Radebeuls rote Häuser

Um es gleich klar zu stellen, es sind nicht die Häuser gemeint, wo politische Parteien ihren Sitz hatten oder haben, die die Farbe Rot zu ihrem Logo auserkoren haben. Vielmehr will ich mich heute Gebäuden nähern mit roten und manchmal auch gelben Fassaden. In Radebeul dominieren, erkennbar an den Bauern-, Winzer- und Siedlungshäusern, bekanntlich verputzte Fassaden. Darunter mögen wohl auch ein paar inzwischen rot gestrichen worden sein, diese Häuser will ich hier aber nicht betrachten. Aber welche roten Häuser würden dann noch für meine Beschreibung übrig bleiben?
Ich möchte als heutiges Thema über Häuser mit Backsteinfassaden, oder dem Backstein in der optischen Wirkung ähnlichen Ziegeln nachdenken und berichten. Klinkersteine und Backsteinziegel stellen das gleiche Baumaterial dar, sind gebrannte Tonziegel, deren unterschiedliche Namen regional bedingt sind. Gegenüber dem gewöhnlichen Mauerziegel ist Klinker das hochwertigere Material, hat allseitig eine kräftigere Farbe (gelblich, rot bis rotbraun) und ist witterungsbeständiger als Mauerziegel. Er wird im normalen Ziegelformat, sogenanntes Reichsformat (250x120x65 mm) hergestellt und als Fassade im Verband verbaut. Durch die Backsteingotik haben diese Ziegel vor allem im Norden Deutschlands schon eine lange Tradition.

In der Gründerzeit, genauer gesagt als Teil dieser Bauepoche, wurden dann Verblendziegel entwickelt, um das Verputzen zu sparen, um die Bauwerke zu schmücken und farblich hervorzuheben und um die Baupflegekosten gering zu halten. Man könnte diese Mode salopp als den „kleineren Bruder“ des Klinkers bezeichnen, denn sie sind meist kleinformatigere Tonziegel (Ansicht 120×67 mm) mit Langlöchern und haben eine eingefärbte oder engobierte Front (rot oder gelb, seltener weiß, bzw. hellgrau). Der Name Verblendziegel kommt daher, dass die statisch erforderliche Außenwand aus Mauerziegeln (in der Regel 240 oder 360 mm dick) außen eine Schicht von farbigen Verblendziegeln vorgeblendet bekam. Insgesamt sind in Radebeul Fassaden mit Verblendziegeln häufiger anzutreffen als Häuserfronten mit echten Klinkern. Die beschriebenen farbigen Ziegelfassaden können auch in Kombination mit anderen Materialen beobachtet werden, z.B. mit Putzflächen im EG und Verblendziegeln im OG, Kombinationen mit Naturstein (hier meist der heimische Syenit) als Sockel oder Tür- und Fenstergewände aus Sandstein neben Verblendziegeln, vorwiegend verputzte Wandflächen mit Ecklisenen aus Verblendziegeln oder manchmal auch geometrische Muster z.B aus roten Verblendern in einer Fläche aus gelben Verblendziegeln. Die meisten dieser Häuser sind mit Schieferdächern abgeschlossen, was einen stärkeren Kontrast ergibt als bei Ziegeldächern. Beim näheren Betrachten fällt auf, dass Verblendziegelfassaden meist nicht den klassischen Mauerverband „Läufer – Binder“ im Wechsel zeigen, sondern ganze Wände nur „Köpfe“ also nur Binder haben. Das lässt uns erkennen, dass diese Gründerzeitfassaden reine Schmuckformen sind und nicht der Statik und den klassischen Regeln des Maurerhandwerks entsprechen.
Obwohl rote und gelbe Fassaden in ganz Radebeul relativ selten sind, fällt auf, dass ein paar wichtigere Gebäude darunter zu finden sind: so, beim Rathaus Niederlößnitz (Arch. A. Neumann, 1892-95), bei den Bahnhöfen Radebeul Ost und Kötzschenbroda, bei der älteren Friedhofskapelle Radebeul Ost (Schilling & Graebner, 1890) und bei der wahrscheinlich größten Villa Radebeuls, der Kolbevilla in der Zinzendorfstraße (Arch. O. March, 1890 / 91). Vielleicht bekommt Letztere vom Volksmund bald den Namen „Villa Sorgenvoll“ (zum Unterschied zum „Haus Sorgenfrei“ im Augustusweg) verpasst, weil hier seit Jahren der Verfall fortschreitet und kein Sanierungsfortschritt zu erkennen ist. Zur Gruppe der Wohn- und Geschäftshäuser, Villen und Mietvillen um 1880 – 1900 gehören u.a: das Wettinhaus (Deutsche Bank) Moritzburger Straße 1, Karlstraße 5, Bahnhofstraße 8/8a, „Villa Marie“, Dr.-Rudolf-Friedrichs-Str. 17, Clara-Zetkin-Str. 20 u. 22, Wichernstraße 6b, Meißner Straße 47 (Teekanne), die beiden kleinen Eisenbahnerhäuser in der Wasastraße hinter der Brücke (das waren mal Schrankenwärterhäuser, ehe die Bahnstrecke hoch gelegt wurde) sowie der stattliche Pavillon in der Pestalozzistraße gegenüber dem Rathaus. Und es gäbe durchaus noch ein paar weitere Häuser mit Verblendziegelfassaden, die jedoch den Rahmen dieses Berichts sprengen würden. An zwei Stellen in Radebeul kann man eine Konzentration derartiger Bauten wahrnehmen – im Raum Louisenstraße/ Albertplatz

und im Straßenzug Bahnhofstraße/ Moritzburger Straße. In den Fällen der Bahnhofstraße 8, 8a grenzen ein gelbliches und ein rötliches Haus aneinander und bei der Pestalozzistraße 16 und Schildenstraße 17 stehen sich jeweils ein gelbliches und ein rötliches Haus diagonal gegenüber. Meines Erachtens geht von diesen Häusern vor allem, wenn sie konzentriert stehen, ein stärkerer städtischer Charakter aus als sonst in Radebeul. Zunächst mögen sie hier als Fremdkörper wahrgenommen worden sein, doch wir haben uns längst an diese roten und farbigen Häuser im charakteristischen Häusermix von Radebeul gewöhnt.
Da wirft sich mir gerade noch eine Frage auf: warum wurden deutschlandweit, also über Radebeul hinaus, für Fassaden von Bahnhöfen, Stellwerken, Betriebsgebäuden und auch Dienstwohnungen der Bahn sehr oft Verblendziegel eingesetzt? Versuch Antwort 1, weil gerade in der Gründerzeit das Schienennetz stark erweitert wurde und damit auch neue oder vergrößerte Bahnhöfe entstanden. Antwortversuch 2, weil, wenn ein Schienennetz vorhanden war, auch der Materialtransport von nicht am Ort vorhandenem Material, hier Verblendziegel, günstig und billig war. Und Antwortversuch 3, weil durch die Erfindung des Ringofens und der Ziegelpresse (Mitte 19. Jh.) günstigere technische Bedingungen für eine massenhafte Ziegelherstellung gegeben waren.
Für die Fassaden der Lutherkirche (Schilling & Graebner, 1891 / 92) wurden Backsteine im Reichsformat mit klassischem Mauerverband verwendet. Es liegt nahe, dass diese Ziegel von der Serkowitzer Firma F. W. Eisold, die am Bau beteiligt war, hergestellt wurden. Das entspricht etwa den Kirchenfassaden in den Hansestädten im Norden. Davon sind zwei Vertreter von unverputzten, farbigen Ziegelhäusern, die in der Gestaltung etwas moderner wirken, zu unterscheiden, deren Fassaden aus sogenannten Kohlebrandklinkern bestehen. Es sind dies die Villa Mozartstr. 8 (1930/31) und das Fabrik- oder Werkstattgebäude an der Forststraße (1934, vormals wohl AWD). Hier wurden eindeutig echte Klinker und keine Verblendziegel verwendet. Sie sind typisch für die Zeit zwischen den beiden Kriegen.
Wenn diese Thematik beim ersten Lesen etwas für Verwirrung sorgen sollte, bitte ich um Entschuldigung, vielleicht hilft ein zweites Mal Lesen. Ich fürchte, wenn Sie liebe Leserin, lieber Leser, die im Artikel genannten Beispiele von Klinker- oder Verblendziegelhäusern als Spaziergang gestalten wollen, werden wohl zwei oder drei Spaziergänge praktikabler sein als nur einer. So verstreut wie diese Häuser über das Stadtgebiet auch sind, gehören sie doch, ob sie uns gefallen oder nicht, zur typischen Häusermischung unserer Stadt.
Ich danke den Herren Bialek und Henker, mit denen ich in Sachen Ziegel ein wenig fachsimpeln konnte, herzlich.

Dietrich Lohse

Karrasburg Museum Coswig: „raumgreifend – elementar“

»Vogelfrau« (2016)

Die Sonderschau des Radebeulers Friedemann Dietzel ist noch bis 19. Juli zu erleben
„raumgreifend – elementar“, so lautet der Titel der aktuellen Sonderschau des Bildhauers Friedemann Dietzel. Ein Ausstellungstitel, der sich nicht nur auf die Holz- und Bronzewerke Dietzels beziehen lässt. Die Ausstellungseröffnung lag zeitgleich mit dem Beginn der Corona-Verordnungen, die raumgreifend bzw. flächendeckend in unser aller Alltag elementare Veränderungen brachten.

»Hoffnung ist das Ding mit Federn« (2018)

Fast zwei Monate lang konnte die Ausstellung nicht besucht werden. In dieser Zeit hatten die Figuren aus Holz und Bronze den Raum ganz für sich.

Holzskulptur und Sägebilder

Die Materialien Wachs/Bronze und Holz sind die vorrangigen im Schaffensprozess des Künstlers. Als gelernter Tischler hat Friedemann Dietzel eine besondere Verbindung zum Werkstoff Holz als ein lebenspendendes, nachwachsendes und gut formbares Element.
1968 in Dresden geboren, führte das Leben Friedemann Dietzel nach der Wende zum Studium der Sozialarbeit/Sozialpädagogik an der Ev. Hochschule für soziale Arbeit in Dresden. Bis heute ist er in diesem Berufsfeld tätig.
Doch der Drang zur schöpferischen, bildhauerischen Auseinandersetzung blieb bestehen und so ergriff er 2009 das Basisstudium für Bildhauerei in der Bildhauerhalle Bonn bei Paul Advena.

»Malalas Schwestern« (2014)

Seit 2013 arbeitet Friedemann Dietzel parallel zum Beruf als freischaffender Bildhauer.
Das Holz wird von ihm mit der Kettensäge bearbeitet – dem Werkzeug des Waldarbeiters. Friedemann Dietzel beschreibt es als ein Werkzeug, welches effektiv, laut, aggressiv und häufig schneller als die menschlich gesteuerte Vernunft ist. Im Schaffensprozess geht es ihm aber auch darum, hierzu die Gegenpole wie Entschleunigung und Rückzug finden.
„Bei der Feinmodellage setzt die Kettensäge eindeutige Grenzen, dies führt zwangsläufig zur Reduktion und Abstraktion. Die Werkspuren der Kette geben eine eigene Oberfläche, eine expressive Landschaft, eine mechanische Textur“, so der Künstler.
Mit Acrylfarbe oder dem Element Feuer als gezielte Flamme wird das Holz weiterbearbeitet. Dabei wechselt das Auftragen der Farbe mit dem Abtragen des Holzes, bis sich ein stimmiger Zustand einstellt.
Mit den Materialien Wachs und Bronze ist es dem Künstler möglich filigran zu arbeiten. Die entstandenen Figuren mit ihren feinen Gliedmaßen und ausdrucksstarken Bewegungen erobern sich raumgreifend ihren Platz.

»Prometheus XXXY« (2017), im Hintergrund: Sägebild

Noch bis zum 19. Juli sind sie in der Karrasburg zu sehen und da eine Eröffnung nicht richtig stattfinden konnte, gibt es diesmal eine Finissage, gemeinsam mit dem Künstler und musikalischer Begleitung durch Frank Nestler am Saxophon. Ein bisschen greift Corona aber auch hier noch ein, die konkrete Gestaltung der Finissage muss sich nach den dann gültigen Hygienevorschriften richten.

 Katrin Kynast

Alle Informationen zur Veranstaltung erfahren Sie rechtzeitig auf der Internetseite des Museums: www.karrasburg.de
Museumsteam und Künstler freuen sich auf alle, die bis zum 19. Juli oder am Tag selbst die Gelegenheit eines Ausstellungsbesuches nutzen. Der Eintritt ist kostenfrei.

Zwischen „nicht mehr“ und „noch nicht“:

Aus dem Alltag an der ehemaligen EOS „Juri Gagarin“ Radebeul im Jahr 1990 (Teil 1)

1. Halbjahr 1990
Es waren unruhige Tage, Wochen, Monate. Der Wind des Wandels hatte spätestens seit Oktober 1989 auch durch die Gemäuer der Erweiterten Oberschule (EOS) „Juri Gagarin“ Radebeul geweht, und also fegte er mit unverhoffter Stärke und Geschwindigkeit gewohnte Abläufe im pädagogischen Regime, jahrzehntelang festgefügte organisatorische Strukturen und später dann auch einige deren prominentester Vertreter vor Ort hinweg. Jeder, der damals zur Schulgemeinschaft gehörte, wird sich an jeweils unterschiedliche Details erinnern, je nachdem, worin das eigene Leben konkret verstrickt war. Für uns Schülerinnen und Schüler stand der Aufbruch in eine zwar ungewisse, aber dennoch ungeahnte Möglichkeiten eröffnende Zukunft im Vordergrund. Für die beteiligten Lehrkräfte allerdings muss die Situation nicht nur persönlich schwierig gewesen sein, sondern vor allem auch institutionell. Es ging schließlich um die Frage, wie der Schulbetrieb aufrecht zu erhalten wäre in einem Land, dessen Gesetzgebung gar nicht schnell und verlässlich genug auf die sich unablässig ändernde politische Lage reagieren konnte. Erinnern wir uns: Als die Schüler der 11. und 12. Klassen – damals wurden jeweils vier Klassen in beiden Stufen an der Schule unterrichtet, im Ganzen ca. 160 junge Erwachsene – am 7.2.1990 ihre Halbjahreszeugnisse ausgeteilt bekamen, bestand formell die DDR noch und war die Regierung Modrow im Amt. Erst wenige Tag später, am 13.2.1990, wurde auf einer KSZE-Konferenz in Ottawa beschlossen, dass die sogenannten 2+4-Gespräche über die Zukunft des Status beider deutscher Staaten beginnen sollten – mit noch ungewissem Ausgang; erst am 18.3. sollten die ersten freien Wahlen in der DDR stattfinden. Von einer Wiedervereinigung wurde in jenen Winter- und Frühlingstagen zwar schon geträumt und gesprochen, aber sowohl die Wirtschafts- und Währungsunion war noch nicht absehbar (am 18.5. wurde ein diesbezüglicher Beschluss gefasst) als auch nicht die Gründung des Freistaates Sachsen (fand am 3.10.90 in Meißen statt). Die von der DDR-Zentralregierung in Berlin eilig erlassenen Übergangsregeln zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Land galten auch für das Bildungswesen, aber wie der Name schon sagt: Ein Übergang ist ein Prozess aus einem Daher zu einem Dahin. Diesen Prozess mussten die einzelnen Schulen, so gut es ging, mitvollziehen und mit Leben erfüllen. Etwas überspitzt gesagt könnte man sagen: Der pädagogische Alltag in der ersten Jahreshälfte 1990 fand in einem Niemandsland zwischen „nicht mehr gültig“ und „noch nicht eingeführt“ statt. Mir liegen Dokumente und Mitschriften aus einem Pädagogischen Rat vom 7.2. 1990 vor, die das am Beispiel der EOS Radebeul ganz konkret erfahrbar machen.
Direktor Dr. Glöckner hatte für den Nachmittag des letzten Schultages im 1. Halbjahr das Lehrerkollektiv – so nannte man es damals noch – in das Zimmer 11 des Hauptgebäudes (was damals das alleinige Schulgebäude der EOS war) eingeladen. Zentrales Dokument zur Beratung war der „Arbeitsplan für das 2. Schulhalbjahr“, worin es gleich zu Beginn heißt: „Die in den Umgestaltungsprozeß der Gesellschaft der DDR eingeschlossene Erneuerung der Schule bedarf in Übereinstimmung mit einem neuen Bildungsgesetz auch der Erarbeitung einer neuen Schulordnung.“ […] Ausgehend vom Gesetz zur Veränderung der Verfassung vom 1.12.1989 ist eine Entflechtung von Partei und Staat auch in der Schule, als einer staatlichen Einrichtung, erforderlich.“ Damit war das politische Spannungsfeld aufgemacht, in dem sich diese Zusammenkunft der Lehrer bewegt haben muss. Handschriftliche Aufzeichnungen einer Teilnehmerin künden von zum Teil noch ungelösten Fragen, die bestimmte Fächer und schulische Abläufe betrafen: Was würde an Stelle des zum Halbjahr auslaufenden Staatsbürgerkundeunterrichtes treten? Das Fach „Gesellschaftskunde“, wofür allerdings erst eine Konzeption erarbeitet werden muss. Wie soll mit den zuvor erteilten Noten in Staatsbürgerkunde verfahren werden? Sie werden in die Feststellung der Jahresnote mit eingehen. Wer sollte dieses neue Fach unterrichten? Grundsätzlich müsste es jede Lehrkraft können, aber der bisherige Staatsbürgerkundelehrer Dr. Babik sollte weitermachen dürfen. Womit könnten die erfahrungsgemäß zahlreichen Interessenten für ein Medizinstudium besser darauf vorbereitet werden? Mit einem fakultativ zu belegenden Latein-Unterricht, der für die Elftklässler ab dem 2. Halbjahr einmal wöchentlich angeboten werden würde. Wie könnte man das zwar allgemein hohe, aber besonders in den Naturwissenschaften und Mathematik doch heterogene Niveau und Interesse der Schüler auffangen? Durch die Bildung von sogenannten „Leistungsklassen“, was allerdings als Übergangslösung angesehen wurde.i Welche Bedeutung würde das Fach Russisch künftig haben? Ab dem 2. Halbjahr sollte Russisch mit weniger Stunden unterrichtet werden, was auch eine Reaktion auf die Abschaffung des Sonnabendunterrichts sein würde, wodurch sich eine Anpassung der Stundentafel ohnehin erforderlich machte. Was würde aus den „Freundschaftsbeziehungen zur 38. Oberschule in Moskau“ werden? Sie sollten vorerst „trotz schwieriger aktueller Bedingungen“ beibehalten werden. Sollte man Mädchen und Jungen im Sportunterricht trennen? Für die 11. Klasse wurde das zu dieser Konferenz so festgelegt, die 12er sollten die wenigen Wochen bis zum Abitur noch wie gewohnt gemeinsam weitermachen. Apropos Abitur 1990: Deutsch, Mathematik und eine Naturwissenschaft (Biologie, Chemie, Physik) wurden Ende April/Anfang Mai zu je 300min schriftlich geprüft, Russisch zu 90min.ii Noch ganz im DDR-Duktus gehalten sind weitere Hinweise, wonach „VMIiii-Leistungen durch Lehrer und Schüler im Zusammenwirken mit der Kommission ‚Materielle Belange‘ des Elternbeirates realisiert“ werden sollten; „[d]ie Produktionseinsätze für die 11. Klassen“ vom 18.6.-5.7. in Radebeuler Betrieben stattfinden und der „Klub ‚Junger Pädagogen‘ zielstrebig auf die Festigung der Berufsentscheidung der Schüler hinarbeitet“. Spannend ist, dass beim letzten Punkt das schreibmaschinengeschriebene Arbeitspapier eine handschriftliche Streichung aufweist, was auf eine Diskussion im Kollegium hinweist. Denn ursprünglich hieß es weiter, dass dieser „Klub“ mit seiner „Wirksamkeit auf das Schulkollektiv [ausstrahlt]“. Dieser Passus wurde dann getilgt, wohl in Einsicht dessen, dass Berufs- und Studienwahlentscheidungen in einem freien Land auch unbeeinflusst getroffen werden müssten. Aus heutiger Sicht unvorstellbar ist die Tatsache, dass die „Reinigung des Schulhauses […] durch Lehrer und Schüler vorerst noch zu sichern“ sei, wobei noch hinzugefügt wird, dass mit den Kollegen, „die eine Reinigung von Zimmern übernehmen“, darüber eine „Vereinbarung abgeschlossen [wird].“ Ein sehr dezenter Verweis auf die im Wandel begriffene Gesellschaftsordnung findet sich im Arbeitspapier unter dem Stichwort „Zur außerunterrichtlichen Arbeit“, wo zu lesen ist: „Notwendigkeit, Stellenwert und Inhalt der Wandzeitungen in der Schule sind zu prüfen.“ (Wer jemals „Wandzeitungsredakteur“, auch „Agitator“ genannt, an einer DDR-Schule war, weiß, worauf sich diese Aussage bezieht.) Schließlich wird aus den Mitschriften der Versammlung auch deutlich, dass die seit der Grenzöffnung mit der saarländischen Partnerstadt St. Ingbert eingegangenen freundschaftlichen Beziehungen recht intensiv waren: Musiklehrerin Weise hatte die Sitzung mit einer kurzen Vorstellung von Musik aus der Partnerstadt begonnen und am Ende wurde festgelegt, dass das Lehrerkollegium vom 16.-18. März eine Reise ins Saarland antreten würde. Bereits zuvor, im Dezember 1989, war eine Gruppe Schüler aus St. Ingbert zu Besuch an der Schule gewesen.
Vorstehende Einblicke mögen verdeutlichen, dass im Hintergrund vieles verhandelt und geregelt werden musste, wovon wir Schüler keine Vorstellung hatten. Im Nachhinein muss man den Pädagogen von damals Respekt dafür zollen, dass sie sich diesen Herausforderungen verantwortungsvoll gestellt hatten und das turbulenteste Schuljahr der deutschen Nachkriegsgeschichte einigermaßen geordnet zu Ende brachten.

Bertram Kazmirowski

(Schüler an der EOS 1989-91)

Von Stummfilmkino bis Kurzfilmnacht (Teil 2)

Oder: Kino in Radebeul – wen interessiert das noch? (Teil 2)

Neue Außenbeschilderung fürs alte Kino, 1993, Foto: Karin Baum

Nachdem man 1988 in Radebeul-West die „Freundschaft“ geschlossen hatte, war von einstmals vier Lichtspieltheatern in der Stadt nur noch die „Union“ in Radebeul-Ost als schwacher Trost geblieben.
Doch nichts währt ewig. Auch diese Kinoräume waren lediglich angemietet. Mit Kündigung des Mietvertrages durch den privaten Hausbesitzer folgte auch für Gerd Schindler, der im Kreis Dresden-Land für die Wartung der Filmtechnik und nebenberuflich als Filmvorführer im Filmtheater Union sowie während der Saison im Bilz-Bad und Freilichtkino Radebeul-Ost tätig war, am 31. Juli 1991 das Ende seiner Beschäftigung bei der Dresdner Bezirksfilmdirektion. Neuer Arbeitgeber wurde Wolfgang Gerecke, ein ehemaliger Kollege, welcher das Filmtheater als Geschäftsführer bis zum Jahresende auf privater Basis weiter betrieben hat. Doch finanziell ging es zunehmend bergab. 1991 veranstaltete sogar der Radebeuler Gewerbeverein eine Spendensammlung zur Unterstützung der „Flohkiste“ (Filmtheater Union) in Not. Alles Weitere ist schnell erzählt. Im März 1992 wurde der Interessenverein Film gegründet. Neben den mehr oder weniger gängigen „Kassenfüllern“ waren nun auch wieder „gesellschaftskritische und künstlerisch anspruchsvolle“ Filme im Programm. Der Publikumsstamm wuchs allmählig. Die Programmqualität sprach sich in den Insiderkreisen sehr schnell herum. Ab 1. Januar 1993 erfolgte die vollständige Übernahme des Filmtheaters durch den Verein. Gerd Schindler war nun Filmvorführer, Kinoleiter und Vereinsvorsitzender in Personalunion und das alles nach einem langen Arbeitstag als festangestellter Mitarbeiter in der Radebeuler Tourist-Information. Die finanzielle Situation des Kinos begann sich zu stabilisieren. Dann hieß es plötzlich, das Grundstück wird verkauft, das Kino soll abgerissen werden. Die letzte Vorstellung fand in der „Union“ am 4. Dezember 1993 statt. Nicht ohne Hintersinn wurde der deutsch/französische Film „Cinema Paradiso“ (1988) gezeigt. Die Geschichte erzählt von einem kleinen altmodischen Kino in der Provinz und von Menschen, deren Sehnsüchte und Träume mit diesem Ort – der zuletzt nur noch als leere Hülle existiert und abgerissen werden soll – auf eine rührende Weise verbunden sind.

Kinder- und Jugendfilmtheater Union mit Eingangstür (Mitte) und Notausgang (rechts), 14.1.1993, Foto: Karin Baum

Die Parallelen zum Schicksal der „Flohkiste“ lagen auf der Hand. Geblieben sind viele nostalgisch gefärbte Erinnerungen sowie eine Sammlung von Zeitungsberichten, Programmzetteln, Fotos, Ton- und Filmaufnahmen. Quasi in letzter Minute hatte die Medieninitiative noch eine siebzehnminütige Dokumentation gedreht. Den einfühlsamen Film mit dem Titel „Für immer ausverkauft“ kann man sich auf YouTube anschauen. Die in einem Anbau befindliche „Flohkiste“ wurde schließlich im Januar 1994 abgerissen. Das Haupthaus hingegen blieb noch sehr lange stehen.

Sitzbänke des ehemaligen Freilichtkinos in der Gartensparte „Am Waldrand“, links im Bild der Holzbau, in dem sich der Vorführraum befand, 1990, Foto: Sebastian Hennig

Fazit: Das älteste, noch im Betrieb befindliche Kino, hatte 83 Jahre Filmgeschichte miterlebt und bis zum gesellschaftlichen Umbruch in der sogenannten Wendezeit überdauert. Wie sich später herausstellte, hätte es gut und gerne noch einige Jahre bespielt werden können.
Unmittelbar nach der Schließung des Filmtheaters fegte von 1993 bis 1994 ein medialer Sturm durch den Blätterwald. Das Entsetzen war groß. Doch wie nun weiter? Der Verein bemühte sich um Alternativen. Bereits am 27. Juli 1994 erfolgte die Eröffnung der Spielstätte „Union 2“ in den Räumen der Großraumdiskothek Mega-Drome an der Stadtgrenze zu Coswig. Eine weitere Spielstätte wurde durch den Verein im Bahnhof Radebeul-West, genauer gesagt in den Räumen des Seniorentreffs (ehemalige Bahnhofsgaststätte) betrieben, wo es auch Vorstellungen für Kinder gab.
Der Schlagzeile in der SZ vom 10. Mai 1995 „Kinopublikum blieb aus – Ehe mit Großdiskothek ist gescheitert – Radebeuler Interessenverein Film löst sich auf“ gibt es nichts mehr hinzuzufügen.

Die neun Sitzplätze im Palastkino, undatiert, Foto: Palastkino-Archiv

Danach wurde es still ums Kino in Radebeul. Die einstigen Mahner, zu denen stadtbekannte Filmkenner und Kinoenthusiasten wie Joachim Richter (1926–2015), Lieselotte Schließer (1918–2004) oder Wolfgang Zimmermann gehörten, wurden im Laufe der Jahre müde oder sind durch ihr Ableben endgültig verstummt. Die Zeitzeugen einer lebendigen Radebeuler Kinoszene werden rar. Kommunalpolitische Versprechungen, dass es auch künftig in Radebeul ein Kino geben werde, blieben unerfüllt.
Joachim Richter, der 1964 den Radebeuler Filmclub mit gegründet hatte und diesen über viele Jahre leitete, schrieb 1995, als allerorten 100 Jahre Kino gefeiert wurde, sarkastisch „Das Kino lebt. In Radebeul ist es tot.“ Der ewige Rufer in der nun entstandenen Kinowüste blieb hartnäckig und ließ sich von den stereotypen Antworten, dass der gute Wille ja vorhanden sei, allein es fehle an Geld, nicht abschrecken.
Dem gesellschaftlichen Umbruch folgte eine radikale Neuordnung der Kinolandschaft. Die Verwaltungsstrukturen der Bezirksfilmdirektionen lösten sich auf. Kinogebäude wechselten ihre Besitzer. Die Mieten schnellten in die Höhe. Betonklötze wurden in den größeren Städten aus dem Boden gestampft. Die gewinnorientierte Vermarktung hatte Priorität. Inhalt und Anspruch blieben zunehmend auf der Strecke. Fernsehen und Videotheken ließen die Zahl der Kinobesucher beständig schrumpfen. Multiplexkinos zeigten die aktuellen Blockbuster. Geworben wurde mit 3D-Technik und Supersound. Die Digitalisierung machte vor allem den kleinen privat betriebenen Ein-Raum-Kinos zu schaffen. Umso erstaunlicher erscheint der große Zuspruch, den die Dresdner Programmkinos in zunehmendem Maße erfahren, was nicht zuletzt dem engagierten Filmenthusiasten und Kinobetreiber Frank Apel (1954–2020) zu verdanken ist.
Kino in Radebeul – das ist auch eine Geschichte von vielen kleinen Initiativen, die ohne stabile Strukturen und finanzielle Förderung über kurz oder lang gescheitert sind. Erinnern sollte man hier unbedingt an das „Café Color“, welches Wolfgang Zimmermann zwar in abseitiger Lage am Ende der Gartenstraße (Nr. 75) aber voller Optimismus in der Nachwendezeit eröffnet hatte. Aus der Idee vom kulturellen Szenetreff mit einem alternativen Programmangebot der unterschiedlichsten Genres wie Film, Musik, Literatur oder Bildender Kunst, wurde endlich Realität. Selbstausbeutung stand auf der Tagesordnung. Doch die eigene Kraft, mit der er sich gegen die Marktwirtschaft stemmte, hatte der rührige Kulturorganisator letztlich überschätzt.
Für Experimente immer wieder aufgeschlossen, zeigte sich auch der Jugend- und Kulturverein Noteingang, der sich 1991 gegründete hatte und 1992 im Gemeindehaus der Friedenskirche das „Café Noteingang“ eröffnete. Das Konzept war eine ziemlich schräge Mischung aus Szenetreff und soziokulturellem Zentrum. Der Zuspruch war enorm. Man platzte aus allen Nähten und zog schon bald in das Tonnengewölbe des Familienzentrums um. Der Verein Noteingang glich in seinen besten Zeiten einer sprudelnden Ideenquelle, aus der beständig weitere Vereine und Initiativgruppen hervorgegangen sind. Einen Schwerpunkt bildete dabei u. a. auch das Medium Film. So sind im Eigenauftrag zahlreiche Bild-, Ton- und Filmdokumentationen entstanden. Vor allem Jugendliche wurden ermutigt und unterstützt, eigene Filmideen umzusetzen. Themenabende waren mit Filmaufführungen und Publikumsdiskussionen verbunden. Stummfilmklassiker wurden durch Live-Musik begleitet.
Um den Radebeuler „Kino-Notstand“ ein wenig auszugleichen, wurde an verschiedenen Orten improvisiert. So entwickelte sich von 2000 bis 2006 das „Galeriekino“ in der Radebeuler Stadtgalerie zu einer beliebten Veranstaltungsreihe. Die Auswahl der Filme erfolgte gemeinsam mit dem Publikum. Zum Ehrenmitglied wurde Joachim Richter ernannt, der sich keine Vorstellung entgehen ließ. Die nostalgisch anmutenden Filmmaschinen bediente Gerd Schindler und in die jeweiligen Filme führte Wolfgang Zimmermann ein. Für die Mitarbeiter der Galerie brachte das einen ungeheuren Arbeitsaufwand mit sich, eignete sich die Örtlichkeit doch in keiner Weise für ein derartiges Vorhaben.

Palastkino mit Eingangstür, undatiert, Foto: Palastkino-Archiv

Ebenfalls 2000 startete in der Stadtbibliothek Radebeul-Ost die Veranstaltungsreihe „Literaturkino“. Hier hatte der Kulturverein der Einrichtung die Organisation in der Hand, welcher die Existenz des Kinos bis heute sichert. Trotz des durchgängig anspruchsvollen Programms decken die Einnahmen kaum die Kosten.
Ein spektakuläres Kapitel in der Radebeuler Kinogeschichte stellt sicher das „Palastkino“ dar, welches sich im Erdgeschoß des Bahnhofs Radebeul-West befand. Am 30. Oktober 2006 startete hier Johannes Gerhardt mit dem „Kleinsten Kino der Welt“ und schaffte es bis ins Guinness Buch der Rekorde. Das Team von Außenseiter Spitzenreiter kam nach Radebeul und die Presse berichtete deutschlandweit. Geworben wurde mit dem Slogan „Eine Leinwand, ein Filmvorführer, neun Plätze“. Wie im richtigen Kino ertönte ein Gong, es wurde allmählig dunkel, der Vorhang öffnete sich und die Vorstellung begann. Der Name „Palastkino“ wirkte einerseits (gewollt) paradox, sollte aber andererseits auch an das ehemalige Filmtheater „Palast“ erinnern (s. „Vorschau und Rückblick“, Heft 3/2020). Neben den öffentlichen Vorstellungen konnte das Kino auch privat für einen kleinen Kreis gemietet werden. Das Interesse daran war groß. Gefeiert wurden hier u. a. unzählige Kindergeburtstage. Und selbst der Zigarrenclub fühlte sich in dieser besonderen Atmosphäre recht wohl. 2013 war dann Schluss. Der neue Besitzer des Bahnhofsgebäudes hatte andere Pläne. Sieben Jahre sind seitdem vergangen. Das denkmalgeschützte Gebäude steht leer und der Verfall schreitet voran. Geblieben ist beim ehemaligen Bertreiber, die Liebe zum Kino, eine Sammlung nostalgischer Filmvorführgeräte und der Wunschtraum mit dem Kleinsten Kino der Welt noch einmal in Radebeul neu durchzustarten.

Aufgang zum Vorführraum des Filmtheaters Union, im Hintergrund übern Hof die Besuchertoiletten, 14.1.1993, Foto: Karin Baum

Der Kinogedanke war den Radebeulern nicht auszutreiben und keimte immer mal wieder auf. So standen die Langen Kultur- und Kneipennächte im Jahr 2010 unter dem Motto „Kneipen, Kunst und Kino“. Die Kultur- und Werbegilde Altkötzschenbroda hatte als Veranstalter zum Kurzfilmwettbewerb aufgerufen und dem Sieger als Preis den „Silbernen Kötzschbär“ verliehen. Was in den Jahren danach passierte, ist – sieht man einmal vom regelmäßig stattfindenden „Literaturkino“ ab – nicht allzu viel. Im Bilz-Bad erfuhr das Freilichtkino eine Renaissance und in der Hohlkehle konnte man jüngst die Internationale Kurzfilmnacht erleben.
Ein Kino der herkömmlichen Art wird es in Radebeul wohl vorerst nicht mehr geben. Schon eher denkbar wäre ein kommunalgefördertes Filmclub-Kino, das mit „Abspielringen“ kooperiert. Ob in der „Kulturellen Mitte“ oder an einer der „Kulturellen Randzonen“ verortet, sei vorerst dahingestellt. Wo ein Wille ist, da lassen sich auch Räume finden. Eine große Hoffnung für Filmfreunde verbindet sich mit dem neu gegründeten Radebeuler Kulturverein, einer bunten aufgeschlossenen Truppe, die nicht nur redet, sondern schon mehrfach zur kulturellen Tat geschritten ist.
Womit allerdings keiner gerechnet hatte, ist die Corona Pandemie und deren Auswirkungen auf nahezu alle Lebensbereiche. Was die Filmbranche anbelangt, ist die gegenwärtige Lage ernst, sehr ernst sogar – aber, wie man so schön sagt, nicht alternativlos. Und Kino in Radebeul – das wird wohl auch in den Nach-Corona-Zeiten ein spannendes Thema bleiben.
Karin (Gerhardt) Baum

Der Beitrag „Kino in Radebeul…“ (Teil 1) wurde in der März-Ausgabe 2020 veröffentlicht und kann jederzeit als Online-Version unter www. vorschau-rueckblick.de abgerufen werden.

Editorial 7-20

Liebe Leserinnen und Leser,
gut drei Wochen hatte die Wahl zur Bestimmung des neuen Leiters des Kulturamts die Gemüter vieler Radebeuler bewegt und unsere Stadt in die Schlagzeilen gebracht – bundesweit. Nun ist seit dem 2. Wahlgang bzw. der Wahlwiederholung vom 15. Juni klar, dass nicht der umstrittene Schriftsteller Jörg Bernig, sondern die noch voraussichtlich bis Jahresende in Annaberg-Buchholz tätige Kulturmanagerin und promovierte Romanistin Gabriele Lorenz den vakanten Posten ab Januar 2021 bekleiden wird. So weit, so gut? Ja und nein. Ja, denn ich finde, Gabriele Lorenz ist eine geeignete Kandidatin für dieses Amt, nach allem, was ich über sie erfahren konnte. Ich wünsche ihr einen erfolgreichen Start in der für sie neuen Aufgabe. Nein, denn mit etwas Abstand muss ich mir sagen, dass aus den Vorgängen rund um den 1. Wahlgang mit der Wahl Jörg Bernigs Lehren gezogen werden sollten. Von der Stadtverwaltung wünsche ich mir, dass sie Stellenausschreibungen und nachgeordnete Auswahlprozesse so gestaltet, dass die fachliche Eignung der Bewerber für den jeweiligen Posten bzw. deren Berufserfahrung im Vordergrund stehen. Von den Mitgliedern der Fraktionen im Stadtrat wünsche ich mir, dass sie nicht vordergründig eigene (politische) Ziele verfolgen, sondern stets mit Augenmaß und Weitsicht Entscheidungen treffen und deren Folgen für die Stadt realistisch einschätzen. Von Bewerberinnen und Bewerbern wünsche ich mir eine kritische Sicht auf die persönliche Eignung für eine Funktion, für ein Amt. So hätte im aktuellen Fall ein für sein literarisches Werk zu Recht geehrter Individualist zeitig genug erkannt, für ein Verwaltungsamt mit Personalführungsaufgaben nicht ausreichend qualifiziert zu sein, ganz unabhängig von seinen politischen Ansichten. Von der Stadtgesellschaft, also von uns allen, wünsche ich mir, dass wir miteinander Demokratie (aushalten) lernen und akzeptieren, dass sie anstrengend ist. Auch 30 Jahre nach den ersten freien Wahlen ist das offenbar etwas, worin sich viele von uns fortgesetzt üben sollten.

Bertram Kazmirowski

Zur Titelbildserie

Die kleine Aktzeichnung passt wunderbar zum Juni-Heft. Die schöne Jahreszeit macht das Leben leichter. Alles drängt in die Natur. Die Hüllen fallen und man fühlt sich zunehmend frei. Die Offsetlithografie von Bärbel Kuntsche entstand 1993. Sie zeigt einen liegenden weiblichen Akt, ganz ohne Scheu. Der Kopf ruht auf dem linken Arm. Das Gesicht ist im Profil zu sehen. Vor allem das Auge zieht die Blicke der Betrachter an, und es scheint, als schaue es in sich selbst hinein.

Die Figur steht in Beziehung zu verschiedenen Linien von unterschiedlicher Stärke, die der Zeichnung Dynamik und räumliche Tiefe verleihen. Deren Rhythmus umschmeichelt den Akt und besticht durch heitere Musikalität. Nur angedeutet ist der Hintergrund. Ob es sich dabei um eine hügelige Landschaft handelt, bleibt der Fantasie überlassen.

Die Erkundung und Darstellung der menschlichen Gestalt haben auf Künstler aller Gattungen seit jeher eine große Anziehungskraft ausgeübt. Wie damit umgegangen wird, hängt jedoch von den jeweiligen Moralvorstellungen der Gesellschaft ab. Die radikale Befreiung aus zivilisatorischen und akademischen Zwängen fand u. a. bei den ”Brücke Künstlern“ einen Höhepunkt.

Doch vor der Kür kommt selbst bei Künstlern die Pflicht. Für Bärbel Kuntsche hieß das, an der Hochschule für Bildende Künste Dresden eine solide Ausbildung zu absolvieren. Dort erwarb sie auch genaue Kenntnisse von der menschlichen Anatomie. Bis heute vertritt sie die Auffassung: „Erst wenn man die handwerklichen Grundlagen souverän beherrscht, kann man sich als Künstler frei entfalten.“

Karin (Gerhardt) Baum

“Vorschau und Rückblick“ Heft 6/2020

Mit Wolf Biermann poetisch und politisch durch das Jahr

Über den Tellerrand geblickt

Besuch eines technischen Denkmals der sächsischen Eisenbahngeschichte in Oberau

Bild: Die Leipzig-Dresdner Eisenbahn-Companie, Transpress-Verlag Berlin, 1981


Der Begriff Tellerrand ist hier bezogen auf den Wirkungskreis unserer Vorschau, also die Orte Moritzburg, Radebeul, Cossebaude und Coswig, gelegentlich noch Radeburg und Weinböhla, Orte, wo die Vorschau ausgelegt und gelesen wird, bzw. wo unsere Themen angesiedelt sind. Wird das über-den-Tellerrand-Schauen eine Ausnahme bleiben, wenn ich Oberau besuche, das drei Dörfer hinter Weinböhla liegt? Vielleicht wäre auch ein Blick auf das Wasserschloss Oberau interessant gewesen, aber dieses Thema kann man besser darstellen, wenn es etwas Neues zur Sanierung desselben zu berichten gibt.

Bild: D. Lohse


An Oberau vorbei führen die wichtigen Eisenbahnstrecken Dresden – Leipzig und Dresden – Berlin ein paar Kilometer als parallele Linien mit wenig Abstand bis sie sich dann trennen. Die ältere Leipziger Strecke wurde 1839 fertiggestellt und war damit die erste deutsche Fernbahnstrecke – die allererste Strecke Nürnberg – Fürth (1835) war ja nur wenige Kilometer lang. Ob einen Tunnel zwischen Oberau und Gröbern zu bauen, ein Wunsch des sächsischen Königs Friedrich August II war, oder ob die Ingenieure der Leipziger Strecke einen besonderen technischen Kick verleihen wollten, wage ich nicht zu entscheiden. Der 1838 begonnene Tunnel durch einen eher unspektakulären Hügel wurde schließlich 513m lang. Die wesentliche Arbeit verrichteten über 600 Bergleute aus Freiberg, indem auf der Tunnelachse zunächst vier senkrechte Schächte abgetäuft wurden, von denen dann in der Tiefe waagerechte Strecken vorgetrieben wurden, bis der Tunnel durchgängig war. Anschließend wurde die Tunnelwölbung mit Sandsteinquadern ausgekleidet. Die beiden Tunnelöffnungen erhielten gestaltete Portale, jedes mit zwei auf gesetzten Pylonen. Am 7. April 1839 wurde die zunächst eingleisige Strecke (Platz für das 2. Gleis wurde vorbereitet und 1840 realisiert) der Leipzig-Dresdner-Eisenbahngesellschaft, einem Privatunternehmen, feierlich mit der dampfbetriebenen Lok „Saxonia“ und teils offenen und geschlossenen Wagen eröffnet. Zunächst bestand auf der Ostseite des Tunnels sogar ein Bahnhof, der Bahnhof Oberau. Er lag auf der Böschung und hatte Treppen bis zu den Gleisen. Diese ungünstige Lage führte aber schon bald zur Aufgabe dieses Bahnhofs. Aus heutiger Sicht würde man an der Stelle sicherlich keinen Tunnel bauen, für damalige Verhältnisse aber sollte man im Tunnelbau eine beachtliche technische Leistung, wenn nicht gar eine Sensation erkennen. Die Züge zwischen Dresden und Leipzig und umgekehrt rollten fast 100 Jahre nach Fahrplan durch den Oberauer Tunnel. Dann traten erste Probleme auf, als sich einzelne Steine aus der inneren Ausmauerung lösten, die Loks und Wagen größer geworden waren und deshalb neue Bauvorschriften zum Lichtraumprofil für Eisenbahntunnel beschlossen wurden, nach denen der Oberauer Tunnel nun zu eng wäre. Ab 1933 wurde die Durchfahrt gesperrt und der Tunnel abgebaut, wobei 360 000m³ Gestein zu bewegen waren.

Die Jahreszahl 1933 klingt nach einem politischen Zusammenhang, was aber durch die og. sachlichen Gründe ausgeschlossen werden kann. Ab Oktober 1934 fuhren die Eisenbahnzüge wieder planmäßig, jedoch nun in einem Geländedurchstich unter freiem Himmel. Nach 1945 musste dann eine Spur der Bahnstrecke im Zuge von Reparationsleistungen gegenüber der damaligen Sowjetunion abgebaut werden. Die volle Zweispurigkeit der Strecke konnte erst in den späten 60er Jahren wiederhergestellt werden. Seit 1970 bestand dann die Möglichkeit die Bahnstrecke Dresden-Leipzig mit von Elektro-Loks gezogenen Zügen zu befahren. Immer wenn ich mit einem Zug auf dieser Strecke durch den Einschnitt gefahren war, dachte ich an die Geschichte des verschwundenen Oberauer Tunnels und hatte mir vorgenommen, einmal den ehemaligen Tunnel zu besuchen, also als Fußgänger über die Brücke (Straße von Gröbern nach Radeburg) zu laufen und das Tunneldenkmal genauer anzuschauen. Ja, auf der Nordböschung des Einschnitts steht etwa in der Mitte der Tunnellänge ein beim Abbruch des Tunnels geborgener alter Pylon von einer der Einfahrten. Das Denkmal (in der Denkmalliste des Landkreises Meißen verzeichnet) mit von der Bahn aus sichtbarem großen Sachsenwappen im Sockel, was ich erstmals am Ostersonnabend sah, erinnert sowohl an den ursprünglichen Tunnel als auch an den Abbruch desselben 1933/34. Wer sich für sächsische Eisenbahngeschichte interessiert, kennt die Fakten und Hintergründe des Oberauer Tunnels natürlich, dem Rest der Radebeuler sei der geschilderte Ausflug nach Oberau durchaus empfohlen. Auf der besagten Brücke über dem Einschnitt stehend, wird man aber leider vergebens auf die Durchfahrt der alten Lok „Saxonia“ von Andreas Schubert warten!

Dietrich Lohse

Quellen:
1. Werte unserer Heimat „Lößnitz u. Moritzburger Teichlandschaft“, Bd. 22, Akademie Verlag Berlin, 1973
2. Die Leipzig-Dresdner Eisenbahn-Companie, Udo Becher, Transpress-Verlag Berlin, 1981
3. Landkreis Meißen – seine Städte u. Dörfer, Landschaft, Geschichte, Aktuelles, Günter Naumann Kreissparkasse Meißen, 1998

Denkpause vorbei?

Anmerkung zum Beitrag zur Bahnhofstraße vom 23. April

Es sind nun reichliche vierundzwanzig Monate vergangen und somit nicht nur die vorgesehenen sechs, seit die Sächsische Zeitung in ihrer Wochenendausgabe vom 31. März 2018 die „Denkpause zur Bahnhofstraße“ verkündete, welche sich die Stadtverwaltung damals verordnete, nachdem ihre Pläne zur Umgestaltung der Einkaufsstraße auf allgemeines Unverständnis seitens der Bürger gestoßen sind. Vorausgegangen – einige werden sich erinnern – war am 8. Februar eine Versammlung zum Sanierungsgebiet Radebeul West im Bürgertreff, auf der es zu heftigen Kontroversen mit den Vertretern der Stadtverwaltung gekommen war. Das vorgestellte Konzept, insbesondere zur Gestaltung des Bereiches Bahnhofstraße, wurde von ca. 80 Prozent der Anwesenden grundweg abgelehnt.

Seither ist es reichlich still um dieses seit mindestens 2017 heiß diskutierte Sanierungsgebiet geworden. Zwar las man immer wieder mal in dieser Zeitung wie auch in anderen Blättern Beiträge über das Für und Wider dieses Vorhabens, aber so richtig wollte die Sache bisher nicht in Schwung kommen. Nach und nach zogen sich Eigentümer von Grundstücken aus den geplanten Maßnahmen zurück, Entwicklungsvisionen künftiger Leitobjekte (Post, Bahnhof) zerplatzen wie Seifenblasen.

Nun also, so ist zu lesen, geht es endlich los mit der Sanierung! Zwar muss Nina Schirmer, die Autorin des Beitrages vom 23. April in dieser Zeitung und mit ihr vermutlich auch das Bauamt der Stadt Radebeul, eingestehen, dass man nicht so genau weiß, wohin die Reise gehen soll, denn alle Fragen sind noch offen. Dennoch, Baustart wird auf alle Fälle im Herbst sein. Man kann es verstehen, denn die Zeit für die Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen wird langsam knapp.

Und hier sind wir wieder beim Grunddilemma angelangt. Ohne genaue Vorstellungen über den Sinn und die Zielstellung der geplanten Maßnahmen, ohne eine schlüssige Entwicklungskonzeption für das Stadtgebiet verbietet sich eigentlich jede größere bauliche Maßnahme. Alle zur Bürgerversammlung im Februar 2018 aufgeworfenen Sachverhalte konnten bisher noch keiner Lösung zugeführt werden. Wenn wie angekündigt, irgendwann im Sommer den Bürgern vorgestellt werden wird, welche Maßnahmen vier oder acht Wochen später die Bauarbeiter umsetzen werden, reicht wahrlich ein Aushang am Bürgertreff. Dann ist es für jeden Vorschlag, jeden Einwand, jede bürgerliche Mitbestimmung zu spät. Der 8. Februar 2018 soll sich ja nicht wiederholen.

Man kann der Stadtratsfraktion Bürgerforum/Grüne/SPD nur zustimmen, wenn sie den Ausbau der Gehwege von der Gesamtplanung für die Verkehrskonzeption abhängig machen möchte. Die aber ist noch nicht gefunden. Diese Hauruckpolitik, die jede sinnvolle Planung und Einbeziehung aller Betroffenen ausschließt – so muss man vermuten –, scheint System zu haben. Wie anders ist es zu verstehen, wenn Einwohnerversammlungen zu dieser Problematik kurz vor Weihachten oder in der sommerlichen Ferienzeit angesetzt werden, wenn Hinweise von Bürgern in die Pläne nicht eingearbeitet werden (Parkkonzept), wenn in der Planung mit Flächen und Gebäuden operiert wird, auf die die Stadt keinerlei Zugriff hat, wenn auswärtige Unternehmen beauftragt werden, ein Konzept für die Straße zu entwerfen, welches an der eigentlichen Problemstellung vorbeigeht?

Nun also die Sanierung der Gehwege eines Abschnittes der oberen Bahnhof- wie der Güterhofstraße. Natürlich wird sich auch künftig am Zuschnitt dieses Teils der Straße nichts ändern, nichts ändern können, mit oder ohne Verkehrsplanung. Das Profil ist zumindest für diesen Teil der Bahnhofstraße durch das Gelände vorgegeben. Dass die Gehwege saniert werden müssen, steht außer Frage. Sie sollen wahrscheinlich so wie die im unteren Teil der Bahnhofstraße werden. Nur eine durchgängige Pflasterung ist dort nicht zu erkennen und von „Kopfsteinpflaster“ kann schon gar keine Rede sein, wie der Beitrag vom 23.4. suggeriert. Das hatte man sinnigerweise bei der Sanierung der Gehwege des Angers eingesetzt, vermutlich weil typisch für diesen Ort. Die Gehwegplatten in der unteren Bahnhofsstraße aber sind nicht minder glatt als die Seifensteine. Die aber eigenen sich ebenso vorzüglich für Rollatoren wie die Platten. Und die Streupflicht im Winter will doch hoffentlich die Stadt nicht aufheben? Für eine Beseitigung dieses Belages gibt es also keinen hinreichenden Grund. Schadhafte Steine können ohne Probleme wieder ersetzt werden. Warum soll in Radebeul nicht funktionieren, was in anderen Städten offensichtlich kein Problem darstellt? Da existieren eine Unmenge derartiger Bürgersteige. Ganze Plätze sind beispielsweise in Dresden damit belegt. Und so prägen die Seifensteine teils seit über 100 Jahren das Bild dieser Städte mit. Auch für die Bahnhofstraße tragen sie zu deren Charakter bei. Der, so waren sich im Februar 2018 alle in der damaligen Bürgerversammlung einig, soll aber unbedingt erhalten bleiben. Dass das Bauamt nun etwas anders plant, ist somit nicht zu verstehen. Will man sich einfach wieder über die Köpfe der Bürger hinwegsetzen?

Karl Uwe Baum

»Unter demselben Blau, über dem nämlichen Grün…«

Mit dieser, dem Gedicht ›Der Spaziergang‹ (1795) von Friedrich Schiller entlehnten Umstandsbestimmung ist die aktuelle Sonderausstellung des Sächsischen Weinbaumuseums im Kavalierhaus der Hoflößnitz überschrieben. Gezeigt werden künstlerische Arbeiten des den Lesern der ›Vorschau‹ wohlbekannten Radebeuler Architekten Dr.-Ing. Dietmar Kunze, der im vergangenen Sommer plötzlich mitten aus dem vollen Leben gerissen wurde, in Groß Zicker, seinem geliebten, langjährigen Feriendomizil, dessen Bauten und Umgebung auch dem Zeichner Dietmar Kunze vielfach als Motive dienten.

Paradiesberg, Pastell, ohne Jahr
Bild: F. Andert

Architekten zeichnen, sie müssen es von Berufs wegen, und sie sollten es deswegen auch können, und nicht nur mit dem Reißzeug. Gerade an der TU Dresden, wo Dietmar Kunze von 1968 bis 1975 studierte, wurde das freihändige Zeichnen nach der Natur seinerzeit großgeschrieben. 1969, also gleich zu Beginn seines Studiums, begann Dietmar Kunze, Skizzenbücher zu führen. Im folgenden, an großen beruflichen Herausforderungen reichen halben Jahrhundert nahm er sie in den oft nur rar bemessenen Stunden der Muße mit und zur Hand, auf Reisen und bei Spaziergängen durch Dresden oder seine geliebte Lößnitz. Am Ende waren 40 Bücher gefüllt mit über 1.300 Skizzen und Zeichnungen, zunächst nur zum Privatvergnügen, um typische und besondere Situationen, Stimmungen, Perspektiven in Stadt und Land einzufangen und festzuhalten.

Blick in die Ausstellung
Bild: F. Andert

Vor 20 Jahren begann er, durch Künstlerfreunde ermutigt, die kleinformatigen Skizzen, in denen Farbe eine immer größere Rolle spielte, als Vorlagen für größere Arbeiten auf Papier zu benutzen, und arbeitete dabei versiert in verschiedenen Techniken: Tusche, Kohle, Pastell, Aquarell. Die Öffentlichkeit lernte den Künstler Dietmar Kunze erst 2009 mit der u.a. gemeinsam mit seinem Kollegen und Nachbarn Thilo Hänsel bestrittenen Ausstellung »frei hand – Architekten zeichnen« in der Radebeuler Stadtgalerie kennen. Für ihn war die allgemein in guter Erinnerung gebliebene Schau zusätzliche Ermunterung zur kreativen Arbeit.

Die gut 40 nun in der Hoflößnitz ausgestellten Blätter, großenteils Lößnitz- und Rügenmotive, fassen dieses letzte Schaffensjahrzehnt eindrucksvoll zusammen. Daneben sind über 30 von Kunzes Skizzenbüchern zu sehen, in denen der Betrachter dem Künstler bei der Arbeit der Motivfindung und Komposition quasi über die Schulter schauen kann. Die Auswahl der aufzuschlagenden Seiten war schwer, in der Zusammenschau werden aber viele Facetten eines großen Talents zumindest angerissen. Nicht nur angesichts der filigranen, aus oft reizvoll ungewohnter Perspektive kitschfrei hingeworfenen Lößnitzpanoramen ist zu bedauern, dass diese Skizzen Skizzen bleiben müssen.

Als Retrospektive zu Dietmar Kunzes 70. Geburtstag am 10. April geplant, hat die durch großzügige Leihgaben der Familie ermöglichte Ausstellung pandemiebedingt erst mit siebenwöchiger Verspätung und leider ohne Vernissage eröffnet werden können. Sie ist noch bis zum 12. Juli 2020 täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr in der Hoflößnitz, Knohllweg 37, in Radebeul zu besichtigen und soll, wenn der Virus will, Anfang Juli noch eine würdige Finissage erhalten.

Frank Andert

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