Versuch einer Glosse

Das Dilemma

Als ich noch einen richtigen Job hatte – was schreib ich – noch Unternehmer war, hatte sich einmal eine fesche, junge Frau um eine Stelle in meiner Gesellschaft beworben. Die hatte – also die Frau –, wie man unterm Volk so sagt, die Gusche auf dem rechten Fleck. Meine Zweifel, ob sie denn den Herausforderungen der Tätigkeit auch gewachsen sei, konterte sie mit der etwas nassforschen Bemerkung, dass sie genug „bunte Knete im Kopf“ habe. Eigenständige Ideen zu entwickeln aber war geradezu die Voraussetzung für diesen Arbeitsplatz. Ich stellte sie ein und hatte viel Freude an der jungen Frau, auch wenn sie mich nach einiger Zeit wieder verlassen hatte, um sich größeren Aufgaben zuzuwenden.

Aber „bunte Knete“ wird von den meisten Chefs nicht gern gesehen. Offenbart sie doch einerseits die eigenen Schwächen und andererseits verlangt sie eine große Flexibilität des Unternehmens und dessen Leitungen. Und da stecken die Chefs in einem großen Dilemma.

Wenn er Leute mit „bunter Knete“ für sein Unternehmen nutzbringend einsetzen will, muss er sie gewissermaßen „kontrolliert“ frei laufen lassen und offen für jeden neuen Gedanken sein. Das aber ist mit den meisten Chefs nicht zu machen. Warum nicht? Weil sie dann eben nicht Chefs wären. Chef ist man, weil man ein Alpha-Tier ist oder sich dafür hält. Und welches Alpha-Tier lässt sich schon gern in den Schatten stellen?! So ein Exemplar habe ich noch nicht gesehen. Chefs sind ein Leben lang Chefs, auch wenn sie längst keine Chefs mehr sind, also aus der Firma ausgeschieden sind. Aufpassen aber müssen sie dann allerdings, dass sie sich mit ihrem Gehabe nicht lächerlich machen und dem Umfeld nicht auf den Wecker gehen. Ein schwieriges Unterfangen, was nur den wenigsten gelingt.

Aber nichts für ungut, es gibt natürlich auch richtig gute Chefs, die nicht gleich bei jeder Gelegenheit eine hochroten Kopf bekommen, Mitarbeiter feuern und glauben, dass ohne ihr Eingreifen der Laden an keiner Stelle richtig läuft. Wer Dienstbesprechungen nur zum „Abwatschen“ nutzt und keinen freien Meinungsaustausch zulässt, verschenkt die Potenzen seiner Mitarbeiter und schadet letztendlich dem Unternehmen.

Nun muss jetzt der Leser nicht glauben, der Motzi hätte die Fronten gewechselt, auch wenn ich nicht ganz verleugnen kann, dass ich auf beiden Seiten der Barrikade so meine Erfahrungen sammeln konnte. Das schult auf alle Fälle fürs Leben. Aber mal ehrlich, diese Binsenweisheiten gelten doch nicht bloß für Chefs. Der Mensch ist nun mal ein Herdentier, und wo eine Herde ist, da ist auch ein Leitbulle oder eben eine Leitkuh. Das hat halt die Natur so eingerichtet. Ich muss ja jetzt nicht verraten, wer bei mir zu Hause das Sagen hat. Nur bei den Schafen hat das nicht geklappt. Deshalb rennen sie eben wie eine Hammelherde durcheinander, wenn der Wolf durch den Zaun guckt. Aber was habe ich davon, wenn ich meine Mitarbeiter „gefressen“ habe? Die Folge kann doch nur „Dienst nach Vorschrift“ sein und die „bunte Knete“, wenn vorhanden, bleibt dann eben zu Hause.

Sicher, meistens ist Arbeit Brotjob. Aber wenn ich Tag ein, Tag aus mit einer stink Laune meinen Arbeitsplatz aufsuche, steigert das ja auch nicht gerade meine Arbeitswut. Die braucht es aber, damit der Chef und ich etwas davon haben. Denn diese „stink Laune“ macht mich ja kaputt. Und wenn ich kann, bin ich schneller weg, als der Chef denken kann. Ist aber fürs Unternehmen auch keine Lösung, denn mittlerweile sind die Arbeitskräfte rar geworden, auch weil die Chefs gedacht haben, dass davon genug auf der Straße liegen.

Jeder Chef ist somit gut beraten, wenn er auch mal mit seinen Mitarbeitern ein Bier trinken geht oder einfach nur zuhört, was sie so bewegt. Allein Parkplätze für sie bauen oder gelegentlich ein warmer Händedruck, das reicht eben nicht aus. Damit die Wertschätzung des Personals nicht zur bloßen Wortfloskel verkommt, ist mehr nötig, als eine verkorkste Rundmail zum Jahresende. Deshalb wäre mehr Achtung vor den Lebensleistungen der Mitarbeiter und ein kollegiales Miteinander wünschenswert, meint

Euer Motzi

Kunst am Bau –

dargestellt am Beispiel der Sparkasse Kötzschenbroda

 

Foto D. Lohse

Der Begriff „Kunst am Bau“ war ein Schlagwort im Bauwesen der DDR. Er bezog sich vor allem auf öffentliche Bauten wie Kulturhäuser, Rathäuser, Schulen, Bibliotheken und Studentenwohnheime, seltener auf Wohnhäuser. Zu der Zeit war der Fassadenschmuck fast schon ein Politikum und wurde den Architekten mit einer Prozentzahl der Gesamtbausumme (2%, ab 1982 0,5%) vorgegeben. Dadurch wurde aber Künstlern und Spezialisten wie Bildhauern, Putzgestaltern, Stuckateuren, Malern und Glasgestaltern ein Arbeitsfeld geboten. Viele der so hervorgehobenen Beispiele, z.T. auch mit sozialistischer Aussage, wurden inzwischen als Kulturdenkmale – Bauzeugen einer bestimmten Zeit – eingetragen. Der Wunsch, einige Häuser mehr zu schmücken als andere, kann aber als zeitlos erkannt werden. Er trat vor 1945 und auch nach 1990 genauso auf.

Foto D. Lohse

Bei der Spar- und Girokasse in Kötzschenbroda, erbaut 1933/34, finden wir eine Reihe von künstlerischen Zutaten, die das Gebäude in Ecklage (Bahnhofstr. 20 / Herrmann-Ilgen-Str. 28) schmücken. Mir fällt aber kein anderes Gebäude in Radebeul mit zwei Adressen ein. Hier war der Schmuck selbstverständlich und nicht verordnet. Man wollte vielleicht, kurz vor dem letzten Zusammenschluss (1.1.1935) zur Stadt Radebeul, noch mal unterstreichen, dass Kötzschenbroda zu dem Zeitpunkt die größere der beiden Städte war. Die Entscheidung, die neue Stadt Radebeul zu nennen, fiel wohl, weil den Machthabern Kötzschenbroda zu sorbisch klang und deshalb angeblich nicht in die Zeit passte. Vielleicht hätte dieses neue Gebäude sogar das Rathaus von Radebeul werden können, wenn „die Würfel anders gefallen“ wären; einen Ratskeller und den Sitz von ein paar städtischen Gremien hatte es ja schon. Hatte die Gemeinde Kötzschenbroda vorher eigentlich ein Rathaus? Oder wurden im Rathaus Niederlößnitz auch Kötzschenbrodaer Belange mit beschieden?

Foto D. Lohse

Das von den Gebr. Kießling 1933 entworfene, viergeschossige Sparkassengebäude erreicht durch die Lage an einer Straßenkreuzung eine dominante städtebauliche Wirkung, die noch durch die eingezogene Ecke mit Haupteingang und einem niedrigen, zinkgedeckten Turm hervorgehoben wird. Die Dächer sind mit roten Biberschwanzziegeln gedeckte Walmdächer und haben als horizontale Gliederung eine zusätzliche Dachkante aus Zinkblech in Höhe des Fußbodens der vierten Etage. Über einem Haussockel aus Sandstein erheben sich traditionell mit Ziegeln aufgemauerte und verputzte Wände. Die Gebäudeflügel bilden einen Innenhof; der Flügel an der Bahnhofstraße ist der längere, der Ratskellerflügel ist der etwas kürzere. Die Bauzeit betrug nur knapp zwei Jahre. Die Hauptnutzung als Sparkasse blieb über die knapp 90 Jahre bestehen. Gruß und Dank an Frau Novotny, der Leiterin der heutigen Einrichtung – nach längerer Bedenkzeit durfte ich die Innenaufnahmen (Farbglasfenster) dann machen.

Foto D. Lohse

Ein Künstler, der Bildhauer Burkhart Ebe (1891-1949), sh. auch V+R 02/94, war hier stark eingebunden. Er fand in der Zeit nach 1933 ein reiches Betätigungsfeld, allerdings haben seine Arbeiten an der Sparkasse die Zeiten überleben können, weil sie hier eher volkstümlich-erzählerisch, denn politisch erscheinen. Von seiner Hand stammen die vier Halbreliefs an den Mauerschäften zwischen den Ratskellerfenstern im EG. Sie wurden in Kunststein, eine Art besserer Beton, vergleichbar mit der Ebe-Arbeit bei der Hoflößnitz, gefertigt. Die Reliefs mit Figuren wie Musikant oder Nachtwächter sind gut erhalten, die westlichste Arbeit ist signiert. In gleicher Technik fertigte er an der Ecke zur Bahnhofstraße das schöne Kötzschenbrodaer Wappen unter einer Konsole. Die Vermutung, dass auf der Konsole früher etwas gestanden hätte, eine Vase, eine Figur oder etwas ähnliches, kann ich nicht bestätigen – auch auf älteren Fotos ist die Konsole leer. Eine Arbeit Ebes wohl in Holz ist die Supraporte über der ehem. Tür zum Ratskeller (ein Nest zwischen Weintrauben, ein Vogel die Jungen fütternd). Sie liegt etwas versteckt im Schatten. Ob Burkhart Ebe die Entwürfe für die drei bildhaften, nicht signierten Farbglasfenster abgeliefert hat, ist denkbar, lässt sich aber bisher nicht beweisen, auch nicht, welcher Handwerker sie seinerzeit gefertigt hat. Es sind Zecher- und Kochmotive, die gut zu einer Gaststätte passen. Derartige bäuerlich-historische Zechgruppen als Bleiglasfenster innerhalb eines größeren Glasfensters hatte seit 1910 die Münchner Firma F. X. Zettler vielfach und über längere Zeit gefertigt und deutschlandweit vertrieben. Zu erwähnen wären noch kunsthandwerkliche Metallarbeiten an Fenstern und Türen im EG, dem Stil nach Art-Deco-Arbeiten, auch hierfür gibt es leider keinen Nachweis, wer’s gemacht hat.

Foto D. Lohse

Die feierliche Eröffnung fand laut Kötzschenbrodaer Generalanzeiger am 12. Dezember 1934 nach nur reichlich einem Jahr Bauzeit statt. Hauptredner war der Kötzschenbrodaer Bürgermeister Dr. Brunner (NSDAP), der neben politischen Phrasen feststellte, dass das neue Haus im „Lößnitzer Barock“ gestaltet worden sei und dass er stolz sei, außer der Sparkasse auch eine größere Zahl Wohnungen in dem Gebäude anbieten kann. Dem o.g. Barock kann ich mich nicht anschließen, ich sehe eher einen Nachklang zum bereits abgeschlossenen Bauhausstil und Art-Deco. Dagegen war die zweite Rede an dem Tage von Architekt Edmund Kießling wesentlich sachlicher, er nannte die am Bau beteiligten: Baumeister Moritz Alfred Große, Architekt Wolf, die Baumeister Wachter und Jörissen sowie den Künstler Ebe.
Schauen Sie beim nächsten Einkauf oder Spaziergang in der Bahnhofstraße einmal aufmerksamer das Gebäude der Sparkasse an und entdecken Sie die Kunst am Bau!

Ein gelungener Entwurf, der durch künstlerische Zutaten noch in der Wirkung gesteigert wurde, eben durch „Kunst am Bau“!

Dietrich Lohse

Eine stimm(-ungs-)volle Adventszeit

Die hatte der Lößnitzchor Radebeul nach zwei Jahren coronabedingter Pause im Jahr 2022 wieder.

Los ging es bereits am 26.11., dem Samstag vor dem 1. Advent. An diesem Tag fand das Adventskonzert des Chores in der Emmauskirche in Dresden-Kaditz statt, begleitet von Frau Pfarrerin Merkel-Manzer. Alle Sänger und Sängerinnen freuten sich darauf, endlich wieder in der Kirche auftreten und präsentieren zu können, was seit Anfang Oktober intensiv geprobt worden war. Es wurde ein wunderschönes Konzert, geleitet und teils instrumental unterstützt vom Chorleiter Eric Weisheit. Das Programm bot eine bunte Mischung aus traditionellen und modernen, bekannteren und nicht so bekannten, deutschen und fremdsprachlichen Advents- und Weihnachtsliedern. Auch das kleine Ensemble des Chores, die Gruppe „fEinklang“ zeigte ihr Können.

Weihnachtslieder-Singen des Ostsächsischen Chorverbands
in der Dresdner Kreuzkirche
Bild: D. Beckert


Das Publikum war sehr zahlreich erschienen, die Kirche fast bis auf den letzten Platz gefüllt. Einige Zuhörer und Zuhörerinnen mussten daher auf die Empore ausweichen. Doch weder das noch die niedrigen Temperaturen draußen hatten einen Einfluss auf die Stimmung in der Kirche. Das Publikum lauschte andächtig dem Chorgesang, welcher teilweise von Orgel oder Klavier begleitet wurde, und konnte den Applaus nur mühsam zurückhalten. Umso länger fiel dieser dann nach etwa eineinhalb Stunden zum Ende des Konzertes aus. Beim Verlassen der Kirche sah man rundherum nur in glückliche und zufriedene Gesichter, sowohl bei allen Beteiligten als auch beim Publikum. Dieses Konzert war ein sehr stimmungsvoller Auftakt für die Adventszeit.

Eine Woche später, am 3.12., nahm der Lößnitzchor am Weihnachtslieder-Singen des Ostsächsischen Chorverbands teil. Dieses fand in der Kreuzkirche in Dresden statt. Jeder der insgesamt sieben teilnehmenden Chöre konnte in jeweils 25 Minuten eine Auswahl aus seinem Repertoire zeigen. Während andere Chöre mit ihrer Aufstellung die Akustik der Kreuzkirche nicht voll ausnutzen konnten, gelang das dem Lößnitzchor sehr gut. Den Chor begleitende Familienmitglieder und Freunde bescheinigten diesem einen tollen Klang und eine sehr gute Liedauswahl, welche bei einigen – laut eigener Aussage – eine feierliche Stimmung aufkommen ließ. Wenn auch sehr kurz und ohne Instrumentalbegleitung, so war auch dieser Auftritt unter der Leitung von Eric Weisheit ein voller Erfolg.

Adventskonzert in der Emmauskirche in Dresden-Kaditz
Bild: D. Beckert


Nach diesem stimmungsvollen Auftakt verlief der Rest der Weihnachtszeit sehr ruhig. Ein Auftritt in der Passage in Radebeul-Ost musste leider kurzfristig abgesagt werden. So hatte der Chor dann nur noch einen Auftritt im Seniorenwohnpark der Volkssolidarität auf der Thalheimstraße in Radebeul am 4. Advent. Wenn auch nach dem Außenauftritt sehr durchgefroren, waren doch alle Sängerinnen und Sänger glücklich über einen erneut gelungenen und stimmungsvollen Auftritt.

Der Lößnitzchor blickt nun, nach einer kurzen Pause zum Jahreswechsel, schon voller Vorfreude auf das nächste Highlight. Nachdem der Chor im letzten Jahr sein 35jähriges Bestehen feiern konnte, folgt nun in diesem Jahr das Konzert zum Jubiläum. Dieses findet am 15.04.2023 in der Lutherkirche in Radebeul statt. Auch dieser Auftritt wird mit Sicherheit wieder sehr stimm(-ungs-)voll.

Laura Hackeschmidt
Lößnitzchor e.V. Radebeul

_____________
www.loessnitzchor.de

Gasthaus Grundmühle

Dreißig Jahre Gastlichkeit

Vielleicht beginne ich diese Zeilen etwas pessimistisch, aber der Niedergang der alten Radebeuler Gaststättenkultur ist nicht von der Hand zu weisen. Da sind ehrwürdige Gasthäuser abgerissen (ich erinnere stellvertretend an die „Rosenschänke“ und den „Heiteren Blick“), es sind liebgewordene Lokalitäten umgenutzt („Gasthof Serkowitz“ oder das „Weiße Roß)“. Oder aber es wurde ganz einfach der Betrieb eingestellt wie z.B. „Zur guten Quelle“ oder die „Kleine Einkehr“.

Gastwirtin Christine Schenkel
Bild: C. Grün


Umso mehr ist es mir an dieser Stelle ein Bedürfnis, meine Reverenz einer jener fleißigen und unermütlichen Wirtinnen zu erweisen, die sich jahrein jahraus dem leiblichen und seelischen Wohl ihrer Gäste annehmen.

Dreißig Jahre bewirtschaftet Frau Christine Schenkel das idyllisch am Eingang des Lößnitzgrundes gelegene „Gasthaus Grundmühle“, so dass man sie mit Fug und Recht als dienstälteste Gastwirtin Radebeuls bezeichnen kann. Ob man zur Weihnachtszeit im üppig dekoriertem Schankraum seinen Glühwein genießt oder in der Sommerhitze im schattigen Biergarten beim Gezwitscher zahlloser Sittiche sein Frischgezapftes zu sich nimmt (wahlweise darf es auch der „Schenkel-Wein sein), stets ist man willkommen. Nicht zu vergessen ist auch die typisch sächsische Hausmannskost, die selbst dem verwöhntesten Gaumen Rechnung trägt. Und für Events und Gesellschaften gibt es den Gastraum und die urige Kutscherstube, an deren Fenstern in schöner Regelmäßigkeit der Lößnitzdackel vorüberschnauft.
 
Dreißig Jahre nun sind eine lange Zeit für uns Menschen, in der Geschichte des alten Hauses jedoch nur eine kurze Spanne

Denn schon 1471 wird die heutige Grundmühle erstmals urkundlich als „Mühle unter Wahnsdorf“ genannt. Auch ist sie als eine der sieben Mühlen entlang des Lößnitzbaches in der Karte des Landvermessers Georg Oeder 1570 verzeichnet. Ob sie damals als Carlowitzmühle oder Urban Genzers Mühle bezeichnet wurde, darüber können sich Heimatforscher noch heute streiten; bekannt wurde sie im neunzehnten Jahrhundert als Grundmühle.

Im Gastraum hängt ein altes Bild, welches das Anwesen in alten Zeiten zeigt; nichts davon ist mehr erkennbar. Denn schon 1878 setzte eine muntere Bautätigkeit ein, was Wunder, wenn der Besitzer des Grundstückes Eisold hieß, der bekannte Bauunternehmer aus Serkowitz. Das Gasthaus an der Mühle wurde errichtet, 1881 wurde die Veranda angebaut. Mühle, Bäckerei und Gastwirtschaft florierten.

1905 wurde das Gebäude komplett aufgestockt und 1908 das hölzerne Mühlrad durch eine Turbine ersetzt.

In der DDR-Zeit war der Niedergang nicht mehr aufzuhalten. 1960 gaben die Wirtsleute auf (dieselbe Zeit, derselbe Grund wie auch meine Großeltern im „Weißen Roß“ kapitulierten) und seitdem verfiel der Gebäudekomplex mehr und mehr, so dass schon an Abriss gedacht wurde.

Herrn Roland Galle ist es zu danken, dass er sich dieses Kleinodes annahm und Stück für Stück wieder aufbaute. Zusammen mit Rainer und Christine Schenkel, die schließlich am 5. Dezember 1992 Ihr Gasthaus „Zur Grundmühle“ im alten Bäckereigebäude eröffneten. Und dies (Ich muss auf meine Eingangszeilen verweisen) in alter Radebeuler Schanktradition.

Nun hat Christine Schenkel zwar schon das Rentenalter erreicht, jedoch ans Aufhören denkt sie nicht, trotz widriger Zeiten. „Ohne das würde mir die Decke auf den Kopf fallen“, meint sie und verweist auch mit auf die Stammgäste, die sich dann eine neue Bleibe suchen müssten.

Das der Gastwirtsberuf kein leichter ist, kann man bei größeren Gesellschaften oder gar beim Karl-May-Fest sehen, wenn sich die Menschen am Ausschank drängen. Dass er auch Spaß machen kann, das sieht man an Christine Schenkel.

Und so wollen wir der dienstältesten Wirtin Radebeuls noch viele schaffensfrohe Jahre wünschen. Denn in der Grundmühle kann man sich nicht nur wie zu Hause fühlen, da ist man zu Hause.

Christian Grün
 
 

Wünsche, Wünsche…

Zu allen Zeiten haben Wünsche die Menschen begleitet. „Je mehr man hat, je mehr man will“, vermerkt warnend dazu ein Sprichwort. Das Hoffen auf deren Erfüllung, das wussten schon die Alten, ist aber meist trügerisch. Der Spruch „Hoffen und Harren macht manchen zum Narren“ hat sich nur allzu oft bewahrheitet.

Ob deshalb in der Europäischen Union das traditionelle Bleigießen mit dem Schwermetall zu Silvester seit 2018 verboten ist, weil als Hokuspokus erkannt, ist aber eher zu bezweifeln. Hier mag vermutlich der gesundheitliche Fakt eine Rolle gespielt haben.

Das Geschäft mit der Esoterik aber blüht wie seit langem nicht mehr, vergleichbar mit der Zeit vor etwa hundert Jahren. Ein überdeutlicher Fingerzeig auf die krisenhafte Gegenwart, in der die Menschen immer mehr in Notsituationen gedrängt werden, das Vertrauen in die Gesellschaft verloren haben und gar die Hoffnung an eine bessere Zukunft. Beschwörungsformeln wie „Wir sollten zusammenstehen und darauf achten, dass uns gemeinsam Errungenes nicht wieder aus der Hand gleitet.“ wirken dabei wie hilflose Wunschvorstellungen. Da sind die Beschlüsse des Radebeuler Stadtrates zur Aufrechterhaltung der Schwimmhalle trotz steigender Kosten und zur Anpassung der Förderung der Vereine an die Inflation, hingegen begrüßenswerte praktische Schritte.

Der Hoffnung auf eine bessere Zukunft ist einer ausschließlichen Gegenwartsbezogenheit gewichen. Für den „Fortschritt“ lohnt es, sich nicht mehr anzustrengen, wird er doch eher als eine Bedrohung empfunden. Kein Wunder, dass der Klimaschutz nicht vorankommt. Früher sollten mit dem Feuerwerk zu Silvester die bösen Geister vertrieben werden. Heute gewinnt man eher den Eindruck, dass sie dadurch herbeigerufen werden.

Bleibt die Frage, wie es zu diesem Wandel kommen konnte. Wie bereits vor hundert und mehr Jahren, rufen auch heute Krisenzeiten, Kriege, Dürren, Hungersnöte, Katastrophen oder Teuerungen irrationale Reaktionen und Erklärungsformeln hervor, befördern sie Sündenböcke und Aberglauben. Mehr als ein Drittel der bundesdeutschen Gesellschaft neigt gegenwärtig dazu, die Wirkung von „Glücksbringern“ und „Heilsteinen“ für möglich zu halten. Ja, selbst einige Krankenkassen bezahlen verordnete homöopathische Präparate nach dem Motto „es kann ja nicht schaden“. Glaube soll also doch Berge versetzen. Vom Absturz der Leichtgläubigen liest man allerdings eher seltener.

Aber es sind nicht nur die unsicheren Verhältnisse, die die Menschen verwirren. Vielmehr werden aus egoistischen, macht-politischen sowie gewinnorientierten Interessen diese Verwirrungen erst bewusst herbeigeführt. Aus den Ängsten der Menschen lässt sich eben wunderbar, im eigentlichen und übertragenen Sinne, Profit schlagen. Da die Vorgänge in der Welt vielfältiger und differenzierter geworden sind, reichen einfache Erklärungsmuster oftmals nicht mehr aus. Da kommen die Quacksalber, Handaufleger und Hasardeure zum Zug, die über pseudowissenschaftliche Abhandlungen Heilsversprechungen und andere Hilfen aus prekären Lebenslagen anbieten. Es geht also immer ums Geschäft, aber eben nicht nur. Mitunter geht es auch einfach nur um die Durchsetzung einer Meinung, Position oder Machtdemonstration. Wer eine Kunstpreis-Jury zu einem hohen Grad mit Vertretern aus Verwaltung und Politik besetzt, will kein künstlerisches Urteil abgeben. Wer fachliche Argumente einfach vom Tisch wischt, weil er meint, auf der Hierarchie-Leiter ganz oben zu stehen, verhindert jede sachliche Problemlösung. Selbst die hellsichtigen Erkenntnisse des Club of Rome über die „Grenzen des Wachstums“ wurde vor fünfzig Jahren in den „Giftschrank“ eingeschlossen. Bleibt zu hoffen, dass der Erkenntnis nunmehr die Taten folgen.

Aberglaube hat mit dem Gefühl der Machtlosigkeit und des Ausgeliefertsein zu tun. Der Mensch aber verliert nicht gern die Kontrolle über sich und seine Umwelt. Deshalb hat der Aberglaube in Krisenzeiten Konjunktur. Er ist letztlich der Versuch, die Kontrolle über sich zurückzugewinnen, Einfluss auf das eigene Schicksal zu nehmen. Der Aberglaube ist aber nicht nur in den klassischen Bereichen der Wunderheiler, Gespenster und magischen Kräften anzutreffen. Vielmehr ist er im Alltag gegenwärtig und auch im angeblich so rational aufgestellten Wirtschaftsleben. Die Handlungen an der Börse sind ein einziges Gemisch aus Neigung, Glaube, Spekulation und Erwartung, welches sich sachlich kaum begründen lässt. So erzielen die Unternehmen an der Börse beispielsweise am Freitag, dem 13. deutlich geringer Gewinne! Diese auch als Paraskavedekatriaphopie bekannte Angst kann man heute auch in anderen Lebensbereichen der angeblich doch so aufgeklärten Gesellschaft antreffen.

Wünsche aber können auch Triebfedern sein, etwas in Bewegung zu bringen, vielleicht auch zum Besseren. Unerlässlich allerdings dafür ist eine Kommunikation auf Augenhöhe.

kuba

 

Editorial

Nach nunmehr fast drei Jahrzehnten der Tristesse scheint es in der Causa „Villa Kolbe“ nun endlich einen veritablen Lichtblick zu geben.
Der langjährige Rechtsstreit zwischen den Eigentümern und der Stadt Radebeul wurde nun zugunsten der Stadtverwaltung aufgegeben, sodass das inzwischen stark sanierungsbedürftige Gebäude einem Bieterverfahren zugeführt werden kann.
In der Tat hatte das Objekt schon seit langer Zeit unter der Rubrik lost places im Netz einen bemerkenswerten Kultstatus entwickelt, zählte doch einst die Villa nach dem Entwurf des Berliner Architekten Otto March und von den Baumeistern Gebrüder Ziller im Stil eines deutschen Renaissanceschlosses errichtet, zu den schönsten und prunkvollsten Häusern der Stadt.
Ab 1892 wohnte der Chemiker und Arzneimittelunternehmer Carl Kolbe hier, einige Eigentümerwechsel folgten, und über einem langen Zeitraum wurde die Villa als chirurgische Klinik genutzt.
In den Nachwendejahren führte der Leerstand dann zu all seinen unerfreulichen Folgen. Das verwaiste Haus lockte viele ungebetene Besucher, zum äußeren Verfall gesellte sich Vandalismus an der reichen und kostbaren Innenausstattung.
Schon bald wird sich vielleicht zeigen, welche Nutzung das einstige Kleinod mit dem stattlichen parkähnlichen Garten wieder erfahren kann.
Es bleibt zu hoffen, dass die bedeutsame historische Anlage zukünftig wieder der Öffentlichkeit erhalten bleibt. Ein Ärztehaus ist schon allein aus wirtschaftlichen Gründen gut vorstellbar.
Wünschenswert, wenngleich wohl zu träumerisch, wäre, wenn ein Teil der repräsentativen Räumlichkeiten erlesenen künstlerischen Formaten, ähnlich wie in der „Villa Teresa“ in Coswig, künftig einen würdigen Platz bieten könnten.

Sascha Graedtke

 

Verkürzt geöffnet, länger geschlossen

Über Gaststätten als gefährdete touristische Infrastruktur

Bild: B. Kazmirowski


Die “Vorschau”-Hefte des Jahres 1993, also vor genau 30 Jahren (!), setzten einen Schwerpunkt, der aus heutiger Sicht auf den ersten Blick etwas befremdlich anmuten mag: Wir stellten unter der Rubrik „Stiftung Gaumentest“ Gaststätten in Radebeul und Umgebung vor. Diese thematische Reihe wurde sogar schon 1990 begonnen und bis 1994 fortgesetzt, aber der Jahrgang 1993 sticht hervor, weil tatsächlich in jedem Heft eine Restauration beschrieben und im Hinblick auf Gastlichkeit und Preis-Leistungs-Verhältnis beurteilt wurde. Warum die „Vorschau“ damals dieses Thema setzte? Weil mit der Erfahrung aus den Jahren der DDR, in denen man in den Gaststätten zumeist warten musste, bis man „platziert“ wurde, die Erkenntnis reifte, dass eine gut ausgebaute gastronomische Infrastruktur zu jeder Kulturlandschaft gehört. Auf Dauer funktioniert Tourismus nur mit Möglichkeiten zur Einkehr. Und über die damals stetig wachsende Vielfalt solcherart Örtlichkeiten in unserem Verbreitungsgebiet wurde eben berichtet, was den Lesern unseres Kulturheftes gut gefiel. Besonders auffällig an dieser Reihe war, dass für den Leser unklar blieb, wer eigentlich die Gaststätte inkognito besucht und anschließend im Heft besprochen hatte, denn als Autor stand immer nur „Ihre Stiftung Gaumentest“ unter den Beiträgen. Interessant an den besprochenen Lokalen des Jahres 1993 ist aus der Sicht von heute auch, dass einige der traditionellen Gasthäuser noch immer existieren, gleichwohl gastronomisches Konzept und/oder Betreiber inzwischen mitunter gewechselt haben, z.B. „Spitzhaus“ (1/93), „Zu den Linden“ (2/93), „Börse Coswig“ (3/93), „Grundmühle“ (4/93) oder „Zum Bürgergarten“ (11/93). Andere der damals aufgeführten Einrichtungen haben längst geschlossen und dürften z.T. nur noch einem kleinen Teil der Leserschaft bekannt sein, wie etwa das „Café Noteingang“ (ebenfalls 4/93) oder „Pauls Bierstuben“ (5/93). Die räumliche Verteilung der gastronomischen Einrichtungen im Stadtgebiet hat sich seit den frühen 1990ern natürlich insoweit verändert, als dass mit der Sanierung des Dorfangers Kötzschenbroda ein weit über die Stadtgrenzen hinaus bekanntes und beliebtes Zentrum entstanden ist, in dem sich verschiedene Restaurants, Cafés und Bars aneinanderreihen und die Auswahl entsprechend groß ist. Das hat(te) auch Auswirkungen auf andere Teile Radebeuls, in dem praktisch keinerlei ganzjährig geöffnete Gaststätten mehr existieren, z.B. in Lindenau (wenn man von der saisonabhängig geöffneten „Welle“ im Bilzbad absieht) oder auch in Serkowitz (der traditionsreiche „Gasthof Serkowitz“ gibt seit 2012 wenigstens dem Lügenmuseum eine Heimat). Kein Geheimnis aber ist auch, dass nicht erst durch die Pandemie die Herausforderungen für die Gastronomen weiter gewachsen sind und es schwieriger geworden ist, den Betrieb aufrecht zu erhalten, was Auswirkungen auf die Öffnungszeiten hat. Zwei Beispiele aus eigenem Erleben seien genannt. Im August 2022 sah sich der Betreiber eines Weingutes mit Gastbetrieb unterhalb der Oberlößnitzer Weinberge gezwungen, die gastronomische Ausgestaltung eines seit mehreren Monaten für September geplanten 50. Geburtstag wegen Personalmangels kurzfristig abzusagen. Schaut man sich zu Jahresbeginn 2023 auf den Websites einiger Restaurants um, wird klar, wie leergefegt der Markt an Fachkräften sein muss. „Zu den Linden“ und das „Spitzhaus“ suchen aktuell Restaurantfachkräfte, Köche und Küchenhilfen und die „Lößnitztalschänke“ einen Koch bzw. eine Köchin. Anderswo wird es wohl ähnlich aussehen. Zweites Beispiel: Im September 2022 standen zwei bierdurstige Freunde gegen halb Neun am Abend vor der Lößnitztalschänke, die eigentlich bis 22 Uhr geöffnet hat, aber wurden aus Mangel an Gästen wieder weggeschickt, denn man wollte lieber eher schließen. Mangel an Gästen? In Zeiten, wo alles teurer wird, überlegt man sich eben zweimal, ob man sich mit Freunden auf einen Happen oder ein Bier in einer netten Gaststätte trifft oder sich doch lieber zu Hause selbst kümmert. Hier verbinden sich also zwei ungünstige Faktoren zu einer Gemengelage, die seit einiger Zeit das auswärtige Essen und Trinken weniger planbar macht als es wünschenswert wäre. Hinzu kommt als neueste Sorge noch, dass die Auswirkungen von Inflation und gestiegenen Energiepreisen die Betreiber dazu zwingen, Öffnungszeiten (noch mehr) einzuschränken, weil man sich nicht leisten kann, in besucherarmen Zeiten Küche und Gasträume betriebsbereit zu halten. Ein in dieser Hinsicht bestürzender Befund ergibt sich, wenn man einen Restaurantbesuch an Werktagen zur Mittagszeit ins Auge fasst. Touristen, die jetzt zu Jahresbeginn in der Oberlößnitz unterwegs sind, können sich nur entscheiden, ob sie sich im Asia-Schnellimbiss auf der Meißner Straße/Ecke Schildenstraße etwas zum Mitnehmen holen, sich im Asia Restaurant Ha Long Ecke Meißner Straße/Rosenstraße versorgen oder in die Lößnitztalschänke einkehren. Von den „Linden“ über den „Römer“ und das „Atlantis“ bis hin zum „Spitzhaus“ haben alle einschlägigen Restaurationen oberhalb der Meißner Straße wochentags zur Mittagszeit geschlossen. Und die hoteleigenen Restaurants „Nizza“ im Radisson Blue bzw. das Sterne-Restaurant im „Haus Sorgenfrei“ eignen sich wenig für Touristen, die im moderaten Preissegment speisen möchten. Mit dieser Zustandsbeschreibung verbinde ich keine Kritik an den Gastronomen, vor deren Arbeit unter den genannten Umständen ich Respekt habe und den Hut ziehe. Es ist nachvollziehbar, dass man so wirtschaften muss, dass am Ende des Tages auch Gewinn erzielt wird, die Löhne in der Gastronomie sind ohnehin schon nicht sehr hoch, ohne Selbstausbeutung ist ein Betrieb kaum aufrechtzuerhalten. Es bleibt nur zu hoffen, dass die gegenwärtig trübe Lage sich im Frühling und Sommer wieder aufhellt, wenn die Tourismussaison Fahrt aufnimmt. Denn eines ist doch klar: Eine Stadt mit der landschaftlichen Schönheit und den touristischen Ambitionen wie Radebeul sollte seinen auswärtigen Gästen (und den Einheimischen!) mehr bieten können als nur einen eng umgrenzten Bereich in Kötzschenbroda, an dem zu allen Tageszeiten hungrigen und durstigen Gästen geholfen wird. Was kann man tun? Ein Gedanke ist, dass jeder von uns auch Gaststätten fairerweise im weitesten Sinne zu den Kultureinrichtungen zählen sollte, denn das gepflegte Mahl begleitet von passenden Getränken in ansprechendem Ambiente ist Ess-Kultur, wie vor 30 Jahren auch die „Stiftung Gaumentest“ meinte. Aber anders als die „normalen“ Kultureinrichtungen bekommen Gaststätten keine Fördermittel oder Subventionen der öffentlichen Hand, sondern leben schlichtweg vom Zuspruch der Kundschaft. Um es auf den Punkt zu bringen: Sie leben von uns allen und davon, dass wir mit jedem Restaurantbesuch auch ein kleines Stück dazu beitragen, dass die noch existierenden Restaurationsbetriebe auch weiterhin bestehen und im besten Fall ihre Öffnungszeiten guten Gewissens wieder ausdehnen können. Auch wenn wir Einheimische womöglich nicht zwingend an einem Werktag zur Mittagszeit in der Oberlößnitz essen gehen müssten: unsere nächsten Hochzeiten, runden Geburtstage und Konfirmationen kommen bestimmt. Und wer ist da nicht froh, eine Auswahl an geeigneten Einrichtungen wohnortnah vorzufinden?

Bertram Kazmirowski
 

Zum Titelbild


Radebeul in historischen Ansichten

Weinbergstraße 10, Meínholdsches Turmhaus

Das Titelbild zeigt einen Ausschnitt aus einer Grafik von Johann Adolph Darnstedt um 1810. Die Anfänge des Weinguts sind schon zu Beginn des 17. Jh. nachweisbar. Der historische Name des Weinguts in der Überschrift bezieht sich auf den Dresdner Hofbuchdrucker und Verleger Carl Christian Meinhold (1740-1327), der 1792 den Weinberg in der Lößnitz mit dem Weingut erwarb. Danach gab es noch verschiedene weitere, hier nicht genannte Eigentümer. Als heutiger Name hat sich neben dem historischen der Namen Weingut Aust eingebürgert. Karl Friedrich Aust setzt die Arbeit zur Erhaltung des Weinguts und der Bewirtschaftung der Weinberge seiner Eltern Ulrich (1942-1992) und Elisabeth Aust fort. Er errichtete 2021/22 ein neues Kellereigebäude, da die alten Weinkeller inzwischen zu klein und zu eng geworden waren. Was für Veränderungen gab es seit Darnstedts bildlicher Darstellung von um 1810 noch? Da hatte der Turm noch zwei Abstufungen nach oben; 1844 taucht dann ein Bild auf mit nur noch einer Abstufung, der Turm war umgebaut worden. So zeigt sich der Turm mit Wetterfahne, einer vergoldeten Fortuna, noch heute. Östlich vom Weingut kam 1853 an Stelle des Nebengebäudes eine Villa in der Art der Schweizerhäuser (Arch. C.E. Johne) hinzu.
Dietrich Lohse

 

Mit Dieter Beckerts Gedichten und Geschichten durch das Jahr

Beckert – der Brachialromantiker

 

Der Mensch ist nicht gern allein. Wer Beckert sagt, muss in diesem Fall nicht nur Jürgen B. Wolff erwähnen, sondern mindestens auch Peter Till anfügen, der sicher nicht nur den Radebeulern als Duo „Herr Beckert & Vergissmeinnicht“ noch bekannt sein dürfte. Vielleicht erinnert sich der eine oder andere an ihren Auftritt zum Künstlerfest 2008 im Rahmen des Sommerprojektes „ArbeitsWelten“, veranstaltet von der Stadtgalerie Radebeul. Aber auch Solo ist Peter Till mit seinem „Universal Druckluft Orchester“ bestens bekannt. Für Tills Geburtstag 1991 verfasste Beckert u. a. diese Zeilen:

Mit übler Rede schlimmster Sorte –
Im Gehirnsaft gut gegart
Lallten druckreif aus ihm Worte –
Wein und Veritas gepaart

Darum freilich geht es in diesem Beitrag nicht, wenngleich hier die Richtung schon etwas angedeutet werden soll. Es geht auch nicht so sehr um das „Duo Sonnenschirm“, deren Protagonisten Dieter Beckert und Jürgen B. Wolff sind, als vielmehr um Dieter Beckert selbst. Wer aber Beckert sagt, kann zumindest die beiden anderen nicht links liegenlassen. Aber der Reihe nach.

Buchcover Rückseite:Ballhornsche VerlagsAnstalt Leipzig/Dresden 1997

Beckert und Wolff sind gewissermaßen ein Paar. Also nicht im herkömmlichen Sinne. Sie sind vielmehr Vollblutmusiker mit vielseitigen Begabungen, die sich bereits 1986 zum „Duo Sonnenschirm“ zusammenfanden, welches sie auch als „brachialromantisches Kabarett“ verstehen. In Daniil Charms (1905–1942), Lene Voigt (1891–1962) und den polnischen Dichter Konstanty Ildefons Ga?czy?ski (1905–1953), der behauptete, ein „Haus ohne Käse ist wie ein Hund ohne Grammophon“, sieht u. a. die Musik-Formation als ihre „Ahnen“. Gemeinsam haben Beckert und Wolff im Laufe der Jahre viele Musikprojekte verwirklicht, für die sie mehrfach mit dem „Preis der deutschen Schallplattenkritik“ ausgezeichnet wurden. Die Wurzeln des Duos liegen in der Folkmusikbewegung der 1970er Jahre in der DDR. Man könnte sie auch als etwas eigenartige „Liedermacher“ bezeichnen.
Aber beide musizieren nicht nur miteinander. Ihre selbstverfasste Musik braucht natürlich auch Texte und die stammen größtenteils von Dieter Beckert. Schade wäre freilich, wenn diese nur zu den Konzerten zu hören wären. Was also tun? Ganz einfach: Man schreibt ein Buch! Und so erschien im TOM VERLAG LEIPZIG 1993 DIE LIEBE IN DEN ZEITEN DER KOHLÄRA. EIN BRETTLBUCH. Die Herausgeber: Dieter Beckert & Jürgen B. Wolff vom „Duo Sonnenschirm“. Es umfasst auf annähernd 200 Seiten Texte, Gedichte, ein kleines Stück, Grafiken (Wolff) sowie zwischen all den Köstlichkeiten auch ein wenig zur Geschichte vom „Duo Sonnenschirm“, angereichert mit Fotos. Der Tagespiegel (Berlin) schätze damals ein: „Da kann man noch so lange suchen – andere Kleinkünstler, die mit vergleichbaren oder ähnlichen Darbietungen wie das Dresdner Duo Sonnenschirm ins Rampenlicht treten, sind derzeit auf der gesamtdeutschen Brettl-Szene nirgends auszumachen.“.
Ganze zwei Jahre später brachten die Beiden mit dem Roman Das Hanebuch von 1984. DIE BRACHIALROMATISCHE URFAUS oder DAS ENDE DER LEBERTRANEN-DYNASTIE heraus, eine hanebüchende Geschichte, die dem Leser in das XXXV. Jahr der Lebertranen-Dynastie führt. Die Illustrationen und Schaubilder stammen wieder von Jürgen B. Wolff.

Buchcover Rückseite: Connewitzer Verlagsbuchhandlung Leipzig 1995 und dem »Igel-Verlag

Das dritte Buch dieser Art kam 1997 unter dem Titel ZuverSicht Ist | Des | Schiffers UferLicht in der Ballhornschen Verlags Anstalt heraus und enthält neben den Texten auch Fotos, Grafiken und Collagen.
Beckert’s Texte folgen nicht dem Tradierten. Vielmehr strotzen sie vor eigenen Wortschöpfungen, Verballhornungen bis ins Obskure gehend, bleiben aber eng am alltäglichen Leben. Man sollte sie nicht bierernst nehmen, sich vielmehr am Fluss des Textes und dessen Wendungen erfreuen.
Für die zwölf Ausgaben von Vorschau & Rückblick des Jahres 2023 werden Geschichten und Gedichte aus allen drei Bänden ausgewählt.

Karl Uwe Baum

Copyright © 2007-2025 Vorschau und Rückblick. Alle Rechte vorbehalten.