Diffuses Licht zwischen Herbststimmung und Winterwald

Die Ravensburger Malerin Birgit Schwartz-Glonegger stellt im Coswiger Rathaus aus

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»Spiegelung«, Aquarell                                                              Repro: W. Zimmermann

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»Hafeneinfahrt«, Aquarell            Repro: W. Zimmermann

Immerhin 25 Jahre ist es nun schon her, dass sich ostdeutsche Städte unter westdeutschen Kommunen Partner suchten. Vergleichbar miteinander sollten sie sein; die ostdeutschen wie auch die westdeutschen Städte. So fand bspw. Radebeul im saarländischen St. Ingbert einen guten Partner, während das benachbarte Coswig mit der süddeutschen Kommune Ravensburg eine Partnerschaft einging. Der 25. Jahrestag dieser Partnerschaften nun bietet eine zusätzliche Möglichkeit, sich noch besser kennen zu lernen.
Im Zusammenhang mit einer sehenswerten Ausstellung im Coswiger Museum Karrasburg stellt die Ravensburger Malerin Birgit Schwartz-Glonegger im Coswiger Rathaus einen sehenswerten Querschnitt ihres umfangreichen Œu­v­res aus. Die Aquarell- und die Acrylfarben bevorzugt die Malerin, fühlt sich aber auch in den Mischtechniken wohl. Und so sind eine Vielzahl an wunderbaren Stimmungsbildern entstanden. Wie etwa eine sehr romantische Sicht auf eine nebelverhangene „Hafeneinfahrt“. Oder das intensive Rot der Mohnblumen. Ein märchenhaft verschneiter Winterwald und sich im Wasser widerspiegelnde Bäume. Dem Winter wiederum wird die wärmende Stimmung des Sommers entgegengesetzt.
Die gebürtige Ravensburgerin des Jahrgangs 1951 entdeckte mit 27 Jahren ihre Liebe zur Malerei. In den ersten Jahren konzentrierte sie sich dabei ausschließlich auf das Aquarell; später kamen dann die Acrylfarben und auch eine Vielzahl an Zeichnungen dazu. Inzwischen kann die rührige

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»Mohn«, Aquarell                              Repro: W. Zimmermann

Ravensburgerin längst auf ein eigenes Atelier verweisen, dem sie den Namen „Kunst am Tor“ gab. Inzwischen ist sie aber auch Dozentin an der Ravensburger Volkshochschule, gibt eigene Kurse oder geht mit ihren Schülern auf Malreise in benachbarte europäische Länder.
In einem ihrer Aquarelle hat sie sich einer wunderbar verträumten Abendstimmung angenommen. Da leuchtet am Himmel ein sanftes Abendrot, während die Blüten der Sträucher am Fluss eine stimmungsvolle Farbigkeit verbreiten.

Wolfgang Zimmermann

Noch bis zum 15. November 2015 ist die Ausstellung von Birgit Schwartz-Glonnegger im Coswiger Rathaus zu besichtigen.

„Wein ist eingefangener Sonnenschein“

Ein cineastischer Rückblick auf die Winzerumzüge von 1965 und 1969

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Filmsequenzen von 1965/69              Foto: Stadtarchiv Radebeul

Hatte das Jahr 1965 keine sonderliche Bedeutung in der Historie des 40-jährigen Lebens der DDR, so geriet das Jahr 1969 gleich mehrfach in den Fokus der Geschichtsschreiber jener Zeit. Immerhin, im Oktober 1969 bestand die DDR als eigener Staat bereits 20 Jahre. Ausreichend Grund, diesen Tag mit einem pompösen Umzug und diversen anderen Festivitäten zu begehen. So stand dann auch der Winzerumzug 1969 ganz direkt im Zusammenhang mit dem Republikgeburtstag. Denn der manifestiert sich in den mit zahlreichen Losungen verzierten Festwagen, den vielen Transparenten und auch dem Aufmarsch der Kampfgruppen.
Beide Umzüge – der des Jahres 1965 und der von 1969 – sind zu sehen in zwei Filmen im schwarz/weiß Format, die im Radebeuler Stadtarchiv entdeckt wurden und aus denen der Radebeuler Musiker Manfred Kugler in einem langwierigen Prozess jene zwei Filme herausfilterte. Zum Einen war das der Winzerumzug im Jahre 1965, der nur am Rande politische Botschaften transportierte. Zum Anderen aber war das der Winzerumzug des Jahres 1969, der zeitgleich mit den Festlichkeiten zum 20-jährigen Bestehen der DDR stattfand. Der erste Film entstand im schwarz-weiß Format, der von 1969 bereits in Farbe. Jeder Film hat eine Länge von 16 Minuten. Und beide Filme sind natürlich in erster Linie dem hiesigen Wein gewidmet; denn der bestimmte die Umzüge in jeglicher Hinsicht. Nicht nur in dem einhelligen Lob „Wein ist eingefangener Sonnenschein!“

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Filmsequenzen von 1965/69 Foto: Stadtarchiv Radebeul

Darüber hinaus erzählen beide Filme viele kleine unterschiedliche Geschichten. „Nieder mit der faschistischen Diktatur in Griechenland!“ lautete bspw. der Text auf einem der im Umzug mitgetragenen Transparente. Die Älteren werden sich gewiss erinnern, die DDR nahm damals zahlreiche griechische Flüchtlinge auf, die sich über die nachfolgenden Jahrzehnte hier gut eingewöhnten und sich beruflich vor allem im gastronomischen Bereich engagierten. Auch in Radebeul landeten einige dieser Flüchtlinge, integrierten sich und und viele von ihnen leben auch heute noch unter uns.

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Filmsequenzen von 1965/69 Foto: Stadtarchiv Radebeul

Manfred Kugler hat den bewegten Bildern der beiden Umzüge Musik unterlegt. Und wer damals dabei war – egal ob als Mitwirkender oder als Zuschauer – könnte sich an irgendeiner Stelle dieser beiden Filme auf den Bildern durchaus wieder erkennen. Die Filme sind auf einer DVD gespeichert und wer sie käuflich erwerben möchte, der kann das über das Stadtarchiv Radebeul tun.

Wolfgang Zimmermann

Editorial 11-15

Editorial

Die letzten Trauben wurden von den Reben geschnitten. Ein überaus gesegnetes Weinjahr geht zu Ende. Die reiche Kelter schäumt und gibt einen hoffnungsvollen Ausblick auf die gefüllten Gläser im kommenden Jahr. Und so wie der Herbst verklingt, so verstummten auch die rauschenden Wein- und Winzerfeste.
Radebeul im Feierrausch.
Uns geht es doch gut. Und so geht es weiter. Nach den tristen Novembertagen beginnt die beschauliche Vorweihnachtszeit. Weihnachtsmarkt in altvertrauter Heimelichkeit mit Glühwein, Wollsocken und Musikgedudel. Alles auf einem hohen Niveau hier, keine Frage. Wir haben es uns ganz gut eingerichtet, jetzt nach 25 Jahren Einheit und Konsum. Jahre voller Feste dicht gedrängt im Jahreskreis.
Überhaupt was wir uns leisten, kulturell, unfassbar. Von der Kleinkunst bis zur großen Oper, hier im kleinen Radebeul. Neben Wien und Berlin ist es einzig Dresden, das drei Opernhäuser in unmittelbarer Nähe vereint, weltweit! Dazu noch Schauspiel und Ballett vor der Haustür!
Und verzichtete man auf all die Medien, all die täglichen Nachrichten aus aller und näher rückenden Welt, dann wäre unser Wohnumfeld wohl ein kaum zu ertragendes Wohlstandsidyll.
Vielleicht mal ein Moment zum Innehalten, um sich zu vergegenwärtigen, wie gut es uns (noch) geht.

Sascha Graedtke

Titelbild Oktober 2015

Ja, es gibt wieder linkselbische Weinberge und in der Talstraße 60 in Cossebaude steht auch ein Winzerhaus, vielleicht besser als Herrenhaus zu bezeichnen, das alt und stattlich genug ist, um mit den Winzerhäusern auf unserer Elbseite Schritt zu halten.

Es wird Hübel’sches Weingut genannt, wobei zwei Namen für die Geschichte dieses Hauses wichtig sind: Johann Gottfried Hübel, ein kurfürstlicher Beamter, der 1767 das Haus errichtete und den Weinberg (4 ha) mit Stützmauern anlegen ließ. Da sich das Tal des Lotzebaches windet, gibt es hier auch reine Südlagen. Die Hübels besaßen das Anwesen bis 1881, also bis kurz vor der Reblauskatastrophe. 1977 erwarb Familie Butze, der zweite wichtige Name, das Haus und einen Teil des ehemaligen Weinbergs. Es gab viel zu tun am Haus, dem man amtlicherseits noch maximal 10 Jahre Standzeit geben wollte. Seit 1979 kümmerten sich Butzes auch um den Weinberg, der neu aufgerebt wurde. Heute gehört das Anwesen Elke und Matthias Butze, die das Denkmal weiterhin fachgerecht pflegen werden, ohne es „auf Hochglanz“ polieren zu wollen.

Das zweigeschossige Haus mit Krüppelwalmdach hat ein massives EG mit Durchfahrt und ein Fachwerk-OG, das ursprünglich verputzt war. Zu den vielen interessanten Details gehört auch die Deckenbemalung von 1890 in der Durchfahrt. Mir gefallen besonders die fünf auf der Ostseite in zwei Ebenen angeordneten Fledermausgaupen. Der Kurzbesuch hier versetzte mich auf angenehme Weise in eine andere, vergangene Zeit.

Dietrich Lohse

Das Labyrinth Deutsche Einheit

Der Herbst beginnt mit einem Festmarathon: 25 Jahre Deutsche Einheit wollen gefeiert werden.
Nach dem vorläufigen Scheitern der Bemühungen, in Leipzig und Berlin dem Ereignis jeweils ein Denkmal zu errichten, konnte am 6. September im Lügenmuseum im Gasthof Serkowitz das „Labyrinth Deutsche Einheit“ eröffnet werden.

Blick ins Labyrinth Bild: A. Wirsig

Blick ins Labyrinth
Bild: A. Wirsig


Ideengeber und Kurator Richard von Gigantikow möchte mit dieser Ausstellung Toleranz vermitteln und helfen, Frustration und Ablehnung in Kreativität umzuwandeln. Er zeigt das Prozesshafte der Einheit, die ja längst noch nicht überall angekommen und an manchen Stellen auch schon wieder verlorengegangen ist. Erinnerungsrituale, Instrumentalisierung und Deutungshoheit der Geschichte werden in eine zeitgenössische Form übersetzt hin zu einem differenzierten Erinnern, so der Anspruch. Letztlich geht es um nicht weniger als um das Grundprinzip einer demokratischen Kunstauffassung.

Die Herkunft des Begriffes Labyrinth liegt im Dunkel der Geschichte. Wahrscheinlich bedeutet das Wort Haus der Doppelaxt. Die Doppelaxt war eines der Herrschaftssymbole des minoischen Königtums auf Kreta des 12. vorchristlichen Jahrhunderts. Das Labyrinth selbst gehört zu den ältesten Fruchtbarkeitssymbolen der Menschheit. Es hatte eine Mitte, die, wie die Sage vom Minotauros berichtet, auch sehr unerfreulich sein konnte; und ein Mann fand den Rückweg nur mit Hilfe einer Frau. Hier erscheint erstmalig das Einheitssymbol: es geht nur gemeinsam.

Richard v. Gigantikow verfolgt den Gedanken des Labyrinthes seit September 2001. Der damals aufscheinenden neuen Dimension der Bedrohung allen Lebens konnte er nur mit einem starken Lebens-Symbol begegnen. Er konzipiert seine Labyrinthe als soziale Plastiken, als Orte der Begegnung mit dem Unvorhersehbaren.

Das von der Berliner Künstlerin Pomona Zipser sowie dem vom Radebeuler Herbst- und Weinfest bekannten Skulpturenteam Roland Gorsleben, Möne und Olaf Spillner und Richard v. Gigantikow im einstigen Festsaal des Gasthofs geschaffene Labyrinth ist nur mit Taschenlampe zu begehen. Es ist verbunden mit Arbeiten der Künstler Anthony Beilby (AUS), David Campesino (E), Sophie Cau (F), Martin Hoffmann, Holger John, Klaus Liebscher, Manuel Lüttgenhorst, Rainer Müller, Klaus Staeck und Katrin Süss.

Thomas Gerlach

Die Ausstellung läuft bis 31. Dezember und ist in den Schulferien, an Feiertagen sowie jeweils Sonnabends und Sonntags von 13 – 18 Uhr geöffnet.

„Radebeul – Stadt der Zukunft“ hier und jetzt

54 Künstler und zahlreiche Schüler zeigen eine Ausstellung, die polarisiert

Das Thema der diesjährigen spätsommerlichen Gemeinschaftsausstellung „Radebeul – Stadt der Zukunft“ erinnert zugegebenermaßen an einen Schulaufsatz. Doch der Zündstoff verbirgt sich zwischen den Zeilen, denn es brodelt gewaltig unter der glatt polierten Oberfläche. Dem Lockruf „Die Zukunft gehört uns – steig ein!“ folgt der Schock: Eine alte Dame gleich im Eingangsbereich der Stadtgalerie demonstriert die Vergänglichkeit von Jugend und Besitz. Die morbide Noblesse wird provokant zur Schau gestellt. Radebeul – Stadt der Millionäre? Radebeul – Stadt der Pensionäre?

Klaus Beckmann, Die alte Dame, 2012, Objekt (versch. Materialien) Courtesy Galerie Peter Herzog Foto: PR Radebeuler Stadtgalerie

Klaus Beckmann, Die alte Dame, 2012, Objekt (versch. Materialien) Courtesy Galerie Peter Herzog
Foto: PR Radebeuler Stadtgalerie


Doch gerade die Schüler sind es, die die Frage stellten „Alles in Ordnung in Radebeul?“ Sie wünschen sich ein Kino, ein Erlebnisbad, eine Disko, fetzige Klamottenläden, Clubs zum Quatschen mit Freunden und vieles mehr. Aber auch die Erwachsenen haben Träume von einer autofreien Stadt und wollen sich die Zukunftsaussichten der Wein- und Gartenstadt nicht „verbauen“ lassen.
Gabriele Schindler, +++Paradiso+++, Installation, 2015 Foto: PR Radebeuler Stadtgalerie

Gabriele Schindler, +++Paradiso+++, Installation, 2015
Foto: PR Radebeuler Stadtgalerie


Für weitere Wünsche und Zukunftsträume stehen Briefkästen bereit. Aber was wird davon jemals in Erfüllung gehen? Wer stellt die Weichen in die Zukunft? Die Weinkönigin hat sich schon mal auf den Weg gemacht und reitet auf einer alten Bergziege voran. Die Künstlergruppe „Liebes Pferd“ ist aus tiefem Schlaf erwacht und zeigt zur Midissage das erhellende Filmmaterial „Kräne über Deutschland „ und „Reklame für ein besseres Leben“. Nach rechts, nach links oder ab durch die Mitte? Buntes Wunder Radebeul oder wunderbuntes Beutegreuel? Wird es die Vereinigung der schaffenden Intelligenz Deutschlands richten? Oder haben die Aktien- und Immobilienbesitzer einen zukunftsträchtigen Plan? Das Vakuum der Passiven füllen sie spielend aus.

Das Jahr 2015 ist ein Jahr der Jubiläen: 700 Jahre Serkowitz, 80 Jahre Radebeul, 70 Jahre Frieden auf deutschem Boden, 25 Jahre Deutsche Einheit. Und zwischen all den Feierlichkeiten hat sich ein Flüchtlingsstrom in Bewegung gesetzt, dessen Ziel das vermeintliche Paradies Deutschland ist. Das Elend dieser Welt sickert ein in unserer Wohlstandsidylle. Das Hier und Jetzt erfordert alle Aufmerksamkeit. Keine Zeit mehr für die Zukunft?

Dabei sieht doch unser Planet Erde wie immer aus. Auch Radebeul wirkt noch wie eine glückselige Oase. SORGENFREI. Es geht uns gut. Es kann nur schlechter werden. Wir wollen Spaß und machen Selfis. Warum auch den Kopf zermartern zwischen Vergangenheit und Zukunft, Leben und Tod? Kreisen, drehen sich bewegen. Das Ratlosphone signalisiert bei Braten, Wein und Kerzenschein Alarm, Alarm … und plötzlich ist der Akku leer.

Karin (Gerhardt) Baum

Die Ausstellung ist bis zum 25. Oktober DI, MI, DO, SO 14-18 Uhr geöffnet. Gruppen-Führungen mit der Galerieleitung sind auch außerhalb dieser Zeiten möglich. Um Voranmeldung unter 8311-600,-625, -626, 0160-2357039 wird gebeten. MIDISSAGE am 9.10., FINISSAGE am 26.10., jeweils um 19.30 Uhr

Teilnehmer: Dieter Beirich, Klaus Beckmann, Sophie Cau, Heinz Drache, Lieselotte Finke-Poser, Thomas Gerlach, Karen Graf, Peter Graf, Roland Gräfe, Christiane Herrmann, Gunter Herrmann, Mandy Herrmann, Horst Hille, Michael Hofmann, Cornelia Konheiser, Matthias Kratschmer, Ingo Kuczera, Dorothee Kuhbandner, Anna Kuntsche, Bärbel Kuntsche ,Wolf-Eike Kuntsche, Edgar Kupfer, Christiane Latendorf, Liebes Pferd, Klaus Liebscher, Roswitha Maul, Johanna Mittag, Peter PIT Müller, Tine Neubert, Gerd-Rüdiger Perschnick, Anne-Katrin Pinkert , Pseudo, Gabriele Reinemer, Markus Retzlaff , Gerald Risch, Luc Saalfeld, Burkhard Schade, Petra Schade , Gabriele Schindler, Annerose Schulze , Fritz Peter Schulze, Gerold Schwenke, Gabriele Seitz, Karola Smy, Wolfgang Smy, Ju Sobing, SODA, Katrin Süss, André Uhlig, Christian URI Weber, Claus Weidensdorfer, Irene Wieland, Renate Winkler, Reinhard Zabka, Schüler der Oberschulen Kötzschenbroda und Radebeul Mitte sowie der Kinderarche Sachsen

Ein Nachruf für Tilo Kempe

Die Nachricht, dass Tilo Kempe, Radebeuler Architekt und Kommunalpolitiker, nicht mehr lebt, hat viele Menschen – Freunde, Kollegen oder solche, die ihn nur kannten – überrascht und sehr betroffen gemacht. Am 6. April 1963 in Dresden geboren und am 24. August 2015 gestorben, war er nur 52 Jahre alt geworden. Das ist eigentlich keine Zeit zum Sterben und nur durch seine schwere Krankheit in den letzten Monaten zu erklären.

Er stammte aus einer Dresdner Familie mit bekannten Bauingenieuren und Statikern und hatte Architektur an der TU Dresden studiert. Etwa 1990 lernte ich ihn als jungen Architekten, der erste Recherchen über Zustand und Lösungen für Altkötzschenbroda anstellte, kennen. Im Ingenieurbüro Dr. Jäger fertigte er eine Mappe an, die Grundlage zur Rettung und teilweisen Umgestaltung dieses alten Dorfkerns werden sollte. Viele der Entwürfe zur Sanierung einzelner Gehöfte und auch Lückenschließungen stammen von ihm, man erkennt sie an der eher traditionellen Form, im Einzelfalle auch an den Materialien Lehm und Holz. Dass dieses alte Radebeuler Dorf nach 1989 langsam wieder auf die Beine kam und mit meist neuer Nutzung heute ein Anziehungspunkt für Radebeuler und ihre Gäste ist, verdanken wir auch der beharrlichen Arbeit von Tilo Kempe über viele Jahre.

Natürlich konnte das nicht einer allein schaffen, da wären viele Namen zu nennen – aber er hatte das Geschick in Zusammenarbeit (manchmal auch in Konkurrenz) mit Kollegen aus anderen Büros, mit Bauherrn wie Familie Dross und mit der Stadtverwaltung die Gesamtge-staltung von Altkötzschenbroda nie aus dem Auge zu lassen.

"Haus Lorenz", Weinbergstraße 28 Foto: D. Lohse

„Haus Lorenz“, Weinbergstraße 28
Foto: D. Lohse


Wichtig im Leben von Tilo Kempe war der frühe Erwerb von „Haus Lotter“, einem ehemaligen Winzerhaus und Kulturdenkmal in der Niederlößnitz, der behutsame Ausbau zu seiner Wohnung und einem eigenem Architekturbüro sowie die Bereitstellung des Festsaales als Begegnungsstätte des Vereins für Denkmalpflege und neues Bauen; Winzerstraße 83 war in Radebeul eine gute Adresse! Sein Entwurfsbüro beschäftigte sich entsprechend dem Vereinsnamen mit Rekonstruktion (meist Denkmalsanierungen) und Neubauten. Zur ersten Gruppe gehören u.a. Altkötzschenbroda 20 (nur eines von vielen Objekten am Anger), das Spitzhaus, der Grundhof, das Meinholdsche Turmhaus und Haus Lorenz (Abbildung), aus der zweiten Gruppe seien hier An der Wilhelmshöhe 3, Obere Bergstraße 18 und Weintraubenstraße 8 genannt. Doch er hatte auch Aufträge außerhalb Radebeuls als Entwurf bearbeitet und realisiert, wie die „Blaue Mühle“ in Mohorn oder das fantasievolle „Schneckenhaus“ in Moritzburg. Diese Auswahl ist keine Wertung und hat auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Im Laufe der Jahre waren wir Freunde geworden mit gemeinsamen Interessen zur Stadtgeschichte, Denkmalpflege und zu bemalten Holzbalkendecken, wie eine im „Haus Lotter“ vorhanden ist.

Als Stadtrat für die CDU hatte sich Tilo Kempe viele Jahre eingebracht und war auch eine Zeit lang im Kreistag Meißen tätig gewesen. Ich erinnere mich auch an eine beratende Tätigkeit Kempes für die Lutherkirche; die Realisierung einer anderen Planung für das Gemeindezentrum kann er leider nicht mehr erleben. In den Fluttagen 2002 war er einer von vielen unermüdlichen Helfern, besonders wertvoll war seine Idee, einen alten Dammplan zur Rettung des ehem. HAW und anderer Betriebe zu realisieren. Einige waren überrascht, als er im Jahr 2008 als Kandidat für den ersten Bürgermeister (Baubürgermeister) in Radebeul antrat. Er ist es dann nicht geworden, aber dazu braucht man Sachverstand und Mut – beides hatte er. Nicht zu vergessen ist sein Engagement als Organisator im Radebeuler Bauherrenpreis und schließlich war er auch unter den Preisträgern.

Ein Umzug nach Weinböhla konnte zT. realisiert werden, den Verkauf von „Haus Lotter“ hat er nicht mehr geschafft. Eine damit verbundene Abwendung von Radebeul war nur schwer zu verstehen, hatte aber nichts mit seiner Einstellung zu unserer Stadt zu tun. In zwei aufeinander folgenden Ehen konnte Tilo auf die gute Entwicklung von insgesamt drei Kindern schauen, denen der Vater sehr fehlen wird.

Wir müssen feststellen, dass Tilo Kempe die Lebensleistung eines Architekten wegen seiner schweren Krankheit in nur 25 Jahren beenden musste. Darin steckt eine große Dichte an Entwurfsarbeit, Organisation und Engagement auch für Radebeul. Dafür sollten wir ihm dankbar sein und ihn so ehrend in Erinnerung behalten.

In der Zwischenzeit fand am 4. September 2015 die Beerdigung von Tilo Kempe auf dem Friedhof Weinböhla statt. Außer der Familie waren viele, ihm nahestehende Menschen – Architektenkollegen, Radebeuls OB und Mitarbeiter aus der Verwaltung, Bauherren und Handwerker, Vertreter der CDU und anderer Parteien, Vereinsmitglieder und Freunde – gekommen um Abschied zu nehmen. Der christlichen Feierstunde, die von einem gemischten Chor begleitet wurde, wohnten etwa 300 Trauergäste bei, insgesamt eine würdige und sehr berührende Abschiedsfeier für Tilo Kempe.

Dietrich Lohse

Abschied von Tilo Kempe – Worte am Grab

Tilo, mein lieber Freund,

jetzt teilen sich die Reihen, Du schreitest hindurch, TShirt, schnell das flatternde Hemd noch zurechtgezogen – „Ach, es geht schon los, dann will ich nicht stören, macht ruhig weiter“. Und schon sitzt Du mitten unter uns.

Tilo Kempe und Jens Baumann beim Neujahrsempfang des Vereins 2013 Foto: F. Kratz

Tilo Kempe und Jens Baumann beim Neujahrsempfang des Vereins 2013
Foto: F. Kratz


Nach ein paar Sekunden schaust Du in die fragende Runde und meinst: „Also wenn niemand was sagt, dann fange ich eben an.“ Und kommst nach vorn, um uns beizustehen. … So ungefähr muss es 1986/1987 noch während des Studiums gewesen sein, als sich Architekturstudenten, unter ihnen Du, an der TU Dresden Gedanken darum machten, ob Altkötzschenbroda wirklich abgerissen werden sollte. Der Erhalt und die Instandsetzungen tragen Deine Handschrift mit. Und so war es beim Denkmalaktiv und später beim Verein. Und so war es auch bei der großen Flut. Eigentlich war es immer so: Du hast eine Idee skizziert und mit ihr aufgefordert zum unmittelbaren Handeln.

Und bestimmt hatte damals jemand gesagt: Das geht doch so nicht, Herr Kempe. Ein für Dich, Tilo, unerträglicher Satz, ein Satz, den Du nie akzeptieren wolltest. Dein Standpunkt war immer klar und fest: „Alle sagten: das geht nicht. Dann kam einer, der wusste das nicht, und hat‘s einfach gemacht.“

Tilo, das war nicht nur ein Spruch von Dir, sondern das warst Du. Du selbst. Machen, das unmöglich Scheinende möglich machen, viele Bauherren haben dies von Dir erhofft; und auch ganz oft bekommen. Dabei warst Du nie ohne Plan, aber Du warst eben auch nie nur Plan. Denken und Handeln gehörten für Dich untrennbar zusammen. Du wurdest nicht Deichgraf, weil einer vorn stehen musste, sondern der Respekt vor Deiner Rettungsleistung, z. B. der Verzinkerei, machte Dich dazu. Da war einer, der es eben konnte.

Und nur so konnte man auch Dein Freund werden: durch Mitmachen. Mitmachen war dann alles: auch beim Joggen musste ich mitmachen, dafür hast Du wundervolle Karpfen gezaubert. Wir hatten uns um die Zeit der friedlichen Revolution herum kennengelernt, Du hattest beim Büro Dr. Jäger gearbeitet, warst dann mit dem Flächennutzungsplan befasst. Und hast mich mit hinzugezogen. Die Freundschaft kam über eine gemeinsame Sache, ich kenne keinen, der das anders sagen würde. Die gemeinsame Sache war Dir immer wichtig – und deshalb konnte ich bei Dir auch immer Menschen unterschiedlicher Ansichten finden, wenn sie nur für eine gemeinsame Sache Streiter sein wollten. Hauptsache war Dir, so habe ich es gefühlt, zuallererst Radebeul und sein Baugeschehen – ob als Bauherr, Stadtrat oder als Architekt. Zuletzt lag Dein Augenmerk auf der Meißner Straße, die Du gern als funktionierend und entlastend für die Wohngebiete gesehen hättest.

Bei Dir konnte man Menschen treffen, denn Dich hat das offene Haus ausgemacht, welches Du führtest. Zu Dir konnte jeder jederzeit kommen. Auch wenn der Hausherr einmal nicht da war oder später kam. Aber wenn er da war, kam nie das Wort „keine Zeit“, es wurde sich hingesetzt, irgendetwas gab es zu trinken und dann wurde gequatscht bis in die Nacht, diskutiert. Eine wahnsinnig schöne intensive Zeit. Manchmal sind wir dann noch in die Oase nach Altenberg gefahren, dort lässt sich Kraft tanken, ein wundervoller familiärer Anker, wo sich auch mal alle Geschwister trafen, ich denke gern an den Geburtstag letztes Jahr.

Tilo, Architekt sein war Dein innerstes Selbst. Du konntest gestalten. Schon 1992 fungierte Dein Haus nach einem Aufruf in Vorschau und Rückblick als Treffpunkt derjenigen, die Radebeul als Wein- und Gartenstadt bewahren und zugleich erneuern wollten. Im Winzersaal begegneten sich Familie und Verein, ein Ort der freien Diskussion, in ihm entstanden Ideen, die heute Radebeul mit prägen. Ich erinnere mich immer wieder gern an den Februar 1993, als ich mehr zufällig vorbeikam und von Dir hörte. „Jens, bleib gleich mal hier, wir gründen gerade einen Verein, Du hast doch Ahnung von Zahlen, Du kannst den Schatzmeister machen.“ Und so war man plötzlich in Deiner Sache mittendrin, der Du auch immer wieder mit Impulse geben konntest wie den Bauherrenpreis. Eine super Idee, nicht das Schlechte vorzuführen sondern das Schöne als beispielgebend öffentlich zu würdigen. Auch Deine Häuser tragen ja dieses Gütesiegel. Chef sein wolltest Du übrigens selbst nicht, Stellvertreter reicht ja; ein Architekt braucht ja auch Freiräume: Die kann, wer will, sich erkämpfen, aber besser: nehmen. Frag nicht so viel, mache.

So war es auch nur konsequent, dass Du Dir Deinen Traum vom Fliegen erfüllt hast. Du bist Flieger geworden. Den wunderschönen und funktionstüchtigen Modellen in Altenberg, am 11. Juli hattest Du sie mir noch einmal vorgeführt, folgten Ultraleichtflugzeuge. Da konntest Du fotografieren, Problembereiche für die nächste Flut ausmachen und weitergeben; beim Fliegen kann man sich seiner Sorgen auch mal entheben. Tja Tilo, „hoch über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein, würde, was uns groß und wichtig erscheint, plötzlich nichtig und klein.“ Genauso hast Du gedacht und unterschieden, was ist wirklich wichtig und was hält nur auf und ärgert. Und am 21. August im Krankenhaus hattest Du mich auch noch gefragt: „Vielleicht will er mich ja doch noch gar nicht. Und Jens, wie wird das mit der Wiedergeburt?“ Wir waren uns dann mit einem Schmunzeln schnell einig, dass es ja nicht so schön sein kann, wenn alle im Himmel so rumlaufen, wie wir uns hier täglich auf der Erde sehen. Aber, hast du gesagt, „geistig bleibt doch was.“ Besonders eure doch noch so kleine Lilly lag Dir am Herzen, alle die Dich mögen, sollten ein Auge auf sie werfen, Edeltraut helfen wenn Hilfe gebraucht wird.

Und was bleibt, mein Freund?

Das Unwiderrufliche wird mir erst jetzt immer klarer, und wie die Zeit unaufhörlich geschäftig Tribut fordert. Freiheit, Zeit nehmen, ein offenes Haus leben, Freundschaften pflegen, das können wir uns von Dir merken. Mit Deiner Geradlinigkeit bist Du immer ein politischer Mensch gewesen, aber Du bist kein Politiker geworden. Unmittelbar sein, das hat Dich ausgezeichnet. Ich denke, das haben Deine Familie, Deine drei Geschwister, Deine beiden Ehefrauen und Deine drei Kinder, Deine Freunde und Wegbegleiter an Dir geschätzt, das hat Dich zum Freund werden lassen. Die anderen haben es an Dir gefürchtet.

Gibt es ein Wiedersehen, das hat Dich noch umgetrieben. Ja, Tilo, das gibt es. Das offene Haus habe ich auch so am 23. August in Deinen letzten Stunden vorgefunden, Freundschaften sind auch über Dich entstanden. Und wenn wir durch Radebeul gehen, wird allerorts etwas von Dir zum Wiedersehen einladen, ob in Altkötzschenbroda, auf der Weinberg- oder der Winzerstraße. Deine Gabe hast Du genutzt. Und nicht zuletzt wird auch Deine Stufe im Turm Dich im Hier behalten. Du bist nur schon vorausgestiegen, viel zu eilig.

Auf Wiedersehen, mein guter Freund,

Auf Wiedersehen, Tilo

Der 37. Radebeuler Grafikmarkt zieht um von Ost nach West

Künstler präsentieren ihre Werke am 8. November von 10 bis 18 Uhr erstmals in der Elbsporthalle

Nichts bleibt wie es ist. Veränderte Situationen erfordern neue Lösungen. Die bevorstehenden Umbaumaßnahmen im Radebeuler Rathaus und der gegenüberliegenden Schule stellten die Organisatoren vor die Entscheidung: Lassen wir den Grafikmarkt künftig ausfallen oder finden sich für diese traditionsreiche Veranstaltung an anderer Stelle in der Stadt Radebeul geeignete Räumlichkeiten? Zu bedenken galt es dabei aber noch Vieles mehr. Die bisherige Logistik war eng mit den Ressourcen der Stadtverwaltung verbunden wie die kostenlose Nutzung von Räumen, Mobiliar und Technik sowie die Unterstützung durch zahlreiche städtische Mitarbeiter. Wie also weiter?

Bärbel Kuntsche

Bärbel Kuntsche


Erste Diskussionen hierzu fanden mit den Künstlern bereits während des letzten Grafikmarktes statt und stimmten durchaus zuversichtlich, diese Herausforderung gemeinsam bewältigen zu können. Ja, man war sogar der Auffassung, dass nach all den Jahren eine Veränderung nicht schaden kann. Schließlich wurde die Elbsporthalle in Altkötzschenbroda als sehr geeignet befunden. Sie ist gut erreichbar mit S-Bahn, Straßenbahn und Bus. Parkplätze befinden sich auf der angrenzenden Festwiese unmittelbar vor Ort. Das Gebäude hat auch als Mehrzweckhalle eine lange Tradition. Ursprünglich als offene Schützenhalle zum Elbgausängerfest im Jahr 1908 erbaut, fanden später immer wieder Ausstellungen, Sängertreffen, Messen und Jugendkonzerte statt. Nach dem Einbau von Seitenwänden erfolgt bis heute die Hauptnutzung als Sporthalle. Ein besonderer Blickfang ist das Hallendach mit der diagonal ausgebildeten sichtbaren Holzlamellenkonstruktion.
Das ursprüngliche Gebäude diente als Schützen-, Sänger- und Ausstellungshalle Bild: Radebeuler Stadtarchiv

Das ursprüngliche Gebäude diente als Schützen-, Sänger- und Ausstellungshalle
Bild: Radebeuler Stadtarchiv


Was die Freunde des Radebeuler Grafikmarktes allerdings vordringlich interessiert: Was wird beibehalten? Was wird sich verändern?

Neu ist in diesem Jahr, dass der Grafikmarkt nicht an zwei, sondern nur an einem Tag stattfindet, dafür aber am Sonntag zwei Stunden länger geöffnet haben wird. Ob sich die Besucherzahlen der vergangenen Jahre trotzdem erreichen lassen, wird sich zeigen. Ungebrochen ist jedoch der Enthusiasmus, mit dem Künstler, Helfer aus Bürgerschaft und Stadtverwaltung, der Förderkreis der Stadtgalerie, der Radebeuler Kunstverein sowie der Kulturverein der Stadtbibliothek dem kleinen Organisationsteam auch weiterhin zuverlässig und tatkräftig zur Seite stehen wollen. Als neue Partner konnten die Händlergemeinschaft Radebeul-West und die Kultur- und Werbegilde Altkötzschenbroda gewonnen werden.

Nicht nur Sammler, sondern vor allem auch Familien gehören seit Generationen zum festen Besucherstamm. Gekauft wird, was gefällt. 100 Künstler präsentieren auf einer Ausstellungsfläche von 900 qm Druckgrafiken, Zeichnungen, Collagen, Aquarelle, Scherenschnitte, Fotografien, Künstlerbücher, Kunstpostkarten, Plakate, Kalender und Kataloge. Über 3.000 Exponate stehen zur Auswahl. Das Spektrum an Techniken, Handschriften und Motiven ist breit gefächert und reicht von der Miniatur bis zum Großformat. Die Preise sind sehr moderat und liegen in der Spanne von 1 bis 1.000 Euro.
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Neben bekannten Künstlern gilt es vor allem immer wieder auch junge und solche, die noch nicht im Rampenlicht stehen, zu entdecken. Die Künstler sind an diesem Tag präsent und verkaufen ihre Werke selbst. Sie freuen sich auf den Kontakt zum Publikum, aber auch auf den Kontakt zu den Fachkollegen. Zu jenen Künstlern, die bereits beim ersten Grafikmarkt mit ihren Arbeiten vertreten waren, gehört die Radebeuler Malerin und Grafikerin Lieselotte Finke-Poser. Obwohl sie mit 89 Jahren die älteste Grafikmarktteilnehmerin ist, will sie – sehr zur Freude ihrer großen Verehrerschar – auch in diesem Jahr mit anwesend sein. Der Radebeuler Grafikmarkt bietet am neuen Ort reichlich Gelegenheit zum Schauen, Verweilen, Fachsimpeln, Kaufen und Plaudern. Mit Informationsständen werden der Radebeuler NOTschriften-Verlag und die Buch-, Präge- und Rahmenwerkstatt Kruschel vertreten sein. In schöner Tradition wird es wieder ein Künstlercafé geben. Neu ist das ganztägige preiswerte Imbissangebot im Sportcasino. Und wichtig ist vor allem auch, dass erstmals der gesamte Präsentationsbereich barrierefrei zugängig ist. Der 37. Radebeuler Grafikmarkt startet am neuen Ort mit einer kleinen Einweihungszeremonie. Der Stadtverwaltung Radebeul, die dem Grafikmarkt über all die Jahre ein guter Gastgeber war, sei abschließend noch einmal ganz herzlich gedankt.

Karin Baum

Editorial

Im Monat der Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag der Deutschen Einheit bietet sich ein Blick in unser Oktoberheft von »Vorschau & Rückblick« aus dem Jahr 1990 geradezu an. Welche Inhalte hatte es? Was bewegte die Autoren jener Tage? Beim Durchblättern erstaunt es, dass es weit weniger politisch und empathisch in Erscheinung tritt, als zu erwarten wäre. Der Jahreszeit gebührend gibt ein ausführlicher Abriss über historische Radebeuler Winzerumzüge einen gelungenen Auftakt. Heute kaum vorstellbar, dass all die Wein- und Winzerfeste wieder erst geboren werden mussten. DesWeiteren sind u.a. Beiträge über die schwierige Findung eines geeigneten Ortes für das Radebeuler Stadtarchiv, eine Spazierempfehlung durch die Lößnitz im Umfeld des Zechsteins oder ein Porträt über den Maler und Grafiker Werner Wittig zu lesen. Ein dezidiert auf den Umbruch jener Tage zielender Beitrag wurde von Dr. D. Schubert verfasst,
der in der Folgezeit viele Jahre als Kulturamtsleiter maßgebliche Weichen für die kulturelle Stadtentwicklung stellen sollte. Unter dem Titel »Neue alte Straßennamen« wird die Dringlichkeit von Rück-, Um- und Neubenennungen von Radebeuler Straßen erörtert. So sehr einige die Wichtigkeit dieser
Pläne anzweifelten, so sehr wurde hingegen auf die zahlreichen Firmengründer verwiesen, die für ihren
Geschäftssitz eine zukunftsweisende Lösung erhofften. Auch gab es Bürger die monierten, bspw. noch in einer Straße der DSF wohnen zu müssen. Schließlich beschreibt eine Glosse, wie unschön das Gerangel um die Postenverteilung im Rathaus und in der Stadtverwaltung gewesen sein muss. Ein besonderer Vorwurf richtete sich gegen die bekannten und verborgenen Stasi-Leute, die sich im neuen System nun zügig einzurichten versuchten. Ironie der Geschichte, dass jener Verfasser später selbst als ein solcher enttarnt werden sollte.

Sascha Graedtke

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