„Gräfe trifft Kuntsche“

Die nun 3. Ausstellung bei „Gräfe`s Wein & fein“ auf der Hauptstraße in Radebeul-Ost ist diesmal nicht so wortspielsinnig in der Namensgebung, aber nicht minder heiter und hintersinnig in der Auswahl der ausgestellten Werke von wiederum einem Künstler-Ehe-Paar: Bärbel und Wolf-Eike Kuntsche.

Bärbel Kuntsche, »Äpfel in Papier«

Bärbel Kuntsche, »Äpfel in Papier«


Von Bärbel Kuntsche (Kunstpreis der Stadt Radebeul 2005) kennen viele Radebeuler -außer natürlich ihren bildnerischen Werken aus verschiedenen Ausstellungen – die Plakate zur Kasperiade und das Weinetikett für das Wandertheaterfestival 2008. Sie zaubert in leichtem knittrigem Papier saftig leuchtend schier duftende Früchte (Ölmischtechnik auf Pappe) -auch „Flora“ und „Frau mit Fruchtschale“ spiegeln den Überfluss der herbstlichen Natur.
Wolf-Eike Kuntsche, »Variationen zu einem bekannten Thema«

Wolf-Eike Kuntsche, »Variationen zu einem bekannten Thema«


Wolf-Eike Kuntsche(Kunstpreis der Stadt Radebeul 2004) hingegen stellt äußerst reizvolle – im ersten Blick ästhetisch anmutige Objekte aus. Beim genaueren Betrachten entdeckt man allerdings mit zunehmender Heiterkeit, dass es sich eher um Cartoons aus feinstem Porzellan handelt: z.B. „Trinkbecher mit Rotwein verdunstend “ oder „Werkzeug für zarte Hände“.

Mit etwas widerstandsfähigerem Werkzeug wurden seine bekannten Arbeiten im öffentlichen Raum geschaffen – angefangen beim Denkmal Caspar David Friedrich auf der Brühlschen Terrasse über Erich Kästner am Albertplatz bis zu der leider zugewachsenen Weintraube am Weinberggymnasium in Radebeul und eine der 5 (auch leider von Bäumen sehr versteckten) Skulpturen im Park vor den Landesbühnen Sachsen.

Auf jeden Fall die Empfehlung: beim Einkaufen auf der Hauptstraße einfach eine kleine kulturelle Verschnaufpause einplanen (man kann auch den Gaumen kulturvoll verwöhnen!).

Die Ausstellung ist noch bis Ende des Jahres zu sehen, danach ist von Kurator Prof. Detlef Reinemer eine Präsentation von Werken des Holzbildhauers Fritz Peter Schulz geplant.

Anspielen gegen die traurige Realität

Zum Theaterspektakel „Irrtümer II“ an den Landesbühnen Sachsen

Dass wirkmächtiges Theater unmittelbar auf die Zeitgeschichte reagiert und damit zu einem Ort der Konfrontation des Publikums mit den jeweiligen Lebensbedingungen gerät, ist ein so banaler Satz, dass ich ihn mir unter normalen Umständen als Beginn einer Besprechung nicht zu schreiben trauen würde. Allerdings bekam das zweite Theaterspektakel „Irrtümer“ der Landesbühnen Sachsen, das am 13./14./15. November unter dem Leitmotiv Utopien neun Produktionen (darunter fünf Premieren) versammelte, eine bedrückend tragische Aktualität. Denn während im Radebeuler Haus denkbare oder wenigstens mögliche Lebens- und Gesellschaftsentwürfe be- und gesprochen, gesungen, getanzt und gespielt wurden, wurde am Eröffnungsabend zur gleichen Zeit in Paris gehasst, geschossen und gebombt – im Namen einer zerstörerischen Utopie. Gut, dass die Intendanz ab dem zweiten Abend die Betroffenheit des ganzen Hauses mit einem Aushang bekundete, noch besser, dass das Publikum den im Foyer platzierten „Baum der Wünsche“ sofort als Projektionsfläche für Anteilnahme und Mitgefühl nutzte: „#pray for paris“ war dort zu lesen oder auch „Endlich Frieden“. Womit das Zweitgenannte die Utopie schlechthin markiert, an der sich die Menschheit seit Jahrtausenden erfolglos abarbeitet.

»Warten auf Godo«, Szene mit Grian Duisberg und Michael Berndt-Cananá

»Warten auf Godo«, Szene mit Grian Duisberg und Michael Berndt-Cananá


Wie auch schon im Jahr zuvor (damals unter dem Motto Familien-Wahn-Sinn) waren alle Sparten der Landesbühnen an diesem Abend im Einsatz und offerierten eine „Messe für die Gastspielpartner aus der Region“ (Intendant Manuel Schöbel). Damit sind ziemlich präzise Chancen und Risiken eines solchen Kraftaktes umrissen. Denn die Konzeption balanciert auf einem dünnen Seil, weil die schiere Masse an Angeboten (von denen man nur drei zu einem Termin wahrnehmen kann) zwar einerseits für jeden Geschmack etwas bereithält, andererseits in Kauf genommen wird, dass damit der Wert einer jeden Einzelproduktion verringert wird. Denn wo sonst z.B. Warten auf Godot ein Solitär ist und der Besucher nach 90 intensiven Minuten erfüllt nach Hause geht, werden die Eindrücke an diesem Abend nach einer kurzen Pause (ein Dank an das Haus für bereitgestellte Erfrischungen darf nicht fehlen, bedient dieses Angebot doch die Utopie, dass man satt wird, ohne selbst etwas dafür tun zu müssen) durch – wie in meinem Fall – eine nachfolgende Tanzperformance überlagert. Dabei hätten es Grian Duisberg und Michael Berndt-Cananá als Estragon und Vladimir ebenso wie Tom Hantschel und Marcus Staiger als Lucky und Pozzo verdient, dass „ihr“ neuer Beckett in der Regie von Peter Kube ungestört nachhallen kann. Das rätselhafte Meisterwerk des irischen Dramatikers ist nur scheinbar leicht zu bebildern, denn Beckett schreibt als Szenerie lediglich eine Landstraße und einen Baum vor. Genau das und nicht mehr stellt die Bühne (Tom Böhm) auch dar. In dieses trostlose Irgendwo geworfen kreisen die beiden Hauptakteure um sich in ihrem als von den Zuschauern absurd erlebten Dasein jenseits von Zeit und Ziel. Was immer auch der Text sagen soll – Beckett war sich dessen selbst nicht sicher – so ist er doch nach wie vor ein großes Fragezeichen, dem sich jeder Besucher auf eigene Weise nähern muss, ohne daraus je mit Gewissheit einen Punkt oder gar ein Ausrufezeichen machen zu können, eher noch einen Gedankenstrich.

Mit D.A.L.I., was Ballettchef Carlos Matos mit Die Allmacht Lärmender Intuition gleichsetzt, wird dem Publikum in der Probebühne ein bereits im Januar 2015 uraufgeführter Tanzabend präsentiert, der auf assoziative Weise zwei surrealistische Werke Dalis in Tanz übersetzt, ohne plakative Zuschreibungen vorzunehmen. Hier erzählen die Körper der sechs Akteure Geschichten, ohne Erklärungen aufzudrängen oder gar Deutungen vorzuschreiben. Unschärfe verhindert Eindeutigkeit verhindert Deutungshoheit – auch so kann die Utopie einer Welt ohne Meinungsführerschaft aussehen.

Die Premiere des von Peter Hacks entworfenen Dramoletts „Die Höflichkeit der Genies“, mit der ein Großteil des Publikums den Premierenabend beschloss, setzte einen heiteren Akzent, ohne freilich zum Thema Utopien etwas beigetragen zu haben. Eine fiktive Begegnung zwischen dem noch jungen Yehudi Menuhin (Jens Bache) und dem schon altersmilden, aber herrlich verschrobenen Albert Einstein (Matthias Henkel besetzt diese Rolle großartig) im Haus des Geigers in Los Angeles (dazu noch Julia Rani in der Rolle von Menuhins Schwester) mündet in einer Darbietung des berühmten e-moll Violinkonzertes von Felix Mendelssohn-Bartholdy durch Torsten Janicke als Solist, begleitet durch die Elblandphilharmonie unter Jan-Michael Horstmann. Nach etwas schleppendem Start gelang es dem Dirigenten zunehmend besser, sein Orchester an Janickes temperamentvolles und bewegungsfreudiges Spiel anzupassen, sodass insbesondere der 3. Satz zu einem feurigen und schwungvollen Kehraus geriet.

Was bleibt von diesem Abend? Der Eindruck, dass die Landesbühnen sich aktiv um ihr Publikum mühen, denn der betriebene Aufwand nötigt Anerkennung ab. Das Gefühl, dass das Format des „Theaterspektakels“ noch verbesserungsfähig bleibt, denn keines der drei von mir besuchten Aufführungen kann ich mangels entsprechender Angebote im Dezember in Radebeul oder der Region zum Besuch weiterempfehlen. Das Wissen, dass ein friedlich verbrachter Theaterabend keineswegs selbstverständlich ist in diesen Zeiten, denn – – –

Bertram Kazmirowski

Joachim Richter ist tot!

Nachruf auf einen sehr vielseitigen Radebeuler

Er war eigentlich ein sehr zurückhaltender Mensch. Ein unbedingtes Vordrängeln und sich auf Teufel komm heraus in eine Diskussion mischen, das lag Joachim Richter fern. Dabei hatte er eigentlich immer was zu sagen; Fröhliches, Tragisches, Humorvolles und auch Trauriges.
5-Joachim-richter[1]
Joachim Richter gehörte zu den Gründungsmitgliedern der Radebeuler Gruppe der „Schreibenden Senioren“ und war dort einer der produktivsten Schreiber. Seine poetische Stärke waren jene Vierzeiler, die oft mit wenigen Worten über ein ganzes Leben erzählten. Und dabei ließ er auch keinen Zweifel an seinen Vorbildern, wozu u.a. Erich Kästner und/oder Joachim Ringelnatz gehörten. In Anlehnung an den Letztgenannten dichtete er einmal folgenden Vers, den er „Der Reim“ nannte.

„Ich lese meinen Ringelnatz
ans Fenster klopft ein kleiner Spatz
Am nächsten Tag studier ich Brecht.
Wer klopft ans Fenster? Na?
Ein Specht!“

Joachim Richter hatte einst den Beruf eines Druckers gelernt und nahezu sein halbes Leben in und mit dieser Arbeit verbracht. Seine Freizeit aber war von vielen Interessen geprägt. So war er ein beispiellos eifriger Filmfan. Er gründete in Radebeul am damaligen kleinen Kino von Radebeul-Ost (der „Flohkiste“) einen Filmklub und leitet ihn über viele Jahre hinweg. Dass das Kino nach 1989/90 ganz aus Radebeul verschwand konnte er nie begreifen.

1993 entstand die Gruppe der „Schreibenden Senioren“Radebeuls und mitten unter ihnen saß auch Joachim Richter. Bis zu jenem Tag, als seine Frau starb. Sie war immer so etwas wie sein Anker gewesen. Alleinsein aber passte gar nicht zu ihm. Er brauchte Menschen um sich herum.

Am 2. November 2015 verstarb Joachim Richter in seinem 89. Lebensjahr.

Wolfgang Zimmermann

„Auf dem Nil“ und anderswo

Die Radebeuler Malerin und Grafikerin Renate Winkler stellt in der Filiale der Deutschen Bank aus

Eingehüllt in ein farbenprächtiges Gewand gönnt sich eine Frau eine „Ruhepause in der Wüste“. Gleich daneben fällt der Blick auf „Ramadans Enkel“, der alles andere als schläfrig, sondern quicklebendig scheint. Es sind nur zwei Bilder aus der umfangreichen Schau der 1948 in Meißen gebürtigen Malerin und Grafikerin, die aber angesichts der aktuellen Ereignisse hinsichtlich der derzeitig alle Nachrichten beherrschenden Flüchtlingsbewegung ganz besonders die Blicke der Ausstellungsbesucher auf sich ziehen. Beide Bilder widerspiegeln eine ruhige und friedliche Stimmung. Sie sind in kräftigen Ölfarben gemalt und verweisen in der Darstellung einer Idylle den Inhalt der hasserfüllten Kommentare an den Grenzen Europas in das Reich der Legende. Ob es die in Ölfarben gemalten Bilder „Sayds Mutter“ oder „Der Eselkarren“ sind, ob es die Aquatintaarbeit „Auf dem Nil“ oder die in Ölfarben gemalten Kamele mit dem stimmungsvollen Titel „Meine Wüstenfreunde“ sind. Ihre Arbeiten schlagen einen weiten Bogen aus einer fernen Welt zur Heimat und umgekehrt.

»Winterlandschaft«, Tusche

»Winterlandschaft«, Tusche


»Ruhepause in der Wüste,« Öl

»Ruhepause in der Wüste,« Öl


Renate Winkler – die Schöpferin dieser Bilder – bereiste in der Vergangenheit schon mehrfach arabische Länder. Und ihre, unter den Eindrücken jener Welt entstandenen bildkünstlerischen Arbeiten widersprechen mit ihren Botschaften sehr deutlich dem grölenden und geifernden Mob draußen auf der Straße. Die Malerin hat diese Bilder aber nie in der Absicht gemalt, damit ein politisches Statement abgeben zu wollen. In der Ende September 2015 eröffneten Ausstellung in der Filiale der Deutschen Bank in Radebeul verweist Renate Winkler aber nicht nur auf ihre Intentionen aus den arabischstämmigen Ländern. Sie zeigt in einem Holzschnitt auch das „Haus Lotter“ in Radebeul, würdigt in einer Winterlandschaft die landschaftliche Schönheit ihrer sächsischen Heimat und verweist gleich daneben in einer Idylle auf des „Winzers Rastplatz“.
»Ramadans Enkel«, Öl

»Ramadans Enkel«, Öl


Wolfgang Zimmermann

In den kommenden Monaten kann man die Ausstellung in der Filiale der Deutschen Bank in Radebeul-West besichtigen.

Nun also wieder Kriegsweihnacht?

Advent, aber mir ist nicht nach Singen zumute.
Was kommt da auf uns zu? Worauf haben wir uns vorzubereiten?
Nach Umfang und Ausmaß ist der mit dem 13. November postulierte Krieg ein neuer (der dritte!) Weltkrieg.

Zu den guten Nachrichten der letzten Wochen zählt jene vom Fortschreiten der Sicherungsarbeiten am Radebeuler Bismarckturm.

„Mit einer Gesamthöhe von 18 m ist der nach einem Einzelentwurf entstandene (…) Turm größer als die meisten anderen; nach viermonatiger Bauzeit (…) wurde er am 2. 9. 1907 feierlich eingeweiht. (…) der 1913 geplante Einbau einer Treppe scheiterte aus finanziellen Gründen.“ So steht es im Radebeuler Stadtlexikon.

Nun kann, einhundert Jahre später, der Treppenbau beginnen. Parallel soll im Innern mit einer Dokumentation an das Leben Bismarcks erinnert werden. Hoffen wir, daß die Erinnerung nicht zu spät kommt.

„Unsere Politik hat die Aufgabe, den Krieg, wenn möglich, ganz zu verhüten, und geht das nicht, ihn doch zu verschieben…“ schrieb Bismarck u.a. 1879. Seine auf solche Weise nach 1871 gebetsmühlenartig wiederholte Warnung, daß ein Krieg unter heutigen Bedingungen eher schadet als nützt (er wußte, wovon er sprach, hat er doch Kriege geführt, wo er sie für ‚nützlich‘ hielt) scheint heute jedenfalls wieder einmal gründlich vergessen zu sein.

Advent heißt Ankunft.
Was kommt auf uns zu? Worauf dürfen wir uns freuen?
Hoffen wir auf ein gesundes Wiedersehen 2016!

Thomas Gerlach

Editorial

Sie kommen aus einer Kirche in der gerade ein Konzert zu Ende ging. Die Glocken läuten, laut. Aber etwas stört die feierliche Stimmung. Eine grelle Stimme versucht den Glockenklang zu übertreffen: Der „Jens aus Meißen“ erklärt den Mitgliedern und Sympathisanten vom „Meißner Heimatschutz“ auf dem kleinen Marktplatz von Coswig die Welt. Ein Vorschlag ist, alle regierenden Parteien zum Teufel zu jagen, vor allem wegen ihrer Asylpolitik. Wer dann regieren soll, und wie, bleibt offen. Die Kirche mit ihren lauten Glocken wird auch beschimpft. Eigentlich ein für viele lächerlicher Auftritt, wären da nicht etwa 200 Menschen, die teilweise mit lautem Geschrei dem Redner Zustimmung signalisieren. Und wir? Wir entrüsten uns, nicht nur weil dies am Buß- und Bettag stattfindet, gehen dann aber zur anderen Seite, vor die Alte Kirche. Dort soll ein Friedensgebet, organisiert von den örtlichen Kirchgemeinden , unterstützt von „Coswig – Ort der Vielfalt“ und den Stadtratsfraktionen, ein Zeichen setzen für ein friedliches Miteinander. Wir fühlen uns zur Teilnahme verpflichtet. Anschließend dann eine Menschenkette mit und ohne Kerzen und dem Gesang von „Dona Nobis Pacem“, als Entgegnung zum mittlerweile stattfindenden, von Hassparolen angeführten Demonstrationszug. Neben uns steht eine Gruppe junger Leute mit einem Spruchband:
Du kannst gegen Krieg sein. Du kannst gegen Gewalt sein. Du kannst gegen Terror sein. Aber Du kannst nicht gegen die sein, die davor fliehen. Refugees welcome!
Ich freue mich über diese jungen Menschen frage mich aber, ob es reicht, was wir gerade tun, damit Hass und Feindseligkeit nicht in unserem Leben immer stärker werden.

Liebe Leserinnen und Leser, ich wünsche Ihnen eine besinnliche Weihnachtszeit, obwohl ich weiß, dass in vielen Familien auch zu Weihnachten die Probleme der Gegenwart sehr präsent sein werden.

Herzlichst
Ilona Rau

Königin für ein Jahr

Viele kleine Mädchen träumen davon, einmal Königin oder wenigstens Prinzessin zu sein.
War das bei Michaela Tutschke auch so?
Die Sächsische Weinkönigin hat mit mir über ihre Regentschaft geplaudert.

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Weinkönigin Michaela Tutschke und Winzer Steffen Rößler                                                        Foto: D. Busch

Anfang November 2014 war die Dresdnerin in der Coswiger „Börse“ als neue Repräsentantin Sächsischer Weine für ein Jahr gewählt worden. Zu der eingangs gestellten Frage erinnert sie sich, dass sie als Kind gern zugehört hat, wenn ihr die Eltern Märchen vorlasen. Und wenn dabei Königinnen und Prinzessinnen vorkamen, hat ihr das schon gefallen. Sie habe aber damals lieber im Dreck gespielt oder mit Autos. Die Puppenphase blieb sehr kurz.

2010 nahm sie eine Berufsausbildung als Winzerin auf und es dauerte nicht lange, bis sie eine Weinkönigin persönlich kennenlernte – eine anregende Begegnung.
Und als ihr Kolleginnen und Kollegen sowie Weinhoheiten sagten: „Das wäre doch auch etwas für Dich!“ – da begann der Plan zu reifen, sich nach Beendigung der Ausbildung dafür zu bewerben. Ihr frisch-fröhliches und charmantes Auftreten hatten die Unterstützer sicher auch im Blick. Die Bewerbungsunterlagen waren dann rechtzeitig zusammengestellt und beim Weinbauverband eingereicht, mit Lebenslauf und Selbsteinschätzung zur Eignung als Weinkönigin. Es ist so, dass jede Bewerbung angenommen wird und auch kein Vorentscheid stattfindet. Oft ist die Zahl der Bewerberinnen sehr gering. Jeweils Anfang November erfolgt dann die Wahl, auf die sich die Damen ab Mitte bis Ende September gezielt vorbereiten. Der Weinbauverband organisiert zum Kennenlernen untereinander und zur fachlichen Einstimmung Exkursionen, zum Beispiel eine Fahrt entlang der Sächsischen Weinstraße.
Michaela Tutschke und ihre Mitbewerberinnen nahmen an einer Verkostung sächsischer Weine im Schloss Wackerbarth teil, der dazu diente, Unterschiede zwischen den Rebensäften zu erkennen und es wurde die Beschreibung von Weinen trainiert – wer es schon einmal versucht hat, weiß, dass dies schwierig ist. Ein Rhetorikseminar im Weingut Friedrich Aust folgte, bei dem auch eine Schauspielerin der Landesbühnen Sachsen Tipps für die Wahlveranstaltung und den vielleicht folgenden öffentlichen Auftritten gab, beispielsweise für die Akklimatisierung vorher, das Bewegen auf der Bühne, den Umgang mit Lampenfieber. Schließlich gehört Selbststudium und Gedankenaustausch mit Weinkennern dazu.
Dann kam die Wahl. Erstmals gab es 2014 eine Jury, die aus Winzern, Sponsoren des Weinbauverbandes, Besitzern von Prädikatsgaststätten, die sächsische Weine ausschenken sowie Journalisten bestand. Das Publikum wurde ebenfalls mit einbezogen, indem auf den Rückseiten der Eintrittskarten der Name der persönlichen Favoritin eingetragen werden konnte.
Die Kandidatinnen zogen aus einem Topf jeweils vier Fragen zur Beantwortung, die sich vor allem auf den Weinbau und den Tourismus in der Region bezogen. Diese Beschränkung ergab sich aus Zeitgründen. Die Gäste waren aufgefordert, ihre Meinung zu den Antworten zu äußern. So nahm das Prozedere seinen Lauf und Michaela Tutschke konnte jubeln.
Sie ist im Weingut Proschwitz angestellt und hatte die Bewerbung mit ihrem Chef, Prinz zur Lippe, vorsorglich abgestimmt, da ja eine Weinkönigin zahlreiche Verpflichtungen wahrzunehmen hat, die teilweise auch in der Arbeitszeit liegen.
So zum Beispiel die Teilnahme an der Grünen Woche und an der Tourismusbörse in Berlin. Da kommen zusammenhängend auch mal drei Tage Abwesenheit zusammen. Prinz zur Lippe hat großzügig Unterstützung gewährt. Er freut sich sicher, eine Mitarbeiterin als Weinkönigin zu haben und eine Werbeträgerin fürs Weingut ist sie natürlich auch.
Im Verlauf einer Amtszeit sind etwa 100 Veranstaltungen zu besuchen, was in logistischer und konditioneller Hinsicht eine beachtliche Herausforderung darstellt. Gleich nach der Wahl im November standen viele Termine an, im Winter weniger, ab März dann zunehmend mehr. Das ließ sich einigermaßen mit den beruflichen Aufgaben vereinbaren.
Michaela Tutschke hatte sich vorab mit ehemaligen Weinköniginnen unterhalten und wusste daher, was auf sie zukommt. Den Anforderungen konnte sie vor allem deshalb entsprechen, weil ihr das Ganze viel Freude bereitete und sie merkte, wie sie an den Aufgaben wuchs. Die besondere Ausstattung der Weinkönigin besteht aus Krone und Kette, die ihr feierlich von der Vorgängerin übergeben wird und den verschiedenen Kleidern. Hier kann sich der Weinbauverband auf eine Sponsorin stützen. Michaela Tutschke war begeistert, dass sie dort Beratung für entsprechende Kleider fand und diese ausleihen konnte. Ein weiterer Sponsor ist ein Friseur. Bei Terminen im Weinberg waren Jeans und eigener Chic angesagt, da dominierte das Fachliche.
In dem Jahr als Weinkönigin gab es viele interessante und schöne Begegnungen und Ereignisse, aus denen eines besonders herausragt: Die Volks-und Raiffeisenbank unterstützt ebenfalls den Weinbauverband. Sie besitzt einen eigenen Postvertrieb und gibt alljährlich eine Briefmarke mit dem Konterfei der Weinkönigin heraus. Nun ist Manuela Tutschke auf der 55 Cent-Marke vor der Meißner Burg zu sehen. Kommentar ihres Papas: “Sonst sind nur Verstorbene drauf, du schon zu Lebzeiten!” Anlässlich der Wahl bekam sie einen Weinkelch aus Meißner Bleikristall überreicht. Auf diesem ist das „Schwalbennest“ eingraviert. Das ist das Weinberghäuschen am den Weinköniginnen gewidmeten Weinberg “Rote Presse“ im Meißner Spaargebirge. Bewirtschaftet wird er von der Meißner Winzergenossenschaft. Den von den Traminer -Trauben erzeugten Wein erhält die Weinkönigin zu Repräsentationszwecken.
Am Ende ihrer Amtszeit hat sie sich am Wettbewerb zur Wahl der Deutschen Weinkönigin beteiligt. In Neustadt an der Weinstraße fanden am 19. September der Vorentscheid und am 25.September das Finale mit den sechs von zwölf Teilnehmerinnen statt, sogar vom SWR übertragen..
Zu ihrer Teilnahme sagt sie: „Ich musste nicht, aber für mich war es eine Frage der Ehre. Es gibt dreizehn Anbaugebiete in Deutschland. Die sächsischen Winzer haben es verdient, durch mich vertreten zu werden.“
Deutsche Weinkönigin ist Manuela Tutschke zwar nicht geworden, aber allein die Teilnahme wird für sie ein bleibendes Ereignis sein.
Wir wünschen ihr alles Gute und viel Glück für den weiteren Weg.
Vielen Dank, Eure Hoheit, für das Gespräch!

Ilona Rau

Begabte Ärztin aus Leidenschaft

Ein Nachruf auf Dr. Christine Engelmann

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Foto : privat

Viele Menschen waren am 6. Oktober auf den Friedhof am Gottesacker zur Beerdigung von Christine Engelmann gekommen, die am 28. September nach langer Leidenszeit kurz vor ihrem 81. Geburtstag in ihrem Radebeuler Haus aus dem irdischen Leben abberufen wurde. Menschen, die ganz unterschiedliche Bindungen zu einer Frau aufgebaut hatten, die während des letzten halben Jahrhunderts ihre Spur in Radebeul deutlich sichtbar hinterlassen hat und deren Wirken nicht vergessen werden wird. Den meisten Radebeulern war Christine Engelmann als umsichtige, fachlich kompetente Kinderärztin bekannt, die seit 1966 bis 1998 in ihrer Praxis auf der Meißner Straße (früher Wilhelm-Pieck-Straße) arbeitete und noch zu DDR-Zeiten manch einem unter chronischem Asthma leidenden Kind zu einer Kur im milden Zypern oder einer Familie zu einer neuen Wohnung verholfen hatte, damit sich die Bedingungen für leidende Kinder besserten. Wer in den 1980er Jahren zu ihr in die Sprechstunde kam, konnte durch die ästhetisch wohltuende Gestaltung der Räume erkennen, dass dort eine Ärztin mit Kunstsinn ihren Dienst versah: Zahlreiche Bilder von Künstlern der Region schmückten die Wände und deuteten bereits an, wohin sich Christine Engelmanns Interesse nach Eintritt in den Ruhestand 1998 wenden würde. Erst vorsichtig tastend, dann immer selbstbewusster begann sie künstlerisch tätig zu werden und schloss sich daher der Malgemeinschaft der Radebeuler Stadtgalerie unter Gudrun Täubert an, wo sie sich weiterbilden und weiterentwickeln konnte. Aber nicht nur die Kunst, auch die Literatur hatte es ihr angetan, weshalb sie den Kontakt zu dem über viele Jahre von Lothar Trampau geleiteten Kreis der „Schreibenden Senioren“ aufnahm. Im Zuge dessen war sie ab November 2001 bis Oktober 2011 regelmäßig mit Lyrik in unserem Monatsheft vertreten, denn die „Vorschau“ konnte über lange Zeit auf die lesenswerten Beiträge der lebensklugen Senioren zählen. In einem Gedicht formulierte sie darüber treffend: Miteinander Wein trinken/lesen für Fremde und Freunde/uns und ihnen zur Freude/Gemeinschaft erfahren/Aktiv sein! Schreiben ist Leben. Anregungen für ihre künstlerisch-literarischen Arbeiten holte sich Christine Engelmann nicht nur durch die Unternehmungen mit der Wandergruppe des sächsischen Bergwandervereins, mit dem sie ihre Heimat (geboren wurde sie am 8.10.1934 in Dresden) durchstreifte, sondern auch auf ausgedehnten Reisen in Europa, Afrika und Nordamerika. Wie sehr es Christine Engelmann danach drängte, Erlebtes und Gedachtes in Worten festzuhalten, lässt sich daran ermessen, dass sie 2006 eine eigene Publikation im Radebeuler Notschriften-Verlag unter dem Titel „Miniaturen aus meinem Leben“ veröffentlichte. Nicht zuletzt, damit auch ihre Kinder und Enkel schwarz auf weiß haben, was der (Groß-) Mutter in Lyrik, Prosaskizzen und Briefen mitzuteilen wichtig war.
Wer weiß, welche Bilder ungemalt, welche Texte ungeschrieben und welche Wege unbeschritten bleiben mussten, weil der unheilvolle Junitag 2012 Christine Engelmann aus einem aktiven, in der Radebeuler Stadtgesellschaft vernetzten Leben riss und sie in Passivität und Abhängigkeit versetzte. Ein unglücklicher Sturz von einer Treppe markiert die schmerzliche Zäsur in einem Leben, das damals noch nicht vollendet, aber ganz gewiss schon erfüllt war. Christine Engelmann musste lernen loszulassen von dem, was sie liebte und brauchte: Kreative Eigenständigkeit in Gemeinschaft. Dass im „Loslassen“ auch Trost enthalten ist, hatte sie bereits Jahre zuvor schon in einem Gedicht formuliert: Nichts geht verloren im Lauf der Natur/ alles ist wichtig und hat seinen Sinn/ Sorge dich nicht, vertraue nur!/ Leb mit dem Wandel, gib dich ihm hin. Es hilft, sich diese Einsicht ab und an zu vergegenwärtigen.

Im Namen der Redaktion
Bertram Kazmirowski

„Elemente“ plus „Temperamente“ sind gleich „Lebensfreude“

Die langjährige Pädagogin Erika Bartusch zeigt im Radebeuler Kulturbahnhof eine umfangreiche Auswahl ihrer Bilder

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»Wie jetze?«, Acryl                                                                             Repro: W. Zimmermann

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»Evangelisten«, Lindenholz    Repro: W. Zimmermann

Die jugendlich zeitgemäße Frage „Wie jetze?“ in ein schlüssiges Bild umzusetzen ist gewiss keine leichte Aufgabe. Auch nicht für eine Frau, die das Gros ihrer Lebensjahre der Schule und damit der Ausbildung von Kindern und Jugendlichen, aber auch der Ausbildung eigener Berufskollegen gewidmet hat. Von dieser Position aus schärfte Erika Bartusch ja nicht nur ihren Blick für absurde Situationen; sie erlebte auch die Höhen und Tiefen der Sprache des Alltags. „Wie jetze?“ bspw. ist Alltagssprache; zwei, die sich irgendwie nicht riechen können, treffen aufeinander. Trotzig, stur und unnachgiebig. In kräftigen Acrylfarben hat Erika Bartusch dieses Bild mit dem provokanten Titel gemalt. Es ist eines von insgesamt 49 Arbeiten der aktuellen Ausstellung von Erika Bartusch, die im Kulturbahnhof von Radebeul-Ost zu sehen sind. Zu den Bildern gesellen sich außerdem einige Arbeiten aus Holz, Ton und Speck- oder Sandstein.
Der Bogen ihrer bildkünstlerischen Themen ist durchaus weit gefasst. Man findet darunter einen in Mischtechnik gemalten „Weiher“ in winterlich-frostiger Stimmung. Man ist versucht, die turbulente kopfüber „Zuneigung“ eines Paares (gemalt in Mischtechnik) zu ergründen. Wird in das Mysterium von „Erlkönigs Tochter“ (eine Acryl-Strukturarbeit) entführt. Oder begegnet der unbändigen Kraft der „Elemente“ (gemalt in Acryl-Struktur). Und nicht zuletzt auch einer kleinen Gruppe von „Evangelisten“, die Erika Bartusch aus Lindenholz gearbeitet hat.

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»Weiher«, Mischtechnik                         Repro: W. Zimmermann

Sie selbst hatte genügend Muse, das Wesen des Menschen zu ergründen. 21. Jahre lang arbeitete sie als Lehrerin und weitere 15 Jahre half sie als Lehrerbildnerin künftigen Kolleginnen und Kollegen in diesen so verantwortungsvollen Beruf.
Wolfgang Zimmermann

Die Bilder der im Jahre 1935 gebürtigen Dresdnerin erstrecken sich vom Kulturraum der Bibliothek in der ersten Etage bis hinunter in die Halle des Kulturbahnhofs selbst. Die Ausstellung ist bis zum 18. Dezember 2015 zu sehen. Der Eintritt ist frei.

Bacchusrede 2015

Liebe Freunde und Gäste von überall auf der Welt, welcome!
liebe Radebeulerinnen, liebe Radebeuler, Willkommen und Hurra!
Die Zeit für Lust auf Wein und Spiele ist wieder da!
Kötzschenbrodas Anger macht die Arme breit,
hat sich geschmückt für die Weinfestzeit,
öffnet Herzen, Höfe, Keller und Türen,
will euch zu einem Jubiläumsfest verführen.
25 Jahre Weinfest, davon 20 mit Theaterkultur ?
das ist einsame Spitze, das gibt’s in Kötzschenbroda nur.
Geehrt seid ihr Winzer; und euer Wein
wird wieder ein Labsal für Kehle und Seele sein.
Ihr seid jahrelang alkoholische Mitgestalter
und im wahrsten Sine des Wortes Traditionserhalter!
Durch euer treues Immer-wieder-Kommen
hat dieses Volksfest eine so tolle Entwicklung genommen.

Zum 20. Mal gibt‘ s das Wandertheaterfestival
mit hochkarätigen Künstlern, international.
Den ganzen Zauber theatralischer Spiele
brachten sie mit, mit nur einem Ziele:
uns froh und sinnreich zu unterhalten
mit ihren skurrilen Theatergestalten.
Sie kamen mit Klassik und Mythen, mit Zirkus, Tanz und Musik,
mit Himmel und Hölle, mit „Faust“, modern und antik,
maskiert und auf Stelzen, haben Brücken gebaut,
machten uns mehrmals mit Shakespeare vertraut;
Liebeskabale, Märchen und Feuerlegenden ?
die Vielfalt der Kunst wird niemals enden.
Ihr Suchen und Finden, ihr clowneskes Treiben
wird für immer in unseren Herzen bleiben.
Wir haben Hitze ertragen, den Regen verlacht,
haben die Themen der Jahre zu den unseren gemacht;
waren weinselig und heiter und bestens gelaunt,
haben die Künstler gefeiert und sie bestaunt.
Kurz: Es passte zusammen, Theater und Wein,
und so soll es auch in der Zukunft sein.
Gedankt sei heut jenen, die mitgestrickt,
dass das Fest jedes Jahr stets aufs Neue glückt.
Wie da sind die sächsischen Weinmajestäten, die repräsentierten unser Land,
mit würdiger Botschaft und immer charmant.
Auch an die „Macher“ wollen wir denken,
die uns mit ihren wunderbaren Ideen beschenken.
Stichwort Helmut Raeder – Helmut, Helmut,
den Mann mit dem Hut, den kennt doch jeder!

Erheben wir unser Glas auf Sachsens schöne Seiten,
auf freudvolles Leben auch kommender Zeiten,
auf die Hoffnung, dass vieles zum Guten sich fügt,
wenn Tatkraft und Hilfe Egoismus besiegt.
Trinken wir auf eine weitsichtigere Politik,
auf kluge Entscheidungen und Handlungsgeschick
und darauf, dass wir das Mögliche versuchen
und nicht hasserfüllt alles Fremde verfluchen.
Es hilft kein Gegröle, kein dummes Schrein,
so können Menschen nie Freunde sein.
Nehmen wir momentane Beschwernis in Kauf
und die Neuankömmlinge fair und freundlich bei uns auf!
Seien wir menschlich und denken daran,
dass das, was ihnen passiert, auch uns treffen kann.
Nur Menschen liebender Mut im täglichen Handeln
kann im Kleinen wie im Großen die Welt verwandeln.
Also: Trinken wir darauf, dass wir diesen Mut finden
dann schmeckt auch der Wein aus hundert anderen Gründen.

 

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