Offener Brief des Radebeuler Kultur e.V.

Werte Leserinnen und Leser,

der Vorstand des Radebeuler Monatsheftes e.V. hat sich entschlossen, der Bitte des Radebeuler Kultur e.V. nachzukommen und dessen Offenen Brief in Sachen Serkowitzer Gasthof an den Oberbürgermeister Bert Wendsche und die Radebeuler Stadträte in unserem Monatsheft „Vorschau & Rückblick“ zu veröffentlichen.

Wir glauben, dass es sich bei dem ehemaligen Gasthof und dem Lügenmuseum um zwei für die Stadtgesellschaft bedeutende kulturelle Träger handelt, deren Zukunft uns nicht gleichgültig sein kann. Deshalb wollen wir mit zu einer möglichst allseitigen Information beitragen und die Suche nach einer vernünftigen Lösung für den Erhalt des Serkowitzer Gasthofes und den Verbleib des Lügenmuseums in Radebeul unterstützen.

Der Offene Brief wird mitgetragen von über 90 Erstunterzeichnern aus Politik, Kultur, Kunst und der Bürgergesellschaft von Radebeul und weiteren Orten der Bundesrepublik. Wer das Anliegen des Briefes unterstützen will, wende sich bitte an den Radebeuler Kultur e.V. Gern nimmt auch die Redaktion Zuschriften in dieser Angelegenheit entgegen.

Der Vorstand

Hinweise
Der Offene Brief kann beim Radebeuler Kultur e.V. unterzeichnet werden. Rückfragen sind ebenfalls an den Verein zu richten. Kontakt: Radebeuler Kultur e.V., 01445 Radebeul, Meißner Straße 21, info@radebeuler-kultur.de, www.radebeuler-kultur.de.
Informationen zum Lügenmuseum sind unter www.luegenmuseum.de, info@luegenmuseum.de, Tel.: 0176/99 02 56 52 erhältlich.


An den
Oberbürgermeister
Bert Wendsche
und
die Mitglieder des Stadtrates Radebeul

 

Offener Brief des Radebeuler Kultur e.V.zur Situation des ehemaligen „Gasthof Serkowitz“ und des Lügenmuseums

Der unter Denkmalschutz stehende ehemalige „Gasthof Serkowitz“ in Radebeul fand bereits im Jahr 1337 eine erste urkundliche Erwähnung. Gut erhalten sind der Ballsaal sowie zwei Sgraffiti des Dresdner Künstlers Hermann Glöckner (1889–1987). Nach einer Zeit des Leerstandes erwarb die Stadt Radebeul das Gebäude im Jahr 2007 für 10.000 Euro aus einer Zwangsversteigerung und stellte dessen Räume 2012 dem Lügenmuseum zur Verfügung. Ein dauerhafter Erwerb oder gar eine Sanierung war nicht geplant.
Heute ist die Situation in der Stadt aber eine andere. Mit dem Lügenmuseum hat Radebeul eine kulturelle Attraktion erhalten, welche europaweit ausstrahlt. Es wird sowohl von Besuchern aus der Lößnitzstadt, als auch aus der näheren und ferneren Umgebung gern aufgesucht und gehört mit seinen verlässlichen Öffnungszeiten an den Wochenenden und während der Schulferien zu den bevorzugtesten Zielen in Radebeul, vor allem auch von jungen Familien. Die Homepage gibt Einblick in die vielfältigen Aktivitäten des Lügenmuseums und seiner Akteure. Für Touristen ist das Lügenmuseum ein bevorzugter Anziehungspunkt, wie aus Umfragen hervorgeht.

Das Lügenmuseum wurde und wird maßgeblich durch den Künstler Reinhard Zabka geprägt. Sein Frühwerk wurzelt in der einstigen DDR-Dissidentenszene. Nach dem gesellschaftlichen Umbruch fand Zabka auch internationale Anerkennung. So war er im Jahr 1990 mit der Installation „Labyrinth der Erinnerung“ auf der Biennale in Venedig vertreten.

Der kontakt- und experimentierfreudige Künstler zeigt seine Werke seit 1990 in einem eigens dafür geschaffenen Museum. Dessen Aufnahme in den Museumsverband Brandenburg erfolgte 1995. Der große Zuspruch erforderte eine räumliche Erweiterung. Ein ehemaliges Gutshaus in Gantikow wurde ab 1997 für das Lügenmuseum zum neuen Domizil. Im Jahr 2000 erkannte der brandenburgische Landesverband LAG-Soziokultur das Lügenmuseum als soziokulturelles Zentrum an. Um den Fortbestand des Museums auf eine breitere Basis zu stellen, wurde im Jahr 2008 der Verein „Kunst der Lüge“ gegründet. Die Schließung des Lügenmuseums und der Weggang des Künstlers Reinhard Zabka aus Gantikow wurden sehr bedauert.
Mit Reinhard Zabka ist ein international anerkannter Künstler nach Radebeul gekommen, dessen Kunstmuseum auf unterhaltsame Weise Gegenstände mit geschichtlichem Bezug oder des Alltags in neue Zusammenhänge stellt. Kinetische Objekte, Licht- und Klanginstallationen erfreuen aufgeschlossene Besucher jeden Alters und bringen sie zum Innehalten, Staunen, Nachdenken oder Träumen.

Von seinem Basislager „Lügenmuseum“ aus zieht er in die Welt und kehrt mit neuen Kontakten, Erkenntnissen und Inspirationen nach Deutschland zurück. Im Ergebnis entstehen dort wie hier intermediale Gemeinschaftsprojekte, wie zum Beispiel in Radebeul das alljährliche Labyrinth auf den Elbwiesen. Erwähnenswert ist auch das Engagement zum 700-jährigen Ortsjubiläum von Serkowitz oder zum kulturellen Neustart unter Pandemiebedingungen.

Die Förderung seiner Projekte durch renommierte Einrichtungen wie die der Kulturstiftung des Bundes sind ein Beleg für die hohe Wertschätzung, welche dem Schaffen von Reinhard Zabka entgegengebracht wird. Für sein Wirken als Objektkünstler und Kunstinitiator wurde Reinhard Zabka im Jahr 2016 der Radebeuler Kunstpreis verliehen. Im Jahr 2021 erfolgte die Aufnahme des Lügenmuseums in den Sächsischen Landesverband Soziokultur.

Die glückliche Symbiose zwischen einem kulturhistorisch bedeutsamen Baukörper und einem kreativ-schöpferischen Ort mit bundesweiter Ausstrahlung ist ein großer Gewinn für Radebeul. Mit dem Verkauf des Objektes würde diese Symbiose nicht nur zerstört, sondern der überregional anerkannte Künstler und Kunstpreisträger Reinhard Zabka regelrecht aus Radebeul vertrieben. Die historischen Räume wären dann in ihrer Ursprünglichkeit nicht mehr erlebbar, zumal der attraktive Ballsaal mit Bühne die einzige größere Räumlichkeit dieser Art ist, die sich noch im städtischen Besitz befindet.

Die Unterzeichner appellieren eindringlich an die Verantwortungsträger der Stadt, gemeinsam mit den unmittelbar Beteiligten und maßgeblichen Vertretern der kulturellen Szene nach einer einvernehmlichen Lösung zu suchen, mit dem Ziel, das historische Gebäude einschließlich Saal zu erhalten und dem Lügenmuseum eine dauerhafte Existenz in Radebeul zu ermöglichen. Die Potenziale des zwischen Elbradweg und Schmalspurbahn gelegenen Lügenmuseums sollten sinnvoll mit denen des Karl-May-Museums, des Weinbaumuseums und der Stadtgalerie verknüpft werden.

Wir bitten alle Bürger, durch ihre Unterschrift diesen „Offenen Brief“ und damit unser Anliegen zu unterstützen.

Günter Baby Sommer – Vorsitzender
Nora Sandner – Stellv. Vorsitzende
Katharina Sommer – Stellv. Vorsitzende

Anja Wenzel – Kassenwart
Björn Reinemer – Geschäftsführer

Radebeul, den 29. März 2022


Erstunterzeichner

 

Offener Brief des Radebeuler Kultur e.V.
zur Situation des ehemaligen „Gasthof Serkowitz“ und des Lügenmuseums

Prof. Ralf Kerbach, Maler, Grafiker, Mitglied der Sächsischen Akademie der Künste – Prof. Dr. phil. (i. R.) Gerd Koch, Berlin – Peter Graf, Maler, Träger Radebeuler Kunstpreis, Radebeul – Jens Kuhbandner, Verleger, Träger Radebeuler Kunstpreis, Radebeul – Thomas Gerlach, Schriftsteller, Träger Radebeuler Kunstpreis, Radebeul – Prof. (em.) Detlef Reinemer, Bildhauer, Träger Radebeuler Kunstpreis, Radebeul – Uwe Wittig, Radebeuler Stadtrat, Radebeul – Uwe Proksch, Geschäftsführer Kulturfabrik Hoyerswerda – Karin Baum, Dipl. Kunstpädagogin, Kulturaktivistin i. D., Stadtgaleristin a. D., Radebeul – Prof. (em.) Annerose Schulze, Künstlerin, Radebeul – Fritz Peter Schulze, Bildhauer, Radebeul – Prof. Bernd Guhr, Theaterwissenschaftler, Dozent, Schauspielpädagoge, Leipzig – Dr. Sandra Wirth, Politikwissenschaftlerin, Vizepräsidentin des Bundes Deutscher Amateurtheater, Präsidiumsmitglied des Deutschen Musikrates, Leipzig – Gabriele Reinemer, Dipl. Bildhauerin, Radebeul – Dr. Tobias J. Knoblich, Dezernent für Kultur und Stadtentwicklung der Landeshauptstadt Erfurt, Präsident der Kulturpolitischen Gesellschaft e. V., Mitglied im Kulturausschuss des Deutschen Städtetags (Erfurt) – Wolf-Dieter Gööck, Sänger, Schauspieler, Regisseur, Radebeul – Torsten Tannenberg, Geschäftsführer des Sächsischen Musikrates e. V., Dresden – Barbara Plänitz, Dipl. Sozialpädagogin, Radebeul – Ilona Rau, Vorsitzende „Vorschau und Rückblick“, Coswig – Dr. Bertram Kazmirowski, Lehrer, Vorstandsmitglied „Vorschau & Rückblick“, Dresden – Sascha Graedtke M.A., Chefredakteur „Vorschau und Rückblick“, Radebeul – Sigrid Herrmann, Kosmetikerin, Radebeul – Andreas Herrmann, Techniker, Radebeul – Dirk Strobel, Dramaturg, Regisseur, Theaterpädagoge, Dresden – Karen Graf, Malerin, Radebeul – Karola Smy, Malerin, Grafikerin, Kreischa – Wolfgang Smy, Maler, Grafiker, Kreischa – Matthias Kratschmer, Industriedesigner, Radebeul – Karl Uwe Baum, Präsidiumsmitglied des BDAT, Radebeul – Irene Wieland, Freischaffende Künstlerin Grafik und Skulptur, Radebeul – Larsen Sechert, Theaterwissenschaftler, Regisseur, Clown, Leipzig – Thomas Teubert, Inhaber Weinkeller Am Goldenen Wagen, Radebeul – Petra Schade, Malerin, Grafikerin, Fotografin, Radeburg – Burkhard Schade, Fotograf, Radeburg – Roland Friedel, Schauspieler, Rundfunksprecher a. D., Leipzig – Gudrun Postl, Kosmetikerin, Radebeul – Klaus Liebscher, Maler, Restaurator, Radebeul – Antje Herrmann, Kommunikationsdesignerin, Dresden-Cossebaude – Maxi Baum, Erzieherin, Dresden – Gisela Streufert, Lektorin, Radebeul – Ute Hartwig-Schulz, Bildhauerin, Künstlergut Prösitz, Grimma, OT Prösitz – Michael Linke, Regisseur, Schauspieler, Musiker, Bautzen – Tim Schreiber, Pantomime, Dresden – Jan Oelker, Fotograf, Radebeul – Iduna Böhning-Riedel, Geschäftsführerin Kunsthaus Raskolnikow e. V., Dresden – Dorothee Kuhbandner, Malerin, Grafikerin, Inhaberin Galerie mit Weitblick, Radebeul – Sylvia Fenk, Bühnen- und Kostümbildnerin, Meißen – Christina Koenig, Dipl. Kommunikationswirtin, Autorin, Keramikerin, Meißen – Manuel Frolik, Künstler, Dresden – Kornelia Lindner, Buchbindermeisterin, Radebeul – Johannes Lindner, Dipl.- Restaurator, Radebeul – Bettina Zimmermann, Freischaffende Künstlerin Malerei, Zeichnung, Objekte, Klipphausen – Michael Heuser, Schauspieler, Radebeul – Michaela Mayer, Sachkundige Bürgerin, Fraktion „Bürger für Meißen“/SPD, Meißen – Birgit Freund, Vorsitzende Fremdenverkehrsverein Radebeul e. V. – Michael Freund, Bürger, Radebeul – Sophie Cau, Malerin, Radebeul – A. Leliveld, Unternehmer, Radebeul – Katrin Leliveld, Unternehmerin, Radebeul – Gisbert Uthoff, Angestellter, Radebeul – Ulrike Kunze, Bühnen- und Kostümbildnerin, Radebeul – Lydia Hempel, Geschäftsführerin Landesverband Bildende Kunst Sachsen e.V., Dresden – Stefan Voigt, Künstler, Radebeul – Gudrun Brückel, Künstlerin, Dresden – Christiane Latendorf, Dipl. Malerin Grafikerin, Dresden – Cornelia Konheiser, Künstlerin Malerei, Grafik, Radebeul – Michael Lange, Fotograf, Quohren – Bärbel Voigt, Malerin, Grafikerin, Radebeul – Gabriele Seitz, Fotografin, Radebeul – Klaus Brendler, Dipl.-Pädagoge, Vorsitzender des Vereins Dresdner Geschichtsmarkt, Dresden – Gudrun Trendafilov, Künstlerin, Dresden – Christine Fuchs, Bürgerin, Radebeul – Maja Nagel, Filmemacherin, Malerin, Grafikerin, Nossen/Eula – Biliana Vardjieva-Winkler, Künstlerin, Dresden – Daniel Bahrmann, Fotograf, Meißen – Karen Roßki, Malerin, Dresden – Birgit Schaffer, Ingenieurin, Dresden – Marion Arnold, Laborantin, Käbschütztal, OT Canitz – Uwe Arnold, Informatiker, Käbschütztal, OT Canitz – Gerald Leuschner, Werkschutzkraft, Moritzburg, OT Friedewald – Regine Wollmerstädt, Bürgerin, Radebeul – Bodo Pietsch, Forstingenieur, Jäger, Radebeul – Heidi Pietsch, Dipl. Ingenieurin Arbeitswissenschaft, Radebeul – Christian Martins, Verkäufer, Radebeul – Margret Plänitz, Schneiderin, Radebeul – Stefan Hoth, Teamleiter, Radebeul – Carmen Grüdl, Angestellte, Radebeul – Phillip Grüdl, Angestellter, Radebeul – Christian Plänitz, Rentner, Radebeul – Sandra von Holn, Regisseurin, Schauspielerin, Sängerin, Leipzig – Ingrid Fiedler, Verwaltungsangestellte, Radebeul – Dieter Hoffmann, Klempner, Radebeul – Regina Richter, Rentnerin, Radebeul – Rainer Richter, Restaurator, Radebeul – Annett Müller, Verkäuferin, Radebeul – Daniel Nicolaus, Dipl. Sänger, Radebeul – Bettina Löschner, Teilkonstrukteurin, Radebeul – Dr. Klaus Löschner, Architekt, Radebeul – Frank Andert, Museumsleiter, Radebeul.

In eigener Sache

Werte Leserinnen und Leser,

der Vorstand des Radebeuler Monatsheftes e.V. hat sich entschlossen, der Bitte des Radebeuler Kultur e.V. nachzukommen und dessen Offenen Brief in Sachen Serkowitzer Gasthof an den Oberbürgermeister Bert Wendsche und die Radebeuler Stadträte in unserem Monatsheft „Vorschau & Rückblick“ zu veröffentlichen.

Wir glauben, dass es sich bei dem ehemaligen Gasthof und dem Lügenmuseum um zwei für die Stadtgesellschaft bedeutende kulturelle Träger handelt, deren Zukunft uns nicht gleichgültig sein kann. Deshalb wollen wir mit zu einer möglichst allseitigen Information beitragen und die Suche nach einer vernünftigen Lösung für den Erhalt des Serkowitzer Gasthofes und den Verbleib des Lügenmuseums in Radebeul unterstützen.

Der Offene Brief wird mitgetragen von über 90 Erstunterzeichnern aus Politik, Kultur, Kunst und der Bürgergesellschaft von Radebeul und weiteren Orten der Bundesrepublik. Wer das Anliegen des Briefes unterstützen will, wende sich bitte an den Radebeuler Kultur e.V. Gern nimmt auch die Redaktion Zuschriften in dieser Angelegenheit entgegen.

Der Vorstand

Hinweise
Der Offene Brief kann beim Radebeuler Kultur e.V. unterzeichnet werden. Rückfragen sind ebenfalls an den Verein zu richten. Kontakt: Radebeuler Kultur e.V., 01445 Radebeul, Meißner Straße 21, info@radebeuler-kultur.de, www.radebeuler-kultur.de.
Informationen zum Lügenmuseum sind unter www.luegenmuseum.de, info@luegenmuseum.de, Tel.: 0176/99 02 56 52 erhältlich.

5. Bauherrenpreiswanderung

Radebeul Ost – „südlich der Meißner Straße“

Das fünfte Mal ist ja schon fast wie ein kleines Jubiläum, oder? Zumindest können wir uns freuen, dass die Serie der Bauherrenpreiswanderungen nicht wie vieles andere durch Corona unterbrochen wurde.

Zuerst ein kleiner Rückblick auf unsere vierte Wanderung am 8. Oktober 2021. Es trafen sich reichlich dreißig Interessierte am Restaurant Gaumenkitzel in Zitzschewig auf der Coswiger Straße 23. Schön auch für die Gaststätte „Gaumenkitzel“, dass danach von einigen noch die Gelegenheit wahrgenommen wurde, dort essen zu gehen. Die Familie Dr. Kastler hat mit der Sanierung dieses Fachwerkhauses zum einen ein Schmuckstück an der Straße durch das alte Zitzschewig geschaffen, aber damit auch die hoffentlich bleibende Möglichkeit, dieses bei einer Einkehr, bei Speis und Trank mit Freude auch von innen zu erleben. Den Preis erhielt das Gebäude 2008 und es verkörpert in seiner Erlebbarkeit ein Idealbeispiel, traditionelle dörflicher Architektur zu bewahren und eine hochwertige zeitgemäße Nutzung zu ermöglichen. Leider ist davon an der Durchfahrtsstraße durch Zitzschewig schon manches verloren gegangen. Zu hoffen ist nur, dass zukünftige Bauherren sich mit dem baulichen Charakter des Dorfes mehr identifizieren und durch ihre Vorhaben ein Stück dieses Charmes wieder hervorzaubern.

Nun galt es diesmal im Oktober beim Wandern nicht gar zu sehr zu bummeln, da sich für 19 Uhr schon die Dunkelheit angekündigt hatte. Nächstes Ziel, ein paar Schritte weiter, war der Bauerngarten der Familie Schumann auf dem Dorfplatz Altzitzschewig.

Bauerngarten der Familie Schumann in Altzitzschewig
Foto: Archiv – verein für denkmalpflege und neues bauen

Dieser hatte 2003 einen Sonderpreis erhalten Der Garten befindet sich gegenüber dem prämierten Zustand wegen Buchsbaumzünsler etc. gerade etwas in der Umgestaltung. Mit viel Engagement redete sich Frau Schumann, von der wir empfangen wurden, in die Herzen vor allem der Hobbygärtner. Sicher wäre es auch nicht langweilig geworden, wären wir hier geblieben und hätten mit mehr Zeit den liebevollen Details der in herbstlicher Abendsonne am Platz liegenden Häuser noch mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Aber weitere Preisträger warteten auf unsere Besichtigung.

Bischofspresse mit Freundschaftstempel von der Gartenseite gesehen
Foto: Archiv – verein für denkmalpflege und neues bauen

Vorbei an der Hochwassermarke von 1845 ging es auf dem Bischofsweg zur Bischofspresse. Dort wurden wir herzlich von Familie Wagner empfangen. Am wiedererrichteten Freundschaftstempel, verwöhnt mit Weintrauben aus dem Garten, lauschten wir Herrn Wagner. Er berichtete mit viel Erfahrung von der Geschichte des Hauses und der Sanierung des Anwesens. Die Bauherrschaft erhielt den Preis 2005 für die gelungene denkmalpflegerische Instandsetzung.

Nun ging es hinauf durch das Kirchgässchen zum Publikumpreisträger 2019, den wohl keiner der Anwesenden bisher im Original gesehen hatte – dem Garten der Familie Hofmann auf der Mittleren Bergstraße 18b. Herr und Frau Hofmann waren ganz überrascht, wie viele „Bauherrenpreiswanderer“ bei ihnen hereinschneiten. Sie hatten eine viel kleinere Gruppe vermutet. Aber in bewundernswertem Gemeinschaftssinn der Anwesenden reichten die hübsch vorbereiteten Käsespieße und Weingläschen gut für alle. Neben Erläuterungen zum Garten und zum Haus begann ein sich vertiefender Gedankenaustausch der anwesenden Hobbywinzer zu Pfahlerziehung und pilzwiderstandsfähigen Weinzüchtungen. Somit galt es sich wiederum aufs Thema zu fokussieren und sich loszureißen.

Der Hofmannsche Garten
Foto: Archiv – verein für denkmalpflege und neues bauen

Apropos Publikumspreis – auch im Jahr 2022 wird es eine Bauherrenpreisverleihung geben. Bis 30. Juni können Vorschläge eingereicht werden. Schauen Sie schon mal, was sich seit 2019 oder bisher noch nicht genügend beachtet, in Radebeul baulich Positives getan hat. Der Verein für Denkmalpflege und neues Bauen e.V. wird sich freuen, Einreichungn zu erhalten. Auch freuen wir uns auf eine rege Beteiligung bei der Bewertung des Publikums in der der Preisverleihung vorangehenden Ausstellung, vermutlich wieder in der Sparkasse. An der Ecke zum Knollenweg bzw. unten am Schloss Johannesberg warfen wir in den dämmernden Abend hinein einen Blick hinauf zum im Wächterberg thronenden ehemaligen Wohnhaus des Weinbauberaters Carl Pfeiffer. Auch dieses wurde von Familie Dr. Kastler saniert und erhielt 2003 den Bauherrenpreis für Altbausanierung. Wer Interesse hat, kommt sicher zum Tag des offenen Weingutes noch etwas näher an das Gebäude und die dort mögliche Aussicht.

Auf der Johannesbergstraße 5 kamen wir schon im Dunkeln an. Diese erhielt 2019 den Bauherrenpreis für Altbausanierung. Ich wollte unter einer Straßenlaterne eigentlich nur ein paar mir zugängliche Informationen über die engagierte Sanierung an das Publikum weitergeben. Doch da hörte ich „wir können auch reingehen“. Welch schöne Überraschung – zwei Herren der Familie Jentzsch hatten an unserer Tour teilgenommen und konnten nun viel persönlicher und detaillierter zur Sanierung berichten. Und vom Hof ergab sich auch ein sonst nicht erlebbarer Blick, was ja auch ein Reiz unserer Bauherrenpreiswanderung ist.

Den Abschluss bildete der Publikumspreis 2016 – die Weinstube Altnaundorf 21. Auch hier ein saisonal erlebbares Kleinod, welches mit viel privatem Engagement wiedererweckt und nun betrieben wird. Etwa 20 Leute blieben noch auf ein Schöppchen Wein mit Zwiebelkuchen in der gemütlichen Gaststube. Und die Wirtsleute ließen sich nicht lange bitten, als „Publikums – Bauherrenpreisträger“ zu ihrem Objekt zu berichten.

Es war eine Tour, zu der wir uns besonders herzlich für all die geplante und spontane Gastfreundschaft, sowie Offenheit der Bauherrenpreisträger bedanken konnten.

Und nun lädt Sie der Verein für Denkmalpflege und neues Bauen e.V. zur fünften Bauherrenpreiswanderung ein. Verraten will ich zur Tour und deren „Perlen“ noch nicht so viel. Aber entgegen einem in der (etwas entfernteren) Presse immer wieder gepflegten Klischee führt die Wanderung zu Bauherrenpreisträgern in Radebeul Ost „südlich der Meißner Straße“.

Und wenn jemand, der Radebeul schon lange kennt, mal Revue passieren lässt, was sich dort alles getan hat, dann wäre es schade, wenn dies nicht auch zu Beachtung und Preisen geführt hätte.

Darüber wollen wir zu unserer Tour sprechen. Denn es gibt auch noch einiges in diesem Gebiet zu richten, was auf einen dem „besonderen Charakter von Radebeul“ entsprechenden Weg gebracht werden sollte. Was das ist, diese Diskussion ist nie abgeschlossen. Nur die aktive, stetige Auseinandersetzung in der Stadtgesellschaft mit diesem Thema wird uns diesen ahnen, bewahren und gemeinsam gestalten lassen.

Da sich die Zahl der Bauwerke mehrt, die in ihren Dimensionen und in ihrer Materialität mit dem Stadtcharakter kollidieren, ist diese Diskussion notwendigen denn je. Die an Gartenzäunen aufgehangenen Plakate klagen diese Entwicklung an und kritisieren die Genehmigung der entsprechenden Gebäude.

Für alle, die vom Bauherrenpreis in Radebeul noch nichts gehört haben, sei dieser nochmals kurz erläutert:

In Zeiten des sich schnell entwickelnden, pulsierenden Baugeschehens in Radebeul wurde der Radebeuler Bauherrenpreis vom Verein für Denkmalpflege und neues Bauen Radebeul e.V. gemeinsam mit der Stadt Radebeul ins Leben gerufen. Von 1997 bis 2011 wurde der Preis jährlich für Neubau, Denkmalpflege und Außenanlagen verliehen. Mittlerweile ist die Intensität des Bauens in der Stadt zurückgegangen und der Preis wird alle 3 Jahre vergeben, zuletzt 2019 (siehe V&R 12/19).

Dieser Preis soll ein Element sein, um die Diskussion zu Auffassungen zur Baukultur in Radebeul zu fördern und öffentlichkeitswirksam zu machen. Er ist auch von der Hoffnung getragen, Bauherren und Investoren zu erreichen und anzuregen, im Vorfeld intensiv über die Wirkung ihrer geplanten Bauwerke in der Stadt nachzudenken.

Die Bauherrenpreiswanderung soll uns wieder einige der in der Vergangenheit prämierten Objekt als Anregung und Erlebnis vor Augen führen.

Seien Sie herzlich zum Start der diesjährigen Bauherrenpreiswanderung eingeladen:
29. April 2022, 18 Uhr vor der Lutherkirche „südlich der Meißner Straße“

Alle sind herzlich eingeladen (besonders auch Leute, die Bauherren sind oder werden wollen). Schon um des Erlebens und des Austauschs willen wird die ca. 2 stündige Wanderung eher gemächlich verlaufen und endet am Robert – Werner – Platz.

P.S. Anregung: Über die Losen-Blatt-Sammlung, die Internetseite des Vereins (www.denkmalneuanradebeul.de) oder Wikipedia findet man die Bauherren-Preisträger und kann sich, wenn man Lust hat, auch mal selbst eine Bauherrenpreiswanderung für einen Sonntagsspaziergang zusammenstellen.

Michael Mitzschke

Wanderausstellung in der Stadtgalerie

Foto: Repro/ Foto Archiv Mail-Art-Projekt

Anfang des Jahres 2021, mitten im Corona-Lockdown, in einer »kunstfreien«, schwierigen und dunklen Zeit startete die Malerin und Grafikerin Petra Schade zusammen mit ihrer Künstlerkollegin Anita Voigt und dem Fotografen Burkhard Schade ein MAIL- ART-PROJEKT!

Die Initiatoren interessierte, was die Menschen in dieser Zeit bewegt. Was haben sie für Gefühle, Ängste, Träume, was haben sie entdeckt, an sich, an anderen, was hat sich für sie verändert, was vermissen sie und was haben sie dazu gewonnen. Dieses Projekt gab den Menschen eine Stimme aus dem Lockdown. Die langsame und kreative Gestaltung einer Postkarte als Ausdruck des eigenen Befindens wurde eine Alternative zum schnellen Schlagabtausch in den sozialen Medien.

Anita Voigt, Petra Schade, Burkhard Schade
Foto: Repro/ Foto Archiv Mail-Art-Projekt

Es wurde ein generationsübergreifendes Stimmungsbarometer, eine Aktion der Hoffnung.

An vielen Orten wurde der Aufruf gehört, diskutiert und weitergereicht. Viele Menschen folgten begeistert der Idee und so trafen von Januar bis März 2021 über 700 Karten ein – aus allen Ecken Deutschlands und darüber hinaus. Menschen aller Altersgruppen, Künstler und Laien gleichermaßen, haben sich mit den elementaren und mentalen Folgen der Corona-Pandemie auseinandergesetzt.

Die verwendeten Techniken sind so vielfältig wie die Ideen und die Inhalte der Karten.

Texte, Grafiken, Fotos und Malerei erzählen von Ängsten und Mut, von Hoffnung und Wünschen, von Kritik und Wut, von privaten Erfahrungen und globalen Fragestellungen.

Dieses kreative »Gesamtwerk« wird nun einer breiten Öffentlichkeit in Form einer Wanderausstellung präsentiert.

Nach dem großartigen Start im Heimatmuseum Radeburg im September 2021 werden alle Postkarten des Projektes vom 19. April bis 22. Mai 2022 in der Stadtgalerie Radebeul gezeigt. Die Eröffnung der Ausstellung ist am 14. April 2022, 19:30 Uhr.

Weitere Ausstellungen sind in Glauchau und Neustadt/Sa. geplant. Letzte Station der Wanderausstellung wird 2023 das Stadtarchiv Dresden mit anschließender feierlicher Archivübergabe sein.

Burkhard Schade

Editorial 4-22

Bewegte Zeiten!

Wähnten wir uns vor Drucklegung des vorangegangenen Heftes noch im hoffnungsvollen Aufatmen aus der Endphase einer bleiernen zweijährig währenden Corona-Zeit, so schlägt unterdessen ein veritabler Krieg in Europa weitaus schmerzvollere Töne an.

So sehr die Medien sich an der Pandemie auch berauschten, so sehr versinken die mürben Zahlengebäude der Inzidenzen nun scheinbar in Bedeutungslosigkeit.

Weltweit und mit unvorstellbaren finanziellen Mitteln, Sanktionen und Entbehrungen stemmte sich die Weltgemeinschaft gegen den Virus-Feind. Kaum ausgestanden, bekämpft sich die schwerlich vernunftbegabt zu nennende Gattung mit dem teuflischsten Kriegsgerät nun gleich selbst.

Natürlich war das immer so. Wir haben nur nicht genug hingesehen. Bisher war es ja weiter weg auf dem Erdenrund.

Aus himmlischen Sphären herabgeschaut lacht man vielleicht ungläubig ob des menschengemachten Irrsinns.

Jetzt ist Reisen wieder möglich. Wirklich? Die eine oder andere Stadt hätte man gern noch gesehen, dort im ganz nahen Osten – wenn sie es dann noch geben sollte…

Das Wort „Partnerstadt“ gewinnt an diesen Tagen völlig neu an Bedeutung, das ukrainische Obuchiw ist die unsrige. 16 Stunden, 25 Minuten Fahrzeit, 1438km Entfernung wie in einem Navi-System zu lesen ist. Viele Bürger sind nun hier unerwartet angekommen. Nicht im Rahmen eines freundschaftlichen Besuches. Aus Flucht und Todesangst.

Europa im Frühjahr 2022. Kaum auszudenken welche Blüten es noch treibt!

Sascha Graedtke

Zum Titelbild



… von flüchtigen Momenten …

Detail der papierenen Komposition
für ein Wohnungseingangsportal
Radebeul | 2021

Bevor die Papiere ins Glas gelangen können, wollen sie komponiert sein. Komponieren bedeutet in meinem Tun, einen visuellen Klang zu erschaffen aus Formen, Strukturen, Überlagerungen, Licht und Raum. Dann tauche ich ab, für unbestimmte Zeit, bis der Klang gefunden ist. Komponieren ist ein Wagnis, das Unmögliche zuzulassen. Es ist ein Prozess des Anhäufens und des Wiederverwerfens, um schließlich, über die Reduktion, die Essenz zu finden. Sie filtert das Wenige, das Wesentliche, das die Kraft hat, zu sein und sich im Gegenüber zu entfalten.
Fertig verpackt lagen sie nun vor mir, die Papiere, bereit für den Termin im Glaswerk. Doch dann diese spontane Eingebung, die einen unmissverständlich leitet und etwas unaufschiebbar in diesem Moment fordert: Ich wollte, ich musste sie noch einmal sehen, die Gesamtkomposition. Und eilend vorsichtig entpackte ich die Papiere, hängte sie auf, fotografierte ihr transluzentes Erscheinen, ihren Raum. Nachdem die Papiere im Glas schon geglückt schienen, zersprang eine der Scheiben bei einem weiteren Fertigungsschritt. So betrüblich für mich das unwiederbringlich Verlorene, umso erfüllter meine Erinnerung an jenen flüchtigen Moment tags zuvor im Atelier, als die abgebildete Komposition von der Gestalt der Bäume im lichtvollen März erzählte …

Constanze Schüttoff

Mit Gerhard Schöne poetisch durch das Jahr


Radebeuler Minaturen

Schwarz-Weiß

Ihr Ruf hat etwas Meckerndes, das ihrem sonst so würdigen Aussehen mit den schönen weißen Federn, die zwischen den blauen und schwarzen hervorblitzen, durchaus widerspricht: Erstaunlicherweise werden die Elstern – wie übrigens auch die Krähen – von Tiervater Brehm unter die Singvögel gezählt. Immerhin läßt sich daraus der Erfolg diverser moderner Musikrichtungen erklären …
Den Elstern wird aber auch – wie abermals den Krähen – eine gewisse Pfiffigkeit nachgesagt, wenn es darum geht, sich in aussichtsloser Situation unzugängliche Nahrungsquellen zu erschließen. Kurz: sie verfügen über ein Maß an Intelligenz, das kein Computer je erreichen wird und das wir uns angewöhnt haben, dem Tierreich abzusprechen.
Zudem wird ihnen eine nicht geringe Vorliebe für Glitzerzeug nachgesagt, die sie nachgerade menschenähnlich macht: Gold und Silber schmücken die Frau, mit der sich im Anschluß der Mann schmückt. So hieß es jedenfalls über Jahrhunderte, und es gibt Gegenden, da ist das heute noch so. Das Wort „Putzsucht“ ist jedenfalls nicht von vornherein mit der Streben nach Reinhaltung der eigenen vier Wände gleichzusetzen.
Während ich mit dem Staubsauger durch die Wohnung fahre, sagt Ulrike, ich weiß gar nicht, wovon du redest.
Ich rede von Elstern.
Wir hatten damals in Hellerau einen privaten Milchmann. Der kam jeden Morgen um neun und hielt unterm Pilz bei den alten Garagen, wo er schon von Rentnerinnen und Kindern erwartet wurde. Das mag jetzt an die sechzig Jahre her sein, doch ich erinnere mich noch gut an den damals brandneuen Barkas mit dem Kastenaufbau, dem gekühlten Tank mit der Milch, die in die mitgebrachten Kannen gefüllt wurde, und dem großen Korb mit den unvergeßlichen frischen Semmeln.
Mein Freund Peter – und damit komme ich wieder auf die Elstern – stand jedenfalls mit Kanne am Arm und Geld in der Faust in der Schlange, über der die Vögel krakeelten. Der schon immer etwas altkluge Junge wollte sich nun einen Spaß machen und hielt sein Zweimarkstück provokativ in die Höhe. Doch ehe er sichs versah, stieß eine Elster zu, griff nach dem Geld und verschwand in den Wipfeln. Von oben war nun triumphierendes Krächzen zu hören, während der Junge unten in Tränen ausbrach: ohne Geld und ohne Milch durfte er sich nicht nach Hause wagen. Schließlich reichte ihm eine mitleidige Oma ein neues Geldstück mit den Worten, diesmal paß aber besser auf!

Die Geschichte fiel mir ein, als ich neulich vom Finanzamt die Aufforderung erhielt, für meine Steuererklärung künftig das Programm „Elster“ zu benutzen.
Wie? Dachte ich, sehen die sich wirklich so?
Wie auch immer, am Ende bleibt die Warnung der Oma von damals: Diesmal paß aber besser auf! Gewarnt bin ich jedenfalls.

Thomas Gerlach

Noch eine Glosse?

Meschugge

Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Zeiten immer verrückter werden. Dass dieser Zustand aber offensichtlich schon einige hundert Jahre andauert, hat mich allerdings schon überrascht, wo doch immer von der guten alten Zeit gefaselt wird. Bereits im 19. Jahrhundert sah man sich genötigt, extra aus dem Hebräischen/Jiddischen ein spezielles Wort ins Deutsche zu übernehmen. Das Lehnwort „meschugge“, was so viel bedeutet wie „verrückt“, kam in Mode. Und wieder einmal war es Berlin, von wo aus sich diese Masche in den deutschen Landen verbreitete. Daran hat sich bis heute nichts geändert.
Ich weiß ja nicht, wie es gegenwärtig den werten Lesern so geht, mir aber dreht sich das „Rad der Geschichte“ einfach zu schnell. Dabei kann ich mich noch gut an die Zeit erinnern, als kein Handy klingelte, wenn ich von der Altstadtschule nach Haus kam. Auch musste ich nicht im Internet surfen, um meine Schularbeiten zu erledigen. Da dudelten höchstens auf Radio Luxemburg die neuesten Schlager und ich hatte genug Zeit, um mir mit meinen Freunden so manchen Blödsinn auszudenken oder wie man heute sagen würde, abzuhängen. Gegenwärtig müssen ja die Schüler ihre Kindheit überspringen, um möglichst frühzeitig fit für die Wirtschaft zu sein. In dem Zehnparteien-Haus in einer sächsischen Kleinstadt, in dem ich meine Jugend verbrachte, hatten zwei Familien einen Telefonapparat. Bis 1989 verbesserte sich die Lage kaum. Nur 16 Prozent der DDR-Haushalte besaßen einen entsprechenden Anschluss! Da haben wir eben die Oma öfters besucht oder eine Postkarte für 10 Pfennige geschrieben. Hat halt etwas länger gedauert. Ein Notfall war allerdings nicht eingeplant.
Bei Autos sah es deutlich besser aus. Immerhin verfügten 1988, dank der „Gehhilfe“, etwa 55 von 100 Haushalten über einen Personenkraftwagen. Heute besitzt statistisch gesehen jeder zweite Einwohner ein Auto! Mehr Zeit haben wir aber trotzdem nicht. Unsere Wohnungen sind vollgestopft mit gefühlt tausenden technischen Geräten, sogar die Zähne können wir uns nicht mehr selber putzen. Mitunter haben wir schon Schwierigkeiten, die technischen Wunderwerke an- und auszuschalten. Reparatur meist sinnlos. Da kaufen wir uns halt ein neues Gerät. Wir haben es ja – das zumindest glauben die meisten. Wer würde denn heute beim örtlichen Gemüsehändler noch loses Sauerkraut in einer Zeitungspapiertüte kaufen? Dabei enthalten die meisten der heute in Europe hergestellten Bogenoffset-Druckfarben weder Mineralöle noch Schwermetalle! Selbst wenn ein Kleinkind den Leitartikel der Sächsischen Zeitung „verspeisen“ würde, muss niemand in Panik ausbrechen.
Was mich aber wirklich meschugge macht, ist die ständige Hatz nach den Dingen, die Gier nach neuen Amüsements, die permanente Anmache, irgendetwas zu supergünstigen Bedingungen erwerben zu sollen, unbedingt irgendwo dabei sein zu müssen, etwas mitzumachen, ständig seine Meinung kundzutun, die neurotische Angst, zu spät zu kommen, irgendetwas zu verpassen, nicht mehr „in zu sein“. Wir sind technisch hochgerüstet, aber beim Psychologen in Behandlung. Die Supermärkte und Discounter laufen über, aber viele Menschen haben eine Essstörung.
Was ist denn da im Oberstübchen nicht mehr richtig? Insgesamt 33,3 Prozent der weiblichen und 22,0 Prozent der männlichen Bevölkerung leiden an psychischen Erkrankungen! Die Krankschreibungen auf diesem Gebiet sind seit 2006 um 50 Prozent gestiegen! Die „Depressive Episode“ ist zur dritthäufigsten Einzeldiagnose in den letzten 20 Jahren aufgestiegen und die diesbezüglichen Erkrankungen unter den Kindern und Jugendlichen haben um 24 Prozent zugenommen!
Wer dreht denn hier fortwährend am Rad? Woher kommt denn diese Unruhe, diese Hatz, der Leistungsdruck, der Zwang zur permanenten Selbstoptimierung, die Auffassung, ständig erreichbar sein zu müssen, selbst beim Toilettengang?! Mancher Erdenbürger meint gar sein Handy oder iPhone nie mehr weglegen zu können. Da bildet sich dann auch beim allgemeinen Schreibtischarbeiter wieder die typische gekrümmte Arbeiterhand aus. Es gibt Arbeitsstellen, die sich herausnehmen, noch bis 22 Uhr(!) den Dienstplan für den nächsten Tag per Mail durchzugeben! Liegt es vielleicht nicht nur an den abhängigen Angestellten oder den willfährigen Konsumenten? Kann es sein, dass die ganze Gesellschaft, der gierige Neoliberalismus, am Rade dreht?
In meiner Kindheit war kein Schüler beim Psychologen und meschugge hat uns auch keiner gemacht. Da will ich mal hoffen, dass die Sprachwissenschaftler recht behalten und es sich bei dieser bezeichneten Situation „verrückt zu sein“ nur um „einen vorübergehenden Zustand“ handelt. Denn in der Ruhe liegt die Kraft, meint

Euer Motzi

Alles über Nischen in Radebeul

Foto: D. Lohse

Etwa zwei Dutzend davon findet man in unserer Stadt und sie führen kein Nischendasein! Man muss nur etwas genauer hinschauen, sagen wir, man findet sie auf den zweiten Blick.

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Vor allem die Baumeisterfamilie Ziller und auch die Großes haben hin und wieder bei ihren zwischen 1850 und 1900 errichteten Häusern derartige Nischen in die Fassaden integriert. Ganz grob betrachtet ist eine Nische eine konkave Form in eine Außenwand. In dieser Zeitspanne traten sie häufig auf, doch es gibt auch Ausnahmen, wo Nischen stilistisch anderen Zeiten angehören. So finden wir zwei große, jeweils mit Sandsteinbänken besetzte Nischen am Sockelgeschoss

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des Belvederes bei Schloss Wackerbarths Ruhe, in der Form 1779 entstanden. Es sind die ältesten Nischen, die ich in Radebeul finden konnte. Nischen sind Gestaltungselemente, die die Fensterordnung bereichern oder eine Wand gliedern, d.h., sie sitzen dort, wo ohne die Nische vermutlich eine gestalterische Lücke entstanden wäre. Die hier betrachteten Nischen sind halbrunde oder auch flache Vertiefungen in einer Außenwand, die einen halbrunden oberen Abschluss haben. Eine Sonderform dieser Spezies ist eine kreisförmige, also fast halbkuglige Nische, wie wir sie in der Zillerstraße 4 mit einem „behüteten Frauenkopf“ vorfinden.

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Hier nun erstmal ein Zitat aus einem älteren „Handbuch für die Denkmalpflege“ von 1911:
„Nische, vom französischen niche, italienisch nichia von nichio = Muschel, eine halbrunde Vertiefung in einer Mauer“.
So eine Nische ist wie eine kleine Bühne auf der sich eine Figur oder Plastik präsentieren kann – eine Nische verlangt geradezu nach einem Schmuckelement, einem Star, um bei dem Begriff Bühne zu bleiben. Solche Ausschmückungen der Nischen fanden

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üblicherweise in der Entstehungszeit des Hauses, eines Landhauses oder einer Villa statt, dann sind sie ein authentischer Schmuck. Es mag auch vorgekommen sein, dass ein paar der Nischen nicht gefüllt wurden, weil der Hausbau so viel Geld verschlungen hatte und man an dem Punkt sparen musste. Oder eine Figur wurde in der Folgezeit gestohlen oder verbracht. Wenn man heute eine leere Nische wieder schmücken möchte, ist die Bandbreite der

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Möglichkeiten größer, von, dem ursprünglichen Stil des Hauses möglichst nahekommend, über, was der Baumarkt („Gipsgärten“) gerade bietet, bis zu kontrapunktisch, also selbst gebastelt, was dann manchmal auch eine heitere Note hat.
Mit der Betrachtung von Nischen möchte ich mich insofern abgrenzen, daß ich auf keine Blindfenster, das sind von Anfang an aus gestalterischen Gründen zugemauerte Fenster (was auch in der 2. Hälfte des 19. Jh. vorkam) und auch keine ehemaligen, aber später zugesetzten Fenster, eingehen möchte, weil hier die halbrunde Vertiefung fehlt. Ausnahmen bilden die Nischen der baugleichen Zillerhäuser

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Schweizerstraße 15, 17 u. 19 und der Zillerhäuser Eduard-Bilz-Str. 17, 20 und 24 mit glattem Abschluss der Rückwand. An den Stellen dieser flacheren Nischen hatte es auch früher keine Fenster gegeben. Alle drei Nischen sind jetzt mit unterschiedlichen Figuren bestückt. Herr Adam, Eigentümer der Schweizerstraße 17, erklärte mir, das seine Nische beim Erwerb des Hauses leer war und er in den frühen 60er Jahren bei der Dresdner Firma Drescher (Marmor, Kunststein und Terrazzo) eine größenmäßig passende, musizierende Kunststeinfigur erworben hatte.

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Unsere Nischen finden wir sowohl in der EG-Zone, als auch im OG der betrachteten Häuser. Manchmal bilden sie mit benachbarten Fenstern eine Dreiergruppe, wie z.B. im Gradsteg 41. Sie können ein Gewände ähnlich wie bei Fenstern oder nur eine Putzkante haben. Die runde Bodenfläche der Nische hat oft eine auskragende Rundung, die auf einer Konsole ruht. Beide Radien der Bodenfläche vor und hinter der Wandflucht bilden in dem Falle einen Kreis. Manchmal sind Nischen in der Fassadenfarbe gestrichen oder sie wurden farblich kontrastierend zur Fassade behandelt, wenn eine besondere Hervorhebung der Nische beabsichtigt war oder ist.

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Nischenfiguren oder -plastiken können aus Sandstein oder aus einer steinähnlichen Masse (z.B. von der Firma March u. Söhne, Charlottenburg) bzw. aus Kunststein oder Keramik bestehen.
Die Figuren, zumeist Damen, wollen Charaktere darstellen, bzw. Haltungen rüberbringen: die Schöne, die Frömmelnde, die Kesse oder an eine antike Tugend erinnern, auch eine Figur darstellend, die man aus der Bibel kennen sollte, oder manchmal auch etwas Erotik aufkommen lassen.

Foto: D. Lohse

Bei meinen Fototerminen traf ich Hausbesitzer, die durchaus stolz auf ihre Nische mit Originalfüllung sind und mir gestatteten, näher zu treten, wie in der Wettinstraße 9 und der Weinbergstraße 26 geschehen. Die Nische in der Wettinstraße ziert eine etwa lebensgroße Dame, die vor nicht allzu langer Zeit von der bekannten Dresdner Bildhauerfamilie Hempel restauriert worden ist, so erzählte es mir der Eigentümer Herr Müller. Die prächtige Vase von der

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Weinbergstraße 26, auch ein Originalstück, wird in der Wirkung dadurch gesteigert, dass das Halbrund in einem Rotton (die Farbe ist hier etwas brüchig geworden, was aber authentisch wirkt) gestrichen ist. Diesen roten Nischenfond finden wir auch bei anderen Radebeuler Nischen, z.B. bei den Zillerhäusern Bennostraße 23 und Zillerstraße 2. Die letztere Adresse ist eigenartigerweise kein ausgewiesenes Kulturdenkmal, dennoch hatte der Eigentümer den Anspruch, die leere Nische mit „etwas Lebendigem“ zu füllen.

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Die Konfektionsware aus aktuellem Handel trifft es gestalterisch gut, die Figur hätte vielleicht ein klein wenig größer in Bezug auf die vorhandene Nische sein können. Vorübergehende hörte ich sagen, dieses in Etappen sanierte Haus wird immer schöner – gut so! Auf der Eduard-Bilz-Straße 24 hatte eine Lehrerin und Künstlerin die Idee, hier eine selbstgefertigte, stark abstrahierte Sandsteinfigur, man könnte sich einen Engel vorstellen, in die Nische zu stellen. Ich erinnere mich, dass eine der zwei Nischen am Haus Borstraße 14 vor etwa 15 Jahren mit einer von Frau Hoferick geschaffenen, modernen Keramikfigur (für die Nische bißchen zu klein) geschmückt war, ein lustiges Bild. Hier war der Hintergrund, dass die Figur zugleich Werbung für das damals darunter befindliche Keramikstudio war. Ein Verkauf des Hauses über Makler änderte die Verhältnisse, so dass die Nische heute wieder leer steht, schade. Nett geschmückt fand ich auch die Nische am Haus Pestalozzistraße 39, die in Ermangelung einer originalen Figur mit einem Stück Natur, einem Uhu, wohl aus Keramik, gefüllt wurde. Bei dem zum Krankenhausgelände gehörenden Gebäude (Umbau von 1912) Borstraße 28 dient die leere Nische, die wie der Altan vom Vorgängerbau um 1880 stammt, einem eher praktischen Zweck – darin steht ein voller Aschenbecher, merke: hier ist die Raucherinsel. Eine leere Nische der Villa Columbia an der Mohrenstraße zeigt deutlich das oben erwähnte Muschelmotiv. Die beiden kleinen Nischen an der Moritzburger Straße 19 waren bis etwa 2000 mit zwei Originalfiguren besetzt. Über Nacht wurden sie von dreisten Dieben aus der Höhe des OG gestohlen. Der Diebstahl konnte bisher nicht aufgeklärt werden, so dass die Nischen nach wie vor leer stehen. Bei aller Freude über die bewohnten und unbewohnten Nischen sollte man auch einem technischen Nebeneffekt Beachtung schenken. Hier muss nicht immer, kann aber häufig eine kleine Kältebrücke entstehen, wenn die gerundete Wand weniger Mauerwerksdicke hat als die sonstige Außenwand. Rein rechnerisch dürfte der Wärmeverlust aber eher vernachlässigbar gering sein.
Die aufgeführten Häuser mit Nischen sind zum überwiegenden Teil Kulturdenkmale, somit ist der Erhalt der Nischen sowie der originalen Plastiken gesichert. Bei Veräußerung einer der Immobilien muss die Figur beim Haus verbleiben. Anders könnten nur später hinzugefügte Figuren behandelt werden.
Hier sind noch die Häuser mit Nischen zusammengefasst, die Zahl dahinter gibt an wie viele Nischen unter der Adresse zu finden sind. Die Zusammenstellung könnte nicht 100% des Radebeuler Bestandes wiedergeben, aber mindestens 90% dürften es sein:


Liste

Zum Schluss muss ich unumwunden zugeben, dass ich in einem zurückliegenden Lebensabschnitt das Wort Nische mit „ie“ geschrieben habe, so wie man’s spricht eben. Setzen „4“ würde mein Deutschlehrer gesagt haben, aber ich habe mich ja gebessert.

Dietrich Lohse

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