„Herzlich willkommen zur Kleinbürger Hochzeit!“

Die Landesbühnen punkten in der neuen Spielzeit mit dem Thema Familie

Puppenspieler Jonathan Strotbeck lässt seine Geschöpfe agieren

Puppenspieler Jonathan Strotbeck lässt seine Geschöpfe agieren

Es ist die enorme Fülle innerhalb des Spielplans der Landesbühnen Sachsen 2014/2015, die den Beobachter verblüfft und zugleich etwas erschreckt. Und die ihn fragen lässt „Wie will man das alles denn überhaupt schaffen?“ Zudem gesellt sich zu den vier traditionellen Sparten des Hauses (Ballett, Musiktheater, Schauspiel und Konzert) als fünfte und jüngste nun noch das Puppentheater als Teil des von Steffen Pietsch geleiteten „Jungen Studios“. Dieser Puppenspielbereich wird vor allem durch Jonathan Strotbeck verkörpert, der am Vormittag des 4. Septembers auch gleich zwei seiner Geschöpfe bemühte, um die herbeigeeilte Journaille im Glaskasten des Radebeuler Theaters standesgemäß zu begrüßen. Die beiden lassen sich auch nicht lange lumpen und produzieren sofort einen echten Fauxpas, indem sie ein „Herzlich willkommen zur Kleinbürger Hochzeit!“ in den Raum schmettern. Es sei ihnen an dieser Stelle noch einmal verziehen, denn sie sind neu auf dem Radebeuler Theaterparkett. Und schließlich lässt sich ja sowieso nicht alles mit einem ersten Blick überschauen. Vor allem der prall gefüllte Spielplan der neuen Spielzeit nicht. Der wartet dieses Mal mit einem ganz besonderen Highlight auf. Mit der Neueröffnung der einstigen Traditionsgaststätte „Goldene Weintraube“ nämlich. Die wird derzeit zu einer zünftigen Theaterkneipe umgestaltet. Zum Zeitpunkt der Pressekonferenz werkelten dort noch die Handwerker, im Oktober wird es dann einen direkten Zugang vom Foyer zur Gaststätte geben. So ensteht ein Ort zur Vor- und Nachbereitung für das jeweilige Theatererlebnis, aber auch ein Ort für Kontakte bzw. der Begegnung zwischen Künstlern und Publikum. Auch für eine theatergemäße Nutzung dieser Räume hält Intendant Manuel Schöbel schon einige Ideen bereit. Die Tragendste darunter ist wohl die Kombination von Gaststätte, Kantine und Theaterpodium. Man darf darauf genauso gespannt sein wie auf die dort stattfindende Puppenspielpremiere von Jonathan Strotbeck, der sich immerhin an dem anspruchsvollen Brechtschen Theaterstück „Die Kleinbürgerhochzeit“ versucht. Premiere ist am 25. Oktober 2014.
Schauspieldirektor Peter Kube, Musiktheaterchef Jan Michael Horstmann, Ballettchef Carlos Matos, Steffen Pietsch als Chef der Sparte Kinder- und Jugendtheater sowie Chefdramaturgin Gisela Kahl verwoben innerhalb der Pressekonferenz die verschiedenen einzelnen Bänder der Kunstsparten zu einem überschaubaren Ganzen. Das aber endet natürlich nicht mit dem Jahreswechsel 2014/15 sondern gestattet schon heute einen weiten Blick voraus; in die Freiluftsaison 2015 nämlich und damit vor allem auf die Felsenbühne Rathen. Die wartet mit einem sehr besonderen Highlight auf. Mit der Premiere des „Glöckner von Notre Dame“ im romantischen Felskessel. Verlockend ist aber nicht nur der Stücktitel selbst, sondern vor allem die Tatsache, dass Tom Pauls in die Rolle des Quasimodo schlüpfen wird. Winnetou reitet ebenfalls wieder im Wehlgrund. Es ist eine neu bearbeitete Inszenierung, die Olaf Hörbe einst für die Felsenbühne inszenierte. Die Regie für 2015 wird Manuel Schöbel selbst übernehmen.
Und natürlich hält auch das Musiktheater im Stammhaus wie immer allerhand Neues bereit. Insgesamt acht Premieren bietet die Sparte an, darunter Giuseppe Verdis „Ein Maskenball“ (17.1.2015) und Paul Burkhards „Feuerwerk“ (4.4.2015).
Die Sparte Schauspiel hat insgesamt 12 neue Produktioen auf ihrer Agenda, darunter Friedrich Schillers „Kabale und Liebe“ (13.03.2015) und „Wie im Himmel“, die erfolgreich verfilmte Geschichte eines schwedischen Chores (am 1.5.2015). Carlos Matos bringt mit seiner Compagnie u.a. mit „Dido und Aeneas“, eine Tanztheaterversion der Oper Henry Purcells auf die Bühne (18.04.2015).
Garantiert aber ist für nahezu jeden Geschmack etwas dabei.

Wolfgang Zimmermann

„Willkommen all ihr Gäste…!“

Der Radebeuler Männerchor „Liederkranz 1844“ lud zum 170jährigen Jubiläum

„Was gleicht wohl auf Erden der Jäger Vergnügen…?“ lautet eine Frage, die der Komponist Carl Maria von Weber in seiner Oper „Der Freischütz“ den deutschen Jägern in den Mund legt. 1821 feierte diese deutscheste aller Opern in Berlin ihre Uraufführung. Und seither gehört der „Jägerchor“ zum festen Liedrepertoire deutscher Männerchöre. Als sich 23 Jahre nach der Uraufführung des „Freischütz“ in Radebeul ein Männerchor gründete, nahm er natürlich jenen Jägerchor in sein Repertoire auf. Und darin ist das Lied bis heute geblieben.
Dieser Tage nun feierte der Chor sein 170-jähriges Bestehen. Dazu lud er am Nachmittag des 6.9. in den Luthersaal der Friedenskirche. Und wie das so ist, selbstverständlich gehörten zum Kreis der Gratulanten auch die befreundeten Radebeuler Chöre. Wie die „Chorgemeinschaft Radebeul-Lindenau 1895 e.V. – mehr als fünzig Jahre jünger als der Jubilar – und der erst 1987 entstandene „Lößnitzchor“. Beide Chöre aber ließen es sich nicht nehmen und gratulierten dem Jubilar auf musikalische Art.
Hans Jürgen Wächtler – dem langjährigen verdienten musikalischen Leiter des Männerchores – war es krankheitsbedingt leider nicht vergönnt, zu diesem großen Ereignis seinen Chor dirigieren zu können. Diese Aufgabe hatte kurzfristig Monika Lorenz übernommen. Zahlreiche gute Wünsche für Hans Jürgen Wächtlers baldige Genesung wurden aber an diesem Abend formuliert und werden ihn sicher auch erreichen. Mit „Willkommen all ihr Gäste“ eröffnete der Jubilar seinen Teil des Konzerts, Robert Schumanns Komposition zum „Minnesänger“, Franz Schuberts „Lebenslust“ und Felix Mendelsohn – Bartholdys „Der frohe Wandersamann“ schlossen sich an. Und es fehlte im Programm auch nicht die Sicht über die Ländergrenzen hinaus. Unter anderem mit dem besinnlich schönen schottischen Volkslied „Mull Of Kintyre“, dass der Beatle Paul McCartney 1977 aus der Versenkung holte und zu einem Welthit machte.8_chorjubilaeum
„Liederkranz 1844 e.V.“ startet nun in das 18. Jahrzehnt seiner Existenz. Und will auch künftig lautstark in der Gemeinschaft der Radebeuler Volkskunstgruppen mitmischen. Die Chormitglieder haben für die Zukunft eigentlich nur einen einzigen Wunsch: zahlreiche neue und vor allem jüngere Mitglieder zu gewinnen.

Wolfgang Zimmermann

Zum Thema “Kunst im öffentlichen Raum“

verein für denkmalpflege und neues bauen

Die Geschichte einer jungen Bronzedame  (1. Teil)

»Kniende«, Bronze

»Kniende«, Bronze

Schon vor fünf  Jahren war sie im Gespräch, die 80cm hohe kniende Bronzefigur, die über 30 Jahre den Park zwischen „Weißem Ross“ und Landesbühnen zierte, die danach aus Sicherheitsgründen in die Versenkung geriet und für die noch immer ein  passender Aufstellungsort gesucht wird.
In der SZ vom 16. August 2014 wurde dieses Vorhaben wieder einmal in die Öffentlichkeit getragen und ich möchte hier erläutern, warum die Aufstellung immer noch nicht möglich war. Dazu muss ich ein paar Jahre zurückgehen.
Anlässlich des 75. Jahrestages der Gründung Radebeuls im Jahre 2010 nahmen sich der „verein für denkmalpflege und neues bauen“ und der „Radebeuler Kunstverein“ vor, sich für die Wiederaufstellung des Wackerbarthsteins und einer schönen kleinen Bronzefigur einzusetzen. Beide Vereine hatten für jedes Projekt etwa 800 Euro zurückgelegt.
Die Wiederaufstellung des Grabsteines für den Raugrafen August Joseph Ludwig Wackerbarth erfolgte am 20. Mai 2010 in feierlicher Form und unter Beteiligung vieler Interessenten auf dem alten Friedhof in Radebeul West. Das zweite Projekt wartet noch immer auf seine Verwirklichung.
Dazu möchte ich verschiedene Gründe anführen.
Am Anfang suchten wir nicht nur einen passenden und sicheren Ort für  eine „Bronze“ im öffentlichen Raum, sondern wir merkten, dass es keinerlei Angaben zur Herkunft, zur Entstehungszeit und zum Künstler gab. Also musste man erst einmal nach Fakten suchen.
Auch die Anfrage des Bürgermeisters, ob die Figur aus jüdischem Besitz stamme, war nicht geklärt.
Aus der Art der Formung und der Gestaltung der Oberfläche unserer Bronzedame konnten wir auf  Künstler in Richtung Kolbe, Albiker oder Wrba schließen, aber Belege dafür gab es nicht. Wir, das waren vor allem Frau Karnatz, die Leiterin des Stadtarchivs, der Kulturamtsleiter Herr Lange und ich. Und wir fragten fast alle in unserer Stadt, von denen wir meinten, dass sie so etwas wissen könnten. Schließlich wandten wir uns im  Dezemberheft von „Vorschau & Rückblick“ 2009 an die Öffentlichkeit. Vielleicht können sich einige Leser noch daran erinnern?
Aber es gab sehr wenige Reaktionen. Herr Tarnowski, der die jüdische Geschichte in Radebeul gut kennt, konnte mir versichern, dass die Figur nicht aus jüdischem Besitz stammt. Frau Inge Bielmeier, die Vorsitzende des Kunstvereins, fand in einer Broschüre vom 17. 2.1959 eine Abbildung der Figur, fotografiert von Herrn Malschewski unter dem Titel „Grünanlagen am Weißen Ross“. Bei der Gestaltung des Parks hatte die kleine Figur also hier bis 1991 einen Aufstellungsort gefunden.
Das konnte mir auch Frau Karnatz bestätigen. Gemeinsam durchforsteten wir alle Ankaufspläne der Stadt, aber ohne Ergebnis. Das war ärgerlich, auch für mich selbst. War ich doch jahrelang fast täglich an der Figur vorbeigelaufen und hatte nie nach dem Künstler gefragt.
Also musste ich mit meinen Erkundungen und mit meinen Gedanken weg von Radebeul gehen.
Kurz vor Weihnachten fiel mir blitzartig ein, nur Hermann Naumann könnte etwas über unsere Figur wissen. Hermann Naumann, der Maler, Grafiker und Plastiker aus Dittersbach; Hermann Naumann, der Kunstsammler, der sich für Land und Leute interessierte, der viele Künstlergeschichten und Schicksale kannte, und der mir schon mehrfach geholfen hatte, auch als es um das Werk des Bildhauers Burkhart Ebe ging.
Ich  schrieb ihm sofort und bekam auf Brief und Bild umgehend eine telefonische Antwort.
OTTO ROST müsste der Verfasser sein. Die Art der Gestaltung und die Bearbeitung der Oberfläche schließen nur auf ihn. Er selbst besäße zwei Plastiken von Otto Rost und er wäre sich bei dieser Ferndiagnose ziemlich sicher. Im übrigen hätte seine Frau noch schneller auf den Bildhauer Otto Rost getippt. Hermann Naumann wusste auch, dass Otto Rost ein Schüler Georg Wrbas war, an der Kunsthochschule in Dresden studiert und ein reiches Werk hinterlassen hatte. Jetzt war der Weg für weitere Informationen frei und die bekamen wir auch ganz schnell und umfassend. Aber dazu schreibe ich im nächsten Heft unter dem Titel „Der kleine große Bildhauer Otto Rost“.

Gudrun Täubert

Erinnerungen an den Wendeherbst. Oktober 1989

Am 2. Oktober forderte die Schüleraufsicht im blauen FDJ-Hemd am Tor zum Schulgrundstück der Erweiterten Oberschule „Juri Gagarin“ auf der Paradiesstraße diejenigen unter den ca. 160 Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 11 und 12, die gegen 7 Uhr motorisiert (SR 50, S50/51, ETZ 150 u.a.) oder mit Fahrrad kamen, dazu auf, abzusteigen und die laut Hausordnung ausgewiesenen Stellplätze schiebend zu erreichen.
Am 4. Oktober war der Sonderverkauf von „Radeberger Export“ im Getränkestützpunkt auf der August-Bebel-Straße anlässlich des 40. Jahrestages der DDR auf 10 Flaschen je Käufer limitiert.
Am 6. Oktober war die neue Ausgabe der Jugendzeitschrift „Neues Leben“ am Zeitungskiosk an der Wilhelm-Pieck-/Ecke Ernst-Thälmann-Straße längst ausverkauft.
Am 9. Oktober unterließen es empfindliche Fahrgäste, die an der Moritzburger Straße den rot-weiß lackierten Tatrawagen der Straßenbahnlinie 5 zustiegen, im morgendlichen Berufsverkehr freie Hartplastsitze in Anspruch zu nehmen, weil diese unangenehm stark beheizt waren.
Am 12. Oktober hatte die Fleischerei Hartmann auf der Maxim-Gorki-Straße wie jeden Donnerstag eine recht große Auswahl an Fleisch und Wurst, weshalb ein paar Schüler der nahe gelegenen Polytechnischen Oberschule „Otto Buchwitz“ (POSOB) nach Unterrichtsschluss gegen 14 Uhr sich für ihre arbeitenden Mütter anstellten, damit diese bei Ladenöffnung um 15 Uhr eine gute Position in der lang gewordenen Schlange hatten.
Am 14. Oktober war, wie an den meisten Sonnabenden, beachtlicher Andrang an der Tankstelle am Gradsteg, wo man für 1,60M je Liter Gemischtbenzin (1:33 oder 1:50) seinen Trabant oder Wartburg betankte.
Am 16. Oktober wurden, wie an jedem Montag, an allen Radebeuler Schulen durch die entsprechenden Verantwortlichen jeder Klasse das Essen- (0,55 M/je Essen) und Milchgeld (z.B. 0,30 M/Flasche Kakao) für die kommende Woche bei den Schulsekretärinnen abgerechnet und gleichzeitig durch die Sekretärinnen die papiernen Essens- und Milchmarken zur Weitergabe an die Schüler ausgegeben.
Am 21.Oktober umfasste die von Zustellern der Deutschen Post in das Postschließfach 715-05 der Postschließfachanlage auf der Goethestraße eingeworfene Wochenendausgabe der Tageszeitung „DIE UNION“ 10 Seiten.
Am 22. Oktober erreichte die Temperatur außergewöhnlich warme 25 Grad, weshalb auf den Wäschetrocknungsplätzen im Neubaugebiet Weststraße bereits gegen 9 Uhr sämtliche Leinen besetzt waren.

Am 27. Oktober führte die BHG auf der Heinrich-Zille-Straße keinen Portland-Zement, weil dieser bereits ab Eisenbahnwaggon auf der Güterhofstraße an kaufinteressierte Bürgerinnen und Bürger abgegeben wurde.
Am 30. Oktober wäre es für einen Angestellten des VEB „Kaffee und Tee“ auf der Wilhelm-Pieck-Straße möglich gewesen, während der Arbeitszeit einmal „kurz außer Haus“ zu sein, um im Schallplattengeschäft auf der Sidonienstraße eine unter dem Ladentisch zurückgelegte AMIGA-Lizenzschallplatte von Neil Youngs legendärer „Harvest“ für 16,10 M zu erwerben.
—————————–
Das war im Oktober 1989, der das Land, in dem wir lebten, veränderte. Ausnahmsweise lebten die allermeisten Menschen damals zwei Leben: Ein politisches und ein privates. Heute ist das (leider) wieder anders, wie man an der Beteiligung an Wahlen sehen kann. Über das politische (Er-)Leben des Herbstes 89 wollte ich hier nicht schreiben, denn es gibt genug Historiker, die sich damit befassen. Ich erinnere mich lieber daran, in welcher Situation ich mich im Herbst 1989 befunden hatte. Und welche Wendung mein privates Leben durch die politischen Ereignisse dann nahm. Das ist zwar nicht wissenschaftlich, sondern subjektiv, aber es ist und bleibt meine Erinnerung. „Manchmal leuchtet die Erinnerung. Manchmal ist sie bleierne Nacht. Es muß einer sehr alt werden, bis auch die bleierne Nacht leuchtet.“ (Elias Canetti).
Ich wünschte, dass möglichst vieler Menschen Erinnerung an diese besondere Zeit leuchtet.
Bertram Kazmirowski

73 Künstler zeigen „Das alte und das neue Radebeul“

als Bild, Collage, Zeichnung, Fotografie, Plastik, Objekt, Film, Ton, Text, Dokument

Max Brösel »Sängerfest«, o.J. Farbandruck für Kunstpostkarte

Max Brösel »Sängerfest«, o.J. Farbandruck für Kunstpostkarte

Die Galeriebesucher standen bereits ungeduldig vor der Tür, noch bevor sich diese am ersten Ausstellungssonntag öffnete. Seitdem reist der Besucherstrom nicht ab. Prof. Jürgen Schieferdecker schrieb ins Gästebuch: „Die schöne abwechslungsreiche Ausstellung vom frühen Karl Kröner bis zu den neuesten Talenten war eine freudige Überraschung. Sie zeigt mit viel Heiterkeit die Liebe der Künstler zu ihrer Stadt.“

Christian URI Weber. »Un-Friedensburg«, 2014, Lack auf Preßspan

Christian URI Weber. »Un-Friedensburg«, 2014, Lack auf Preßspan

Thematische Ausstellungen haben in der städtischen Galerie Tradition und erreichen immer wieder ein aufgeschlossenes Publikum. Das diesjährige Motto des Intermedialen Kunstprojektes „Das alte und das neue Radebeul“ nimmt Bezug auf eine gleichnamige Ausstellung, mit der die damalige „Kleine Galerie“ auf der Ernst-Thälmann-Straße 20 (heute Hauptstraße) in Radebeul-Ost am 16. Dezember 1982 eröffnet wurde. Rezensionen über diese Ausstellung liegen leider nicht vor. Bekannt sind lediglich die Namen der elf Radebeuler Künstler, welche daran mitgewirkt haben. Es ist zu vermuten, dass die gezeigten Werke zwar künstlerisch anspruchsvoll, aber politisch recht unverfänglich waren. Gesellschaftskritische Themen gewannen in der Städtischen Galerie erst ab Mitte der 1980er Jahre an Bedeutung. Mehr als zweideutig gemeint war u.a. die Ausstellung „Altkötzschenbroda im Abriß?“ (1990). Zu jener Zeit konnte sich kaum jemand vorstellen, dass sich der verfallene Dorfkern von Altkötzschenbroda einmal zur Radebeuler Flaniermeile mausern würde. Die einsetzende Neuorientierung und Sinnsuche der Nachwendezeit spiegelte sich auch in Ausstellungen wie „Hingerichtet–ist der Blick auf die Jugend“ (1993).

Markus Retzlaff »Altkötzschenbroda im Winter«, 2014, Farbradierung

Markus Retzlaff »Altkötzschenbroda im Winter«, 2014, Farbradierung

Mit Wiedereröffnung der Galerie am Standort in Altkötzschenbroda erfolgte 1997 zunächst unter dem Motto „Radebeuler Künstler–Heute“ eine Art Bestandsaufnahme der ortsansässigen Künstlerschaft, die im fünfjährigen Rhythmus als Ausstellungsreihe ihre Fortsetzung fand. Neu hinzu kamen ab 1998 die Intermedialen Kunstprojekte, bei denen sich die Künstler mit so launigen Themen wie „Radebeul-total global?“ (2002), „Alle Macht den Musen“ (2003), „Konsuuum, Konsuuum“ (2005), „ArbeitsWelten“ (2008) oder „Rad, Rad, Radebeul“ (2013) auseinandersetzten.

Michael Hofmann »Radebeul, die Schöne-gestern, heute, morgen«, 2014, Holzstock

Michael Hofmann »Radebeul, die Schöne-gestern, heute, morgen«, 2014, Holzstock

Künstler sind wie Seismographen, sie spüren sensibelste Schwingungen und verfügen über die notwendigen Mittel, um diese auf unterschiedliche künstlerische Weise sichtbar zu machen. In der aktuellen Ausstellung „Das alte und das neue Radebeul“ sind Werke von über 70 lebenden als auch bereits verstorbenen Künstlern zu sehen, die sich nicht nur den bekannten Sehenswürdigkeiten unserer Lößnitzstadt zugewendet haben. Sie zeigen die Stadt als ein komplexes Gebilde im beständigen Wandel. Die romantisierte Idylle des Malers Max Brösel (1871-1947) steht im Kontrast zur Wahrnehmung des gegenwärtigen Umfeldes durch die im Heute wirkenden Künstlerschaft. Dabei scheint manche Entwicklung recht widersprüchlich, was allerdings gerade bei dieser Art von Ausstellung den besonderen Reiz ausmacht: Die einstige Poststation und spätere Gaststätte „Weißes Roß“ wurde zum Spielcasino, das Kolonialwarengeschäft Pönitz zum Handyshop, der Dorfgasthof Serkowitz zum Lügenmuseum, die Ausflugsgaststätte Friedensburg zur Un-Friedensburg. Aus Ackerland wurde Parkland. Der Bahnhof in Radebeul-Ost verwandelte sich in einen Kultur-Bahnhof. Das Bahnhofsgebäude in Radebeul-West ist verschlossen. Mein Heim ist meine Burg – my home is my castle. Radebeul total global. Das Landesbühnenorchester ist verstummt. Alles in einen Topf und Deckel drauf. Die Puppentheatersammlung im Hohen Haus und das Unionkino leben nur noch in der Erinnerung. Alte Villen erstrahlen in neuem Glanz. Ein bayrischer Kampfhund hat sich in Stellung gebracht. Die einheimischen Hühner blicken erschrocken. Das Dichterviertel wird dicht bebaut. Junge Familien zieht es nach Radebeul. Der AWD-Schornstein wird gesprengt. Und der 83-jährige Radebeuler Maler und Grafiker Claus Weidensdorfer schreibt ein wenig lakonisch unter seine Tuschezeichnung „Radebeul deindustrialisiert sich, aber das Bilz-Bad bleibt.“

Die Ausstellung überspringt Medien, Zeit und Raum. Sie setzt das alte, das neue und das ewige Radebeul in Beziehung zu Mensch, Landschaft, Architektur, Licht, Farbe, Wetter, Geräusch, Rhythmus, Seele, Geist und vielem mehr. Die „Webcam Radebeul“ behält alles im Blick. Dazu zwitschern Vögel und die Züge rauschen durchs Tal. Wie oben, so unten – wie unten, so oben. Wie innen, so außen – wie außen, so innen. Wie im Großen, so im Kleinen – wie im Kleinen, so im Großen. Reich ist der, der diesen Reichtum an Vielfalt empfinden kann.

Die Ausstellung zeigt Vergangenes und Gegenwärtiges, weckt Freude und Wehmut zugleich. Sie bietet reichlich Stoff für Diskussion und soll neugierig machen auf die nächsten Projekte der Städtischen Galerie. Zur Vernissage, Midissage, Finissage, Lesung und Sonderführung sind interessierte Kunstfreunde herzlich eingeladen.

Karin (Gerhardt) Baum
Zu sehen sind Werke von: Dieter Beirich, Max Brösel, Sophie Cau, Brian Curling, Friederike Curling-Aust, Heinz Drache, Lieselotte Finke-Poser, Karl Friedrich, Thomas Gerlach, Karen Graf, Peter Graf, Roland Gräfe, Thilo Hänsel, Sebastian Hennig, Christiane Herrmann, Gunter Herrmann, Horst Hille, Erhard Hippold, Gussy Hippold, Michael Hofmann, Matthias Kratschmer, Karl Kröner, Ingo Kuczera, Dorothee Kuhbandner, Anna Kuntsche, Bärbel Kuntsche, Wolf-Eike Kuntsche, Dietmar Kunze, Edgar Kupfer, Christiane Latendorf, Christoph Leonhardt, Klaus Liebscher, Jörg Mai, Ruth Meier, Johanna Mittag, Hans Mroczinski, Hans-Jochen Müller, Peter PIT Müller, Tine Neubert, Alfred Noether, Susan Paufler, Gerd-Rüdiger Perschnick, Anne-Katrin Pinkert, Pseudo, Gabriele Reinemer, Markus Retzlaff, Wieland Richter, Georg Richter-Lößnitz, Gerald Risch, Luc Saalfeld, Burkhard Schade, Gabriele Schindler, Günter Schmitz, Annerose Schulze, Fritz Peter Schulze, Gerold Schwenke, Gabriele Seitz, Karola Smy, Wolfgang Smy, Karl Sinkwitz, Ju Sobing, SODA, Johannes Thaut, André Uhlig, Unbekannt, Christian URI Weber, Claus Weidensdorfer, Irene Wieland, Paul Wilhelm, Renate Winkler, Ute Wittig, Werner Wittig, Reinhard Zabkka

Vom 7. September bis 19. Oktober 2014 in der Stadtgalerie

Editorial – Oktober 2014

Angeregt durch den Leserbrief im vergangenen Heft von Herrn Götz aus München,
möchte ich einfach mal meine Erinnerung an die Hoflößnitz kund tun.
Von 1987 -1991 arbeitete ich als Museumsassistentin in dieser Einrichtung. Die Hoflößnitz war Wirkungsbereich für fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und drei bis vier Restauratoren. Schon damals gehörte sie größtenteils der Stadt Radebeul. Unter der organisatorischen Leitung von Ute Dahms wurden nach und nach die Restaurierung der Malereien auf den Holztäfelungen und die Sanierung des Gebäudes vorangebracht – und das zu DDR-Zeiten! Ingrid Zeidler als wissenschaftliche Leiterin und ich gestalteten jedes Jahr zwei Ausstellungen. Vielleicht erinnern Sie sich an die Korbmacherausstellung, die Leben und Handwerk der zahlreichen Korbmacher Radebeuls zeigte, an die Ausstellung über Sarrasani, an eine mit alten Postkarten von Radebeul und Umgebung, aber auch an Expositionen zum ökologischen Anbau im Garten oder zum Lebenselixier Wasser, die 1988/89 in gewissen Kreisen für Aufregung sorgten. Immer waren die Eröffnungen unter den Kastanien etwas Besonderes für Radebeul.
Parallel arbeitete Ingrid Zeidler am Aufbau einer Ausstellung zum Weinbau, die dann auch als eine moderne, den neuen didaktischen Anforderungen voll gerecht werdende Dauerausstellung die Räume ausfüllte, die frisch restauriert, einen schönen Rahmen bildeten.
Nicht zu vergessen sind auch die Konzerte, die es ja bis heute gibt. Alles zusammen trug dazu bei, dass diese Kultureinrichtung den Namen verdiente.
Verwunderlich finde ich dann heute schon, dass sowohl auf der Homepage als auch in der neuen Ausstellung „ 850 Jahre Weinbau“ so getan wird, als ob es diese aktive Zeit nie gegeben hätte und erst in den letzten Jahren die Hoflößnitz, besonders das Haupthaus,
wie“Phönix aus der Asche“ gestiegen wäre.

Ilona Rau

Zum Titelbild Oktober 2014

Im Monat Oktober dreht sich in unserer  Wein- und Gartenstadt natürlich vieles um  das Thema Wein. Die Trauben sind reif, der  erste Federweißer aus hiesigen Anbaugebieten kann verkostet werden. Auch die Schöpferin unseres Titelbildes, Lieselotte Finke-Poser, lebt nicht völlig abstinent. In geselliger Runde darf es schon mal ein Gläschen  Sekt oder lieblicher Wein sein. Aber alles in  Maßen! Wenngleich ihr manche Lößnitzweine ein wenig zu »grande« scheinen, wird sie  als Künstlerin nicht müde, diese werbend zu  preisen. So gestaltete sie bereits zwei Weinetiketten und eine Weinfestmedaille. Aus  derKunstmappe »FliegendeBlätterzumWeinfest« stammt unser Titelbildmotiv. Weil immer  wieder, wenn es um den Wein geht, der  Bacchus oder »Naggsche« dargestellt werden,  dachte sie sich: da machste mal was ganz  andres. Als Anregung diente ihr die Fabel »Der  Fuchs und die Trauben«, die sie recht unterschiedlich interpretiert. Mal streckt sich der  Fuchs vergeblich nach den prallen Trauben,  mal nutzt er mit seinem Diebesgut den Radweg als Fluchtweg, mal ist er völlig betrunken. Unsere Titelbild-Geschichte lässt sich so  oder ähnlich erzählen: Was macht es dem Fuchs schon aus, dass die Trauben für ihn zu hoch hängen, wenn er stattdessen eine ganze Flasche Wein ergattern kann?! In seiner  Gier wird er diese wohl allein ausgetrunken haben. Die Wirkung ist fatal. Stark angeheitert hat er nicht einmal bemerkt, dass ihm der letze Schluck aus der umgefallenen Flasche rinnt. Doch Fuchs bleibt Fuchs! Sobald er wieder nüchtern ist, lauert er der nächsten  (naggschen?) Henne auf, um diese genüsslich mit einem Müller-Thurgau zu vernaschen.  Wohl bekomms!
Karin (Gerhardt) Baum

Kleine Glosse

Stand Radebeul im Mittelpunkt eines bayrisch-sächsischen Tauschgeschäfts?

Nein, wohl eher nicht, aber so ähnlich fing es schon an. Es war nicht alltäglich, als ein Investor aus Nürnberg, der in Radebeul ein Grundstück mit einer Villa von Architekt Oskar Menzel besitzt, im Bauamt die Frage stellte, ob er in seinem großen Grundstück ein Doppel-Carport, bestehend aus elf reich verzierten Gussstützen mit
passendem Glasdach, errichten dürfe. Die Denkmalschutzbehörde hatte nach kurzem Nachdenken dann keine Einwände Mehr »

Leserzuschrift: Die Hoflößnitz – ein Schatz Radebeuls – oder?

Vorschau und Rückblick – der Titel dieses Monatshefts sollte nicht nur gestandene Radebeuler zum wachsamen Betrachten der Vorgänge in ihrer Stadt anregen. Einem regelmäßigen Besucher Radebeuls mag dies auch einmal gestattet sein, vor allem wenn dieser seit mehr als dreieinhalb Jahrzehnten hier befreundete Familien aufsucht und sich dadurch mit der Gegend längst auch innerlich verbunden fühlt. Mehr »

„Lauter August – Stiller Herzog“ und umgekehrt

Dresdner Mimenbühne und „August – das Starke Theater Dresden“ fusionieren in Pieschen

„Unsere Entscheidung ist insgesamt zwar bedauerlich aber nichtsdestotrotz unbedingt notwendig!“ sagte der Dresdner Pantomime Ralf Herzog eingangs der Pressekonferenz am Vormittag des 7. August 2014 im Pieschener Rathaus auf der Bürgerstraße. Damit verwies er auf die aktuellen Mietforderungen des neuen Betreibers der Spielstätte auf der Maternistraße, wo bisher Mimenbühne und Mimenstudio unter einem Dach mit dem Theater Wechselbad nicht nur kooperierten, sondern vor allem harmonisierten. Mehr »

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