Poetische Orte

Künstler, ihre Museen und Institutionen

Eine neue Ausstellung im Lügenmuseum

Warum gründen Künstler eigene Museen, Galerien oder Künstlerhäuser?

Die Ausstellung im Lügenmuseum steht ganz im Zeichen der „zeitgenössischen Wunderkammern“. Im Saal des Gasthofes Serkowitz werden Arbeiten von Künstlern ausgestellt, die eigene Stilmarken geprägt haben. Besonders interessieren uns Künstler, die selbst Museen, Kunsthallen, Kunsthäuser und ähnliche Kunstprojekte betreiben, die eigene Ausstellungsformate und Symposien organisieren. Mit einem erweiterten Kunstbegriff engagieren sie sich für lebendige Kunst und Künstler, bieten Gelegenheiten, Lobby, Plattform, Interaktion und Räume. Damit haben sie innovative und lebendige Formen – Biotope für Kunst- und Experimentierräume initiiert. Die Künstler werden mit einer kleinen Kunstinszenierung und ihrem erweiterten Wirken vorgestellt. Im historischen Tanzsaal werden sie ihre eigenen Werke wirkungsvoll zur Geltung bringen und auch spannende Inszenierungen dafür finden.

Die Künstlermuseen, Kunsthäuser und Institutionen werden auf der von Dorota Zabka gestalteten Webseite präsentiert. Neben den künstlerischen Arbeiten werden ihre Museen, Künstlerhauser, Tempel und Kunstprojekte vorgestellt. Diese werden auf unserer Webseite und Blog verlinkt.

Mit anheimelnden Räumen voller Sehnsucht und Sammellust lockt die Ausstellung in den maroden Tanzsaal das Gasthofes Serkowitz. Sie täuschen eine Begegnung mit Privatem vor und verunsichert mit „heimlich“ und „unheimlich“ changierenden Wechselbädern. Die Lichtinszenierungen, Videos und Audioart bieten Familien ein kommunikatives Erlebnis. In der Ausstellung kann der Wandel der künstlerischen Eroberungen der zeitgenössischen Kunst von der Collage, Assemblage, über das Environment zum Künstlermuseum verfolgt werden, vom Kunstwerk als Sammelobjekt zur Sammlung als Kunstwerk nachvollzogen werden. Die post- oder pseudomusealen Installationen führen den Betrachter in einen Modus konzentrierter Wahrnehmung.

Wunderland, Paradieswissenschaft oder Wunderforschung beleuchtet andere Lebensentwürfe und Kulturen. Die Ausstellungsstücke werden als Symbole unbewusster Erfahrungen positioniert; nämlich als poetische Welten, in die die Besucher träumend eintauchen und in denen sie unterschiedliche Einsichten gewinnen können. Es werden internationale Künstler mit eigenen Profilen, als auch junge und lokale Künstler eingeladen. In der dunklen Jahreszeit können sich die Besucher an den eigenwilligen Schöpfungen, den räumlichen kinetischen Objekte, Licht- und Klanginstallationen erfreuen und ihre eigene Sammeltätigkeit reflektieren.

Die Ausstellung wird am 13. Oktober 19.30 Uhr eröffnet. Sie wird von der Stadt Radebeul und der Sparkassenstiftung unterstützt die Ausstellung. Aus der Nähe sind Bärbel in Stefan Voigt mit dem Spiegelkabinett Fatalia, Bettina Zimmermann, Schloß Batzdorf, Inka Perl, Sehnsuchtsmuseum, vertreten. Weiterhin gibt es deutschlandweite und internationale Beteiligungen. Die Ausstellung wird bis 1. April gezeigt.

Eingeladen: Museum der Unerhörten Dinge, Roland Albrecht, Untergrundmuseum Berlin, Rainer Görß, Luftmuseum Amberg, Wilhelm Koch, Fatalia, Stefan und Bärbel Voigt, Lügenmuseum Radebeul, Reinhard Zabka, Otis Laubert, Bratislava, Kulturinsel Einsiedel, Nonseum, Herrnbaumgarten, Sehnsuchtsmuseum, Inka Perl, Musee de Insolite, Bertrand Chenu, Bimbotouwn, Getulio Damado, Jim Withling, Thawan Duchanee, Black House, White Temple, Chiangrai, Mark Divo, Künstlerhaus Pröslitz, Bettina Zimmermann, Schloß Batzdorf, Frank Herrmann, Justus Ehras

Weiterhin wird im November ein neuer Ausstellungsraum im Lügenmuseum eröffnet: „Interieur Underground“. Dafür wird einen Begleitbroschüre erarbeitet, an der auch Thomas Gerlach mitwirkt. Darin werden Geschichten von ausgegrenzten Künstlern und der Subkultur erzählt, über Brüche Verletzungen und den Humor, mit dem damit umgegangen wurde. Die Geschichten werden an Hand von Gegenständen oder Dingen erzählt. Wenn jemand noch einen Beitrag dazu senden möchte, dann gern.

Wir danken für Unterstützung und Förderung: Kulturland Brandenburg, Staatskanzlei Sachsen, Stadt Radebeul, Stadt Dresden, Kulturstiftung des Bundes, Fonds Neue Länder, die Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Bundesländer, Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Landesbeauftragter für Stasi-Unterlagen Sachsen, Sparkassenstiftung Meißen und anderen.

Kunst der Lüge e.V.

(Der Verein übernahm die Trägerschaft für:
Zentralfriedhof, letzte Ruhestätte für Investitionsruinen. Kunstprojekt im öffentlichen Raum, Ostprignitz 2008
unverbesserlich‘89, 40 Künstler der friedlichen Revolution,
Ausstellung Gasthof Serkowitz 2014
Labyrinth Deutsche Einheit, Ausstellung Gasthof Serkowitz 2015
ach – die heimat, Kunstprojekt im öffentlichen Raum und die 700- Jahr-Feier Serkowitz, Gasthof Serkowitz 2015
WuKaMenta #neumarkt, Kunst im öffentlichen Raum, Neumarkt Dresden, Juni 2016 und Juni 2017
WuKaMenta #rathaus, Kunstprojekt zum Tag der Deutschen Einheit vor dem Rathaus Dresden, Oktober 2016
WuKaMenta #serkowitz, 100 Jahre DaDa, Ausstellung im Tanzsaal des Gasthofes Serkowitz, Dezember 2016)

„Auswandern und Ankommen !“

Das Schauspielensemble der Landesbühnen Sachsen rüstet für ein Gastspiel in den USA

Das gab es wohl noch nie in der lokalen Theatergeschichte, ein Schauspielensemble der Landesbühnen Sachsen macht sich auf zu einer Gastspielreise nach North Carolina in den USA. Nein, es soll kein Urlaub werden und auch keine Erholungsreise. Erstmals in der langen Geschichte des Radebeuler Reisetheaters „Landesbühnen Sachsen“ bricht eine Gruppe von Darstellern des Radebeuler Theaters auf, um den Atlantik zu überqueren und um dort – nach der Ankunft im „gelobten Land“- ein Stück aufzuführen, dass seine Premiere unter der Regie von Olaf Hörbe zwar schon vor einigen Monaten am Radebeuler Theater (den Landesbühnen Sachsen) erlebte. Dessen Handlung aber führt den Zuschauer fast dreihundert Jahre in die deutsch-amerikanische Geschichte zurück; in das Jahr 1742 nämlich. Damals versammelte der lutherische Pastor Heinrich Melchior Mühlenberg in Deutschland seine Anhänger, um sich mit ihnen auf die Reise über den Atlantik (ins „gelobte Land“) zu begeben. Die Strapazen solch einer Reise aber hatten sie alle unterschätzt. Auch über die dort in Amerika bestehenden Verhältnisse wussten die Ankömmlinge kaum etwas. Denn sie wurden dort u.a. mit Sklavenmärkten konfrontiert, auf denen die Menschen selbst zur Handelsware wurden.

»In Gottes eigenem Land« mit Gojko Miti´c und Moritz Gabriel
Bild: H. König


Die Radebeuler Inszenierung von „In Gottes eigenem Land“ erlebte im Februar 2017 in Radebeul ihre Premiere und wurde danach sowohl im Radebeuler Stammhaus als auch auf der Felsenbühne in Rathen zu einem wahren Publikumsrenner.

Vor einigen Wochen nun folgte die Einladung zu einer Gastspielreise nach Pennsylvania und North Carolina. Gespielt wird dort vorwiegend in Kirchen; u.a. auch in jener Kirche, die Mühlenberg seinerzeit mit den deutschen Auswanderern erbaut hatte. Und überhaupt; die Kirchen werden während dieser Reise zu den wohl wichtigsten Partnern der deutschen Darsteller.

In die Vorbereitung dieses einmaligen Highlights sind sowohl zahlreiche deutsche Darsteller, aber auch der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich involviert.

Zusätzlich zur mehrfachen Aufführung des Theaterstücks wird es in Amerika noch zwei Konzerte geben. Mit dabei wird auch Paul Heller sein, er ist der Komponist der Bühnenmusik. Die ins Leben gerufene Kampagne „So geht sächsisch!!!“ spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Nicht zuletzt sei noch die Kampagne erwähnt, die u.a. den Weg für dieses Gastspiel ebnete. Ein Grußwort von Stanislaw Tillich – dem sächsischen Ministerpräsidenten – hebt diese Gastspielreise auf ein zusätzliches und sehr bedeutendes Podium.

Wolfgang Zimmermann

Thilo Hänsel, 4. August 1939 – 2. September 2017

Die Heimat zu preisen, „als das Werk eines unbeschreiblichen Schöpfers“ – diesem tiefempfundenen Anliegen verdanken sich Thilo Hänsels Zeichnungen. Am 2. September hat er den Stift für immer aus der Hand gelegt.

Thilo Hänsel (1.v.l.) zur Ausstellungseröffnung »Das Haus im Weinberg«, August 2016 im Weinbaumuseum Hoflößnitz
Bild: K. Baum


Thilo Hänsel war am 4. August 1939 in Annaberg im Erzgebirge zur Welt gekommen. Vier Wochen danach begann jener wahnsinnig wütende Krieg, der ihm den Vater nahm. Dessen Skizzenbuch wurde für den Jungen zum Heiligtum; ein einfühlsamer Zeichenlehrer weckte in ihm die Freude am eigenen künstlerischen Tun. Fortan ist er stets mit Block und Stift unterwegs gewesen, und immer hat er etwas Lohnendes zum „Zinseln“ gefunden.

Seinen Wunsch, nach dem 1957 in Freiberg abgelegten Abitur an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig seine künstlerischen Fähigkeiten zu vertiefen, konnte sich Thilo Hänsel nicht erfüllen. Stattdessen kam er 1958 nach Dresden, um an der TU Architektur zu studieren. Während dieses Studiums konnte er bei Prof. Dr. Walter Hentschel am Institut für Kunst- und Baugeschichte famulieren, was eine ihm wertvolle Vertiefung der Studieninhalte mit sich brachte.

Besonders dankbar nahm er an, dass damals noch großer Wert auf die künstlerische Bildung der künftigen Architekten gelegt wurde. Unter den Augen von Prof. Georg Nehrlich beschäftigte er sich mit Handzeichnen, Aktstudien und Malerei. Mit dieser „Schulung der Augen“ wuchsen der Blick fürs Wesentliche wie auch die Liebe zum Detail. Über die Hand konnte er so auch ein Gefühl für Proportionalität und Maßstab, für die innere Qualität von Architektur gewinnen. Es tat ihm weh zu sehen, wie in den letzten Jahren nicht nur die Architekten ihre Handfertigkeit zugunsten der toten Maschinenzeichnung aufgegeben haben.

Nach Studienabschluss fand Thilo Hänsel in Prof. Dr. Rolf Göpferts Entwurfsbüro eine erste Anstellung. Später war er für das Planungsbüro AIT tätig. Über viele Jahre stand sein Reißbrett im Südflügel des Dresdner Schlosses. Gegen Ende seiner beruflichen Laufbahn leitete er auch den Rohbau für die Wiedererrichtung der einstigen königlichen Residenz. Als seine schönste Baustelle bezeichnete er stets den Dresdner Zwinger. Hier hat er die Rekonstruktion des Semperbaus wesentlich mitbestimmt.

Alle diese Aufgaben ermöglichten ihm ein tiefes Eintauchen in die Traditionslinien der Baugeschichte. Die epochalen Katastrophen des 20. Jahrhunderts hatten durch Diktatur und Depression alle Kontinuitäten grundhaft zerstört. Mühsam versuchte er, bei seiner nicht zuletzt zeichnerischen Auseinandersetzung mit historischer Architektur wenigstens für sich selbst noch Anknüpfungspunkte zu finden.

Thilo Hänsel hat Architektur immer zuerst als Bau – Kunst verstanden.

Zeit seines Lebens ist Thilo Hänsel ein begeisterter Musiker gewesen. Schon als Kind lernte er, mit der Flöte umzugehen. Später, im Posaunenchor und im TU-Orchester wechselte er zu den Blechbläsern, bevor er im Rahmen der Hausmusik zur Flöte zurückfand.

In Zeichnung oder Aquarell fand er die ihm gemäße Antwort auf die ihn umgebende gebaute Landschaft. Indem er zeigte, was war, wurde er auch zum Chronisten, der manches Detail bewahrte, was sonst längst vergessen wäre. Dieses Bewahren war ihm ebenso wichtig wie das Erinnern.

Das von Thilo Hänsel gepflegte liebevolle Erinnern, das, oft stark romantisierend, manchmal die Vergangenheit über die Gegenwart hob, war auch der Sorge um die Zukunft geschuldet. Die „Romantiker“ haben ja die Welt nicht nur verklärt, zuallererst haben sie Verantwortung für sie übernommen. Als Architekt war ihm „Verantwortung“ nicht fremd. Als Architekt dachte er lösungsorientiert: nicht so viel reden, tun! war sein Credo. In der AG Stadtmuseum war er als der Älteste lange Zeit derjenige, der voranging. Zahlreiche Ausstellungen gingen auf seine Initiative zurück. Nicht nur die Mühlenausstellung mündete in eine Publikation.

Auch Vorschau und Rückblick profitierte von seinem Fleiß: die Jahrgänge 1990 und 2010 (der erste und der zwanzigste) tragen seine Skizzen im Titel. Die Urkunden für den Bauherrenpreis leben ebenso von seinen Zeichnungen. Thilo Hänsel war Gründungsmitglied im Verein für Denkmalpflege und neues Bauen gewesen, der den Preis initiiert hatte.

Begonnen mit dem von uns gemeinsam erwanderten „Lößnitzgrundbuch“ entstanden in den letzten Jahren zahlreiche Publikationen mit Hänselschen Zeichnungen. Neben „Mein Radebeuler Skizzenbuch“ und „Dresdner Skizzen“ sind hier das mit Sohn Markus erstellte Katalogbändchen „Auf den Spuren der Gebrüder Ziller“ und besonders das letzte, gemeinsam mit Klaus Schumann geschaffene Büchlein „Weinberghäuser im Elbtal“ hervorzuheben. Sie alle lassen erkennen, wie Thilo Hänsels Liebe zur „Heimat als Werk eines unvergleichlichen Schöpfers“ beredten Ausdruck fand.

Thomas Gerlach

Lutherkirche und neues Gemeindehaus

Einladung des Vereins zur öffentlichen Veranstaltung in der Lutherkirche

Schon einmal in diesem Jahr berührte eine Veranstaltung des Vereins die Radebeuler Lutherkirche (Julius Wilhelm Graebner – Vortrag anlässlich des 100. Todestages s. V&R März 2017). Nun bietet sich eine wunderbare Gelegenheit im Sinne des Vereinsanliegens „Denkmalpflege und neues Bauen“ gemeinsam mit der Lutherkirchgemeinde zu einer Veranstaltung einzuladen, die den modernen Bau des neuen Gemeindehauses vorstellt.

Das neue Kirchgemeindehaus für die Lutherkirche in Radebeul strebt seiner Fertigstellung entgegen, schon heute sind der Baukörper und seine äußere Gestaltung ablesbar und auch der Innenausbau schreitet voran. Das Gebäude soll im Frühjahr 2018 vollendet werden.

Siegerentwurf: Aussenansicht
Bild: Knoche Architekten BDA


Die jüngere Geschichte des Vorhabens reicht bereits einige Jahre zurück. Nach langer Gemeinde- interner Vorbereitung wurde im Jahre 2012 ein Architektenwettbewerb ausgeschrieben, an dem sich 12 Sächsische Architekturbüros beteiligten. Die Jury unter dem Vorsitz der Dresdener Architektin Delia Bassin kürte den Beitrag des Leipziger Büros KNOCHE ARCHITEKTEN BDA als eindeutigen Sieger des Verfahrens und empfahl, den Siegerentwurf auch umzusetzen.

Das Raumprogramm enthielt keine Überraschungen: einen grossen, teilbaren Gemeindesaal, einen kleinen Gemeinderaum und ein Raum für die Jugendarbeit sowie Küche, Büro und Nebenräume. Die eigentliche Schwierigkeit lag in einem – auf den ersten Blick nicht aufzulösenden -Widerspruch: während nämlich die Kirchgemeinde einen direkten Anbau mit barrierefreier Anbindung an die Kirche als unverzichtbar bezeichnete, war die Zielstellung des Denkmalschutzes ein freistehendes Gebäude mit möglichst großem Abstand zur Kirche.

Siegerentwurf: Innenansicht
Bild: Knoche Architekten BDA


Die Auflösung dieses Zielkonfliktes lieferte nur der Siegerentwurf, weil er das baukörperlich ablesbare Volumen durch eine erdüberdeckte Anbindung mit der Kirche verbunden hat. Der Neubau bindet in die bestehende Topographie ein, tritt als Volumen zurück und lässt durch seine horizontale Erscheinung der Lutherkirche ihre Wirkung als vertikaler Solitär. Trotz baulicher Anbindung des Neubaus an die Kirche bleibt der äußere Umgang um die Kirche erhalten.

Die innenräumliche Anbindung des Kirchengebäudes erfolgt über einen Durchgang im Sockelgeschoss der Kirche, diese Anbindung fügt sich schlüssig in die Erschließungs- und Funktionsstruktur des Gesamtensembles ein und erfüllt zudem die Forderung des Denkmalschutzes zur Erhaltung des äußeren Rundweges um die Kirche. Die vertikale Verbindung des Neubaus mit dem Niveau des Kirchenschiffes findet innerhalb des Kirchenraumes statt. Eine Treppe sowie ein behindertengerechter Aufzug werden seitlich unterhalb der Emporen eingebaut und daher als nur geringfügiger Eingriff in den Bestand betrachtet.

Der teilbare Gemeindesaal wird über das zweiseitig zugängliche Foyer erschlossen und orientiert sich mit der Längsseite in den ruhigen Norden auf den Ehrenhain. Durch die räumlich – topographische Fassung des Umgangs um die Kirche und die bestehende Bepflanzung wird die Vorzone des Gemeindesaals zu einem ruhigen, dreiseitig begrenzten Außenraum ausgebildet.

Der Kleine Gemeinderaum, der Jugendraum, das Büro und die Küche liegen in der südlichen Gebäudespange. Büro und Küche orientieren sich in den umgebenden Außenraum nach Süden, während der Jugendraum und der Gemeinderaum 2 in einen umschlossenen Innenhof blicken. Dieser Innenhof orientiert sich ins Gebäudeinnere und bildet somit eine besondere Charakteristik als Raum für ruhige Momente.

Die äußere und innere Gestaltung des Gebäudes wird bestimmt von wenigen, wertigen und natürlichen Materialien wie beispielsweise das Verblendmauerwerk aus Recyclingziegeln. Es übernimmt die Materialität des Kirchengebäudes, aber auch die Farbigkeit der Sockelzone. Dadurch wird eine ausgewogene Balance von Unterordnung und Eigenständigkeit in der Erscheinung gefunden. Das Kirchgemeindehaus formuliert sich als Nebengebäude und lässt der Kirche ihre Dominanz.

Auch Holz spielt im Materialkonzept eine entscheidende Rolle: ob als Holz für die Tragkonstruktion des Daches, für Fenster, Einbaumöbel oder Böden, überall wo die Oberfläche in direkten Kontakt mit den Benutzer/innen tritt, prägen die klaren Raum- und Baukörperkonturen einerseits, aber auch die natürlichen, handwerklich erzeugten Materialien die haptische Erlebbarkeit des Bauwerks und erzeugen eine dauerhaft wertige, natürliche und warme Atmosphäre der Außen- und Innenräume.

Durch das Zusammenspiel seiner sowohl konzeptionellen als auch konstruktiven Merkmale wird der eingeschossige Baukörper als neuer Baustein zwischen Gartendenkmal, Kirche und der südlichen Bebauung des Grundstücks wahrgenommen und fügt sich als Knotenpunkt und Neue Mitte zwischen der Kirche als Andachtsraum, dem Landschaftsdenkmal als Raum zum Gedenken sowie den bestehenden Pfarrhäusern an der Karl – May – Straße harmonisch ein.

Die beiden Zeichnungen zeigen den Eingangsbereich und den Gemeindesaal im Wettbewerbsstand.

Am 20.10.2017 ab 19 Uhr ist es möglich die Baustelle individuell zu besichtigen.

19.30 Uhr wird dann in der Lutherkirche Professor Knoche zur Findung und Umsetzung des Entwurfs berichten und klärt die Frage, ob der Wettbewerbsentwurf ohne wesentliche Änderungen umgesetzt werden kann.

Herzliche Einladung an alle Interessierten.

Prof. Christian Knoche
Michael Mitzschke

Editorial 10-17

Der Herbst macht derzeit, wie immer natürlich, die Blätter bunt. Und in diesem Jahr gibt es es noch bunte Blätter ganze anderer Art. Bunte Plakate die uns an zahllosen Laternenpfählen begegnen. Interessant sind da immer wieder die Höhenunterschiede. Ganz hoch, um möglichst nicht bekämpft zu werden oder eben auf normalem Niveau. Alle Facetten des politischen Spektrums lächelt uns zugeneigt entgegen.

Selbst noch lange nach der Wahl werden die bunten Blätter hängen und langsam verblassen. So wie der Herbst eben.

Die Parteien werben wie immer um die Gunst des Volkes. Deutschland wählt wieder mal! Bei Drucklegung des Oktoberheftes werden die Wahlen bereits entschieden sein. Man darf also gespannt sein.

Da hängen sie also, unsere Politiker, wieder nach vier Jahren, allerorts herum. Viele Jahre verschwunden in Parlamenten und Gremien, sind sie zur Wiederwahl wieder plötzlich präsent.

Mit bunten Farben und markanten Sprüchen, um uns mit all jenen Konzepten zu überzeugen. Von einer Schicksalswahl wurde gar schon gesprochen. Der wichtigsten Wahl nach Jahrzehnten. Nur wohin? Die Welt verändert sich rasant, und es scheint, als hinkten alle Visionen hinterher.

Auch Talkrunden und sogenannte TV-Duelle konnten da wohl kaum Lösungen bieten.

Die Wahlergebnisse liegen nun vor.

Sascha Graedtke

Das Wissen wächst mit der Sammlung

Kunst aus vier Jahrhunderten in der Radebeuler Stadtgalerie

Jubiläen regen zum Innehalten und Nachdenken an: Woher, weshalb, wohin? Ist es eigentlich wichtig, dass Radebeul eine Städtische Kunstsammlung besitzt? Die Interessen der Jüngeren verlagern sich zurzeit rasant. Sportvereine expandieren. Kunst- und Geschichtsvereine lösen sich auf. Und immer wieder heißt es lapidar »Kunst und Kultur muss man sich leisten können«.

Johannes Thaut »Unser Heimatmuseum« um 1960, Linolschnitt (s. auch Monografie zur Geschichte der Stadt, 1961, Heft 5)Johannes Thaut »Unser Heimatmuseum« um 1960, Linolschnitt (s. auch Monografie zur Geschichte der Stadt, 1961, Heft 5)
Bild: Archiv Stadtgalerie

Ein Blick zurück kann hier nicht schaden. Erinnert sei an die vielfältigen kulturellen Aktivitäten unmittelbar nach dem Ende des zweiten Weltkrieges. Bereits im Juni 1945 hatten Künstler und umsichtige Kommunalpolitiker im Radebeuler ››Haus der Kunst« eine erste Kunstausstellung organisiert, zu der die Menschen in Scharen, selbst zu Fuß aus Dresden. strömten. Man hungerte. viele Menschen hatte nur ein notdürftiges Dach überm Kopf, doch Kunst und Kultur vermittelten ihnen im schwierigen Alltag Lebensmut.

Erste Überlegungen, Kunst für ein künftiges Museum zusammenzutragen, gingen einher mit der Bildung eines Kunstvereins für die Lößnitzortschaften, welcher sich 1907 gründete und bereits 1914 wieder auflöste. Wenig später verfügte man durch das neu eröffnete Heimatmuseum tatsächlich über einen Ort, wo sich Sammelgut deponieren lies. Darunter natürlich auch Kunst. Doch Vieles blieb dem Zufall überlassen. Vom gezielten Aufbau einer Kunstsammlung konnte noch keine Rede sein, lag doch der inhaltliche Schwerpunkt auf dem Bewahren von stadtgeschichtlich bedeutsamen Sachzeugnissen.

Aus besonderem Anlass sei ein weiterer Rückblick gestattet. Bedingt durch meine Diplomarbeit ››Zur Malerei und Grafik in Radebeul von 1945 bis zur Gegenwart« hatte ich zu Beginn der 1980er Jahre einen Großteil der in Radebeul wirkenden Künstler persönlich kennen gelernt, darunter auch Theodor Rosenhauer, Gussy Hippold und Heinz Drache. Voller Ehrfurcht besuchte ich sie in ihren Ateliers. Mein Wissen über die Radebeuler Kunstszene war im Vergleich zu heute allerdings sehr rudimentär. Einige Künstler verweigerten sich jedweden Recherchen total und äußerten ihre Bedenken. Sie befürchteten als provinzielle Heimatmaler abgestempelt zu werden. Obwohl sie in Radebeul wohnten, befanden sich ihre Ateliers in der Kunst- und Kulturmetropole Dresden, die sie als ihre eigentliche Wirkungsstätte betrachteten.

Mit Eröffnung der »Kleinen Galerie« in Radebeul-Ost am 16. Dezember 1982 wurde es möglich, Kunst von Radebeuler Künstlern in der Stadt Radebeul kontinuierlich zu präsentieren. lm Juni 1984 hatte ich die Leitung der Galerie übernommen und fand es sehr schade, dass im Unterschied zu einem Museum nach den beständig wechselnden Ausstellungen nur noch die leeren Räume zurück geblieben waren. Wie aber wollte man nachfolgenden Generationen verständlich machen. was die so zahlreich in Radebeul ansässigen Künstler geschaffen hatten? Die Idee vom Aufbau einer Städtischen Kunstsammlung blieb über viele Jahre eine Theorie.

Es sind wohl immer wieder Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche, die Neues hervorbringen und dessen Umsetzung ermöglichen. Das Anliegen, für die Stadt Radebeul eine Kunstsammlung aufzubauen, stieß bei meinem unmittelbaren Vorgesetzten Dr. Dieter Schubert, der von 1991 bis 2005 in Radebeul die Funktion des Amtsleiters für Bildung und Kultur innehatte, auf großes Verständnis. Ebenso bei der damaligen Dezernentin Dr. Ellen Brink. Schließlich wurde 1992 erstmals ein Budget für Kunstankäufe in den Städtischen Haushalt eingestellt. Darüber hinaus fanden sich zahlreiche Förderer und immer wieder auch Künstler sowie Angehörige von Verstorbenen, die durch Schenkungen oder Verkäufe zu Sonderkonditionen zur Bestandserweiterung der Städtischen Sammlung beigetragen haben.

Die zunächst an verschiedenen Orten gelagerten Exponate wurden 2009 zusammengeführt und erstmals in eigens dafür eingerichteten Depoträumen untergebracht. Endlich konnte mit der fachlichen Arbeit begonnen werden. Doch die Freude darüber währte nur kurze Zeit. Und so hieß es bereits 2015, alles Kunstgut behutsam ein- und auspacken, auf eventuelle Umzugsschäden prüfen, in Stahlregale und Grafikschränke wieder neu einsortieren.

Die Städtische Kunstsammlung umfasst gegenwärtig weit über 2.000 Exponate. Das Profil ist ausgerichtet auf Werke von Künstlern, die in Radebeul ansässig waren oder sind bzw. deren Wirken in einer unmittelbaren Beziehung zur Radebeuler Kunstszene stehen. Den Schwerpunkt bilden Arbeiten aus dem 20. Jahrhundert, wobei sich zwei Weltkriege und gesellschaftliche Umbrüche als einschneidende Zäsuren auf das Schaffen und die Existenzbedingungen der Künstler nicht unerheblich ausgewirkt haben. Dass sich Radebeul ab Mitte des 19. Jahrhunderts zu einem bedeutenden Industriestandort entwickelte, wurde von der Kunstszene weitestgehend ignoriert und bis heute dominiert die konventionelle Vorstellung von der privilegierten Villen-, Wein- und Gartenstadt. Der erste Kunstankauf, Heinz Draches Gemälde »Meine Umgebung« (i960], war bewusst gewählt. Ging es doch darum, mit dem Klischee zu brechen und das vielfältige Spektrum des künstlerischen Schaffens in der Lößnitzstadt aufzuzeigen.

Mit der Umwandlung des städtischen Museums Hoflößnitz, in die Stiftung »Weingutmuseum Hoflößnitz«, wurde 1997 dessen Gesamtbestand an Kunstwerken aufgeteilt. Den weíngutspezifischen Teil erhielt die Stiftung. Ein Konvolut von über 200 vorwiegend stadtgeschichtlich geprägten Kunstexponaten des 18., 19. und 20. Jahrhunderts ging in die Städtische Sammlung ein. Darunter befanden sich künstlerisch anspruchsvolle Gemälde von Karl Kröner und Paul Wilhelm sowie eine große Zahl romantisierender Heimatbilder. Die umfangreichen Konvolute aus den Nachlässen von Moritz und August Retzsch wurden zur Aufbewahrung und weiteren Bearbeitung an das Radebeuler Stadtarchiv übergeben.

Heinz Drache »Meine Umgebung« 1960, Öl auf Leinwand (Radebeul Ost)
Bild: Archiv Stadtgalerie

Unter dem Motto »Sammlung statt Sammelsurium« bietet die Stadtgalerie zum 25jährigen Bestehen der Städtischen Kunstsammlung bereits zum zweiten Mal einen umfassenden Einblick in den Sammlungsbestand. Gezeigt werden von achtzig Künstlern cirka einhundertfünfzig Exponate aus vier Jahrhunderten. Schwerpunktthemen sind Stadt- und Naturlandschaften, Künstlerbildnisse und Künstlerselbstbildnisse, figürliche Darstellungen, Tierstudien und Stillleben. Ausgewählte Arbeiten reflektieren zeitgeschichtliche Ereignisse und individuelle Befindlichkeiten. Beispielgebend seien in diesem Zusammenhang die Arbeiten »Zug der Trauernden« [1915] von Käthe Kuntze oder »Gerettete Stirngedanken« [1992] von Ingo Kuczera genannt. Das Ausstellungskonzept bietet dem Besucher zahlreiche Möglichkeiten des Vergleichs. Obwohl die Fülle der Exponate, die Räume der Galerie zu sprengen droht, stellt sich auf den zweiten Blick eine Ordnung her, die dem Titel der Ausstellung durchaus entspricht.

Mit ihrer Sammlung verfügt die Stadt Radebeul über einen reichhaltigen Bestand an Kunstwerken der Malerei, Grafik und Plastik von weit über einhundert verstorbenen und lebenden Künstlern, die auf unkomplizierte Weise in die Gestaltung von thematischen Ausstellungen oder in Gedenkausstellungen zur Würdigung verstorbener Einzelkünstler integriert werden können. Darüber hinaus beinhaltet die Sammlung Skizzenbücher, Entwürfe, Modelle, Bild-, Text-, Film- und Tondokumente. Für die kunstwissenschaftliche Forschung bietet sich ein breites Betätigungsfeld. Eine wichtige Aufgabe der nächsten Jahre ist die digitale Vernetzung mit regionalen und überregionalen Archiven und Museen.

Der eigentliche Wert der Sammlung besteht wohl darin, für künftige Generationen zum kulturellen Gedächtnis der Stadt einen Beitrag zu leisten. Und mit Mehrwert ist keinesfalls die fiktive Wertsteigerung auf dem Kunstmarkt gemeint.

In diesem Sinne wertvoll ist zum Beispiel eine kleine unscheinbare Porträtzeichnung, die der Radebeuler Kunstpreisträger Prof. Claus Weidensdorfer als Schüler von seinem Lehrer Dr. Georg Paech angefertigt hatte, der bei ihm das Interesse für die Kunst weckte, woran sich der 86-jährige renommierte Maler und Grafiker noch heute voller Dankbarkeit erinnert. Dr. Georg Paech wiederum war eine universell begabte Persönlichkeit. Das Monatsheft ››Die Vorschau« [Jg. 1958] widmete ihm einen doppelseitiger Beitrag. Einige künstlerische Arbeiten von Dr. Georg Paech sowie die erwähnte Porträtzeichnung hatte Prof. Claus Weidensdorfer der Städtischen Kunstsammlung geschenkt.

Claus Weidensdorfer »Musikshow« 2009, Tusche/Kohle
Bild: Archiv Stadtgalerie

Und so verbergen sich hinter vielen Exponaten der Sammlung Geschichten, die vom Leben in der Lößnitzstadt zu berichten wissen. Recht spannende Fragen sind zum Beispiel auch: Unter welchen Umständen sind die Kunstwerke entstanden und wie haben sich die Lebensbedingungen der Künstler im Laufe der Jahrhunderte verändert? Wie gelang es den Frauen, sich im Kunstbetrieb durchzusetzen? Welche künstlerischen Strömungen hatten Einfluss auf das Schaffen? Was verbirgt sich hinter den Begriffen »Die Sieben Spaziergänger« oder »Die Lücke«? Welche Künstler waren der Staatssicherheit ein besonderer Dorn im Auge und warum? Was wurde aus den sozialistischen Auftragswerken? Alles in allem für Kunstwissenschaftler und Historiker ein reiches Betätigungsfeld. Künstlerinnen wie Käthe Kuntze, Ruth Meier, Käthe Trehde und Magdalene Kreßner sind völlig unterschätzt und es lohnt sich, diese neu zu entdecken.

Gespräche mit lebenden Künstlern und Angehörigen verstorbener Künstler stehen in den kommenden Wochen auf dem Programm. Denn auf Fragen, die nie gestellt wurden, kann es auch keine Antworten geben. Alles ist ein Wettlauf mit der Zeit. Glück und Zufall waren dabei oft im Spiel. So rettete Werner Wittig im letzten Moment Ruth Meiers Druckstöcke vom Abfallcontainer. Gussy Híppold übergab der Stadtgalerie kurz vor ihrem Umzug vom »Haus Sorgenfrei« in einen Gorbitzer Plattenbau zahlreiche Druckplatten, Aquarelle und Grafiken für die Radebeuler Sammlung. Durch Vermittlung einer Radebeulerin schenkte vor wenigen Wochen ein privater Sammler der Städtischen Kunstsammlung drei gesellschaftskritische Tafelbilder von Horst Hille, die im Zeitraum von 1989 bis 1994 entstanden waren. Ebenfalls in diesem Jahr schenkten die Künstler Gunter Herrmann und Peter Graf der Sammlung Gemälde mit den Porträts der Künstlerkollegen Klaus Liebscher und Dieter Beirich.

Markus Retzlaff »Günter Schmitz« 1999, Holzschnitt
Bild: Archiv Stadtgalerie

Sammeln erfordert Leidenschaft, Wissen, Spürsinn. Glück, Geld. Zeit und Raum. Das Wissen wächst mit der Sammlung. Geld, Zeit und Raum sind jedoch knapp bemessen. Ein klares Sammlungsprofil wird auch in Zukunft erforderlich sein. damit aus der Sammlung kein Sammelsurium wird. Mit der Kunstsammlung besitzt Radebeul einen Schatz. Das in die Stadt gesetzte Vertrauen gilt es durch einen achtsamen Umgang mit diesem Schatz zu rechtfertigen. Und vielleicht erfüllt sich auch eines schönen Tages der Traum vom öffentlich zugängigen Schaudepot. Dass sich die Städtische Kunstsammlung seit 1992 so gut entwickeln konnte, ist der Verdienst von vielen Menschen. All jenen, die uns bei deren Aufbau aktiv und umsichtig begleitet haben, gilt unser herzlicher Dank. Den Besuchern der Jubiläumsausstellung wünschen wir Anregung, Erkenntnis und Genuss.

Da man auf die Eröffnungsveranstaltung nicht verzichten wollte, werden inhaltliche Schwerpunktbereiche wie Plastik, Kleingrafik. Fotografie und Dokumente zu einem späteren Zeitpunkt ergänzt. Ohnehin trägt die Ausstellung Prozesscharakter. Aktuelle Erkenntnisse fließen fortlaufend ein und es lohnt sich, die Ausstellung mehrmals zu besuchen.

Karin (Gerhardt) Baum

Geöffnet ist die Ausstellung vom 17.9. bis 29.10. und vom 19.11. bis 17.12.2017 Sonderführungen mit der Galerieleitung erfolgen in terminlicher Abstimmung unter 0160 2357039.

Ein neuer, stiller Brunnen in Oberlößnitz

»Bilz-Denkmal« an der Kreuzung Augustusweg und Eduard-Bilz-Straße

»Bilz-Denkmal« an der Kreuzung Augustusweg und Eduard-Bilz-Straße Foto: D. Lohse

Der Schnittpunkt der heutigen Straßen Augustusweg und Eduard-Bilz-Straße weitet sich etwas, so dass hier ein kleiner Platz entstanden ist. Die längste Zeit war er namenlos, zwischen 1908 und 1919 nannten ihn die Oberlößnitzer aber Königsplatz (in Erinnerung an den Besuch und festlichen Empfang des sächsischen Königs Friedrich August III 1908 an dieser Stelle) und nun soll der Platz Bilzplatz heißen und an den ehemals hier wirkenden Naturheilkundler Friedrich Eduard Bilz erinnern.
Gestaltungen hatte dieser Platz schon in den verschiedensten Formen. Die Gebr. Ziller erlagen 1871 dem allgemeinen Siegestaumel (Deutschland hatte gerade Frankreich besiegt) und errichteten hier auf einem gemauerten Plateau eine Viktoria, gemeint die Siegesgöttin, also eine Siegessäule. Wie viele um diese Zeit in Radebeul aufgestellte Verschönerungselemente (Figuren, Tiere oder Vasen) soll auch die Viktoria samt Säule aus der Produktion der Charlottenburger (heute Berlin) Manufaktur Otto March gestammt haben. Man darf den Zillers durchaus unterstellen, dass sie sich mit dieser Verschönerung auch bessere Verkäufe der Villen in der Sophienstraße (heute Eduard-Bilz-Straße) erhofften. Die Viktoria wurde beschädigt und baufällig, so dass sie 1907 abgetragen werden musste. Damit liegt der Abbau deutlich vor 1919, als dann das Abkommen von Versailles den Deutschen den Abbau von Siegessäulen zum Krieg von 1870/71 vorschrieb. Nach og. Königsbesuch erfolgte die nächste Platzumgestaltung: ein runder Springbrunnen umgeben von halbhohem Grün durch einen oben mit Bögen verzierten Eisenzaun eingefriedet. Ich gehe davon aus, dass nach 1945 keine Fontäne mehr funktionierte und das Brunnenbecken mit Erde gefüllt und, wenn es die Stadtkasse zuließ, auch mit Blumen bepflanzt wurde. An dieses Bild erinnere ich mich, weil es eine Zeit lang an meinem Schulweg lag. So um das Jahr 2000 hatte dann der Bilz-Bund die spontane Idee den verödeten Platz mit einem Gedenkstein für F. E. Bilz zu bereichern. Leider hatte dieser Stein die Form eines Grabsteins und ich musste mehrmals Radebeulern und interessierten Touristen erklären: nein, hier wurde Bilz nicht begraben! Die Planung der Neugestaltung des Platzes von 2015 verzichtet auf diesen Stein, wofür ich dankbar bin.
Ehe wir die einzelnen Gestaltungselemente betrachten, möchte ich darstellen, dass diese erneute Umgestaltung auf einem „breiten Fundament“ steht. Selbstverständlich ist die Stadtverwaltung als Grundstücksbesitzer zentral beteiligt, hinzu kommt der „Verein für Denkmalpflege und neues Bauen“, der sich auch an anderen Stellen Radebeuls, so zB. am Fontäneplatz (Dr.-Schmincke-Allee), für ältere Platzgestaltungen engagiert hatte, der Bilz-Bund und schließlich auch einige Bürger, die in der Nähe des Platzes wohnen, und sich finanziell beteiligten, so dass sie nun mit Fug und Recht von „ihrem Platz“ sprechen dürfen. Die Gesamtkosten beliefen sich um 100 000 €. Die Anlage wurde Mitte Juni 2017 feierlich eröffnet.
Die neue Gestaltung nun knüpft hier und da an ältere Ideen der wechselvollen Platzgeschichte an ohne das Alte kopieren zu wollen – das ist ein Ballanceakt, der mir aber letzten Endes geglückt zu sein scheint. Da ist die Idee, am Halbrund des Grundrisses des Platzes festzuhalten, hinzu kommt die Höhendominante (Figur auf Säule), die zugleich Blickfang ist, wenn man die Eduard-Bilz-Straße heraufkommt und schließlich die Einbeziehung von Wasser in die Gestaltung. Was ist nun aber anders? Das äußere Halbrund hat mit dem stillen Wasserbecken in der Mitte eine Erwiderung der Form bekommen. Die weibliche Figur auf der glatten, „nicht korinthischen“ Säule will keine Viktoria, die über wen auch immer gesiegt zu haben glaubt, sein, sondern sie will eher an Bilz erinnern, der in seiner Werbung für das Sanatorium eine junge Dame bemüht hatte, die die Bewegung an der frischen Luft (erinnernd an den Bilz’schen Dreiklang. Licht, Luft, Wasser) darstellte. Dass diese nun mehr als zwei Arme hat, ist der künstlerischen Freiheit des Berliner Künstlers Roland Fuhrmann geschuldet, der so und mit Lichtreflexen auf dem glänzenden Metall Bewegung darstellen will. An ein anatomisches Wunder oder eine Missgeburt muss man nicht denken! Die landschaftsgärtnerische Gestaltung stammt von Dr. Grit Heinrich, in Radebeul keine Unbekannte mehr. Und wie ist das Wasser neu eingebunden? Ein von Sandstein gebildetes flaches (kleine Kinder dürften nicht ertrinken) Becken wird von einem oberen Überlauf gespeist und tritt am unteren Rand wieder aus – die Brunnengestaltung entspricht so dem natürlichen Gefälle des Geländes und strahlt Ruhe aus, die eventuell vorbeikommende Wanderer von zwei Sandsteinbänken aus erleben können, wenn sie wollen. Je ein dem Halbrund folgender Heckenstreifen grenzt die Ruhebänke vom mäßigen Verkehr auf der Eduard-Bilz-Straße ab. Der Bilz-Bund hat sich noch mit einer besonderen Idee, einem Trinkbrunnen, eingebracht.

Detail der Skulptur

Detail der Skulptur Foto: D. Lohse

Hier kann per Knopfdruck an einer kleinen Sandsteinsäule eine bestimmte Menge sauberes Wasser empfangen werden. Wahrscheinlich wollte man „mit der Zeit gehen“ und hat mit der Bilz-Gedenktafel ein elektronische System gekoppelt, wo man sein eigenes Smartphone (so man eins hat) anschließen und die ganze Bilzgeschichte mit ihren Höhen und Tiefen abhören kann. An der Stelle hätte man vielleicht sparen können. Aber alles andere der Neugestaltung finde ich gut gelungen und soweit ich beim Vorbeigehen oder –fahren feststellen konnte, wird es auch von anderen gern angenommen.
Diese konzertierte Maßnahme hat etwas durchaus Neues, Modernes und Vorzeigbares hervorgebracht, das das Sprichwort – viele Köche verderben den Brei – ad absurdum führt. Und nun kann Radebeul-West wieder fragen: und wann kriegen wir so was Schönes? Ja, es könnte vielleicht einmal der Rosa-Luxemburg-Platz oder auch der Ziller-Platz werden.
Dietrich Lohse

Einblicke: Vom Geben und Nehmen

Kunstspuren Radebeul laden zum Tag des Offenen Ateliers

Am 17. September 2017 laden die Kunstspuren Radebeul von 10 – 18 Uhr zum ersten in eigener Regie veranstalteten Tag der Offenen Ateliers.
Bereits im Jahr 2016 waren Künstler und Künstlerinnen unter diesem Namen mit zwei Gruppenausstellungen (in der Galerie im Kulturbahnhof und in der Galerie mit Weitblick in der Oberen Bergstraße) öffentlich in Erscheinung getreten. Nun also bieten sie die Einblicke in ihre Arbeit direkt vor Ort, im jeweils eigenen Atelier.

Das gemeinsame Anliegen der etwa dreizehn Künstlerinnen und Künstler aus Radebeul und Umgebung ist es, der Kunst mehr Öffentlichkeit zu schaffen. Woran erkennen wir, daß mehr als hundert Künstler in der Stadt, in unserer unmittelbaren Nachbarschaft also, wohnen und arbeiten? Wie wirkt sich das in der öffentlichen Wahrnehmung aus, wie in der Wertschätzung der Öffentlichkeit für Kunst und Künstler?
Wer neu ist in der Stadt und noch kein Gewohnheitsradebeuler geworden, wird sich diese Fragen hin und wieder stellen. Und so richtig es ist, daß Kunst nur im Verborgenen keimen, in der Stille wachsen kann, so wichtig ist die öffentliche Anteilnahme, ohne die eine Gesellschaft an sich selbst erstickt und Künstler auf Dauer weder arbeiten noch gar leben können.

Und also haben sie sich zusammengefunden auf Initiative einer Ruferin, die nun schon gar nicht mehr alleinig genannt werden möchte, weil viele Anteil haben. Gemeinsam wollen sie Einblick geben in ihr jeweiliges Schaffen, was ja am besten dort möglich ist, wo die Arbeiten entstehen: im Atelier.

Alle sind eingeladen, die Gelegenheit beim Schopfe zu packen und Einblick zu nehmen, auf daß aus dem gegenseitigen Geben und Nehmen etwas wachsen kann: Verständnis vielleicht, Anteilnahme und natürlich auch Kauflust, aber die soll nicht im Mittelpunkt stehen. Es geht vor allem um die gegenseitige Wahrnehmung von Künstlerin und Betrachter (oder umgekehrt), es geht um gegenseitige Wertschätzung – und damit geht es auch um ein kulturvolles Miteinander in dieser Stadt.

Zeitgleich öffnet an den Radebeuler Filialen der Sparkasse Meißen unter dem Titel Einblicke eine weitere Gemeinschaftsausstellung der Kunstspuren, die am Tag der Offenen Ateliers von 10- 18 Uhr und dann bis 26. Januar während der üblichen Öffnungszeiten betrachtet werden kann.

Als Leser von Vorschau und Rückblick, die ja als besonders kulturinteressiert gelten, sind Sie natürlich zu allererst eingeladen, sich die mannigfachen Einblicke nicht entgehen zu lassen. und bald schon werden Sie die Kunstspuren als alte Bekannte im Stadtbild wiederfinden.
Thomas Gerlach

Lageplan der Ateliers

Lageplan der Ateliers

„Reisen, reisen in die weite Ferne…!“

Die aktuelle Ausstellung im Coswiger Museum Karrasburg widmet sich dem Reise-Thema

Gewiss; jeder Besucher der neuen Ausstellung im Coswiger Museum „Karrasburg“ wird ganz persönliche Reiserlebnisse bzw. Eindrücke beisteuern können. Denn das familiäre Verreisen bzw. der Urlaub nimmt einen gewichtigen Platz im Privatleben der deutschen Familien ein. Das ist aber keine Neuigkeit. Die Wertigkeit des Reisens trieb nämlich schon unsere Altvorderen um. Und einige von ihnen formulierten aus diesem allgemeinen Trieb des Menschen besonders kluge Gedanken. Die älteste diesbezügliche Wortmeldung stammt von Augustinus Aurelius (354 – 430) und lautet „Die Welt ist ein Buch. Wer nie reist, sieht nur eine Seite davon!“ Wie recht er hatte beweist die Gegenwart mit akribischer Genauigkeit. Wer mitreden möchte im Austausch interessanter Erlebnisse und kluger Erfahrungen, der muss ganz einfach auf Reisen gehen. Das galt schon bei unseren Altvorderen, blieb über die Jahrhunderte stets aktuell und begleitet auch heute noch den „urlaubenden“ Menschen der Gegenwart. Ganz egal, ob der das will oder nicht. Insofern kommt die am 18. August eröffnete Ausstellung im Coswiger Museum „Karrasburg“ durchaus zur rechten Zeit. Ganz egal ob der Besucher der Ausstellung nun ein Reisemuffel oder ein ausgeprägter Weltenbummler ist. Allein schon die Möglichkeit des Besuchers, zahllose Gedanken zum Thema zu sammeln und sie in der Realität auch anzuwenden macht den Sinn der Ausstellung aus. Um diese Suche nun etwas zu erleichtern ist die Ausstellung in zehn Themenkreise geteilt. Darunter findet man bspw. einen Rückblick auf das „Reisen in der DDR“. Man kann lernen, wie und wann der heute sehr gängige Begriff „Pauschalreise“ entstand . Man erfährt vieles über die verschiedenen Reisearten. Wie bspw. über die „Bildungsreise“ bzw. den „Bildungsurlaub“. Auch den etwas ungewöhnlichen Reisearten widmet sich die Ausstellung; dazu gehören bspw. Pilgerreisen oder Wallfahrten aber auch das berufliche Reisen ( bezeichnet als Geschäfts- und Handelsreisen).

Blick in die Ausstellung

Blick in die Ausstellung Foto: W. Zimmermann

Die sehenswerte Ausstellung ist von ihren Gestaltern zugleich auch themenübergreifend ausgerichtet worden. Denn die zahllosen Arten des Verreisens bedingen auch unterschiedlichste Herangehensweisen. Während der eine sich nur nach einem erholsamen Urlaub sehnt hofft der andere auf zahlreiche interessante Erlebnisse, die den notwendigen Gesprächsstoff für die heimische Auswertung der Reise.
Heute spricht man vor einer Urlaubsreise oft davon, dass man nun endlich „das Weite suchen will!“. Daraus schließlich leiten sich auch die großen Wunschreiseziele ab. Als da sind; New York, Barcelona, Peking, Stockholm , Neapel etc. Und; bedeutende Weltreisende äußerten sich fast immer sehr wohlwollend zur Reiselust des Menschen. So prägte der Weltumsegler Magellan (1480 – 1521) seinerzeit den Satz „Wer an der Küste bleibt, kann keine neuen Ozeane entdecken!“. Während Mutter Teresa (1910-1997) formulierte „Das wichtigste Gepäck ist ein fröhliches Herz!“. Recht haben sie beide. Die Ausstellung im Museum Karrasburg ist noch bis zum 19. November 2017 zu besichtigen .

Wolfgang Zimmermann

„Tag des Offenen Denkmals 2017“ am 10. September

Der „Tag des offenen Denkmals“ findet in diesem Jahr am Sonntag, dem 10. September, deutschlandweit unter dem Motto „Macht und Pracht“ statt.
Intention der Deutschen Stiftung Denkmalschutz ist es, Themen zu finden, welche möglichst vielfältige Interpretationsmöglichkeiten zulassen. Im Sonderheft der Deutschen Stiftung Denkmalschutz zum diesjährigen Tag ist das Motto und seine Möglichkeiten mit folgenden Worten vorgestellt: „Architektur und Kunst drücken seit jeher den Wunsch ihrer Erbauer, Erschaffer und Auftraggeber aus Schönheit, Wohlstand, weltliche und religiöse Machtansprüche abzubilden. Dies geschieht durch Form- und Materialwahl, den Einsatz von Technik und Technologien, die Art der künstlerischen Ausgestaltung mit Farben, Motiven und Ornamentik, den gewählten Bauplatz und die Qualität der eingebundenen Baumeister, Architekten, Künstler und Handwerker.“
Beim Betrachten Radebeuler Denkmale unter diesem Blickwinkel lassen sich vielfältige Formen kleiner und großer „Pracht“ finden. Diese im Kontext der Erbauungszeit und Bauherren richtig zu deuten, ist sicher nicht immer und für jeden einfach.
Leider ist es uns in diesem Jahr, mit Ausnahme der Hoflößnitz, nicht gelungen, Objekte und Mitstreiter zu finden, die ihre Türen und Tore für Denkmalfreunde öffnen. Dabei ist uns bei der Auswahl der Objekte das Jahresmotto stets eine willkommene Anregung, aber nie ein Dogma.
Ein erfolgreicher „Tag des Offenen Denkmals“ hängt insbesondere immer von der Bereitschaft der Denkmaleigentümer ab, sich der Herausforderung des Tages zu stellen. Aus unseren langjährigen Erfahrungen wissen wir, dass die Begegnungen am Tag von einer wundersamen Stimmung des „Besonderen“ geprägt sind. Veranstalter und Besucher sind davon meist geradezu beseelt. Die bisherigen Tage haben stets die vorangegangene Mühsal gerechtfertigt und alle Beteiligten bereichert.
Damit wir Ihnen in den nächsten Jahren wieder interessante Objekte in Radebeul vorstellen können, wenden wir uns heute direkt an alle Denkmalfreunde. Bitte teilen Sie uns Ihre Ideen – gegebenenfalls mit Ansprechpartner – mit. Alle Denkmaleigentümer, die sich vorstellen könnten, auch einmal am Tag teilzunehmen, bitten wir sich ebenfalls an uns unter email@denkmalneuanradebeul.de zu wenden.
Das einzige offene Denkmal in Radebeul wird am 10. 09. 2017 die Hoflößnitz sein. Das Museum ist am Tag kostenfrei zu besichtigen. 11:00 Uhr und 13:00 Uhr werden Sonderführungen durch das Lust- und Berghaus mit dem Museumsleiter Herrn Andert angeboten. Dazu sind alle recht herzlich eingeladen.
Alle weiteren Veranstaltungen in den Umgebungsgemeinden sind unter www.Tag-des-offenen-Denkmals.de zu finden.
Katja Leiteritz

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