Editorial 09-17

Wie Sie, liebe Leserinnen und Leser, sicher schon bemerkt haben, bin ich durch meine Mitarbeit im Kommunikationsteam sehr an den Diskussionen über die Gestaltung des Sanierungsgebietes Radebeul-West interessiert und verfolge auch alle Äußerungen in Tageszeitungen. Der Artikel in der SZ vom 1. August „Baumprotest in der Bahnhofstraße“ gab mir zu denken. Warum? Nach Wunsch der Stadtverwaltung sollen sich die Bürger zahlreich an den Diskussionen durch Ausfüllen eines kleinen Fragebogens zu den drei Varianten beteiligen. Ein Problem dabei: Die Art der Befragung könnte, völlig unpassend, Statistikfreunde auf den Plan rufen, zur Erinnerung, Variante 2 sieht das Fällen der Bäume vor.
Was aber, wenn einigen diese Form der Ausdrucksmöglichkeit nicht genügt, wenn jemandem ein Aspekt in den Gestaltungsvorschlägen so am Herzen liegt, dass er eine größere Aufmerksamkeit dafür erreichen möchte? So wurde eine Meinung auf Schildern für alle lesbar, vorsichtig, ohne Schäden zu verursachen, an den Bäumen angebracht: „Töte mich nicht. Ich filtere die Luft für Dich. Ohne mich atmest Du CO?“. Eine weitgehend sachliche Feststellung! Wie die Autorin der „Auf ein Wort“-Spalte in gleicher SZ, finde auch ich diese Form legitim und sinnvoll, sie schadet nicht und sollte zum Nachdenken anregen. Weshalb wird sich in der Stadtverwaltung darüber geärgert? Ist Öffentlichkeit unerwünscht? Das kann es nicht sein, denn die wurde ja schon mehrfach gesucht. Was ist es dann? Soll ausschließlich der gewünschte Weg der Meinungsäußerung gewählt werden? Wir sind mündige Bürger und die Wahl der Mittel ist jedem selbst überlassen, vorausgesetzt, Anstand und Respekt werden gewahrt.
Also, nicht ärgern, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung, freuen Sie sich über alle engagierten Bürgerinnen und Bürger!
Ilona Rau

Rubrik Leserpost

Es ist schön, dass wir manchmal auch zustimmende Post erhalten, diesmal sind gleich zwei Briefe zu meinem Artikel im Juniheft eingegangen. Einen schrieb uns Frau Ulrike Seifert aus Schöna und etwas später äußerte sich Herr Galle aus Radebeul. Wir möchten beide hier gern auszugsweise abdrucken.

Wie habe ich mich gefreut über diesen Beitrag im Juniheft mit dem Titel: „Ein viel fotografiertes, aber dennoch verschwundenes Haus im Lößnitzgrund“. Ab meinem 6. Lebensjahr wohnte ich mit meiner Mutter und meinem jüngeren Bruder für 5 Jahre (1950-55) in diesem Haus. Wir verbrachten dort sehr glückliche und freie Kinderjahre – im Häusel, wie wir es nannten. Man kann sagen, dass der Lößnitzgrund unser Kinderzimmer war. Wir 3 wohnten im kleinen Haus. Der Fußboden des Kellers bestand nur aus Erde. Ja, und es hieß, dies sei ein Winzerhaus. Die „Bimmelbahn“ hatte einen großen Reiz für uns, so dass mein Bruder einmal versuchte, sich an den letzten Wagen zu hängen. Gott sei dank ging das gut! Der Lößnitzbach war im Sommer der Hauptgewinn! Wir hatten Freude ohne Ende, auch wenn mal ein Kleidungsstück davonschwamm. Sehr interessant war es in der Grundmühle. Man konnte zusehen, wie sie arbeitete, in die Bäckerei konnte man schauen und es gab einen Laden, wo man die leckeren Backwaren kaufte. Da waren im Hof Enten, Hühner, Tauben und Schweine im Freien. An das große geschmiedete Tor bei unserm Haus erinnere ich mich gut und sah in dessen Dekor ein großes Spinnennetz. Die Zeit dort hat mich sehr geprägt und heute lebe ich in einem sehr ähnlichen Haus in der Sächsischen Schweiz, an der Elbe und wieder Bahnschienen davor! Mein Dank geht an Herrn Dietrich Lohse!

Herzlichen Dank, Frau Seifert, da wird doch mein Artikel durch Ihre Schilderung viel plastischer und auch lebendiger. Dank auch an Ihre Radebeuler Freundin, die Ihnen den Artikel geschickt hatte. Auf die benachbarte Grundmühle war ich nicht eingegangen, doch für Sie als Kind war da ja so viel los, geradezu spannend! Heute wird sich kaum noch einer erinnern, was sich da gleichzeitig oder auch nacheinander abspielte. Vielleicht widme ich dem Thema Grundmühle auch mal einen Artikel? Auf dem einen Foto von Frau Seifert kann man erkennen, dass zwischen Bach und den Gleisen ein kleiner Garten mit Stangenbohnen angelegt war. Überhaupt wundert man sich, wenn man heute von der Brücke schaut, wo denn da ein Haus gestanden hätte und nun auch noch ein Garten – die Natur hat sich alles zurückgeholt.

Herr Ronald Galle weiß als Nachbar ein paar sachliche Fakten zur jüngeren Geschichte der Lößnitzgrundstraße 38, die mir so noch nicht bekannt waren.

Meine Nachbarin Frau Helmgard Schmatz, die letzte Besitzerin der Lößnitzgrund-straße 38, lernte ich kennen, als sie gerade in den Ruhestand ging. Sie war die Leiterin der Dolmetschergruppe im Hygienemuseum Dresden gewesen und beherrschte mehrere Fremdsprachen, darunter englisch, französisch, russisch und weitere slawische Sprachen, teilweise sogar chinesisch. Im Ruhestand muss sie sehr einsam gewesen sein und wurde dann alkoholkrank. Das Haus verwahrloste in dieser Zeit immer mehr. Ob eine Entmündigung und Einweisung nach Arnsdorf damals die richtige Antwort auf ihre Krankheit war, darf aus heutiger Sicht bezweifelt werden. Genesen blieb sie in Arnsdorf wohnen, wo sie inzwischen wohl auch gestorben sein dürfte. Ab 1983 stand das Haus leer und wurde von Jugendlichen und anderen Personen geplündert und weiter zerstört. Hinweise an die Polizei blieben ohne Wirkung! Am 29. Mai 1984 (nach der Erinnerung von Herrn Galle) brannte das Wohnhaus durch Fahrlässigkeit oder Brandstiftung bis auf die Grundmauern des EG ab. Diese wurden vor dem Besuch von Kim Il Sung mit Planen abgedeckt. Eine Beräumung und Planierung erfolgte erst später, wohl 1985.

Vielen Dank auch Ihnen, Herr Galle. Sie haben durch Ihre Detailkenntnis meine Recherche in ein paar Punkten präzisieren können.

Dietrich Lohse

Willkommen zur Vor-und Rückschau der Landesbühnen Sachsen

mit Theaterfest zur Spielzeiteröffnung und fünf Uraufführungen in der kommenden Spielzeit

Intendant Manuel Schöbel präsentierte die sechste Spielzeit Ende Juni und zeigte einiges Neue auf: Sebastian Ritschel wird ab 1. August neuer Operndirektor der Landesbühnen Sachsen. Sein Vorgänger, Jan Michael Horstmann war zwischen 2004 und 2013 GMD des Mittelsächsischen Theaters Freiberg und „möchte in Zukunft mehr als Dirigent in Erscheinung treten“. Er gehört in Görlitz bei der Neuen Lausitzer Philharmonie zu den favoritisierten Kanditaten. Sebastian Ritschel bestreitet von den vier Premieren im Musiktheater zwei davon. Der gebürtige Düsseldorfer studierte in Leipzig u.a. Musikdramaturgie. Die erste Musikinszenierung mit „Company“, ein Musical von Stephan Sondheim & Georg Furth hat am 27.10.17 Premiere. Danach wird er noch im Januar nächsten Jahres „Tschick“ nach dem Roman von Wolfgang Herrndorf, als Road opera in der Version von Ludger Vollmer, inszenieren. Der Spielplan 2017/18 der Landesbühnen Sachsen bietet 26 Premieren, also für jeden Geschmack auf hohem Niveau und für eine breite Altersstufe etwas: 13 Premieren betreffen das Schauspiel und vier das Tanztheater. Von den fünf Uraufführungen inszeniert das Tanztheater drei davon, u.a. für ganz kleine Menschen „Schwanensee“.

Operndirektor Sebastian Ritschel und Intendant Manuel Schöbel, Foto: M. Reißmann


Die spektakulärste Uraufführung wird: „Das Geheimnis der Hebamme“ sein. Inszenieren wird es Manuel Schöbel selbst,nach der Theaterfassung von Odette Bereska. Die Premiere wird auf der Felsenbühne Rathen im nächsten Jahr stattfinden. Die Idee eines „Radebeuler Bilderbogens“ fünf Mal an geschichtsträchtigen Orten stammt von der Chefdramaturgin Gisela Kahl für (April/Mai 2018).

Die kleinste Sparte, das Ein-Frau-Figurentheater von Franziska Merkel, bietet mit „Einmal Weltraum und zurück“ ein Science-Fiction-Schattenspiel für junge Menschen ab 9 Jahre an. Der größte Verlust für das Schauspielensemble ist „mit Sicherheit der Wechsel von Cordula Hanns an ein anderes Theater.“ (DNN) Der vielbeachtete Schauspieler Olaf Hörbe wird im Sommer in den wohlverdienten Unruhestand versetzt. Aber wohl die eine oder andere Partie als Gast gestalten. Ein neuer lyrischer Sopran für die scheidende Miriam Sabba ist schon verpflichtet: Kirsten Labonte.

Nein, das ist noch nicht alles: am 23. September wird es ein Theaterfest zur Eröffnung der Saison geben im Haupthaus der Landesbühnen in Radebeul. Als besonderes Bonbon ist ein clowneskes Puppenspiel: „Ladsch und Bommel gehen ins Theater“ von Hepakri van der Mulde in der Studiobühne, zu sehen (ab 4 Jahre).

Angelika Guetter

Zwischen dem „Blauen Wunder“ und „Schloss Pillnitz“

Die Malerin Ursula Schlechter stellt in der Stadtbibliothek im Kulturbahnhof Radebeul-Ost aus

Geboren wurde sie in Naumburg, ihre Kindheit verbrachte sie im Erzgebirge und als Malerin ist sie nun seit längerem schon in der Stadt Dresden und deren Umgebung unterwegs. Die Rede ist von Ursula Schlechter, die gerade in der Stadtbibliothek im Radebeuler „Kulturbahnhof“ ausstellt. Die Vernissage zur Ausstellung fand am Spätnachmittag des 8. Juli in der Stadtbibliothek von Radebeul-Ost statt. Die Ausstellung selbst wird dominiert von einer Auswahl an Dresden Bildern der Malerin. Darunter findet man Ansichten von Dresdens berühmtester Elbbrücke, dem sogenannten „Blauen Wunder“. Viel Zeit nahm sich die Künstlerin auch für ihre Arbeiten zum Schloss Pillnitz, zu den imposanten Bauten der Dresdner Altstadt und natürlich auch zu dem Thema „Leben am Fluss“. Denn die Elbe ist nicht nur ein dominantes Detail der sächsischen Landeshauptstadt. Sie war es schon immer und ist es auch noch heute; eine stimmige Lebensader der sächsischen Landeshauptstadt. Denn sie praktiziert mit ihrem Lauf auch das uralte Sprichwort, dass man an einem Strom unbedingt Städte bauen sollte.

»Brühlsche Terrasse im Winter«, Foto: Repro W. Zimmermann


Öl- und Acrylfarben dominieren das künstlerische Oeuvre der Arbeiten von Ursula Schlechter. So taucht sie bspw. den Schlosspark Pillnitz in die Pracht dieser Farben. So entführt sie den Betrachter ihrer Bilder in eine verzauberte Winterlandschaft, in die sich das Zentrum der Stadt verwandelt hat. Doch nicht nur den berühmten und bekannten historischen Bauwerken Dresdens widmet Ursula Schlechter ihre Aufmerksamkeit; sie lenkt den Blick u.a. auch auf den sonnenbeschienen Pillnitzer Elbhang, wo die Winzer zu Hause sind. Auch die Dresdner Altstadt ist für die Malerin ein fesselndes Motiv. Ist doch hier – sozusagen auf Tuchfühlung – die Baukunst unserer Vorfahren zu bewundern. Über den Sommer 2017 hinweg sind ihre Bilder im „Kulturbahnhof“ von Radebeul-Ost noch zu besichtigen.

Wolfgang Zimmermann

Die Radebeuler SPD feiert ihr 125-jähriges Jubliäum

Der SPD-Ortsverein Radebeul gedenkt seiner Geschichte

und lädt Interessierte zur Historien-Radtour ein

Seit November 2016 trifft sich regelmäßig die AG Geschichte der SPD in Radebeul, um die Geschichte der Sozialdemokratie in Radebeul zu erforschen. Anlass dafür ist das 125. Jubiläum des Sozialdemokratischen Vereins für Lindenau und Umgebung, der am 29. Oktober 1892 im Gasthof Lindenau (heute Landhotel Lindenau) gegründet worden war. Den Anstoß zur Erforschung unserer eigenen Geschichte hatte der Historiker Frank Andert bereits zum 150jährigen Jubiläum der SPD im Jahr 2013 gegeben.
Die SPD in Radebeul war seit der Gründung des Ortsvereines Lindenau in den verschiedenen Ortsteilen, die 1935 zur Stadt Radebeul zusammengeführt wurden, aktiv. Beeindruckend sind dabei die Mitgliederzahlen: So gab es im Ortsverein Kötzschenbroda ca. 250 Mitglieder, davon waren 20 bis 30 aktiv. Im Ortsverein Radebeul waren es ca. 350 Mitglieder, von denen 50 bis 60 aktiv waren. Der Ortsverein Lindenau war bis 1932 selbstständig, die Ortsvereine in Zitzschewig und Naundorf bis 1924. Diese gingen dann in den Ortsverein Kötzschenbroda über.

Zur Vorbereitung eines Festtages, den wir am 19. August 2017 begehen möchten, hat die AG Geschichte im Stadtarchiv recherchiert und mit Zeitzeugen gesprochen. Zu diesen Zeitzeugen gehört auch Manfred Arthur Fellisch, der Sohn des früheren sächsischen Ministerpräsidenten Alfred Fellisch. Alfred Fellisch ist auf dem Hauptfriedhof in Radebeul-West beigesetzt. Seine Grabstätte werden wir gemeinsam besuchen. Und wir haben auch mit Gründungsmitgliedern der SDP Radebeul gesprochen, die nach der politischen Wende in der DDR am 29. November 1989 im Luthersaal der Friedenskirche in Radebeul zusammenkamen. Den Saal hatte der damalige Pfarrer Eberhard Gehrt zur Verfügung gestellt. Er war einer der Mitwirkenden am Runden Tisch sowie Mitglied des Stadtrates.

Paul Brüll (1892-1983), Foto: Stadtarchiv Radebeul


Weitere prominente Sozialdemokraten, die in Radebeul gelebt haben, sind Paul Brüll (1892-1983), der 1. Stadtarchivar von Radebeul war, und Wilhelm August Kaden (1850-1913), der Nachfolger von Wilhelm Liebknecht als Reichstagsabgeordneter und Herausgeber der Sächsischen Arbeiter-Zeitung (Vorläufer der heutigen sächsischen Zeitung). Nicht vergessen werden darf auch Hellmuth Rauner (1895-1975), der ab 1945 einer der führenden Köpfe der Sozialdemokratie in Radebeul war. Er hatte sich unter anderem für einen festen Sitz der Landesbühnen sowie für den Bau der Volkssternwarte eingesetzt, die sich noch heute großer Beliebtheit erfreut.

Hellmuth Rauner (1895-1975), Foto: Stadtarchiv Radebeul


In der jüngeren Geschichte sei an David Schmidt (1985-2014) erinnert, engagierter Stadtrat, der maßgeblich für die Etablierung des „Noteingang e.V.“ gewirkt und das Bündnis Bunte Radebeul mit ins Leben gerufen hatte. Er war jüngstes Mitglied des Radebeuler Stadtrats, ist aber leider viel zu früh an seinem 29. Geburtstag 2014 verstorben. Auch der frühere Fraktionsvorsitzende der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag, Karlheinz Kunckel (1944-2012), lebte mit seiner Familie in Radebeul.

An das Wirken eben dieser Sozialdemokraten möchten wir am 19. August erinnern. Nicht mit langen Reden, sondern mit einer Radtour, zu der wir alle Radebeuler*innen hiermit herzlich einladen. Die Tour wird zu den Orten führen, die mit der Geschichte der Sozialdemokratie in Radebeul verbunden sind. Mitglieder unseres Ortsvereins werden an den einzelnen Stationen kurz erläutern, was die Stätten mit unserer Geschichte zu tun haben.

Grabstein von Alfred Fellisch (1884-1973), Foto: Stadtarchiv Radebeul


Die Tour startet um 13.00 Uhr am Heiteren Blick (gegenüber Bäckerei Münch Moritzburger Straße). Das Gebäude, in dem sich das Gasthaus Heiterer Blick befunden hat, wurde leider 2005 abgerissen. Dort befindet sich jetzt ein Parkplatz. Im Heiteren Blick traf sich einst der Ortsverein Niederlößnitz.

Weiter geht die Tour über den Ortsteil Naundorf (Niederwarthaer Str. 1, ehemals Gasthof Naundorf und Treffpunkt der SPD Naundorf), den Bürgergarten (Treffpunkt der SPD Kötzschenbroda/Niederlößnitz in 20er und 30er Jahren, hin zur Friedenskirche. Dort werden wir Beiträge unserer Zeitzeugen zur Neugründung der SPD in Sachsen hören. Auf dem Hauptfriedhof ehren wir Alfred Fellisch mit einem Blumengebinde und hören Erinnerungen seines Sohnes Manfred Arthur. Weitere Stationen sind das Rathaus und die „Scharfe Ecke“, die in den 20er und 30er Jahren Sitz des Ortsvereines der SPD war und eine Arbeiterbibliothek beherbergt hat.

Adolf Füssel (1893-1968), Foto: Stadtarchiv Radebeul


Ziel der Radtour ist der Gasthof Serkowitz, in dem es ab November 1892 wiederholt sozialdemokratische und gewerkschaftliche Vortragsreihen gab. Erste Referenten waren prominente SPD-Funktionäre wie Reinhold Postelt (Mitglied des sächsischen Landtages), Julius Fräßdorf und Edmund Fischer (Mitglieder des Reichstages). Zu einem Vortrag von Fräßdorf am 10. Dezember 1892, der unter dem nach wie vor aktuellen Thema „Muß es immer Arme und Reiche geben?“ stattfand, kamen damals 160 bis 180 Zuhörer.

Wir danken Frau Karnatz vom Stadtarchiv für Rat und Tat bei der Entdeckung unserer Geschichte, Herrn Manfred Arthur Fellisch, sowie Herrn Mike Schmeitzner vom Hannah-Arendt-Institut, die uns mit Ihrem Wissen unterstützt haben.

Wenn Sie mehr über unsere Geschichte erfahren möchten oder Informationen für uns haben – besuchen Sie uns! Sie können am 19. August direkt mit uns ins Gespräch kommen, bei der Radtour dabeisein oder am Abend ab 18.00 Uhr im Gasthof Serkowitz mit uns feiern (bitte dazu anmelden). Kontaktieren Sie uns: SPD-Ortsverein Radebeul, Christine Ruby, c/o Bürgerbüro Martin Dulig, Meißner Straße 273 in 01445 Radebeul oder über spd-radebeul@email.de

Geliebte Wesen erwachen und musizieren

Bilder, Scherenschnitte, Collagen und Objekte von Christiane Latendorf in der Radebeuler Stadtgalerie

 

Christiane Latendorf zur Vernissage, Foto: K. U. Baum

Das Publikum, welches zur Eröffnung der Ausstellung „Geliebtes Wesen“ erschienen war, darunter viele kundige Sammler, die mit dem Schaffen der Dresdner Künstlerin Christiane Latendorf seit vielen Jahren vertraut sind, zeigte sich am 14. Juli sehr überrascht von der heiteren Exposition, die allerlei Neues bzw. noch nie Ausgestelltes zu bieten hat.

Das ursprüngliche Konzept, hauptsächlich Scherenschnitte und Collagen zu präsentieren, wurde spontan verworfen, ausgelöst durch einen Atelierbesuch. Dort standen und lagen dicht gedrängt – Bilder, Bilder, Bilder… Es war einfach zu verführerisch, aus dieser Fülle schöpfen zu dürfen. Auf Scherenschnitte und Collagen wurde bei der Ausstellung nicht gänzlich verzichtet, schon allein um die Vielseitigkeit von Christiane Latendorfs Schaffen anzudeuten. Zu sehen sind in der Radebeuler Stadtgalerie auch bemalte Objekte aus Pappe, Ton und Holz. Insgesamt werden über 80 Exponate präsentiert, darunter allein 48 Öl- und Acrylmalereien. Schade, dass die Räume der Galerie so klein sind – wir hätten gern noch mehr gezeigt!

Engelmorgen, 2012, Acryl, auf Leinwand, Foto: Archiv Stadtgalerie

Die Beziehungen von Christiane Latendorf zur Lößnitzstadt sind vielgestaltig. So war sie mit ihren Papierarbeiten häufig auf den Radebeuler Grafikmärkten vertreten. Seit 2006 beteiligte sie sich in loser Folge an den Sommerprojekten der Stadtgalerie zu Themen wie „Heimat, die ich meine“ oder „Paradiesvögel, so wie wir“. Ihre Teilnahme an den Radebeuler Gemeinschaftsausstellungen begründete sie auch damit, dass sie es gut findet, wie hier Künstler unterschiedlichen Alters zusammen arbeiten und sich füreinander interessieren.

Kollegiale und freundschaftliche Kontakte pflegte und pflegt Christiane Latendorf zu vielen Radebeuler Künstlern, darunter zu Ute und Werner Wittig, Karen und Peter Graf, Gabriele und Detlef Reinemer, Claus Weidensdorfer, Klaus Liebscher oder Bärbel Kuntsche.

Hand über mir, 2010, Öl auf Leinwand, Foto: Archiv Stadtgalerie

Besonders schätzt sie die Arbeiten von Ingo Kuczera, der bereits 2004 wenige Tage nach seinem 40. Geburtstag verstorben ist und den sie noch persönlich kennen gelernt hat. Mit dem Bild „Zerbrochene Welt“ will sie an ihn erinnern. Es ist unmittelbar nach seinem Tod entstanden und zeigt den Künstler, wie er sich verliert, gleichzeitig nach oben strebend und nach unten fallend.

In Vorbereitung der Ausstellung boten sich immer wieder Gelegenheiten zum Gespräch. Christiane Latendorf, die 1968 als Tochter eines Pharmazierates in Anklam geboren wurde, erzählte von ihrer Kindheit, von der alten und neuen Heimat, dem Künstleralltag, von Reisen in ferne Länder. Sie erzählte von lebenden und verstorbenen „geliebten Wesen“, die ihr begegnet und ans Herz gewachsen sind. Wundersame Geschichten, angesiedelt zwischen Traum und Realität, die wie ein sprudelnder Quell bei ihr niemals zu versiegen scheinen. Die Offenheit für Begegnungen mit Menschen, Tieren, der Natur und dem Unsichtbaren hat sie sich bis heute bewahrt.

Die Lust und Freude am Fabulieren, am spielerischen Umgang mit Farbe, Form und Material ist ungebrochen.

Katka zu Hause, 2013, Acryl auf Leinwand, Foto: Archiv Stadtgalerie

Unentwegt zeichnet sie, macht sich Notizen, schreibt Gedichte, manchmal bis zu zehn hintereinander. Der Drang sich zu veräußern, ist in ihr angelegt. Erste Muster ritzte sie bereits als Kleinstkind in die Tapete der elterlichen Wohnung. Die Kreativität wurde früh bemerkt. Doch Umwege blieben ihr nicht erspart. Apothekenfacharbeiterin erlernte sie als Brotberuf und absolvierte danach noch ein Studium zur Pharmazieingenieurin. Parallel besuchte sie die Abendschule an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. Dass dort ein Dozent meinte, sie habe sowieso kein Talent, hatte sie zwar schwer erschüttert, jedoch nicht von ihrem Weg abgehalten.

Ein Selbstbildnis von 1992 unterschrieb sie mit „Endlich malen“. Es ist das Jahr, in dem sie das heiß ersehnte Studium an der Kunsthochschule begann. Warum Dresden? Zum einen wegen der Tradition, zum anderen gefiel ihr der offene Umgang zwischen Lehrern und Studenten.

Sie war bei all ihren Lehrern im Atelier, wollte wissen, was sie machen, wie sie arbeiten. Auch ältere Künstler wie Gerhard Kettner (1928-1993), der schon längst nicht mehr an der Hochschule unterrichtete, hat sie aufgesucht. Es hat sie berührt zu erleben, wie die Künstler bis ins hohe Alter um Form und Ausdruck ringen. Orientierung boten auch Künstler wie Willi Baumeister (1889-1955), Hermann Glöckner (1889-1987) und Max Ackermann (1887-1975). Ihr war klar, Zeichnen ist für alles Weitere die Grundlage und das Bemühen um Abstraktion, schult den Sinn für Farbe und Form. Immer wieder hat sie sich selber Aufgaben gestellt, das macht sie noch heute. Jeden Tag muss etwas fertig werden.

Unterhaltung, 2017, Mischtechnik, Foto: Stadtgalerie

Ihr wichtigster Lehrer und Förderer war der Maler Horst Leifer (1939-2002), mit dem sie bis zu dessen Tode eine Künstlerfreundschaft verband. Das Studium schloss sie in der Meisterklasse von Ralf Kerbach 1997 mit Auszeichnung ab. Der Übergang vom Studium in die Selbständigkeit fiel ihr nicht leicht. Umso wichtiger war die kontinuierliche Unterstützung durch Galerien, Kunstvereine und private Sammler.

Über Horst Leifer lernte sie Sabine Schubert, die Vorsitzende des Ernst-Rietschel-Kulturringes e. V., kennen. Der Verein, welcher seinen Sitz in Pulsnitz hat, unterstützte die Künstlerin bei Ausstellungen und der Herausgabe von Publikationen. Zur Ausstellungseröffnung in der Radebeuler Galerie hielt Sabine Schubert eine sehr emotionale Rede, der das begeisterte Publikum lang anhaltenden Beifall spendete.

Als freischaffende Malerin und Grafikerin lebt Christiane Latendorf in Dresden mit dem Maler Michael Schwill zusammen. Zum Künstlerhaushalt gehören die Nebelkrähe Merry, der Papagei Coco, die Katze Katka und der Kater Kito, die sich auf ihren Bildern wieder finden.

Bereicherung erfährt ihr künstlerisches Schaffen durch Reisen in ferne Länder. Fremde werden zu Freunden. Ohne Arg geht sie auf Menschen zu, interessiert sich für deren Kultur, Tradition, Mentalität, erspürt traurige, dramatische und glückliche Momente. Doch vieles bleibt Geheimnis. Köpfe stellt sie oftmals vielgesichtig dar. Tiere und Menschen stehen sich gleichberechtigt gegenüber oder verschmelzen miteinander zu neuer Gestalt. Das Repertoire an Symbolen scheint unerschöpflich. Die Magie von Farben entdeckte sie in Indien, so dass ihre Palette seitdem an Intensität gewonnen hat.

Hand über mir, 2010, Öl auf Leinwand, Foto: Archiv StadtgalerieChristiane Latendorf hat ihre eigene Bildsprache gefunden. Mit großer Klarheit erklärt sie das Unerklärliche. Nichts ist Zufall, alles ist miteinander verwoben. Ihre poetischen Bildtitel sind wie Schlüssel, die es dem Betrachter erleichtern, einen Zugang zu finden: „Die Stille bricht aus“, „Der Beschützer der Wahrheit“, „Die Zeit meldet sich“ oder „Hand über mir“. Sie freut sich, wenn sie Menschen mit ihrer Kunst berührt. Deshalb ist es ihr auch wichtig zu wissen, wer ihre Bilder kauft.

Obwohl Christiane Latendorf schon längst zu den bemerkenswertesten Künstlerinnen – die im Dresdner Raum wirksam sind – gezählt werden kann, ist ihr der kommerzielle Kunstmarkt völlig egal. Sie ist eins mit sich und ihrer Kunst. Sie verschenkt sich immer wieder selbst in reichem Maße und die „Früchte des Tages“ sind ihr Lohn.

Karin (Gerhardt) Baum

Zur Finissage am 25. August soll das schon seit längerer Zeit geplante Büchlein „Geliebtes Wesen“ mit Bildern von Christiane Latendorf und Gedichten von Dieter Hoffmann vorgestellt werden. Die Ausstellung ist bis zum 27. August geöffnet.

Editorial 8-17

Und wieder taucht die Stadt ganz punktuell in ihr alljährlich wiederkehrendes Sommerloch.

Es ist, als nähme sich auch das rennende Jahr so kurz nach dem Zenit, hier wie andernorts, eine wohlverdiente Pause und verharrt in sommermatter Gemächlichkeit.
Ganz unverkennbar ist zu vernehmen, wie einzelne das Stadtleben prägende Einrichtungen ihre Türen nun temporär verschlossen halten. Und auch diverse Einzelhändler, denen man nach langer Zeit nun gerade mal dieser Tage seine Aufwartung machen wollte, genehmigen sich eine angemessene Zeit der Absenz. Ja, selbst die Kulturschaffenden haben in Scharen ihre Wirkungsstätte verlassen, wovon nicht nur leere Bühnenbretter künden.

Und das Gros der Bürgerschaft ist dann und wann ohnehin auf Reisen und lässt vereinsamte Häuser mit dunklen Fensteraugen zurück. Ohnehin ein interessanter Gedanke, wie weit eine Stadt in Ferienzeiten „ihre Kinder“ weltweit streut, um schließlich wieder an einem Ort zusammen zu finden.

Spätestens ab September hat die Stadt mit all ihren geschäftlichen und kulturellen Verbindlichkeiten ihre alte Betriebsamkeit zurück. Zur Ehre der Winzer und Weine wird sich bis in den Spätherbst auf Angern und Höfen wieder Fest an Fest reihen, bis schließlich alle Trauben in gärenden Fässern ihren verheißungsvollen Platz gefunden haben werden. Der Reigen wird fortführen bis in die dunkelste Zeit, um mit „Lichterglanz und Budenzauber“ im Jahreskreis seinen letzten Höhepunkt zu finden. Aber bis dahin ist ja noch Zeit und der Sommer durchtanzt noch zumindest einen Mondlauf die Gemeinde.

Kürzlich lief ich hier einer meiner Lieblingswege, und dachte leise, hier könntest Du auch mal Urlaub machen.

Sascha Graedtke

Nach dem großen Erfolg von 2016 startete in Radebeul das 2. X-JAZZ Festival

Kristin Amparo und John Runefeld

Kristin Amparo und John Runefeld Foto: W. Zimmermann

Die Hoflößnitz in Radebeul ist seit langem schon ein Ort, an dem man gern verweilt. Wenn man dazu dort noch gute bzw. interessante Musik genießen kann, dann ist das ein doppeltes Plus. Das dachten sich auch die Macher des 1. X-Jazz Festes im Jahr 2016. Und wechselten daher auch nicht die Orte des Geschehens. In diesem Jahr fand der Auftakt im „Weingut Hoflößnitz“ statt.

Die Lutherkirche im Zentrum von Radebeul wurde zum 2. Spielort erwählt, das Weingut von Karl-Friedrich Aust buchte den 3. Tag, während der Kulturbahnhof in Radebeul-Ost zur Endstation erkoren wurde. Vier Konzerte, die sich dem Jazz auf ganz und gar unterschiedliche Art und Weise annähern wollen.

Texterin Nora Gomringer

Texterin Nora Gomringer Foto: W. Zimmermann

Das machte schon der Auftakt im wunderbar sanierten „Weingut Hoflößnitz“ deutlich. Der Ausnahmetrommler und Radebeuler Einwohner Günter „Baby“ Sommer hatte sich für die Startveranstaltung die Texterin Nora Gomringer mitgebracht. Diese Mixtur aus kraftvollen Trommelsoli und ganz wunderbaren – weil auch recht schonungslos offen – gelesenen Texten be- und verzauberte das Publikum.

Gunter »Baby« Sommer

Gunter »Baby« Sommer in Aktion Foto: W. Zimmermann

Gunter „Baby“ Sommer sieht sich selbst und seine Bühnenpartnerin „…im Ping Pong zwischen Texten und Leserei!“ Und doch lässt sich die Kraft seiner Trommelstöcke nicht verbergen. Sommer beginnt sehr sanft und hat aber schon nach drei Minuten zu seinem kraftvollen Spiel zurückgefunden. Und mitten in das Trommelkonzert mischt sich da die Stimme von Nora Gomringer, die verkündet: „Und ist man tot, dann muss man lang im Grabe liegen!“ Das ernüchtert und amüsiert gleichzeitig. Die beiden Akteure liefern sich im Verlaufe des Konzerts noch so manche Spitze. Wobei er die Kraft der Trommeln auf seiner Seite hat, sie sich aber mit der Kraft des Wortes vehement wehrt. Denn auf die Trommelei gemünzt pariert sie u.a. mit dem Satz „Trommel die Leute aus dem Schlaf, das ist die ganze Wissenschaft!“ Und beide schonen sich gegenseitig auch überhaupt nicht im weiteren Verlauf des Abends. Nora Gomringer hat zudem einige Sätze aus der Bibel parat und ganz ohne Schalk kritisiert sie diese. Mit dem wütenden Ausruf „Christus, hier hast Du’s!“ beendet sie schließlich diese Passage. Nora Gomringers Art zu lesen ist spannend und gefühlvoll zugleich. Und das Publikum glaubt ihr unbesehen, wenn sie bekennt „Aus meinem großen Herzen mach ich die kleinen Lieder!“ Glücklich will sei sein, aber ohne Lärm. Natürlich beantwortet Günter „Baby“ Sommer diese Bitte mit einem lautstarken Trommelwirbel.

Wolfgang Zimmermann

Das Meinholdsche Turmhaus und seine Besitzer

Meinhold

Carl Christian Meinhold Foto: Fam. Aust

Bei der Vorbereitung der Veranstaltung „Häuser und ihre Besitzer“, die diesmal am 19. Mai bei paradiesischem Wetter im schön restaurierten Gartensaal des „WEINGUTES AUST“ auf der Weinbergstraße 10 in Radebeul stattfand, stieß ich einige Zeit vorher im „Magazin für die Denkmalkultur in Deutschland“ auf einen Artikel mit schönen Abbildungen unserer Weinbergslandschaft. Sie wurde hier sogar als „GESCHENK DER GÖTTER“ bezeichnet. Das war fast eine Lobpreisung, vor allem deshalb, weil diese Auszeichnung von der Chefredakteurin selbst kam.
Bei den Abbildungen fehlten mir allerdings zwei wichtige Beispiele dieser „göttlichen“ Gegend: die Hoflößnitz und das Meinholdsche Turmhaus. Gerade sie, die fürstliche und die großbürgerliche Ansiedlung prägen und prägten nach wie vor das Herzstück der Lößnitz. Sie will ich hier beschreiben und unseren Vereinsabend für Sie, verehrte Leser, ein wenig nacherlebbar machen. Zuerst ein bisschen Geschichte:

Trmhaus

Meinholdsches Turmhaus von Südwesten Foto: G. u. H. Täubert

 

Foto: G. u. H. Täubert

Weinbau gab es in der Oberlößnitz schon um 1400. Bereits 1563 wird ein Presshaus unterhalb der Weckischen Hohenberge erwähnt. Die besten Lagen waren meist im kurfürstlichen Besitz. Ab 1615 bis 1735 wird durch Zukäufe dieser Besitz beträchtlich erweitert. Unter den Kurfürsten Georg I. und Georg II. entsteht 1648 das Haus Hoflößnitz. Um die Attraktivität dieses Ortes besser genießen zu können, stieg man gern zum 1672 erbauten Lusthaus (Spitzhaus) hinauf, das aber erst ab 1710 zum Hofe gehörte. Man hatte von hier aus eine herrliche Fernsicht bis hin zum Dresdner Schloss. Die Ausflüge der königlichen Familie nach Hoflößnitz waren aber nur selten im Jahr.

In der Zwischenzeit mussten Verwalter und Winzer für die Weingüter sorgen. Unweit des Hauses Hoflößnitz entsteht 1650 auf der jetzigen Weinbergstraße 1 (einst Hausgasse 1) ein eingeschossiges Winzerhaus mit Weinkeller und Presshaus, der erste Teil des späteren Meinholdschen Turmhauses. Das Haus wird 1715 in einer Zeichnung dokumentiert. Zu Zeiten der fürstlichen Winzerfeste werden hier vor allem Wagen und Pferde untergebracht. Um 1720 wird das Haus zur jetzigen Hoflößnitzstraße zu erweitert. Man hat nun zwei Blickachsen, eine zur Hoflößnitz- und eine zur Weinbergstraße. In der Mitte entsteht ein hoher Eckturm auf achteckigem Grundriss mit einer Turmhaube (Laterne). 1750 kommt ein Uhrwerk mit Glocke dazu. Der hohe Turm prägt nun entscheidend diesen Ort und steht mit seiner Höhe und seiner baulichen Besonderheit in Korrespondenz zu den fürstlichen Bauten. 1727 übernimmt der Landbauschreiber Joachim Ossenfeld das Weingut und lässt es zum Herrensitz ausbauen. Seine Familie veräußerte es wenige Jahre später an den Dresdner Kaufmann Johann Martin Kühn und von ihm übernimmt 1792 der Hofbuchdrucker Carl Christian Meinhold mit seinen Nachfahren das Grundstück und behalten es bis zum Jahr 1975. Die vergoldete Wetterfahne trägt noch immer seine Initialen CCM und das Haus noch immer seinen Namen.

Wer war Carl Christian Meinhold? Hier ein kleine Zusammenfassung: Am 12. April 1740 in Marienberg im Erzgebirge als Sohn eines Bergarbeiters geboren, entwickelte er schon früh Charaktereigenschaften, wie eiserne Energie, Anspruchslosigkeit und Fleiß, die einen Besuch in einem Lyzeum und weitere Lebensstationen möglich machten. Mit 15 Jahren ging Meinhold nach Leipzig, dem Hauptplatz des Buchhandels. Hier begann er eine Buchdruckerlehre, die er mit 19 Jahren erfolgreich beendete und die ihm half, den Schritt nach Dresden zu wagen, um dort in der Hofbuchdruckerei „Stössel und Krause“ zu arbeiten. Nach dem Tod von Karl Krause (1772) wurde Meinhold Faktor und Seele vom Geschäft und nach dem Ableben der Wittwe Stössel konnte er schließlich die Druckerei mit allem Zubehör und allen Rechten kaufen. Somit waren alle größeren staatlichen Aufträge bei ihm. 1783 ersuchte Meinhold um die Verleihung des Hofbuchdruckerprivilegs, das ihm am 2. März 1784 von Friedrich August zugesprochen wurde. In relativ kurzer Zeit erweiterte er seinen Betrieb um ein vielfaches.

1777, also mit 37 Jahren, heiratete Meinhold Johanna Schnabel, die Tochter des Hofküchenschreibers. Aus dieser als sehr glücklich bezeichneten Ehe gingen sechs Söhne und neun Töchter hervor. Für die Sommeraufenthalte dieser großen Familie kaufte Meinhold 1792 deshalb einen Weinberg in der Lößnitz und ein Grundstück dazu. In der Beschreibung der Kunstdenkmäler von Dresdens Umgebung durch Cornelius Gurlitt heißt es: „Meinholds Weinberg“, Obere Bergstraße 75, Ecke Hoflössnitzstraße, zweigeschossiger Bau, Grundform rechtwinklig, das Erdgeschoß massiv, das Obergeschoß in verputztem Fachwerk, in der südwestlichen Ecke ein Vorbau mit Korbbogentür, die Wetterfahne in Form einer weiblichen Figur (Fama), Schlagglocke von 1750, zwei anmutigen Figuren auf den gebogten Torflügeln, den „Sommer“ und den „Winter“(1750). 

Turmhaube mit bekrönender Fortuna Foto: G. u. H. Täubert

CCM prägte die Formung des Hauses und die Gestaltung des Grundstückes entscheidend. Er ließ die Fassaden im „Zopfstil umgestalten, einen Barockgarten anlegen, die Toreinfahrt neu regeln und verschiedene Nebenbauten errichten. Diese wurden nach seinem Tod im Jahre 1840 durch seine Nachfolger im Jahre 1851 abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. Carl Eduard Johne (1822-1873), der Architekt und Semperschüler, baute eine große zweigeschossige Villa im toskanischen Stil mit Anklängen an den Schweizer Stil an die Stelle der alten. Im Inneren der Villa entstand 1853 ein breite Treppe und ein geräumiger Gartensaal mit einer schönen Ausmalung. Ein Brunnenhaus entstand, gespeist von der Strakenwasserleitung. Der Architekt Johne war mit Anna Emilie Meinhold verheiratet und gehörte zur Familie, wie auch alle weiteren Besitzer des Meinholdschen Turmhauses bis 1975.

CCM hatte schon früh, 1809, drei seiner Söhne in sein Geschäft einbezogen: Christian Immanuel, Karl Traugott, und August Ferdinand. Das Privileg der Hofbuchdruckerei ging an alle weiteren Meinholds bis zur Auflösung des Königreiches über.

In einer Denkschrift zum 150-jährigen Bestehen heißt die Firma später C.C.Meinhold und Söhne GmbH Dresden. Im Februar 1945 wurden alle Druckereien und auch die Wohnhäuser der Familie in Dresden durch die Bombenangriffe in Schutt und Asche gelegt. Der letzte Radebeuler Mitbesitzer der Druckerei Friedrich Ernst Meinhold starb 1945. Damit ging das Zeitalter einer bemerkenswerten bürgerlichen Familie unter. Seine hervorragenden Druckerzeugnisse hatten den Verlag deutschlandweit berühmt gemacht. In allen Schulen Sachsens waren seine Schulwandbilder für alle Unterrichtsfächer vorhanden und seine Märchenrollbilder besonders beliebt. Paul Hey, ein bayrischer Kunstprofessor, lieferte die Entwürfe dafür. Leider gibt es heute kaum noch Beispiele aus dieser Zeit, nur in der Schule Radebeul-Naundorf sind neun Bilder als große farbige Glasfenster noch gut erhalten geblieben.

Putte, rechte Seite Hofeinfahrt Foto: G. u. H. Täubert

Nicht so gut ging es dem Grundstück auf der Weinbergstraße 10. Es war zwar 1936 unter Denkmalschutz gestellt worden und es erfolgten auch zwischen 1964-68 verschiedene Sicherheitsmaßnahmen, aber alle Sanierungen gingen nur schleppend voran. Das Grundstück drohte zu verfallen. Der letzte junge männliche Verwandte Wilfried Thenius war im Krieg geblieben, seinem Vater, dem Geographielehrer Dr. Thenius fehlten Material und Handwerker. Aber es fehlte vor allem an jugendlicher Initiative, Tatkraft und Sachverstand.

Alle diese drei wichtigen Eigenschaften hatte in den Augen von Frau Thenius, die nach dem Tod ihres Mannes weiter das Grundstück bewohnte, nur ein junger Mann, den sie schon als Kind kannte: Ulrich Aust (1942-1992). Er, der engagierte Architekt und spätere Zwingerbaumeister und seine Frau Elisabeth Aust, die Restauratorin, brachten nicht nur alle guten Eigenschaften und Interesse mit, sondern auch den Mut und die Hoffnung, dass alles gut gehen möge. 1975 kauften sie das Grundstück von Frau Thenius.

Betrachtet man das schöne Herrenhaus heute, nach 40 Jahren, so wie wir an diesem sommerlichen Abend, sieht man vor allem den Glanz und nur noch wenig von den Mühen. „Alles musste erneuert werden“, erzählt Frau Aust: „Dächer, Wände, Fenster, Elektrik, Abwasser. Gebäude wurden abgerissen, Mauern versetzt, Brunnen ausgebuddelt. Die „Geschenke der Götter“ machten es auch dem Glücklichen nicht leicht. Meist muss man sich alles schwer verdienen.

In dem Sinne wünschen wir der gesamten Familie Aust viel Glück und Durchhaltevermögen. Wir danken dem Besitzer für seine Gastfreundschaft und den Mitarbeiterinnen für ihre freundliche Unterstützung.

Gudrun Täubert in Zusammenarbeit mit André Schröder

Seifensteine erhalten!

Anmerkungen zum Sanierungsgebiet in Radebeul West

Bahnhofstr.

Blick von der Eisenbahnbrücke in den mittleren Abschnitt der Bahnhofstraße. Besonders auffallend, der schön gestaltete Fußgängerbereich auf der rechten Seite. Foto: K. U. Baum

Man mag darüber streiten, ob zum Ausbau des Schulstandortes in Radebeul West ein Sanierungsgebiet nötig ist oder nicht. Letztlich hat das wenig Sinn, schließlich wurde es bereits beschlossen. Deshalb muss es jetzt eigentlich nur noch darum gehen, wie die Sanierung um die Bahnhofstraße herum von statten geht, also, was sich konkret verändern soll. Dabei wird es sicher noch eine ganze Menge zu klären bzw. einen hohen Abstimmungsbedarf geben. So zum Beispiel, ob die alten Bäume im Mittelteil der Bahnhofstraße weg müssen oder nicht und ob der Bahnhofsvorplatz überhaupt Bäume braucht. Ein freier größerer Platz hätte ja so manchen Vorteil für das Stadtgebiet. In diesem Zusammenhang drängt sich der Gedanke auf, worin der Charakter des Stadtteils besteht. Eine Diskussion darüber hätte natürlich noch vor dem Sanierungsbeschluss geführt werden sollen…

Doch bleiben wir pragmatisch. Auf den Informationstafeln im Schaufenster des glücklicherweise entstandenen Bürgertreffs (Wo befände sich dieser eigentlich, wenn die Ladenfläche bereits vermietet gewesen wäre?) kann man Sanierungsvarianten des mittleren Teils der Bahnhofstraße studieren. Weshalb fehlt aber der Bürgervorschlag für schräge Parktaschen? Und worin besteht eigentlich der innovative, neue Ansatz für das Sanierungsgebiet, den die Verordnung für solche Vorhaben vorschreibt? Mit einer Verlegung der Bibliothek oder der Einbeziehung der alten Post auf der Meißner Straße wird es ja wohl bis auf Weiteres nichts werden. Der vorgesehene Ausbau des Schulstandortes im Bereich Harmonie- und Hermann-Ilgen-Straße wird künftig diesem Gebiet nicht nur seinen Stempel aufdrücken, sondern auch eine Vielzahl von Schülern konzentrieren. Welche Konzepte gibt es, um dies in Einklang mit dem Wohngebiet und der Verkehrssituation zu bringen? Derartige Überlegungen ließen sich fortsetzen. Im Laufe des Baugeschehens werden vermutlich noch weitere Fragen auftreten.

Bahnhofstr.

Ein in Radebeul verwendetes »Meißner Fußwegsteinchen« in den Abmessungen 5x5x10 cm Foto: K. U. Baum

Sanierungsmaßnahmen berühren nicht nur die unmittelbaren Bewohner, Gewerbetreibenden sowie Haus- und Grundstücksbesitzer dieser Gebiete, sie sind auch für die Bürger einer Stadt und deren Gäste von Interesse. In eine gewachsene Substanz einzugreifen, ist dabei nicht nur kompliziert, sondern es sollte auch behutsam geschehen. Geht es doch einerseits darum, vorhandene Missstände zu beseitigen und den „Gebrauchswert“ zu erhöhen, aber andererseits auch darum, den Charakter des Gebietes zu wahren. Es hatte sicherlich gute Gründe für die Neubepflanzung der Moritzburger Schlossallee gegeben, aber deren Flair ist nachhaltig beeinträchtigt.

Bahnhofstr.

Besonders der Belag auf der rechten Seite des Fußweges von der Meißner Straße bis zur Brücke benötigt eine Neuverlegung Foto: K. U. Baum

Die Bahnhofstraße ist neben dem Anger von Altkötzschenbroda das Herzstück von Radebeul West. Viele Details prägen diese Straße. Da sind die Häuserfassaden aus der Gründerzeit, die schattenspendenden Bäume, die breiten, teils hochgelegenen Bürgersteige mit ihren besonderen Belägen. Es sind die Mosaiksteine, die die Bürger so lieben, auf denen sie auch nach der Sanierung noch gehen möchten und die stufenfreien Wege. Die hellen Steine im oberen Teil der Bahnhofstraße fallen bestenfalls durch ihre unregelmäßige Lage auf. Dabei sind sie ein historischer Beleg für die Produktion von Baumaterialien in unserer Region. Die als „Dresdner Seifensteine“ bzw. als „Meißner Fußweg-Steinchen“ bezeichneten Klinker findet man an vielen markanten Stellen in der Landeshauptstadt. Sie stehen dort unter Denkmalschutz, so beispielsweise auf dem Theaterplatz oder an der Lukaskirche. In Radebeul findet man sie u. a. in der Gellertstraße und eben in der Bahnhofstraße. Dort prägen sie nun schon über 110 Jahre den Abschnitt von der Meißner Straße bis zur Bahnbrücke und sollten auch aus industriegeschichtlichen Gründen erhalten bleiben. Mittlerweile kann man fehlendes oder beschädigtes Material problemlos ersetzen.

Die Stadt Radebeul sollte sich nicht nur über ihre Lößnitzhänge und zahlreichen Villen definieren.

In der Bebauung und Gestaltung der Bahnhofstraße spiegelt sich die geschichtliche Entwicklung von Kötzschenbroda, besonders ab der ersten industriellen Revolution. Die Bemühungen, eine städtische Atmosphäre durch große attraktive Gebäudekomplexe und breite schattige Gehwege zu schaffen, fand allerdings mit dem Ersten Weltkrieg ein jähes Ende.

Diese traditionsreiche Straße durch eine Sanierung in einen vorzeigbaren Zustand zu versetzen, ist lobenswert. Sie durch zusätzlich Ein- und Umbauten „aufzuwerten“, scheint nicht ratsam, wird doch das wenige Erhaltenswerte gefährdet. Nicht zu vergessen: Es war die Erkenntnis des Gemeinderates von Kötzschenbroda, dass sich die Bahnhofstraße zu einer wichtigen Verkehrsstraße entwickelt habe und dieser daraufhin 1921 den befestigten Ausbau beschloss. Die Bürger jedenfalls hatten keinen geringen Anteil daran. Nun drängt die Zeit. Denn im kommenden Jahr soll mit den Arbeiten auf der Bahnhofstraße begonnen werden.

Karl Uwe Baum

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