Offener Brief

Unterzeichner

Offener Brief des Radebeuler Kultur e.V.

Den offenen Brief zum Gasthof Serkowitz und zum Lügenmuseum haben weitere Bürgerinnen und Bürger unterzeichnet. Mittlerweile kommen die Befürworter aus 27 Städten und Gemeinden der Bundesrepublik.

Interessierte Bürger können sich auch weiterhin in die Listen eintragen. Die Redaktion von „Vorschau & Rückblick“ nimmt gern entsprechende Wünsche entgegen (sascha.graedtke@vorschau-rueckblick.de).

Bis zum Redaktionsschluss von „Vorschau und Rückblick“ am 15. April 2022 war noch keine Stellungnahme vom Oberbürgermeister Bert Wendsche oder vom Stadtrat eingegangen.

Ljuba Schmidt, Kunsthistorikerin, Dresden – Barbara Patzig, Kunsterzieherin, Dresden – Dr. Volkmar Kluck, Konstrukteur, Radebeul – Iris Hilpert, freiberuflich, Meißen – Jessica Hackl, Bürgerin, Meißen – Ralf Hackl, Salestrainer, Meißen – Simone Schurickt, Kunstpädagogin, Radebeul – Franziska Kunath, Künstlerin, Klipphausen – Roland Hensel, Fotograf, Dresden – Gabriel Jagieniak, Erlau, Musiker – Carsten Cheonhim, Dipl. Ingenieur, Radebeul – Katja Leiteritz, Dipl.-Architektin, Radebeul – Annett Wunderlich, Dipl. Ingenieurin, Ottendorf-Okrilla – Juliane Derwinckel, Kulturgeografin, Künstlerin, Braunschweig – Frauke Erdmann, Osteropathin, Weinböhla – Michael Humbsch, Dipl. Ingenieur, Ottendorf-Okrilla – Hannes Heyne, Klangökologe, Weinböhla – Pan Schembritzki, Tischler, Klipphausen – Landon Schembritzki, Schüler, Klipphausen – Marco Borowski, Betroffener, Berlin – Hilla Steinert, Künstlerin, Berlin – Marie Seifert, Praktikantin, Dresden – Chady Seubert, Betroffene, Pritzwald – Thomas Sawatzki, Ingenieur, Dresden – Maria-Iris Trentzsch, Dipl Ingenieurin, Radebeul – Renate Winkler, Künstlerin, Rentnerin, Radebeul – Reinhard Winkler, Rentner, Radebeul – Renate Despang, Bürgerin, Radebeul – Despang, Freier Architekt, Radebeul – Angelika Magirius, Rentnerin, Radebeul – Renate Kern, Rentnerin, Radebeul – Anke Kern, Erzieherin, Kunsttherapeutin, Radebeul – Olaf Hering, Maler, Dresden – Gudrun Täubert, Lehrerin, Radebeul – Wolfgang Rufer, Angestellter, Dresden – Andrea Hofmann, Musikerin, Dresden – Wolfgang Rabisch, Künstler, Dresden – Lilli Vostry, Journalistin, Dresden – Barbara Busch, Galeristin, Dresden – Hanne Wandtke, Pädagogische Direktorin Palucca Hochschule für Tanz Dresden – Heinz Weißflog, Kunstjournalist, Dresden – Jörg Konheiser, Bürger, Radebeul – Barbara Hering, Bürgerin, Dresden – Peter Pit Müller, Maler/Grafiker, Radebeul – Anemone Kühne, Bürgerin, Dresden – U. Fasold, Bürgerin, Radebeul – Gunter Ulbrich, Dipl. Ingenieur, Dresden – Mechthilde Mansel, freischaffende Malerin/Grafikerin, Dresden – Heidemarie Arendt, Dipl. Sozialpädagogin, Radebeul – Norbert Arendt, Kirchenmusiker, Radebeul – Dr. Claudia König, Dipl.-Psychologin, Lohmen – Irene Wieland, Künstlerin, Radebeul – Holger John, Galerie Holger John Dresden – Katrin Hornig, Sekretärin, Radebeul – Evelies Baumann, Bürgerin, Coswig/Sa. – Michael Ö. Arnold, Hygienebeauftragter, Vorsitzender Theaterverein SPIELFREUnDE e. V., Mitglied BAK „Kinder- und Jugendtheater“ des BDAT, Vorstandsmitglied LATS – Ulrich Schwarz, Regisseur, Schauspieler, Dresden – Evelyn Iwanow-Heyn, Tanzpädagogin, Leipzig – Gabriele Kreibich, kultur- und kunstinteressierte Bürgerin, Radebeul – Matthias Kistmacher, Maler, Dresden – Annekathrin Rottstädt-Hänel, Leiterin Theaterpädagogisches Zentrum des Erzgebirgskreises und des Kinder- und Jugendtheaters BURATTINO Stollberg – Sabine Oeft-Köhler, Diplom Theaterwissenschaftlerin, Halle – Jana Berger, Bürgerin, Radebeul – Matthias Seidel – Theaterpädagoge, Regisseur, Leipzig – Margitta Czura, Ehem. Stellv. Schuldirektorin, Stellv. Vorsitzende Förderverein „Grundschule F. Schiller“ Radebeul, Stellv. Vorsitzende Förderkreis Stadtgalerie Radebeul, Radebeul – Dietrich Burkhardt, Ingenieur, Mitglied Förderkreis Stadtgalerie Radebeul, Radebeul – Christine Ruby, Journalistin, Autorin, Radebeul – Herbert Graedtke, Schauspieler, Träger Radebeuler Kunstpreis, Radebeul – Christine Gerhardt, Erzieherin, Radebeul – Andreas Gerhardt, Rentner, Radebeul – André Uhlig, freischaffender Künstler und Musiker, Radebeul – Elisabeth Reschat, Rentnerin, Radebeul – Ullrich Reschat, Ingenieur, Radebeul – Burkhard Hübner, Pädagoge, Keramiker, Dresden – Charlie Feistkorn, Artist, Radebeul – Benjamin Gerlach, Musiker, Radebeul – Kerstin Nicolaus, Maschinenbauingenieurin, Radebeul – Gerda Werling, Rentnerin, Radebeul – Anita Voigt, Künstlerin, Dresden – Gerald Risch, Grafiker/Illustrator, Dresden – Gabriele Schindler, Angestellte, Pappmaché-Objekt-Künstlerin, Dresden – Alexander Gerhardt, Hilfspfleger, Radebeul – Jana Gerhardt, Betriebskauffrau, Radebeul – Johannes Gerhardt, ehem. Kinobesitzer, Radebeul – Elisabeth Rempe-Gilbert, Freie Künstlerin Malerei/Grafik/Kunsttherapie, Mitglied Bund Bildender KünstlerInnen, Mitglied Deutscher Fachverband für Kunst- und Gestaltungstherapie, Klipphausen, OT Gauernitz – Ines Gerhardt, Erzieherin, Rabenau – Robert Böhme, Maler, Rabenau – Dr. Angelika Franz, Bürgerin, Radebeul – Ulfrid Kleinert, Bürger, Radebeul.

 

„Film Club Mobil“ lädt ein

„Film Club Mobil“ lädt ein

 

Redaktionelle Anmerkung
Das diesjährige Programm des Radebeuler „Film Club Mobil“ ist sehr vielseitig. Es umfasst Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilme. Eine Dokumentation über den legendären Jazzmusiker Günter Baby Sommer wird im Mai zu sehen sein. Den informativen Streifen produzierte das Dresdner Studio Klarheit im Zeitraum von 2011 bis 2014. Regie führte Jörg-Peter Bauer. Zum dreiköpfigen Kamerateam gehörten Jörg Sonntag, Lars dos Santos Drawert und Dr. Nanina Bauer, die auch das Drehbuch schrieb. Das Studio Klarheit bezeichnet sich selbst als eine Art Familienunternehmen. Es erstellt vorrangig Dokumentationen, Reportagen, Interviews und Zeitzeugengespräche zu unterschiedlichen Thematiken, bei denen Menschen mit ihren Geschichten, Meinungen und Gedanken im Zentrum stehen.

ALS MENSCH EIN SOLIST

Ein Film über den Jazzmusiker Günter Baby Sommer

am 19. Mai 2022, um 19.30 Uhr, im Kulturbahnhof Radebeul-Ost

Günter Baby Sommer, Foto: Jörg-Peter Bauer

ALS MENSCH EIN SOLIST ist der bisher einzige Film, welcher sich dem mehr als fünfzigjährigen Musikschaffen Günter Baby Sommers widmet. Der Dokumentarfilm zeigt den Musiker ungewöhnlich privat und gewährt Einblicke in Highlights seiner künstlerischen Tätigkeit.

Mit dem „Zentralquartett“ wird er in Europa bekannt, zusammen mit dem amerikanischen Jazztrompeter Wadada Leo Smith wird er in New York und Chicago ausgezeichnet. Mit Alexander von Schlippenbach, Peter Kowald, Peter Brötzmann und vielen namhaften Musikern der englischen, belgischen und französischen Jazzszene spielt der Ostdeutsche schon vor dem Mauerfall 1989 zusammen.

Wir begleiten ihn in diesem Film in seiner Weltumtriebigkeit auch nach Griechenland, wo er mit seinem Projekt “Songs for Kommeno“ weltweite mediale Anerkennung erfahren hat, da sich dieses Projekt künstlerisch mit der Problematik von Schuld und Wiedergutmachung zwischen Deutschland und Griechenland nach dem 2. Weltkrieg auseinandersetzt.

Sommer ist einer der bekanntesten und kreativsten Schlagzeuger überhaupt. In stetiger Bemühung um die Erweiterung seines Instrumentariums verlässt er oft die Position eines im herkömmlichen Sinne begleitenden Schlagzeugers. Damit ist er Partner von Tänzern, Malern und Literaten geworden. Seine Arbeiten mit Schriftstellern, wie Günter Grass, Christa Wolf, Christoph Hein, Volker Braun und vielen anderen sind auf CD’s oder Videos nachzuhören oder zu sehen.

Sein bisheriges Oeuvre umfasst ca. 140 Schallplatten, CD’s und Videos.

Im vorliegenden Film erleben wir Günter Baby Sommer in verschiedenen Zeitabschnitten seiner Konzerttätigkeiten, von Bildern aus seiner Jugendzeit bis zu seiner professorablen Tätigkeit an der Hochschule für Musik in Dresden. Wir erleben ihn im Gespräch mit Musikerkollegen oder deren Aussagen zu Günter Baby Sommer.

Der Abend beginnt mit einem ca. 30 minütigen Solokonzert und nach dem Film stellt sich Günter Baby Sommer noch für Interessierte zu einem Filmgespräch.

Zwei Jubiläen der „Blutsbrüder“

Grabstätte der Familie Bilz auf dem Serkowitzer Friedhof in Radebeul Foto: K. U. Baum

Sie waren, so wie die Literatur es beschreibt, richtig gute Freunde und gewissermaßen bis nach dem Tod verbunden. Sie besuchten sich gegenseitig, nahmen an den jeweiligen Familienfeiern teil und bewunderten die Leistungen des Anderen. Als schließlich der Eine zehn Jahre nach dem Tod des Freundes mit 80 Jahren verstarb, ließ er sich neben dessen pompösem Grabtempel bestatten. Lange aber wussten beide nichts voneinander, wandelten, teils recht abenteuerlich auf unterschiedlichen Wegen und waren sich doch so ähnlich wie kaum zu vermuten.

Friedrich Eduard Bilz und Karl Friedrich May wurden im Jahr 1842 geboren. Der Eine in Arnsdorf bei Penig gelegenen, der Andere in Ernstthal unweit von Chemnitz – keine 25 Kilometer voneinander entfernt. Während Bilz aus Liebhaberei zur Schriftstellerei fand, diente sie Karl May zum notwendigen Broterwerb. Beide waren Autodidakten und überaus erfolgreich. May verlegte Abenteuerromane und Reiseberichte, deren Auflage weltweit auf etwa 200 Millionen Bände geschätzt wird. Eduard Bilz erzielte mit seinen Gesundheits- und Naturheilbüchern bis 1938 immerhin eine Auflage von 3,5 Millionen Exemplaren.

Radebeuler Werbeaufsteller zum 180. Geburtstag von Karl May und Friedrich Eduard Bilz Foto: K. U. Baum

Beide aus ärmlichen Verhältnissen stammend, der Eine vom Weber zum Kolonialwarenhändler aufgestiegen, der Andere mit einem Hang zur Kleinkriminalität, eine begonnene Lehrerkarriere abbrechend, gelangten sie durch ihre schriftstellerischen Begabungen zu Ansehen und Wohlstand.

Seine erste Veröffentlichung brachte Karl May vermutlich 1875 heraus. Es war die Erzählung Die Rose von Ernstthal, eine verworrene, triviale Geschichte um Liebe und Entführung mit gutem Ausgang, bei der alles in einer Höhle begann:

»Er erhob sich von dem harten, steinigen Boden, ergriff das Felleisen, welches ihm als Kopfkissen gedient hatte und trat vor den Eingang der Höhle.

Guten Morgen, Du lieber, schöner, grüner Wald! Schüttest zwar Dein immer junges, hundertköpfiges Haupt mißbilligend über den faulen, schlaftrunkenen Kumpan, der ich heut bin, bietest mir aber doch Waschgeschirr und Morgentrunk in altgewohnter, fürsorglicher Weise.« [sic!]

Der sich hier andeutende Erzählstil Mays sollte sich in seinen späteren Reiseberichten und Abenteuerromanen in verfeinerte Form fortsetzen. Diese waren eine Mischung detailgenauer Beschreibungen in teilweise mythologischer Erzählweise, verbunden mit geografischen Kenntnissen und durchwoben von eigenen Erlebnissen sowie Verhaltensmustern. Die in Die Rose von Ernstthal erwähnte Höhle kannte May genau. In ihr fand er Zuflucht, als ihm 1869 bei einer Überführung als Strafgefangener eine spektakuläre Flucht bei Kuhschnappel, nahe St. Egidien, einer kleinen Gemeinde im Erzgebirgsvorland, gelang. Die Freude währte nur kurz. Bereits Anfang Januar 1870 konnte er im Böhmischen wieder gefasst werden. In Freiheit gelangte er erst 3½ Jahre später. Seine „kriminelle Laufbahn“ war damit im Wesentlichen beendet und er wendete sich dem Schreiben zu.

Nach Dresden lockte ihn eine Offerte des dortigen Verlegers Heinrich Gotthold Münchmeyer, der ihn als Redakteur einstellte. Schließlich ließ er sich in der Residenzstadt 1878 als freier Schriftsteller nieder. Mit seinen Arbeiten für die katholische Wochenzeitung Deutscher Hausschatz aus Regensburg ab 1879 stabilisierte sich seine finanzielle Lage, so dass May 1888 nach Kötzschenbroda zog und 1891 in Oberlößnitz die von Moritz Ziller erbaute Villa Agnes anmieten konnte. Zum Durchbruch verhalf ihm allerdings der Jungverleger Friedrich Ernst Fehsenfeld aus Freiburg mit der Herausgabe seiner Gesammelten Reiseromane in Buchform. Bis dahin erschienen Mays Erzählungen als Fortsetzungsfolgen in verschiedenen Zeitungen.

Mays erfolgreichster Kolportageroman ist Der Schatz im Silbersee, entstanden 1890/1891, der zweimal verfilmt wurde. Die Identifizierung mit seinen Helden (May gab sich als Old Shatterhand aus) untergrub seinen Ruf als Schriftsteller, so dass er sich in seinem Spätwerk vom Abenteuerroman abwendete und symbolischen wie weltanschaulich-religiösen Themen zuwendete. Mays Spätwerk wurde allerdings erst ab den 1950er Jahren als der literarisch wertvollste Teil seines Schaffens erkannt.

Der „Vater der volkstümlichen Naturheilkunde“ Friedrich Eduard Bilz war ein gelernter Weber, der aus gesundheitlichen Gründen schließlich 1872 in Meerane mit seiner Frau einen Kolonialwarenladen eröffnete. Im gleichen Jahr trat er dem Verein für Gesundheitspflege und Naturheilkunde bei und beschäftigte sich fortan ausschließlich mit dieser Thematik. Zehn Jahre später veröffentlichte der nun 40-jährige Bilz im Selbstverlag seine erste Schrift mit dem etwas langen Titel Das menschliche Lebensglück. Ein Wegweiser zu Gesundheit und Wohlstand durch die Rückkehr zum Naturgesetz. Hausfreund und Familienschatz für Gesunde und Kranke. Zugleich ein Beitrag zur Lösung der sozialen Frage. Darin vertrat er eine naturbezogene Weltanschauung als Lösung für die sozialen Fragen. Die bisher gesammelten Erkenntnisse praktizierte er selbst an sich aus. So schlief er nur bei offenen Fenstern und sah in Wasseranwendungen ein wichtiges Heil- und Stärkungsmittel (kalte, nasse Kopfumschläge zur geistigen Stärkung). Bilz‘ erstes Standardwerk für volkstümliche Heilkunde kam 1888 heraus. Im Bilz, das neue Heilverfahren. Ein Nachschlagebuch für Jedermann in gesunden und kranken Tagen. fand der Autor für komplizierte medizinische Vorgänge einfache Erklärungen und empfahl verständliche sowie praktische Heilverfahren für Jedermann. Das Werk wurde ein großer Erfolg und zum meist gedruckten Buch vor 1939.

Bilz ging seine Unternehmungen zielstrebig an. Mit der Herausgabe seines dann erfolgreichen Bilz-Buches gründete er 1888 den Verlag F. E. Bilz. Schließlich konnte er dadurch 1890 in Oberlößnitz ein großes Anwesen erwerben. Dort setzte er seine naturheilkundlichen Überzeugungen ganz praktisch um, in dem er unter anderem 3.000 Obstbäume setzte. Keine zwei Jahre später baute er eine kleine private, sich an Sebastian Kneipp anlehnende, Naturheilanstalt auf, die sich sehr familiär gab. So speisten die Kurgäste zusammen mit der Familie. Die Lößnitz war in jenen Jahren ein wahres Eldorado für Kur- und Heilanstalten. Auch wirkte bis 1843 im benachbarten Meißen der Begründer der Homöopathie Samuel Hahnemann.

Das erste große Kurhaus des Bilz-Sanitoriums konnte 1894 eingeweiht werden. Karl May hatte es da ebenfalls schon zu einigem Ansehen gebracht. In diese Zeit fällt auch der Beginn der Freundschaft zwischen Bilz und May. Sie entstand vermutlich, als sich Mays erste Ehefrau Emma 1896 einem längeren Kuraufenthalt im Bilz-Sanatorium unterzog.

Bilz arbeitete indes an seinem Werk weiter. Mit jeder Auflage wurde das Bilz-Buch umfangreicher, bis es schließlich fast 2.000 Seiten umfasste. Neben den Krankheitsbildern und deren Heilmöglichkeiten enthält es unter anderem auch Abschnitte zur Kleidung, Ernährung, Wohnung, Bewegung und vieles mehr. Das Bilz-Buch war nicht unumstritten, besonders die Ärzteschaft warf ihm nicht unberechtigt „Kurpfuscherei“ vor. Ein gewisses Sendebewusstsein, gepaart mit Geschäftssinn, kann man Bilz nicht absprechen. Auch bewunderte er Mays schriftstellerische Fähigkeiten, die mitunter ins Phantastische ausuferten. Mays Bücher mögen Bilz veranlasst haben, sich nach der Niederlegung der Leitung des Sanatoriums schriftstellerisch zu betätigen. Der selbst ernannte Naturheilkundler brachte 1907 als sein letztes Werk einen teils märchenhaft anmutenden Roman mit dem Titel In hundert Jahren heraus, in dem er eine gewisse Sozialromantik verkündete. Dieser beginnt mit der wundersamen Auffindung eines alten Mannes auf einer einsamen Insel durch eine Schiffsbesatzung. Hier ein kleiner Auszug aus dem I. Kapitel „Ein irdischer Methusalem“:

»[…] „Ich bin alt, sehr alt, mein guter Freund, rechnet ’s aus. Im Jahr 1872 erblickte ich das Licht der Welt. Ich weiß nicht, welches Jahr wir jetzt schreiben…“

Der Greis wurde durch erstaunte Ausrufe seitens Witlund in der Rede unterbrochen.

1872!… Und jetzt schreiben wir 2048 nach christlicher Zeitenrechnung… Mann! dann besäßt Du ja ein Alter von 176 Jahren?“ rief Olaf aus […].« [sic!]

Titelbild: Das neue Natur-Heilverfahren, 1926 Repro K. U. Baum

Der Greis war nicht nur zwei Köpfe größer als die Besatzung, sondern hatte durchaus eine kräftige vitale Figur, wie eine farbige Abbildung zeigte. Bilz bringt in der Figur des Kapitäns Witlund seine teils anthroposophische Weltanschauung zum Ausdruck, während der Greis die nach Bilz veralteten Ansichten vertritt, aber durch asketische Lebensweise zu einem hohen Alter gelangte. Der Roman spiegelt Bilz moralisierende Ansichten und Zukunftsvorstellungen, die sich in seitenlangen Traktaten und Vorträgen erschöpfen. Dabei handelt er alles ab, was ihm wichtig erscheint, von Verhütung von Krankheiten, freier Liebe, Kindererziehung, Arbeitsstätten im Naturstaat bis zum Weltfrieden. Am Ende des 1.130 Seiten umfassenden Werkes, dessen Fäden nur locker geknüpft sind, findet man bei einem Verbrüderungsfest des Erdenvolkes mit dem Marsvolk den nunmehr 181-jährigen Urgreis als „Senior des neuen ,Greisenbundes‘“ wieder.

In den durchaus ausufernden und locker hingeworfenen Texten scheinen sich Friedrich Eduard Bilz und Karl May vermutlich getroffen zu haben. Allerdings konnte May die Herausgabe des Bilz’schen Werkes nicht mehr erleben. Ein Zurück zur Natur, wie es sein Freund Bilz konsequent vertrat, hätte ihm möglicherweise das Leben gerettet, war er doch bereits 1912 an einer Schwermetallvergiftung verstorben, die er sich durch den langen Genuss von Trinkwasser aus Bleirohren zugezogen haben soll. Auch wenn Bilz‘ literarisches Werk eher „ungenießbar“ ist, spiegelt es doch seine Ansichten und Vorstellungen von der Zukunft der Menschen wieder. Dieses Jahr wären Bilz und May 180 Jahre alt geworden.

Karl Uwe Baum

Editorial 5-22

Liebe Leserinnen und Leser,

zur Zeit bin ich wieder einmal dabei mich von einigen Dingen zu trennen. Unter anderem auch von Büchern, wenn das auch sehr schwer fällt. Natürlich schaue ich in die Bücher nochmals, oder manchmal erstmals, hinein. Danach fällt die Entscheidung: behalten, verschenken oder schlimmstenfalls ins Altpapier. So fiel mir auch „ BRD heute Westberlin heute – Ein Lesebuch“, erschienen 1984 im Verlag Volk und Welt Berlin in die Hände.
Ich vermute, dass dieses Buch auch bei einigen von Ihnen sich noch im Bücherschrank befindet, da über 40 damals hier häufig unbekannte Autoren in ihm zu finden sind.
Beim Blättern entdeckte ich auf der Seite 403 ein Zitat von Erich Fromm, welches ich Ihnen nicht vorenthalten möchte. Es stammt aus einem Gespräch mit Adalbert Reif, welches sie 1976 führten:
„Wenn wir heute statt des Sieben-Stunden-Tages einen Zwei-Stunden Tag einführen würden, dann, glaube ich, würden unsere Irrenhäuser nicht im entferntesten ausreichen, die Opfer der Langeweile unterzubringen. Der gelangweilte Mensch, der nichts Positives erleben kann, hat jedoch eine Möglichkeit, Intensität zu erleben: und das ist die Zerstörung. Wenn er Leben zerstört, dann erlebt er eine Sensation der Überlegenheit über das Leben, er rächt sich an ihm, weil es ihm nicht geglückt ist, dieses Leben mit Sinn zu erfüllen. Indem er sich rächt und zerstört, beweist er sich, dass das Leben ihn doch nicht betrogen hat.“

Eine interessante These!

An diese musste ich Ostern denken, als wir entdeckten, dass die in
Coswig aufgestellte Osterdekoration teilweise zerstört worden war…

Ilona Rau

Mit Gerhard Schöne poetisch durch das Jahr

Zum Titelbild



… von flüchtigen Momenten …

imzwischensein | Teil I
prozessuale Rauminstallation
Dresden | 2021

Heute. Verwicklungen, Verstrickungen. Eher noch, als ein flüchtiger Moment erscheint, geraten wir allesamt hinein. Ausweglos die Lage. Der Weg hinaus – mühsam und lang, braucht er Geduld, Mut und Vertrauen. Was tun gegen diese Ohnmacht? Das Kleine, das Naheliegende. Wenn wir all jenen, die ins Ungewisse aufbrechen, offenen Herzens begegnen und sie ein Stück des Weges durch das Gewirr begleiten, könnten wir uns gegenseitig ein Lichtblick sein …

April 2021. Lockdown. Keine Ausstellungen. Die spontane Anfrage der »galerie drei«, deren geschlossene, aber von außen gut einsehbare Räume mit einer prozessualen Rauminstallation zu bespielen. Neugierig ließ ich mich auf die Herausforderung ein, sechseinhalb Wochen hinter Glas zu arbeiten und dabei in diesem begrenzten, abgeschlossenen Raum völlig erwartungsfrei auf den Moment zu reagieren – imzwischensein. Und doch suchte ich den Kontakt zu den Menschen im Außen. Sie konnten täglich eine Frage analog im Schaufenster wie auch auf virtueller Ebene finden und dort, über ihre reflektierenden Gedanken, einen Resonanzraum erschaffen. Einen Kontrapunkt zu den rhythmisch den Raum durchziehenden Fäden bildete das im Titel gezeigte Fadengeflecht, dessen zugehörige Frage ich nun an Sie weitergeben möchte:

»Wann fühlen Sie sich frei?«

Constanze Schüttoff

Nachruf

Liebe Leserinnen und Leser,

wieder einmal gilt es eine traurige Nachricht „zu verdauen“. Heute, am 18.März 2022 mussten wir uns von Heike Jacob (1962 – 2022) auf dem Heidefiedhof verabschieden,

Gemeinsam mit ihrem Mann, Detlef Jacob, betrieb sie nach dem Restaurant „Spitzhaus“ auch die „Goldene Weintraube“.

Diese Gaststätte war viele Jahre für das Redaktionskollegium der monatliche Treffpunkt zur Redaktionssitzung. Immer gab es auch einen Plausch mit Jacobs und wir hatten das Gefühl, gern gesehene Gäste zu sein, auch wenn der Verzehr an Speisen und Getränken sich im Rahmen hielt. Mit Bedauern mussten wir uns dann ein neues Domizil suchen, als die „Weintraube“ ihr Profil änderte.

Heike Jacob wurde durch einen tragischen Unfall aus dem Leben gerissen. Wir werden sie als fröhliche Gastgeberin gern in Erinnerung behalten.

Im Namen des Vereins
Radebeuler Monatsheft e.V.
„Vorschau & Rückblick

Ilona Rau
Vereinsvorsitzende

Leserpost

Vorläufiger Rekord!

Am 21. Januar 2022 erreichte uns eine Mail aus New Orleans / USA, das ist nach Meilen, bzw. km gemessen in unserer V+R-Leserpost ein Rekord. Freilich ging diese Meldung, die sich auf meinen Artikel „Gut Baurick“ im Oktoberheft 2018 bezieht, etwas verspätet ein – der Einsender hatte meinen Artikel jetzt „aus dem Äther gefischt“. Ich habe mich natürlich darüber gefreut und habe das „Okay“, hier den Inhalt leicht gekürzt wiederzugeben:

Hallo!

Es tut mir leid, dass ich keine Adresse von dir in Deutschland finde, aber ich hoffe, dass ich so Kontakt zu Dietrich Lohse finde, der den Artikel zu „Gut Baurick“ geschrieben hat. Ich bin August Bauricks Urenkel und war noch nie in Radebeul gewesen. Mein Vater verließ Deutschland nach 1945. Durch den Artikel lernte ich eine Menge über meine Familiengeschichte, also meine deutschen Wurzeln, kennen. Die Details zur Geschichte von Weinberg und Bauernhaus waren für mich faszinierend. Bitte leiten sie meinen Gruß und Dank an Herrn Lohse weiter.

Tristan Baurick, New Orleans

Dietrich Lohse

Radebeuler Miniaturen

Bildlich gesprochen

Bild: T. Gerlach


Mit jähem Hieb schlägt Ulrike auf die Taste. Das Radio schweigt sofort.

Radiohören schadet ihrer Gesundheit, sagt sie und beginnt den Küchentisch leerzuräumen.

Aber es ist gut und wichtig, daß berichtet wird, wende ich ein.

Mag sein, daß das gut ist, faucht sie, vielleicht ist es sogar richtig und wichtig, aber du mußt schon das Gemüt eines Fleischerhundes haben, um das auf die Dauer auszuhalten.

Vermutlich tust du dem armen Hund jetzt Unrecht, versuche ich, zu scherzen.

Ulrike breitet indessen Papiere aus. Sie wühlt in alten Beständen, bis sie ein uraltes Blatt Scherenschnittpapier findet. Sie schneidet es auf Format, malt mit dem Bleistift ein Gewölk in die Mitte und beginnt, es mit der Nagelschere auszuschneiden. Sie geht sehr akribisch zu werke.

Das muß sitzen, sagt sie, ich brauche beide Teile.

Sie greift zur Leimtube und klebt die beiden Teile auf getrennte Blätter. Hier sieh, sagt sie dann:

Das Gehirn eines uni(n)formierten Despoten – einmal von innen und einmal von außen …

Sie geht hinaus und ich frage mich …

Wie lange, frage ich mich, hält die alte Erde das noch aus …

Thomas Gerlach

Eine Glosse

Frauentag?

Na typisch, werden die Leserinnen jetzt aufschreien, da kommt er wieder zu spät, der Herr Motzi! Frauentag war vor einem Monat!

Um ganz ehrlich zu sein, bei mir gibt es gar keinen Frauentag, einen Männertag aber auch nicht. Besaufen kann ich mich das ganze Jahr über, da brauche ich keinen extra Tag dafür. Schließlich ist meine Frau auch nicht nur am Frauentag eine Frau. Und einen Rucksack – mal bildlich gesprochen – haben wir ja alle zu tragen. Die Frage ist doch nur, wo wir diesen Rucksack her haben beziehungsweise, wer ihn uns angedreht hat. Da scheinen mir die Ansichten nun doch reichlich auseinander zu gehen.

Katja Kulisch meint jedenfalls, dass sich die Frauen ihren Rucksack vor etwa 300.000 Jahren aufgelesen haben könnten, als die Sippen in Höhlen lebten und die Männer immer auf der Jagd waren. Also nicht nach Frauen, sondern nach Schnitzel und Elefantenkeulen. Für eine Fleischmahlzeit musste man damals, wie Forscher herausgefunden haben wollen, noch 75 Kilometer laufen! Da hatten die Männer natürlich keine Zeit, die Höhle auszukehren oder etwa die Kleinen in den Schlaf zu wiegen. Andererseits kann doch wirklich keiner behaupten, dass sich damals die Männer nicht um ihre Sippe sorgten. Es war eben diese Fähigkeit zu einer gemeinsamen arbeitsteiligen Tätigkeit, die den Homo sapiens hervorbrachte und durch die er sich vom Menschenaffen trennte. Sonst würden wir vermutlich heute noch alle auf den Bäumen sitzen.

Auch wenn die Evolution des Menschen nicht aufhört, habe ich bisher noch nie von einem „Frauen-Kümmerin-Syndrom“ oder gar von der Herausbildung eines „Sorge-Gens“ bei Frauen gehört.

Diese Problematik scheint mir doch mehr mit der Kulturgeschichte der menschlichen Gesellschaft zusammenzuhängen – also eher hausgemacht. Keine Frage, die von Katja Kulisch aufgezeigte Doppelbelastung der Frau ist real vorhanden. Sie scheint gar „evolutionsbiologisch“ begründbar zu sein, können Männer nun mal keinen Nachwuchs gebären. Den Frauen aber gewissermaßen die Schuld an dem Umstand noch in ihre Schuhe zu schieben und glaubhaft machen zu wollen, dass deren Situation durch persönliches Aushandeln mit dem männlichen Partner grundlegend zu verbessern wäre, mutet letztlich wie eine Verhöhnung an, zu der die patriarchalische Gesellschaft und deren später teils christlich geprägter Alltag nicht unwesentlich beigetragen haben. Da war freilich die „Rippe vom Adam“ nur eine Etappe auf dem Weg bis heute, wo Frauen in dieser Bundesrepublik im Jahr 2020 immer noch im Schnitt 18 Prozent weniger verdienten als Männer und die Spitzenwerte schon mal um die 30 liegen können! Davon liest man allerdings nichts in Katja Kulischs Titelbeitrag des Radebeuler Amtsblattes vom 1. März 2022.

Soziologisch spielten Frau, Familie, Haushalt eher eine untergeordnete Rolle in der Gesellschaft, auch wenn die Erforschung der Sozialgeschichte in den letzten 20 Jahren geradezu in Mode gekommen ist. Nicht nur die festgefahrenen althergebrachten Rollenklischees dominieren, wenn etwa die Historikerin und Soziologin Merith Niehuss noch 1999 von den „hinzuverdienenden Mütter[n]“ schrieb. Die Tatsache, dass sich heutzutage, wie etwa in den 1950er bis 1970er Jahren, die Berufsauswahl für Frauen in der BRD nicht nur auf Friseuse, Verkäuferin, Sekretärin, Lehrerin oder Erzieherin beschränkt, hat zweifelsfrei mit dem Aufkommen des Neoliberalismus, aber auch der stärker gewordenen Frauenbewegung zu tun. Die kapitalistische Durch-Organisation aller Lebensbereiche der Gesellschaft, führte letztlich zu dem etwas makabren Volksspruch „Gott erhalte mir die Arbeitskraft meiner Frau“.

Merith Niehuss sieht dies vermutlich ähnlich, wenn sie sich als Präsidentin der Bundeswehrakademie München insbesondere für die Förderung „weiblicher Nachwuchskräfte“ und einer verstärkten Forschung in der Nanotechnik einsetzt, welche auch den weiblichen Bundeswehrkräften bei der Bekämpfung der Gegner Vorteile verschaffen soll. Das erleichtert mit Sicherheit den aufgebürdeten Rucksack, meint

Euer Motzi

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