Mit Tom Tagtraum durch das Jahr 2016 – Teil 7

Du musst Träumen ihre Entstehung zulassen, denn nur so kann irgendwann ein Teil davon auch Wirklichkeit werden.

Zwei wundersame Geschichten im Orient
Wieder ging’s los mit dem kleinen, hellblauen Flugzeug. Thomas, der Pilot, flog Tom gleich zu Beginn der Matscheschneekältewetter-Winterferien in kurzer Zeit in eine palmenwedelnd-frühlingsduftende Gegend, wo der Honig besonders lecker schmeckt und Orangen einfach so als Fallobst, kaum beachtet, unter Straßenbäumen liegen. Hier gibt es statt Glockengeläut von Kirchtürmen schwelgende Gesänge von Moscheeminaretten und zum Frühstück frisch gepressten Granatapfelsaft. Alle Pflanzen duften mitten im Februar schon viel stärker als zu Hause im wohligsten Sommer, das Meer rauscht leise. Nur die fernen Berge tragen auf ihren höchsten, sehr geschwungenen Gipfeln Kappen aus Schnee. Hier oder vielleicht doch noch woanders, aber schon fast in der Nähe müssen die „Märchen aus tausendundeiner Nacht“ gespielt haben. Tom ist sich fast sicher, denn als ihm seine Großmutter Selma früher daraus vorlas, hatte er genau solche Bilder in sich drin entstehen sehen, wie er sie jetzt hier, nur etwas gegenwärtiger eben, vor sich sieht.

Wundersame Teppiche, die nie fliegen werden
Obwohl es schon Mittagszeit ist, spürt Tom keinen großen Hunger, nur etwas Müdigkeit vom Erlebten in der orientalischen Altstadt. Ein bisschen Ausruhen ist dran, Tom holt sich einen frisch gepressten Orangensaft, nimmt den Rucksack ab und lässt sich mit kurzem Seufzer auf einem Mauersims nieder. So, jetzt noch die Beine ausstrecken und…mmmhhh, wie der Orangensaft duftet und schmeckt! Erst nach dem nächsten Schluck blickt Tom auf und schaut auf zwei Läden, nicht weit gegenüber. In beiden gibt es Teppiche unterschiedlicher Größe und Muster, die auch dort hergestellt werden, um sie an Touristen aus aller Welt zu verkaufen. Kennst du die Märchen, in denen fliegende Teppiche vorkommen?
Tom erinnert sich der gehörten, vor- und längst selber gelesenen und jetzt schaut er hier in Ruhe zu, wie Teppiche gewebt werden. Das geht bei dem einen Händler, halb links quer der Straße, recht flott. Der hat dafür eine computergesteuerte Webmaschine, und ist solch ein Teppich ratzebatze fertig, so zieht ihn der Händler (Tom kann es deutlich durch eine spaltbreit offene Tür beobachten) durch eine Wanne mit einer gelbgrüngrau schäumenden, bis draußen übel riechenden Flüssigkeit und dutzenden, sehr kantigen Steinen. Die Touristen bezahlen schließlich viel Geld für „alte“, also „historische“ Teppiche, und nach solch einer Prozedur ist jeder Teppich in wenigen Minuten um viele hundert Jahre gealtert, scheinbar. Freilich ist nicht mal die Zeit bis zum nächsten Schluck Orangensaft vergangen…
Der Händler längs der Straße jedoch bietet nur wenige fertige Teppiche an. Seine Frau und die beiden Töchter sitzen an großen Webrahmen bei der Arbeit. Dabei erzählen sie einander Geschichten und trinken Tee, beginnen zu singen, legen bald eine Pause ein, weben weiter, haben einen freundlichen Blick für Tom übrig, um dann wieder miteinander zu scherzen. Tom entdeckt, dass jeder der wenigen Teppiche, die auf Käufer warten, ganz anders aussieht, so, als ob er selber eine eigene und ganz unverwechselbare Geschichte erzählen könnte. Na ja, für denjenigen jedenfalls, der aus einem Teppich Geschichten lesen kann. Nein, Tom braucht keinen Teppich. Und ein fliegender Teppich wird jetzt auch nicht durch die Tom-Tagtraum-Geschichten schweben. In denen gibt es schon genug wundersame Transportmittel, lassen wir die Flugteppiche also in den Märchen, in denen sie zu Hause sind. Darum soll es hier nicht gehen, hat doch Tom für sich ganz allein etwas klären können. Als er vom Mauersims aufsteht und den letzten Schluck frisch gepressten Orangensaft austrinkt, ist ihm das Geheimnis aller fliegenden Teppiche plötzlich ganz klar geworden. Wie – Was – Warum – Wieso… fragst du jetzt? Nun, noch bevor Tom den ersten Schritt weiter gelaufen ist, weiß er genau, welche Teppiche auch in den fantastischsten Märchen n i e fliegen werden können.

Mehmet der Zuckerbäcker und der wundersame Geldautomat
Nein, so etwas aber auch. Immer noch ist Tom in diesem fernen Land und Mehmet, der Zuckerbäcker, hatte ihn eben von diesen köstlichen Törtchen und Küchelchen kosten lassen. Genau das ist es! Einen großen Karton voll von diesen Leckereien mit nach Hause nehmen, für Mutter Bruni, Vater Gerd, Oma Selma, vielleicht würde sich Herr May auch freuen oder die Kinderärztin Frau Doktor Haferkorn. Aber zu dumm. Es ist der letzte Urlaubstag und, nun ja, wer kennt das nicht, Toms Taschengeld für diese Reise ist restlos alle. Am Anfang hatte er seine Euro in diese fremde Währung, nennen wir sie mal einfach Korinthen, getauscht, aber jetzt ist bis auf eine kleine, abgegriffene Münze nichts mehr übrig. Und billig sind die handgemachten Küchelchen auch nicht. Die und guter Rat sind jetzt also beide teuer. Tom kann nicht mal mehr Thomas, den Piloten, fragen, ob der ihm was leihen könnte, denn der tankt schon am Flugplatz vor der Stadt das kleine, hellblaue Flugzeug auf. In einer Stunde kommt der mintgrüne Reisebus, um Tom zur Rollbahn zu bringen. Nun geschieht auch in vermeintlich märchenhaften Wunderländern nicht ständig in aller Gegenwartsalltag ein Wunder und Tom ist auch noch zu jung für eine eigene Kreditkarte, mit der an allen Geldautomaten auf der Welt hätte etwas abheben können. Sein Sparschwein, das steht zu Hause auf dem Klavier. Der Gedanke, dass es ganz gut gefüllt ist, hilft hier jedoch auch nicht weiter… Aber je intensiver Tom an sein Sparschwein zu Hause auf dem Klavier dachte, desto schummeriger erschien ihm nach und nach ringsum die Welt und er selbst fühlte sich ein bisschen benebelt. Wer Tom jetzt beobachtete, erschrak vielleicht, sah er ihn doch zu einem Geldautomaten taumeln, sah, wie Tom einige Tasten drückte und dabei einige Male merkwürdige Laute vor sich her murmelte. Es klang aus weiter Ferne etwa wie „Himbraautomata, Sparschwein komm nach dada, himbrabrumbra letztlich, schütt mein Geld hier aus jetzt plötzlich…“ Tom taumelte immer noch und sah Farben aus Rosa und Grün, als vom Geldautomaten ein langes Klimpern zu vernehmen war. Toms gesamtes Sparschweingeld kam nämlich eben dort an, zweckmäßiger Weise gleich in der Landeswährung Korinthen gewechselt. Ein Wachmann der Bank schaute noch mit finsterem Blick um die Ecke, aber Münzen aus Geldautomaten, das gab es nicht, das war nicht vorgesehen. Also hatte ihm seine Wahrnehmung in der Mittagssonne nur einen Streich gespielt. Es würde Zeit, in Ruhe einen Tee zu trinken… Tom fühlt die Münzen in seiner Jackentasche und läuft eilig zu Mehmet, den Zuckerbäcker. Der hat bereits Toms Bestellung an Törtchen und Honigküchelchen transportsicher in einen großen Karton verpackt. Mehmet weiß Bescheid, jeden Tag kommen Touristen kurz vor der Abreise bei ihm vorbei. „Tschüss Tom, gute Reise nach Hause, lass es dir und deinen Freunden dort schmecken und wenn du mal wieder hier bist…“ – Aber da ist es längst Zeit für Tom. Er bekommt von Mehmet noch eine kleine Köstlichkeit auf die Hand, als der mintgrüne Reisebus schon hupt. Ab zum kleinen, hellblauen Flugzeug, das pünktlich startet. Tanja, die Stewardess, bringt Tom Apfeltee und Baklavar. Ab nach Hause. Übermorgen sind die Matscheschneekältewetter-Winterferien schon zu Ende, die Schule fängt wieder an.
Tobias Märksch

Der Radebeuler „NOTschriftenverlag“ feierte 20-jähriges Jubiläum

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Jens Kuhbandner im Gespräch mit Gästen Foto: W. Zimmermann

Man kennt das ja zur Genüge, die Lust daran sich selbstständig zu machen. Von niemandem außer von seiner Kundschaft abhängig zu sein. Und bei all dem die Möglichkeit zu haben, eigene Ideen zu verwirklichen. Einer, der sich diesen Traum erfüllte ist der Radebeuler Jens Kuhbandner. Ein Bücherfan? Natürlich, denn sonst gingen Wunschträume dieser Art gar nicht erst auf. Jens Kuhbandner gründete im Jahr 1996 in Radebeul seinen eigenen Verlag und gab ihm den skurrilen Namen „NOTschriften“. Die ersten Bücher des Verlages entsprachen tatsächlich diesem Verlagsnamen. Es waren Prosatexte und Lyrik, deren gedruckter Inhalt von einem schlichten Wellpappeneinband zusammengehalten wurde. Dafür fanden sich natürlich auch die ersten Autoren; ein Lyrikband von Edward Güldner erschien bspw. in dieser Aufmachung. Und auch der Rückblick eines Kulturmachers der 1980-iger Jahre, der in seiner STASI-Akte sehr viel erzählenswerte Geschichten entdeckte. Außerdem, der Schauspieler Wolfgang Dehler (leider schon verstorben), der Anekdoten aus seinem langen Schauspielerleben zusammensuchte und dieser Sammlung den schlichten Namen „…einfach absurd“ gab. Vielleicht war es gerade das Cover seines Buches, das den Verlag von den Wellpappenbüchern abrücken ließ. Fortan nämlich verwiesen die Einbände, wie es im Buchverlagswesen nun mal Standard ist, ganz klar auf den Inhalt des Buches.

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Querschnitt aus dem Verlagsprogramm Foto: W. Zimmermann

Das Verlagsprogramm ist in den 20 Jahren ziemlich umfangreich geworden. Und es sind längst nicht nur Neulinge, die bei NOTschriften gelistet sind. Die Hauptarbeit (Texte sichten, Gespräche mit den Autoren führen etc.) macht der Verlagschef immer noch nahezu allein. Und immer noch findet man ihn in seinem kleinen Büro im Erdgeschoss vom Pfarrhaus der Radebeuler Friedenskirche. Inmitten von Büchern natürlich, für die inzwischen der Platz recht knapp geworden ist. Der 20-jährige Verlagsgeburtstag wäre vielleicht eine Möglichkeit, sich auch in den Räumlichkeiten etwas auszuweiten.

Wolfgang Zimmermann

Auf ein Neues im nächsten Jahr!

Zum XJAZZ-Festival am 27./28. Mai in Radebeul

Kristina Amparo mit ihrer Band

Kristina Amparo mit ihrer Band                Foto: B. Kazmirowski

im Mai-Heft der „Vorschau“ kündigte Jazzlegende Günter Baby Sommer ein für Ende des Wonnemonats (27./28.) in Radebeul geplantes Jazzfestival unter dem Titel XJAZZ an und warb um breite Akzeptanz unter Musikfans der Region, damit es zu einer Tradition werden möge. XJAZZ ist, das sollte man wissen, ein seit einigen Jahren sich von Berlin aus über das Land und seit diesem Jahr auch in Europa (Tel Aviv, Istanbul und Reykjavik) verbreitendes Konzertkonzept, das den Begriff Jazz absichtsvoll weit fasst und stilistische Ausflüge zum Soul und Funk, ja selbst zum Gospel und zur Klassik ermöglicht. Es geht also nicht um die reine Lehre (Kann es die in der Kunst überhaupt geben?), sondern um ein atmosphärisch stimmiges Musikerlebnis, weshalb sich die Organisatoren für die Radebeuler Premiere auch drei sehr unterschiedliche, gleichwohl geeignete Locations (wie man Neudeutsch sagt) ausgesucht und eine ganze Palette an Musikern aus dem In- und Ausland eingeladen hatten. Ein großes Plus, so sollte sich erweisen, war die Verwurzelung der jungen Konzertveranstalter von „Dynamite Konzerte“ um Björn Reinemer in unserer Region (Firmensitz im „White House“ auf der Kötzschenbrodaer Straße), was sich im unermüdlichen Engagement im Umfeld des Festivals und zu den Veranstaltungen selbst zeigte. Die insgesamt neun Konzerte fanden zwischen Freitagabend und Samstagabend in der Lutherkirche, im Foyer der Landesbühnen Sachsen und im Areal des Weingutes Aust statt, wobei der Verfasser sich für jene im Weinberg am Sonnabend entschieden hatte. Ich gebe zu, dass ich nicht zu den Kennern der Materie gehöre, sondern mich eher nach dem von Sommer in seinem Artikel ausgerufenen Motto „Viel Vergnügen bei offenen Ohren“ richten und also unvoreingenommen auf die Musik einlassen wollte. Mit mir zusammen fanden sich dann zu spätnachmittäglicher Stunde schon geschätzte 60 entspannt wirkende Menschen im Weingut ein, wo an diesem Tag zwei Bühnen aufgebaut waren, auf denen die vier Acts – Three Fall, Kristin Amparo, Baby Sommer mit Michael Winkler sowie Tabitha Xavier mit Steffen Roth – spielten. Ungewöhnlich, aber in jedem Fall gelungen fand ich die Entscheidung, nicht auf einen großen Namen zu setzen, sondern über insgesamt fünf Stunden die Künstler kürzer, dafür manche auch mehrfach auftreten zu lassen. Nicht nur meiner Meinung nach waren die beiden Auftritte der schwedischen Sängerin Kristina Amparo besondere Höhepunkte, und dies nicht nur deshalb, weil sie sowohl den Beginn als auch das Ende des Konzertabends markierte.

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Foto: B. Kazmirowski

Mit selbst komponierten, stimmgewaltig und doch feinsinnig interpretierten, eher zum Soul tendierenden Stücken verlockte sie die auf Bänken sitzenden, im Gras liegenden und mit Weinglas am Rande stehenden Zuhörer zu gedankenverlorener Versunkenheit in der Musik, besonders in der abendlichen Dämmerung. Wie angenehm, wenn Zeit einmal so zu einem langen sinnlichen Moment gerinnt und inmitten der Natur still zu stehen scheint. Baby Sommer ließ es sich natürlich nicht nehmen, als Schirmherr des Festivals mit seiner Band auch selbst in Erscheinung zu treten und mit dem Saxophonisten Michael Winkler einen seiner facettenreichen Auftritte hinzulegen, bei denen vor allem seine Schlagzeugimprovisationen und die Soloparts Winklers die Aufführung zu einem volltönenden Erlebnis werden ließen.
Dem Vernehmen nach planen die Veranstalter nach der erfolgreichen Premiere auch für 2017 mit einer XJAZZ Edition Radebeul. Die ca. 400 Besucher in den Konzerten machen Mut und Lust auf mehr Jazzmusik zwischen Elbufer und Hangkante, wobei sicherlich die meisten Fans darauf hoffen, dass das unverkrampfte und natürliche Miteinander zwischen ihnen und den Veranstaltern einerseits sowie den Künstlern andererseits, wie ich es exemplarisch im Weingut Aust erleben durfte, erhalten bleibt. Eine Besonderheit dieses Konzertabends bei Winzer Aust war ganz gewiss der terminliche Zusammenfall mit der Eröffnung des Pressenhauses in der nahe gelegenen Hoflößnitz (siehe auch den Beitrag dazu im Heft), von wo gegen Abend einige Besucher des Bürgerfestes unverhofft noch den Weg zum Jazz fanden – und so einen kulturvollen Tag in kulturträchtigem Ambiente ausklingen lassen konnten.

Bertram Kazmirowski

Der „eiserne Ziller“ im Lößnitzgrund

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Feierliche Enthüllung der Gedenktafel                                         Foto: D. Lohse

Aller guten Dinge sind drei – also will ich noch ein drittes, für Radebeul wichtiges Beispiel für eine einer Person gewidmeten Gusseisentafel vorstellen. Dieses soll dann die lockere Folge (sh. V+R 08/15, V+R 02/16) solcher Tafeln in Radebeul beenden.
Doch nun sollten wir uns in den Lößnitzgrund nahe des alten E-Werkes begeben, was am 4. Juni 2016 knapp über 20 Personen, darunter der Oberbürgermeister, Herr Wendsche und der 1. Bürgermeister, Herr Dr. Müller, auf Einladung des Gartenamtes der Stadt und der Roland-Gräfe-Stiftung taten, um die Wiedereinweihung dieses Denkmals für Moritz Ziller von 1898 zu erleben. Als Zeichen, dass die Zillers auch heute noch gekannt werden, darf man die Anwesenheit von mehreren Eigentümern bzw. Bewohnern von Zillerhäusern werten! Um die Jahreswende 2014/15 war zunächst der Eindruck entstanden, das die Denkmal erklärende Eisentafel sei gestohlen worden, schließlich wird leider auch andern Ortes Buntmetall und auch Eisen entwendet und zu Geld gemacht. Später klärte dann eine gedruckte Info an der Natursteinwand darüber auf, dass die alte Tafel offiziell abgenommen wurde, um sie reparieren, bzw. erneuern zu lassen. Da tat man wohl den zweiten Schritt vor dem ersten, aber schließlich wurde die zuständige Denkmalschutzbehörde beim LRA in Großenhain doch noch beteiligt. Und nun, nach reichlich einem Jahr, haben wir eine neue Gusseisentafel (H=42,5cm, B=79,5cm – die Maße 57 mal 31cm in der SZ vom 21.5.16 entsprechen nicht der Realität), auf der an das Wirken des Baumeisters Moritz Ziller und den „Verein zur Verschönerung der Lößnitz“ erinnert wird; Material, Abmessungen, Inhalt (Zum Gedenken an den Baumeister – Moritz Ziller – Begründer des Verschönerungsvereins – Erbaut 1898) und Schrifttypen alles gleich, also haben wir jetzt eine Kopie. Die schadhafte und schlecht lesbare Originalplatte wurde archiviert.
Frau Funke vom Gartenamt und der Kunstmaler Herr Gräfe, haben sich um den organisatorischen Ablauf gekümmert, wobei es zu einer kostenmäßigen Teilung kam. Für den Guss und die Schrift sorgte die Firma Frank Geißler zusammen mit dem Schriftgestalter Bernd Wendisch. Interessant für mich war ein technisches Detail im Prozess der Erneuerung: für die Oberflächenbehandlung der neuen Platte wurde „mein“ Bäckermeister, Tobias Schimmel, zu Rate gezogen, denn Bäcker wissen manchmal noch, wie die Schwärzung von Backblechen durch Einbrennen von Öl gemacht wird. Es hat geklappt, die Gusstafel im Lößnitzgrund wurde so schwarz versiegelt. Schauen wir mal, wie lange das an der frischen Luft hält!
Da ich nach Fehlen der Tafel ein wenig Wirbel gemacht hatte, wurde ich logischerweise gebeten, zur Wiedereröffnung ein paar Worte zur Familie Ziller und der Geschichte des Denkmals zu sagen. Als ehemaligem Mitarbeiter der ehemaligen Denkmalschutzbehörde in Radebeul fiel mir das nicht schwer, hier der Text meiner kurzen Rede vom 4. Juni 2016.

Wer war Moritz Ziller und warum setzte man ihm im Lößnitzgrund ein Denkmal?

Moritz Gustav Ziller (1838-1895) war der zweitälteste Sohn des Radebeuler Baumeisters Christian Gottlieb Ziller, wurde selbst Baumeister und war für die Lößnitzorte wohl der Wichtigste aus der Ziller-Baudynastie. Der ältere Bruder Ernst hatte als Architekt eine überregionale Bedeutung erreicht und wirkte in Wien und Athen.7-101_0701 Kopie
Moritz Ziller übernahm 1859 das väterliche Baugeschäft, was dann ab 1867 durch Einstieg seines jüngeren Bruders Gustav als Firma GEBR. ZILLER arbeitete und große Bedeutung durch Art und Zahl der errichteten Häuser für Radebeul und die Umgebung hatte. Heute würde man von Marktführer sprechen, ohne die anderen Baufirmen in der Lößnitz wie Große oder Eisold unterschätzen zu wollen.
Moritz und Gustav Ziller hatten dabei auch immer das Stadtbild der Ober- und Niederlößnitz im Blick, sie bauten also nicht nur Häuser, sondern entwickelten bewusst ganze Straßenzüge wie die heutige Eduard-Bilz-Straße, Dr.-Schmincke-Allee oder Zillerstraße. Das hatte sowohl gestalterische als auch wirtschaftliche Hintergründe. Zusätzlich gab bzw. gibt es in allen drei Straßen noch künstlerische Höhepunkte: die Stelen am Alveslebenplatz und die verschwundene Siegessäule am Königsplatz (Eduard-Bilz-Str./ Augustusweg), das Rondell mit Brunnen und vier March-Figuren (Dr.-Schmincke-Allee) sowie der Zillerplatz mit Springbrunnen.
Darüber hinaus wirkte Moritz Ziller ab 1880 im „Verein zur Verschönerung der Lößnitz“ mit und war bis 1892 dessen Vorsitzender. Nach ihm hatten u.a. Bernhard Große und Robert Werner den Vorsitz im Verschönerungsverein, der nach Zusammenschlüssen noch bis 1945 bestand. Ein wichtiges Anliegen dieses Vereins war u.a. die Gestaltung des Promenadenweges im Lößnitzgrund, wo die Firma Gebr. Ziller mit der „Meierei“ eine Baustelle hatte, wo sie Steinbrüche betrieb und Lagerplätze hatte. Um 1900 müssen wir uns den Weg längs des Lößnitzbaches weitaus vielfältiger gestaltet vorstellen, als wir ihn heute erleben können. Weitere Anliegen des Vereins waren der Erhalt der Lößnitzlandschaft sowie die touristische Begleitung der Gäste. Er veranstaltete Benefizkonzerte, verwendete die Erlöse für Wegebau und Beschilderung derselben und gab Broschüren und Landkarten heraus.
Als Moritz Ziller 1895 siebenundfünfzigjährig starb, beschloss der Verein, ihm ein Denkmal für sein langjähriges, erfolgreiches Wirken zu errichten. Ein Platz dafür wurde im Lößnitzgrund unterhalb des Grundhofes gefunden, dessen damaliger Eigentümer Ing. Dehne ein Stück seines Landes abgab. Das Moritz-Ziller-Denkmal wurde dann 1898 feierlich eingeweiht. Eine halbrunde Stützmauer ringt dem mit Laubbäumen bestandenen Steilhang eine platzartige, ebene Fläche neben dem Weg ab. Seit dem erinnert eine gusseiserne Tafel in der Mitte der Mauer an den Baumeister Moritz Ziller. Zwei Sitzbänke bieten auch heute noch Wanderern die Möglichkeit, hier eine Pause einzulegen und vielleicht über Moritz Ziller und dessen Leistungen nachzudenken.
Diese Anlage hat die Zeit von über 100 Jahren relativ gut überstanden, wahrscheinlich wurden die Sitzbänke mal erneuert. Doch im Jahr 2015 stellte man Schäden an der Gusstafel fest und die Stadt Radebeul beschloss im Zusammenwirken mit der Roland-Gräfe-Stiftung, die Tafel erneuern zu lassen. Allen Beteiligten sei gedankt.
Wie hätte man zu Zillers Zeiten jetzt gesagt: dem Schutze des Publikums empfohlen!

Zur Gruppe der Eisenplatten in Radebeul hatte ich ursprünglich noch ein paar weitere Ideen, so kenne ich eine historische, gusseiserne Ofenplatte mit Wappen und anderem Zierrat. Doch diese Ofenplatte passt insofern nicht in die Reihe, da sie sich auf keine in Radebeul bekannte Person bezieht und sich außerdem in einem Innenraum einer Radebeuler Villa befindet, d.h., wohl unter keinen Umständen von Interessenten betrachtet werden könnte. Das Ziel, alle Gusstafeln in Radebeul zu betrachten und vorzustellen, hatte ich mir diesmal nicht gestellt. Damit klappe ich das „Kapitel Eisen“ in V+R erst mal zu.

Dietrich Lohse

Gebaut, um zu überzeugen

Zur Eröffnung des Pressenhauses der Hoflößnitz am 28.05.16

Feierliche Eröffnung am Pressenhaus

Feierliche Eröffnung am Pressenhaus Foto: B. Kazmirowski

Wer in den letzten Monaten aufmerksam unser Heft gelesen hat, dem konnte die Bedeutung der Hoflößnitz für die Außenwirkung Radebeuls als größter Ort entlang der Sächsischen Weinstraße einerseits und die Binnenwirkung dieses Identität stiftenden Ensembles aus Architektur und kultivierter Weinlandschaft für viele Radebeuler andererseits nicht entgehen (vgl. u.a. Heft 6/2015, 9/2015, 3/2016). Wann immer Altes aufgegeben und Neues geschaffen wird, wo immer Veränderungswillen auf Bewahrungserwartung trifft, sind enttäuschte Hoffnungen nicht ungewöhnlich, gleichzeitig aber auch die Chancen gegeben, bisher Un-Mögliches als willkommene Verbesserung zu begrüßen. Nach meinem Eindruck überwölbte dieser Spannungsbogen die feierliche Eröffnung des für etwa 1,5 Millionen Euro sanierten Pressenhauses am 28. Mai in Anwesenheit zahlreicher geladener Gäste aus Politik, Kultur, Wirtschaft und Tourismus.

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Schauraum: Präsentation aller sächsischen Weingüter Foto: B. Kazmirowski

Natürlich steht zu so einem Anlass vor allem die Frage im Vordergrund, inwieweit die ca. einjährige denkmalgerechte Sanierung des klassizistischen Baus – ausgeführt von Handwerkern überwiegend aus der Region – gelungen und die Funktionalität als neues touristisches Zentrum des sächsischen Weinbaus gesichert ist. Der erste Eindruck ist positiv, denn insbesondere das komplett umgebaute Erdgeschoss weitet sich vom an der Ostseite gelegenen Eingang über eine geräumige, hell und geschmackvoll eingerichtete Vinothek mit eingeschlossener Besucherinformation in einen holzverkleideten Schauraum, in dem erstmals alle sächsischen Weingüter in Kurzporträts vorgestellt werden. Man kann sicherlich darüber streiten, ob die mitunter nur sehr spärlichen Angaben eher Lust auf die unausgeführten Details machen, der von auswärts angereiste Weinliebhaber also neugierig wird und Weingüter gezielt aufsucht oder ob sie in ihrer Ähnlichkeit nicht eher doch langweilen. Die im gleichen Raum installierte multimediale Präsentation zum Weinbau in Sachsen wird nach vollständigem Aufbau den Anspruch einlösen müssen, Information mit Animation harmonieren zu können und den unterschiedlichen Besuchergruppen gerecht zu werden. Ein ganz eigener Nutzungsakzent im Gesamtensemble der Hoflößnitz wurde im völlig neu erschlossenen Obergeschoss des Pressenhauses mit der Schaffung eines sehenswerten Gesellschaftsraumes gesetzt, der gediegenen Feierlichkeiten mit bis zu ca. 80 Personen einen würdigen Rahmen verleiht. Freilich erfuhr ich auf Nachfrage beim Geschäftsführer der Stiftung Hoflößnitz, Jörg Hahn, der als Hausherr stolz durch die Räume führte, dass eine Vermietung in diesen Saal nicht nur seinen Preis hat, sondern auch unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit gesehen werden muss. Dem Vernehmen nach ist aber die Nachfrage nach dem Saal gut, was angesichts des fabelhaften Ausblicks auf die Weinlage Goldener Wagen und der Kooperation mit der Oberschänke als gastronomischer Partner auch nicht verwundert. Interessant in diesem Zusammenhang sind auch Hahns Visionen, die diesen Saal als Veranstaltungsort (z.B. für „Jugend musiziert“) umfassen, was eine begrüßenswerte Öffnung in die Stadtgesellschaft hinein sein würde. Woran ich mich jedoch störte, ist die in meinen Augen einfallslose Gestaltung des Treppenhauses und die Qualität der Türen im Obergeschoss, die nicht dem Niveau des Saales entsprechen.

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Veranstaltungsaal im Dachgeschoss Foto: B. Kazmirowski

Ich kann mir gut vorstellen, dass das Pressenhaus Schritt um Schritt eine Lücke zu füllen imstande ist, indem es fremdverkehrlichen Erfordernissen Rechnung trägt und zu einem Anlaufpunkt für Orientierung suchende Gäste wird. Ungelöst jedoch bleibt mindestens für die mittelfristige Zukunft die Bewirtschaftung der vormaligen „Schoppenstube“ als unbedingt nötiger gastronomischer Reiz und natürlich die museale Gestaltung des Schlosses im Sinne einer heimatkundlichen Bildungsstätte, denn das Pressenhaus kann in dieser Hinsicht nicht die an das Gesamtkonzept der Hoflößnitz gerichteten berechtigten Erwartungen erfüllen. Es bleibt zu wünschen, dass Radebeuler und Auswärtige das auch im Außenbereich in frischer Anmutung daherkommende Gelände der Hoflößnitz wieder so mit Leben erfüllen, wie es zum Eröffnungstag während des nachmittäglichen Bürgerfestes der Fall war. Möge Jörg Hahn, der sich dabei munter unter das Volk mischte und Rede und Antwort stand, und seinen Mitarbeitern bei ihrer alltäglichen Arbeit vor Ort sowie den Entscheidungsträgern in Stiftung und Stadt bei den anstehenden Entscheidungen ein glückliches Händchen beschieden sein.

Bertram Kazmirowski

Editorial 07-16

Vor einiger Zeit lag ein auf den ersten Blick scheinbar toter Vogel in unserem Garten. Bei näherem Hinsehen zeigte sich jedoch, dass er trotz seiner Reglosigkeit immer noch lebte. Lange kann er dort nicht gelegen haben, denn Radebeuler Gärten sind bekanntermaßen von Katzen äußerst frequentiert. In der Konsequenz hat das eine nicht unerhebliche Auswirkung auf die Population zahlreicher Vogelarten, insbesondere auf die allseits beliebten Singvögel.
Unser Vogel war mit seinen langen schmalen, schwalbenähnlichen Flügeln recht schnell als Mauersegler identifiziert. Das Gefieder war am Flügel zum Teil verklebt und leicht blutig. Zum Schutz wurde das kranke Tier zunächst in einen luftigen Schuhkarton verbracht. Am Samstagvormittag stellte sich dann unweigerlich die Frage: Wie kann man sinnvoll helfen?
Wir erinnerten uns, dass es im Umfeld eine Wildvogelauffangstation geben müsse. Und tatsächlich, nach kurzer Recherche machten wir uns auf den Weg nach Dresden-Kaditz. Unvermutet auf dem Gelände der Stadtentwässerung befindet sich seit 2007 Sachsens erste Auffangstation für Wildvögel, die vom Umweltzentrum Dresden getragen wird. Zwischen sachlichen Betriebsgeländebauten ist die Station hier oasengleich von zahlreichen Bäumen und Sträuchern umgeben. Die überaus netten ehrenamtlichen Betreuer nahmen sich des Tieres an. Glücklicherweise waren die Flügel nicht gebrochen. Parasitäre Lausfliegen schienen wohl die Ursache für die Schwächung gewesen zu sein. Trotz der medizinischen Betreuung war bei unserer Verabschiedung noch nicht abzuschätzen, ob der Mauersegler den Weg ins Leben wieder schaffen könne.
Einige Tage später fragten wir telefonisch zaghaft nach. Man sagte uns, dass er mit hoffnungsvollem Schwung davongeflogen sei.

Sascha Graedtke

Einmal im Jahr – eine Betrachtung zu den Ausstellungen des Radebeuler Kunstvereins

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Petra Graupner im Atelier Foto: I. Bielmeier

Einmal im Jahr, und das schon seit 20 Jahren, übernimmt der Radebeuler Kunstverein in den
Monaten Juli und August die Ausstellungsräume der Stadtgalerie in Altkötzschenbroda. Für einen Zeitraum von 5 Wochen sind wir als Verein für die Ausgestaltung, für die Betreuung und die
Sicherheit der Galerie zuständig. Für die Damen des Kulturamtes ist dann Urlaubszeit.
Das wird einigen von Ihnen, verehrte Leser, nicht unbekannt sein, aber ich will noch etwas zur Besonderheit und zum Verständnis dieser Ausstellung beifügen.

In meinen Ausführungen geht es um die Vorbereitung und Entwicklung der Ausstellung des Kunstvereins, die zwar in den Räumen der Stadtgalerie stattfindet, aber nur durch den Radebeuler Kunstverein getragen wird. Die Wahl des Künstlers oder der Künstlerin obliegt ebenfalls dem Verein, aber auch alle anfallenden Kosten, wie z.B. Transport, Werbung, Material, Versicherung sowie die Gestaltung der Eröffnungsfeier werden durch den Verein übernommen.

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Jörg Mai im Atelier Foto: I. Bielmeier

Da jede Ausstellung immer mit viel Arbeit verbunden ist, sind alle Mitglieder des Kunstvereins ganz persönlich in den Prozess der Ausgestaltung einbezogen. Natürlich blieb und bleibt die Regie und die Hauptarbeit bei unserer Vorsitzenden, Frau Ingeborg Bielmeier .
Eine Woche vor der Eröffnung geht es dann in die heiße Phase des Aufbaus und oft auch bei heißen Temperaturen. Wer von unseren Mitgliedern schon einmal dabei mitgewirkt hat, denkt aber gern an diese Aufbauwoche zurück. Sie ist immer produktiv und interessant, weil es viele Möglichkeiten und viele Lösungen bei Gestaltungen gibt. Und die müssen ausgehandelt werden. Es wird also beobachtet, geschleppt, gehängt, verworfen, korrigiert und umgehängt. Die Platzierungen, die Höhen, die Abstände, die genauen Bezeichnungen müssen stimmen und nach drei Tagen Arbeit muss es eine für alle Seiten zufriedenstellende Lösung geben.
Beurteilt wird das Resultat dann durch die Besucher, die sich am Sonnabend dieser Arbeitswoche zur Eröffnung der Ausstellung einstellen und genau beobachten, ob alles gut gelaufen ist.
So eine Eröffnungsfeier ist dann immer ein Höhepunkt im öffentlichen Leben, aber vor allem im Leben des ausstellenden Künstlers. Freunde und Kollegen sind gekommen. Viele Interessenten sind da. Die Stimmung ist festlich. Es gibt eine Laudatio auf das Werk und den Meister, Blumen, nette Worte, Wein, Musik und später oft auch eine zauberhafte Julinacht im Garten der Stadtgalerie.

Einige Wochen später erfolgt dann noch ein Kunstgespräch, zu dem auch die Öffentlichkeit immer eingeladen ist. Ich erinnere an die Gespräche und an die Ausstellung mit Siegfried Klotz, Volker Mixa, Malgorzata Chodakowska u.a.m.

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Plastik von Petra Graupner Foto: I. Bielmeier

Vielleicht interessiert Sie noch, liebe Leser, wie wir aus den fast 1000 Künstlern, die in und um Dresden leben, diejenigen fanden, die bei uns ausstellten. Wir haben das Glück, mit Inge Bielmeier eine Vorsitzende zu haben, die sich in der Dresdner Kunstszene hervorragend auskennt und der sich auch alle Türen öffnen.
Mit ihr besuchten wir im Verlauf der letzten 20 Jahre etwa 200 Künstler: Maler, Grafiker, Plastiker, Schrift-, Glas-, Textilgestalter.
Für die Vereinsmitglieder waren diese Besuche im Atelier immer etwas Besonderes. Und schön, im Sinne von anregend und ästhetisch, ist es bei „Künstlers“ immer. Hier, bei diesen Atelierbesuchen, entstanden die Ideen zu den Ausstellungen. Bis zur Realisierung verging meist noch eine Zeit. Aber manchmal entschieden wir uns ganz schnell. So z.B. im letzten Jahr bei Ursula Güttsches, der Bildhauerin aus Borsberg bei Pillnitz. Wir waren nicht nur von ihrem plastischen Werk, ihren großformatigen Grafiken und ihrem Katalog überrascht, sondern auch von ihrem Umfeld, einem ehemaligen Bauernhof, dem sie mit ihrer Kollegin ein völlig neues Antlitz gegeben hatte.

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Grafik von Petra Graupner Foto: I. Bielmeier

In diesem Jahr erfolgte die Entscheidung nicht so spontan, aber wir hoffen, eine gute Wahl mit den beiden Dresdner Künstlern getroffen zu haben.
Petra Graupner und Jörg Mai werden vom 15. Juli – 21. August (Öffnungszeiten: Di, Mi, Do, So, 14-18 Uhr) bei uns ihre Werke zeigen. Es sind Bilder, Plastiken und Grafiken, die Arbeits- und Herangehensweisen zeigen, die wir so noch nie gesehen haben. Beide spannen ihre Kontraste und Möglichkeiten weit aus. Wir begegnen zarten, in den Raum greifenden Plastiken, wundersamen Grafiken, skurrilen altmeisterlich gemalten Bilden in attraktiven Größen. Und die Arbeiten sind auch schön im eigentlichen Sinne. Wir sind uns sicher, dass auch diese Ausstellung ihre Bewunderer in unserer Öffentlichkeit findet und laden Sie, liebe Leser, herzlich nicht nur zur Eröffnung am 15.7., 19.30 Uhr, in die Stadtgalerie ein.

Gudrun Täubert

Andreas Hanske – Fährtensuche

Malerei, Collagen und Objekte in der Stadtgalerie Radebeul

Der Geruch von Nelkenöl und frischer Farbe durchzieht die Räume der Galerie. Zwischen den zum Teil sehr großformatigen Bildern wirkt der agile Künstler noch zierlicher als er ohnehin schon ist.

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Andreas Hanske vor seinem Bild »wie geerdet«, 2016, Kasseintempera auf Leinwand             Foto: K. (Gerhardt) Baum

Die Einladung zur Personalausstellung in der Radebeuler Stadtgalerie bedeutet mir viel“ meint Andreas Hanske beim Ausstellungsaufbau, denn es ist das erste Mal, dass er seine Werke in der Heimatstadt präsentiert. In Radebeul-Niederlößnitz 1950 geboren, verbrachte er hier seine Kindheit und Jugend. Mit der Ausstellung ´Fährtensuche´, nunmehr also dem ´Alterswerk´, kehrt er mit einem bemalten Waschtrog-Deckel (welcher aus dem Elternhaus stammt) und vielen Erinnerungsfetzen an den Lebensort seiner frühen, grundlegenden Bildung zurück. Neben vorwiegend neuen und neuesten Werken, die zwischen 2014 und 2016 entstanden sind, werden auch einige aus länger zurückliegenden Schaffensperioden gezeigt, darunter eines der ersten Porträtbilder aus dem Jahr 1979 sowie archaisch anmutende erdenschwere Gouachen aus dem Zeitraum von 1984 bis 1985. Ebenfalls im Kontrast zu den expressiv-abstrakten Bildern in leuchtender Farbigkeit stehen kleinformatige übermalte Fotocollagen aus dem Jahr 2015 mit aktuell konkretem Bezug zur Flüchtlingsproblematik `feldwege – erdhöhlen – kirchtürme` oder dem IS-Wahnsinn ´das reich der nacht erreicht´.
Als Künstler ist Andreas Hanske ein so genannter Autodidakt. Sein beruflicher Werdegang verlief zunächst in DDR-konformen Bahnen. Dem Abitur und der Ausbildung zum Maschinenschlosser im VEB Druckmaschinenwerk Planeta folgte nach Absolvierung des Grundwehrdienstes ein Studium an der Bergakademie Freiberg. Danach arbeitete er zwei Jahre als Geophysiker in Leipzig. Sein Freundeskreis war naturwissenschaftlich orientiert. Zu Künstlern hatte er bis dahin kaum Kontakt. Doch im Jahr 1978 kam es (nicht nur für ihn) zum radikalen Bruch. Die Intellektuellen und Kreativen intervenierten gegen Bevormundung und Agonie. Hanskes Gründe für den Ausstieg waren sowohl gesellschaftlicher als auch persönlicher Art. Er gab die finanzielle Sicherheit auf und wendete sich fortan dem künstlerischen Schaffen zu.

Prägend wurde besonders in den ersten Jahren die Bekanntschaft mit dem Dresdner Maler Willy Günther. Dieser regte ihn zur Auseinandersetzung mit der Gouachemalerei an, welche bis Ende der 1980er Jahre die bevorzugte Technik blieb. Verschiedene Drucktechniken erprobte er bei dem Grafiker Alfred Erhard in Ilmenau. Neben der Malerei und Zeichnung spielten ab 1985 der Holzschnitt und die Holzbildhauerei, später auch die intermediale Performance mit Aktionsmalerei, Textvortrag und Musik eine zunehmende Rolle. Mittelpunkt ist – bis heute – allerdings immer die Malerei geblieben. Neu ist die speziell durch ihn entwickelte Technik Kasseintempera.

Hanskes Bildungseinrichtungen waren die Bibliotheken. Moderne Kunstströmungen und handwerkliche Techniken studierte er in Katalogen und Fachbüchern. Besonders interessierten ihn der amerikanische Expressionismus und die informelle Malerei.

In expressiv gegenständlicher Manier entstanden zunächst Porträts, Landschaften und Stillleben. Danach arbeitete er rein abstrakt. Anfang der 1990er Jahre setzte er sich verstärkt mit Farbe und Struktur auseinander. Sobald er jedoch begann, Formen einzufügen, war der Bezug zum Gegenstand wieder da. Hanske sagt von sich, dass er keinen Plan mache, er wisse nie, was zum Schluss rauskommt. Die Bilder entstehen aus sich selbst.

Andreas Hanske lebt und arbeitet, abgesehen von kurzen Unterbrechungen, nunmehr seit vier Jahrzehnten in Leipzig. Die dortige Kunstszene war ab Ende der 1970er Jahre sehr lebendig und zunehmend subversiv, was auch reichlich Konfliktpotenzial in sich barg. Nach einem dreijährigen Intermezzo in Ilmenau kehrte er 1981 zu den Leipziger Künstlerfreunden zurück, welche sich auf der Suche nach unkonventionellen Ausdrucksmöglichkeiten zu einer Künstlerinitiative zusammengefunden hatten. Sie verstanden sich als die „neuen Unkonkreten“ und setzten sich ganz bewusst von der Leipziger Hochschulkunst ab. Erstmals stellten sie ihre Werke 1983 in der Wohnung des selbsternannten Galeristen Gerd Harry „Judy“ Lybke aus, die kurzerhand zu einer Untergrundgalerie umfunktioniert worden war und als Galerie EIGEN+ART schon bald über die lokalen Grenzen hinaus bekannt werden sollte.

Die Aufnahme in den Verband Bildender Künstler brachte ab 1984 eine gewisse soziale Absicherung. Auch war es für den Autodidakten Hanske wohl eine wichtige künstlerische Bestätigung, dass der Leipziger Maler und Grafiker Frieder Heinze die Mentorenschaft übernommen hatte. Offizielle Ausstellungsmöglichkeiten blieben für den Unangepassten jedoch rar.

Der gesellschaftliche Umbruch wurde für die DDR-Künstler zur Achterbahnfahrt mit mit Höhenflügen und Abstürzen im schnellen Wechsel. Die Gründung des Kunstvereins „Mobiles Büros für Erdangelegenheiten“ zu Beginn der 1990er Jahre mit Sitz in Leipzig und Köln, ermöglichte für ein reichliches Jahrzehnt zahlreiche Aktionen und Happenings im öffentlichen Raum und setzte viele kreative Ideen frei.

Ein Stück Kunstgeschichte schrieb im Jahr 1990 die letzte und größte Werkschau ostdeutscher Subkultur. Der Kunstwissenschaftler Christoph Tannert hatte 200 Künstler aus der DDR zum dreitägigen Kunstspektakel mit Bildender Kunst, Literatur, Musik, Tanz und Aktionskunst nach Paris eingeladen. Andreas Hanske erinnert sich schmunzelnd: „Alle Ausstellungsteilnehmer wurden zum Empfang in den Élysée-Palast eingeladen und François Mitterrand schüttelte jedem persönlich die Hand.“

Als das Ende der DDR schon absehbar war und noch einige Jahre danach wurde den Untergrundkünstlern große Aufmerksamkeit entgegengebracht. Westleute kamen in die Ateliers und kauften. Das ging eine Weile gut. Danach brachen die Hungerjahre an.

Obwohl Andreas Hanske seine Arbeiten regelmäßig auf Messen und in Galerien präsentierte, wurde die finanzielle Lage schließlich immer prekärer. Von 2002 bis 2003 schulte er zum Webdesigner um. Erst 2008 folgte wieder nach längerer Pause eine Personalausstellung mit neuen Bildern. Die Ausstellung „hyle – wildwuchs“, welche er 2013 im Sächsischen Landtag zeigte, gehört zu seinen bisher umfangreichsten Retrospektiven.

Andreas Hanskes Lust am Malen und spielerischen Experimentieren ist bis heute ungebrochen. Die Rente wirkt wohl existenziell befreiend wie ein bedingungsloses Grundeinkommen. Es bleibt also nach wie vor spannend, was der Ausstellung „Fährtensuche“ folgen wird. Doch zunächst sind alle interessierten Kunstfreunde bis zum 3. Juli herzlich in die Stadtgalerie eingeladen.

Karin (Gerhardt) Baum

Mit Tom Tagtraum durch das Jahr 2016 – Teil 6

Du musst Träumen ihre Entstehung zulassen, denn nur so kann irgendwann ein Teil davon auch Wirklichkeit werden.

Bei den strahlenden Steinen

„Ja, vielleicht später…“, so verabschiedet sich Tom schnell von Tilla, Tim, Tina und Johanna, „vielleicht ganz zum Schluss“. Jetzt, am frühen Schneewintermorgen im Gebirge bei den strahlenden Steinen, ist Tom Tagtraum nicht zu allererst nach Erdbeersahnetorte vom Bäcker Rehenbusch zumute. Schließlich hat Tom eben den unsichtbaren Schlittenlift erfunden und es gilt, ihn auszuprobieren. Toms holz-beiger Hörnerschlitten wird also den Geisberg hinauf gezogen, damit er den Tellkoppberg hinab rodeln kann. Huiiii geht das flott durch den frischen Pulverschnee! Und schon wartet der unsichtbare Schlittenlift – dessen Vorteil sich jetzt auch darin erweist, dass er nicht so starr befestigt ist wie die Skilifte sonst überall – unten am Tellkoppberg. Auf einen Blick und einen Wink von Tom Tagtraum ist der unsichtbare Schlittenlift mal hier und mal da installiert und Tom kann nach Herzenslust rodeln in einer Gegend, die hier sogar sieben Rodelberge hat.
„He, unsichtbarer Schlittenlift hierher, unsichtbarer Schlittenlift nach da.“ Siebenundsiebzig Mal saust Tom mit seinem holz-beigen Hörnerschlitten die sieben Berge hinab, erst danach bekommt er mächtigen Hunger und kauft sich an einer Imbissbude ein Stück Tomatenmohnmozarellaeierkuchen mit Schokoerdbeersirup, ja das Geld reicht sogar noch für eine süße Heringswaffel in Form eines Dinosauriers, die mit ganz frischen Kichererbsen gefüllt ist. Tom beginnt laut vor sich her zu lachen. Ist das nun aus einer Art beigefarbener Hörnerschlittenlaunigkeit heraus oder gar die Erkenntnis, hier auf dem Bienenhummelberg der Lösung aller nie gelösten Matheaufgaben näher gekommen zu sein, weil die Schule da ganz unten im Tal zurück bleibt? Und um wie viel näher scheint jetzt die Lösung aller Chemiearbeiten, hat Tom doch in der Nähe des alten Bergstollens einen jener strahlenden Steine gefunden, von dem das Gebirge hier seinen Namen hat. Die silbrigen Erze blinkern Tom an. Der Stein trägt weder Armbanduhr, Handy noch E-Mail-Adresse, und hätte er einen Reisepass, welches Geburtsdatum stünde da wohl drin? Und haben nicht erst die Menschen den Steinen Namen gegeben? Noch eine Weile bestaunt Tom den Stein und fühlt dabei, dass der seine Hände recht angenehm wärmt. Aber da wird es längst Zeit für den Nachhauseweg und als Tom jetzt, es mag das neunundneunzigste Mal gewesen sein, etwas langsamer ins Tal hinab rodelt, verschwindet der unsichtbare Schlittenlift. Vielleicht für immer, vielleicht nur bis zum nächsten Mal…

„Beeil dich, Tom“, rufen Tilla, Tim, Tina und Johanna wie aus einem Mund, denn die Scheinwerfer des dunkelroten Zuges, mit dem alle heute früh gemeinsam aufgebrochen waren, sind vom Tunnel aus schon zu sehen. Am Bahnhof Geisberg steigen alle zu, und von der Müdigkeit nach dem Rodeltag in frischer Gebirgsluft und der wohligen Wärme im Zug schlafen unsere Freunde bald ein wenig. Tilla träumt von sauren Gurken, Tim von einem Computerspiel, Tina von der Ballettschule und Johanna von Bildern, die sie bald malen will. Tom fühlt im Schlummer noch die Wärme des strahlenden Gebirgsglitzersteines in seinen Händen und sieht, wie der sich in einen Spickzettel mit allen Mathe- und Chemielösungen verwandelt. Nicht nur der Globus, auch der ganze Sternenatlas beginnt sich in ihm zu drehen und außerdem…. Pst! Der Zug mit unseren Freunden kommt erst in 41 Minuten zu Hause an. Für heute ist das genau die richtige Zeit zum Träumen.

Tobias Märksch

Verleihung des David-Schmidt-Preises 2016 im Noteingang Radebeul

29. April 2016. Ein Abend, an dem es eng wird im Noti. Aber weit ums Herz. Denn hier sammelt sich eine kleine Menschheit für das große Ganze: Personen, Initiativen, Vereine, Institutionen – Leute, die ehrenamtliches und professionelles Tun für andere Menschen zusammen auf tragende Säulen stellen. Einen Säulenheiligen braucht es nicht, aber ohne das gelebte Beispiel und die Inspiration von David würden wir nicht hier sein. Er hat begonnen, als wir noch dachten, es hätte Zeit. Er hat uns vorgemacht, wie es gehen kann und so vielen Menschen den Mut gegeben, sich für eine bessere Gesellschaft einzusetzen und Hass und Rassismus wirkungsvoll entgegenzutreten.

Hauptpreis und Trostpreis Foto: S. Graedtke

Hauptpreis und Trostpreis
Foto: S. Graedtke


Alle wissen, dass nur vier der zahlreichen Bewerber*innen und Vorgeschlagenen einen Preis gewinnen können. Alle Jurymitglieder versichern, wie schwer die Auswahl gefallen ist. Das kann man leicht glauben, schaut man nur in die Gesichter der Couragierten, Engagierten, Erfahrenen oder ziemlich Neuen der Szene. Ja, die gibt es inzwischen. Und sie wird interessiert beobachtet, auch wenn die Beobachter heute Abend nicht unbedingt anwesend sind.

Die Spannung ist groß, denn alle Beteiligten haben dichtgehalten. Und zuerst berichten drei junge Frauen davon, was sie mit Agenda Alternativ mit dem Preis 2015 im erzgebirgischen Schwarzenberg bewirkt haben. Das Geld und der damit verbundene Aufwind half ein wundervolles, politisches Punkrockfestival aufzuziehen. Ein Video vermittelt etwas von der tollen Stimmung dort.

Irgendwie ist David auch hier – und sei es einfach durch seine „Kochstudio“-Videos. Herrlich selbstgedreht, abgedreht, humorverdreht. Das macht, dass alle lachen können, obwohl das Datum nicht dazu herausfordert. Wenn einer an seinem 29. Geburtstag, der ein 29. April ist, schon wieder gehen muss, ist das zutiefst bestürzend. Man darf deshalb auch mit den nächsten Angehörigen und Freund*innen trauern.

Doch die legen Wert darauf, dass hier auch ein Geburtstag gefeiert wird. Man kann es sich so zurechtlegen, dann wird er ein wenig erträglicher, dieser Tag.

Tröstend ist vor allem die Gesellschaft dieser Vielen – es waren zirka 200 –, die auch weite Wege in Kauf genommen haben, um dabei zu sein, wenn die Wahl der Preisträger*innen verkündet wird.

Bei einem Vorschlag war es sofort klar: Dieses Projekt ist zwei Nummern zu groß für den David-Schmidt-Preis. Ein international agierendes, unglaublich mutiges Team, das die Not der Geflüchteten noch auf ihrem Weg lindern hilft, genannt Dresden-Balkan-Konvoi. Drei Mitglieder waren gekommen, um ihr Projekt vorzustellen. Es ist umwerfend! Jetzt bereiten sie gerade einen Seenotrettungsdienst vor. Spontan spendeten einige der Anwesenden etwas Geld, so dass es zwar keinen Preis, dafür aber eine Wertschätzung in Form von Taschengeld-Teilung mit auf den Weg geben konnte.

Gewinnen wollen alle, und das können sie auch. Der Tisch, wo mitgebrachte Flyer, Karten, Schildchen und Broschüren ausgelegt werden, ist immer umlagert. Der reichliche Platz im „Noteingang“ wird ausgefüllt mit kleinen Gruppen im munteren Gespräch. „Wie macht ihr das, wann habt ihr angefangen, wer hilft euch, wie läuft‘s?“

Dies ist eine Veranstaltung, bei der das Buffet nicht gestürmt wird. Gemächlich wechselt man mit seinem Gesprächspartner hinüber, wo der Falsche Hase aufgetischt hat: vegan, köstlich, für jeden zu geniessen. Integration auch beim Essen.

Die Preisträger*innen 2016:
David-Schmidt-Preis für eine Initiative: AG Geschichte Treibhaus in Döbeln
David-Schmidt-Preis für eine Einzelperson: Dilara Karabacak
Sonderpreis des Noteingang e.V. gegen Cyberhate: Meißen watch
Sonderpreis der Hans-Böckler-Stiftung für Engagement von / für Geflüchtete: FAS-Freitagscafé der Freien Alternativschule Dresden

Christine Ruby
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Alle Nominierten und weitere Informationen unter: www.david-schmidt-preis.de
Facebook-Seite: https://www.facebook.com/david.schmidt.preis/

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