richter hat mehrere Jahre hier verbracht und sich nicht nur die heutige Hauptstadt, sondern auch die Umgebung wandernd erschlossen.

»Zypressen«-2020 Foto: A. Uhlig

In unseren Tagen waren es Jens Kuhbandner und Falk Wenzel, die, den Spuren speziell der Romantiker folgend, mit dem Rucksack auf dem Rücken „durch die römische Campagna“ wanderten. Unter dem Titel „Herz und Sinn jubeln auf“ haben sie ihre Erlebnisse mit detaillierten Reisehinweisen im Jahr 2009 zu einem bemerkenswerten Reiseführer verdichtet und beim Notschriften-Verlag herausgebracht.
Davon nun wieder angeregt haben sich Simona Jurk und André Uhlig gemeinsam mit Sohn Janek auf den Weg gemacht, ihrerseits Rom und die Albaner Berge zu erkunden. Haben erstere Plätze aufgesucht, an denen etwa Ludwig Richter oder Woldemar Hermann zeichneten, freuten sich letztere, Orte zu finden, die Jens Kuhbandner und Falk Wenzel beschrieben und fotografiert haben. Es wird zu erleben sein, ob und wie der jüngste der Familie die Anregungen weitertragen kann.
Aus dieser Reise nun sind zwei Ausstellungen gewachsen, die noch bis zum Jahresende in der Oberschänke in Altkötzschenbroda (Simona Jurk, Gesehen. Rom. Fotografien) und bei „Gräfes Wein und fein“ auf der Hauptstraße (André Uhlig, Nah und doch so fern, Zeichnungen) zu erleben sind.
Simonas Fotos sind an das Polaroid-Format angelehnt. Sie vermitteln, obwohl natürlich doch digital bearbeitet, den Eindruck großer Unmittelbarkeit. Sie zeigen die „ewige“ Stadt in einer bemerkenswerten Stille, die noch nicht dem Virus geschuldet ist, sondern der frühen Jahreszeit (die Reise fand im Februar dieses Jahres statt) und der Morgenstunde verdankt wird, zu der die Familie sich auf die Pirsch begab, die Stadt zu erkunden. Zugleich zeigen sie die Faszination der Reisenden angesichts des Niegesehenen, ein Eindruck, den der Polaroidfilter noch verstärkt. Abermals erweist sich, dass auch Menschen, die bis nach Indien „in der Welt zu Hause“ sind, recht schnell dem besonderen Reiz „der erstaunlichsten Stadt des Universums“ erliegen.
Für Simona stehen dabei nicht die großen historischen Monumente im Fokus, sondern die kleinen Perlen des Alltags, die Mädchen auf dem Geländer, der Fleischer mit der blutigen Schürze, das Spiel von Licht und Schatten. Sie will Rom nicht einfach als „gesehen“ abhaken, sondern zeigen, dass und wie sie jeden einzelnen Augenblick gelebt hat.
„Nah und doch so fern“ sind die Erinnerungen André Uhligs an diese Reise. Mit gewohnt flottem Strich und wohl auch mit dem gewohnten Kaffee hat der Maler Motive aus seinem Reise-Skizzen-Tagebuch im heimischen Atelier ins rechte Format gebracht. Sichtlich beeindruckt zeigt er sich von der kolossalen Wucht des Kolosseums, dessen vielbogige Rundfassade ein ganzes Blatt allein bestimmt.

»Fußball«-2020 Foto: A. Uhlig

Bald aber zog es die Reisenden aus der Stadt hinaus in die Natur. Hier spüren die Betrachter, wie stark sich André von den Zypressen angezogen fühlt, die ihn an die Radebeuler Pappeln erinnern, die nun, wohl in die Jahre gekommen, langsam vor sich hin sterben. Im Fließen der Erinnerungen, im Rausch des Malens hat der Zeichner allerdings das Licht aus der Stadtmitte mit hinaus in die Ebene genommen – hier hätte eine Differenzierung sicher gut getan.
Schließlich stehen die Wanderer, wie vor ihnen Jens Kuhbandner und Falk Wenzel und noch weit früher Julius Cäsar auf der via appia, der berühmtesten aller Straßen, die ja bekanntlich sämtlich nach Rom führen. Gesäumt von antiken Ruinen kündet sie wie kaum eine andere von mehr als zweitausend Jahren römischer und also europäischer Geschichte. Spätestens seit Goethe werden Literaten und Künstler nicht müde, davon zu schwärmen.
Thomas Gerlach

ANSCHLÄGE Plakate aus 5 Jahrzehnten von Jochen Stankowski

Sonderausstellung im Käthe Kollwitz Haus Moritzburg

Unter dem Titel „Anschläge“ zeigt der seit 1998 in Dresden lebende Schriftsetzer, Grafiker, Plakatkünstler, Buchgestalter, Designer, Typograf und freier Künstler Jochen Stankowski seine politisch engagierten Plakate aus 5 Jahrzehnten. Von ihm existieren über 400 Plakate im Offsetdruck aus Stuttgarter und Kölner Zeit bis in die Gegenwart. 40 werden in dieser Ausstellung gezeigt. Dass dies mit einer Auswahl seiner

bedeutendsten Arbeiten in diesem Haus geschieht, ist kein Zufall: Viele hochwertige politische Plakate sind unter den Händen von Käthe Kollwitz in der Zeit großer Umbrüche und Kriege in Deutschland entstanden und belegen den hohen künstlerischen Wert ihres Werkes. Jochen Stankowski, der sich um bildhafte Kommentare zu Zitaten aus dem Tagebuch von Käthe Kollwitz verdient gemacht hat, ist nicht nur ein Freund des Hauses, der seit vielen Jahren für das Museum arbeitet, sondern auch ein nicht wegzudenkender Interpret und Nachfolger der Künstlerin und teilt mit ihr sein soziales und politisches Engagement, das in dem Wort der Kollwitz gipfelt: „Ich bin einverstanden damit, dass meine Kunst Zwecke hat“.
Anschläge sind hier als politischer Appel in Plakatgestalt zu verstehen, Anschläge auf das Denken des an ihm Vorübergehenden: Es ist ein „optischer Schrei“, der blitzartig seine Anliegen im Augen-Blick der Passage an den Betrachter vermittelt. „Plakate gehören an die frische Luft“ sagt Jochen Stankowski, an Häuser, Zäune, Mauern und Wände, überall im öffentlichen Raum.
Jochen Stankowski wurde in Meschede im Sauerland am 25. Mai 1940 geboren, ist also in diesem Jahr 80 Jahre alt geworden. Sein Onkel Anton, ein namhafter Grafiker, gab ihm den Rat, Schriftsetzer zu werden. Erste Station war Stuttgart, wo er ab 1958 seine Gesellenzeit als Typograf in der Dr. Cantz`schen Druckerei und Abendkurse an der Stuttgarter Hochschule sowie der Kunstakademie absolvierte. 1963 erlebte er im Wehrersatzdienst die katastrophalen Zustände und die Zerbrechlichkeit des Menschen in einem psychiatrischen Landeskrankenhaus. Unter dem Titel „Schafft die Irrenhäuser ab“, entstanden daraufhin um 1979 Plakate zur verdeckten Euthanasie und zu medizinischen Experimenten mit geistig und seelisch Behinderten. 1967 wurde er Mitinhaber des grafischen Ateliers Anton und Jochen Stankowski. Umfangreiche Bildungsreisen folgten 1968. Die schwäbische Avantgarde-Landschaft wurde erkundet. 1972 gründeten Jochen Stankowski und sein Bruder Martin (Journalist und Plakatautor) eine selbstverwaltete Druckerei. „Kunden“ waren Bürgerinitiativen und Projekte aus Frauen-und Friedensbewegungen sowie soziale Initiativen. Zahlreiche Plakate über Jugendliche im Knast, zur Abrüstung, den Verhältnissen in der Kirche, zum Paragraph 218, zu Bürgerprotesten- und Bürgerinitiativen sowie zum Wehrersatzdienst wurden gestaltet. 1973 erschien eine eigene Zeitung, das „Kölner Volksblatt“. Daraus ging 1980 bis 1985 die Kölner Plakatzeitung, die als Wandzeitung gedacht war und an Wände und Mauern geklebt wurde hervor. Damals begründete er auch die Raute oder das Merve-Layout für den gleichnamigen Verlag, das über viele Jahre hinweg bis heute praktiziert wird. 1998 zog er vom Rhein an die Elbe, nach Dresden und arbeitete wieder als grafischer Künstler und Plakatgestalter. Zahlreiche aktuelle Plakate entstanden, wie zu den Menschenrechten 2019, ein Plakat der Initiative VIELFALT, eine gesamtstädtische Aktion in Stuttgart, bei der die Visualisierung dem jeweiligen Passus ein Gesicht gibt. Seit 1989 gibt es die „AnStifter“, ein Bürgerprojekt mit Sitz in Stuttgart, für das Stankowski seitdem arbeitet, bekannt vor allem durch den Stuttgarter Friedenspreis, der seit 2003 jährlich verliehen wird. In einem Appell von 2020 an die deutsche Regierung und Öffentlichkeit wurde u. a. gefordert, das „Mahnmal Auschwitz auf Dauer als Erbe der Menschheit zu erhalten“.
Die hier gezeigte Ausstellung begleitet ein Katalog von Jochen und Martin Stankowski, der eine Auswahl des Plakatschaffens der Brüder zusammenfasst und illustriert.

Heinz Weißflog
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(Auszug aus der Eröffnungsrede)

Mit Wolf Biermann poetisch und politisch durch das Jahr

Zur Titelbildserie

Die Tuschezeichnung von Bärbel Kuntsche ist erst vor wenigen Tagen entstanden. Sie zeigt eine baumgesäumte Allee, welche auf ein repräsentatives Gebäude zuführt. Obwohl nur dessen Mittelteil mit dem markanten Turmaufbau und dem vorgelagerten Portal zu sehen ist, erkennt der Kundige sofort, dass es sich hierbei um „Haus Sorgefrei“ in der Oberlößnitz handelt.

Das einstige Herrenhaus wurde für den Dresdner Bankier und Freiherrn Christian Friedrich von Gregory (1757 – 1834) nach Plänen des Architekten Johann August Giesel (1751 – 1822) im spätbarocken Zopfstil errichtet. Danach wechselte das weitläufige Anwesen mehrfach seinen Besitzer. Oftmals forderten fehlende finanzielle Mittel ihren Tribut. Die Spuren des einstigen Verfalls sind heute getilgt. Das Haupthaus des Gebäudeensembles wird als Landhotel und der Gartensaal als Restaurant genutzt.

Ganz bewusst wählte Bärbel Kuntsche für ihre Zeichnung eine Frontalansicht aus der Distanz, so wie sie sich dem Spaziergänger vom Augustusweg her bietet. Weitergehen oder nähertreten – beides ist möglich.

Maler, Dichter, Fotografen, Historiker und Denkmalpfleger wurden immer wieder von diesem besonderen Ort inspiriert. Entstanden sind sehr individuell geprägte Bilder und Texte.
Auch der Schriftsteller Heinz Czechowski (1935 – 2009) bewahrte Vergangenes vor dem Vergessen in einem wunderbaren Essay aus dem Jahr 1974 über „Haus Sorgenfrei“ und seine einstigen Bewohner, das Malerpaar Gussy Hippold-Ahnert (1910 – 2003) und Erhard Hippold (1909 – 1972). Weitergehen oder nähertreten – beides ist möglich.

Karin (Gerhardt) Baum

Editorial Oktober 2020

Das Jahr neigt sich dem Ende. Was für ein Jahr! Eines, das noch lange im sprichwörtlich kollektiven Bewusstsein verankert bleiben wird. Ein jeder wird von dieser Zeit seine Geschichten erzählen können.
Im Frühjahr hoffte man noch, mit der harten Zäsur bald alles überstanden zu haben, nun, ein halbes Jahr später schwören die Medien uns auf weitere noch unübersichtliche Herausforderungen ein. Gerade jetzt, wo Begegnungen und Kunstereignisse zaghaft geprobt werden.
Als Kulturzeitschrift mussten wir besonders erfahren, wie die Restriktionen das Leben dieser kulturbegeisterten Stadt in die Knie zwang und unserem Heft leere Seiten drohten. Und ja, es gleicht fast einem Wunder, dass wir die „Vorschau“ bisher dennoch gut gefüllt durch das Jahr bringen konnten. So sei an dieser Stelle allen Autoren besonders gedankt, die sich mit Ideen, Gedanken und Tatkraft einbrachten.
Wenn man den vorangegangenen Monaten etwas Positives (selbst dieses Wort wirkt jetzt euphemistisch) abgewinnen möchte, dann die ungeahnte Kreativität, mit der räumlich und zeitlich verteilt kulturelle Begegnungsräume in den Stadtteilen geschaffen wurden. Durchaus lohnende, bereichernde Impulse, die es so wohl nie gegeben hätte.
Die meisten Künstler und Händler haben bisher bewundernswertes Durchhaltevermögen und Willen bewiesen. Es bleibt ihnen zu wünschen, dass die gewohnt umsatzstarken Monate bis zum Jahresausklang die aufgelaufenen Einbußen auf ein erträgliches Maß kompensieren mögen.

Sascha Graedtke

Radebeuler Miniaturen

Schweigen im Walde
(für T.)

Ein Regen nach langer Dürre: ein Regen.
Der Wald atmet auf. Die Blätter weiten sich, es grünt das Grün, wies grüner nicht grünen kann. In nicht enden wollendem Rauschen rinnt das Wasser von Blatt zu Blatt, läuft es in Strömen die Stämme hinab und gibt der Erde ihr Teil und den Büschen und Gräsern. Und dann, in der plötzlich zurückehrenden Stille steigt der Wohlgeruch frischen Wassers vom Boden auf.

Ohne weiter auf die Blicke der Neugierigen zu achten, steigt Susanna aus dem Bade, aufrecht, stolz und schön. Und wie am ersten Tag tritt sie unters Blätterdach, das Schweigen zu atmen, das Schweigen im Walde. Die daraus wachsende Stille, weiß sie, ist ein Geschenk des Himmels.
Hinter einer Birke bemerkt sie das Einhorn, das versonnen lächelnd ein paar Blätter rupft, plötzlich aber zu zwei Pilzen erstarrt und sich unters Laub drückt. Unerhörtes geschieht: Ein Selbstgesprächler frequentiert den Waldweg. Ein flaches Kästchen waagerecht vorm Gesicht führend rekapituliert er offenbar die jüngste Beziehungskrise auf so eindringliche Weise, daß vom Einhorn bald nur noch ein moosgrüner Belag zu sehen ist: Ja, sag mal, was denkst du dir denn eigentlich, hallt es durch die Bäume, das ist doch wohl … also ich fasse es nicht … denke nur nicht … laß mich doch mal ausreden … Es wird laut im Wald, wenn Häusliches zwischen die Bäume gekippt wird … nun fang doch nicht schon wieder damit an … ja, ja, ich bin allein … allein, allein, allein … Alte Autoreifen oder Kühlschränke können nicht störender sein.
Langsam kehrt der Frieden zurück.
Das Einhorn versucht ein paar frisch ergrünte Blätter und Gräser, Susanna atmet tief die frische Waldluft. Doch schon hallt eine Gebrauchsanweisung vom Waldweg herüber. Ein Spätpubertierer, nicht viel jünger als der Selbstredner von eben, vertieft sich lautstark in ein Problem, das ein Partner vermutlich auf der Unterseite der Erdscheibe mit einem technischen Gerät hat: unten, ja, unten links… nee, warte mal, doch, unten links erscheint jetzt ein Batten, ja, ein Batten, da gehst du drauf, hasdu, gut, ja, auf den Batten, und dann Doppelklick, sag ich doch, Doppelklick … Der Rufer hat kein Kästchen vor sich in der Luft schweben, er hat weiße Stäbchen in den Ohren stecken, die ihn davor schützen, den Gesang der Vögel hören zu müssen. So hat er die Hände frei zum Gestikulieren… und dann geht da ein Fenster auf, ein Fenster, ja am Bildschirm nicht im Zimmer, das zieht doch … Die Stimme verklingt in der Ferne. Ein Mensch, denkt das Einhorn, wie stolz das klang. Susanna lächelt dazu, hat aber schon eine Mädchenstimme im Ohr, die ihrer besten oder allerbesten oder jedenfalls Freundin erzählt, was wieder mit der Mama, den Jungs, dem Papa, den blöden Lehrern, wieder den Jungs, dem kleinen Bruder, noch mal der Mama und abermals den Jungs … so los ist und was ich dir unbedingt noch erzählen muß.
Stolz und schön aber völlig ermattet steigt Susanna ohne auf die Blicke der Neugierigen zu achten am Abend ins Bad. Das Einhorn ist bei der vergeblichen Suche nach dem Schweigen im Walde verloren gegangen.
Thomas Gerlach

Leserzuschrift

Sehr geehrte Redaktion,

herzlichen Glückwunsch zum Artikel von Ilona Rau zum „Farb-Anstrich“ des Gymnasiumsanbau
Luisenstift im Augustheft, denn der Begriff „Farbgestaltung“ ist hier wohl Fehl am Platze. Was sagen eigentlich die Lehrer und Schüler des Gymnasiums dazu? Sind sie eigentlich bei der Farbgestaltung einbezogen worden -wäre doch interessant gewesen und, wie ich finde berechtigt, denn schließlich ist es ja ihre Schule und sie müssen täglich den Anblick in Kauf nehmen. Ob „Kackbraun“ motivierend wirkt, wage ich zu bezweifeln.
Als meine Kinder noch Schulkinder waren, hatten sie oft (zu oft) einen Begriff im Munde, den der neue Gymnasiumsanbau überzeugend darstellt: „Scheiß Schule“,
Da muss ich leider beipflichten.

M.Fasold

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