Mit Hans-Eckardt Wenzel poetisch durch das Jahr 2017

Das Abschmink-Lied

Still vom Klatschen und vom Schreien
Über meine derben Witze,
Steh ich plötzlich vor den Reihen,
Einsam, all der leeren Sitze.

Ausgetrocknet sind die Lippen,
Hals und Kopf sind leer gesungen,
Stechend ist in meiner Rippen
Käfig mir mein Herz gesprungen.

Stunden später, müd, beim Feste,
Einen scharfen Schnaps im Glase,
Stierte eine auf die Reste
Schminke über meiner Nase.

Aussatz ziert mich! Einen Narren
Hast du neben dir zu sitzen.
Hoffst, ich zög dir jeden Karren
Aus dem Dreck, mit meinen Witzen.

Freilich könnt ichs! Nur Sekunden,
Da die Augen sich noch drehen
In artistisch großen Runden
Um die Augen, die mich sehen.

Alles, was ich hab, verteil ich,
So erfinde ich mein Glück.
Meine Narrenfreiheit freilich
Ist ein lächerliches Stück.

© Lied vom wilden Mohn: Gedichte
Mitteldeutscher Verlag Halle – Leipzig 1984.

MEISSNER STRASSE 172

War das kleine Radebeuler Kulturdenkmal mal ein Winzerhaus?

Warum war ich so zögerlich, anders als in anderen Fällen, mit dem Schreiben zu diesem kleinen Anwesen zu beginnen? Sicherlich weil es kein herausragendes Denkmal in der Radebeuler Kulturlandschaft ist und weil die Bau- und Nutzungsgeschichte noch viele Rätsel hat. Dem steht gegenüber, dass das Haus seit über drei Jahren durch Freunde von mir mühevoll in Stand gesetzt wird und ich mich mit ihnen freue, dass im September 2016 trotz einiger Restarbeiten der Einzug erfolgen konnte. Anderseits sind auch in meinem weiteren Bekanntenkreis durchaus ein paar Leute, die meinen, das Haus sei ein Fall für die Abrissbirne und sich an den Kopf greifen, wie man in einem alten Haus wohnen will, wo die Bahn quasi durchs Schlafzimmer fährt. Aber gerade diese Mischung ist doch eine spannende Geschichte!

Die Fragen beginnen schon bei der Eintragung des Hauses in der Radebeuler Denkmaltopografie – „kleines, zweigeschossiges Wohnhaus errichtet um 1880“ – wodurch die Baugeschichte stark abgekürzt wird und eventuelle andere Nutzungen ausgeschlossen werden.

Ohne Zweifel würde ein Makler das Haus Meißner Straße 172 mit „verkehrsmäßig gut erschlossen“ beschreiben und da hätte er Recht. Die eigentümliche Lage hart an der verkehrsreichen Meißner Straße kann man nur durch die Historie erklären. Dabei sollten sich auch frühere Nutzungen besser erkennen lassen. Das Grundstück (Fl.st. 2703) war im 18. Jh. etwa 15.960 m² groß, ging im Westen bis zu einem längst nicht mehr existierenden Weg zwischen Bor- und Meißner Straße und wurde im Laufe der Geschichte mehrmals geteilt und bebaut, so dass das heute betrachtete Grundstück Meißner Straße 172 nur noch etwa 1970 m² misst. Hinzu kommt, dass die Heidesandterrasse, eine Südlage, zwischen Borstraße und Meißner Straße quer durch das Grundstück verläuft. Und wenn man dann noch den sehr alten Gewölbekeller sieht, wird man bald auf Wein kommen – also die ehemalige Grundstücksgröße ließe zusammen mit der Südlage Weinanbau grundsätzlich zu. Das ursprüngliche Haus, insbesondere der Keller spricht dafür, könnte also ein kleinerer Winzerbetrieb gewesen sein. Das findet man auch in alten Lageplänen mit entsprechender Symbolik für Weinbau bestätigt. Als Rest einer Weinbergsumzäunung kann eventuell die Mauer längs der Zillerstraße betrachtet werden, solche Einfriedungen schützten oft die Weinberge. Anderseits teilte die um 1880 angelegte Zillerstraße das große Grundstück ein weiteres Mal. Der Haustypus ähnelt vielleicht auch einem sächsischen Bauernhaus, könnte man meinen. Doch hier war kein Dorf; Serkowitz oder Fürstenhain sind weiter als 1km entfernt. Man weiß auch, dass noch im 19. Jh. Niederlößnitz sehr spärlich mit Gebäuden bestanden war und dass, entgegen zum heutigen Anbau fast nur am Steilhang, Wein auch auf flacher geneigten Flächen bis nahe der Elbe stand. An mehreren Stellen in Radebeul können wir außerdem ablesen, dass Winzerhäuser niemals mitten im Weinberg errichtet wurden, sondern, wie auch hier, eher in Randlage. Heute Vorbeikommende sehen auffallend starken Baumbestand gerade auf der Heidesandterrasse, doch der ist maximal 200 Jahre alt und hatte den Wein noch vor der Reblauskatastrophe allmählich verdrängt. Außerdem war die Linie der heutigen Meißner Straße im 18. Jh. ein Feldweg und für Fernverkehr bedeutungslos. Das änderte sich erst mit Verlegung der alten Poststraße 1784 aus Serkowitzer Elbnähe auf hochwassersichereres Terrain und damit vor unser betrachtetes Haus, das damals schon gestanden haben muss. Der Verkehr auf der Poststraße war hier bis weit ins 19. Jh. jedoch nicht mit den heutigen Verkehrsverhältnissen zu vergleichen.

Bevor wir das bzw. die Gebäude etwas näher anschauen, muss ich zunächst den merkwürdigen, im Volksmund verhafteten Namen des Hauses – Hexenhaus – gerade rücken. Das ist natürlich Quatsch, Hexen sind eine mittelalterliche, religiös gestützte Erfindung und ich habe nicht die Phantasie, die Wurzeln dieses Hauses im Mittelalter zu suchen. Diese liegen frühestens in der Mitte des 18. Jh., konnten aber bisher keinem genauen Jahr zugeordnet werden. Sollte ich dem Haus einen Namen geben müssen, hielt ich Märchenhaus für passender. Vielleicht würde das Lotte, der z.Z. jüngsten Bewohnerin, gefallen?

Der Bau des Gewölbekellers aus Sandsteinquadern entspricht der Bauweise, die in der Lößnitz etwa vom 16. bis ins 18. Jh. üblich war, ist aber hier leider an keiner Stelle datiert. Er ist über eine Falltür im Korridor und eine relativ breite Treppe (Fasstransport!) zu erreichen und stellt ganz sicher das älteste, bzw. ursprünglichste Bauteil des Gebäudes dar. Wir gehen nicht fehl, wenn wir diesen Keller als in der Mitte des 18. Jh. errichtet einstufen.

Da der Kellergrundriss nicht mit dem EG-Grundriss übereinstimmt, ist das Erdgeschoss mit einem Natursteinsockel extra gegründet. Darauf baut ein zweigeschossiges, nicht durchlaufendes Fachwerk-Wandgefüge heute mit Lehmausfachungen auf. Ältere, verputzte Ziegelausfachungen waren schadhaft. Eine Putzstelle ließ einen roten Beistrich erkennen, ein Zeichen, dass das Winzerhaus vor 1872 sichtbares Fachwerk hatte. Dieses weist aber keinerlei kunstvolle Arbeiten auf. Alle verwendeten Hölzer sind Nadelhölzer, was für einfache Häuser auf dem Lande durchaus üblich war. An zwei Stellen wurden Holzproben für eine dendrochronologische Untersuchung entnommen und von zwei unabhängigen Prüfern grob als 1. nicht älter als 1740 und 2. nicht jünger als 1840 eingeschätzt – da ist viel Luft dazwischen!

Meißner Straße 172, Ansicht von Süden vor der Sanierung
Foto: D. Lohse


Die Fensteranordnung mit 3 (Traufseite) x 2 (Giebel) Achsen ist, abgesehen vom Westgiebel, regelmäßig. Die Verbretterung beider Geschosse lässt sich einer Umbauphase von 1872 (diese Jahreszahl geht aus dem handschriftlichen Vermerk auf der Rückseite eines alten Brettes von einem am Bau beteiligten Zimmerer hervor, der Rest unleserlich) zuordnen, eine Ausführung dieser Arbeiten, wie auch Änderungen der Dachkonstruktion wird der Fa. Gebr. Ziller zugeschrieben. Das Dachsystem eines Satteldaches, vorher wohl Sparrendach, wurde zu dem Zeitpunkt in ein Pfettendach ohne Drempel geändert und ist so in der Lößnitz nur in der 2. Hälfte des 19. Jh. verwendet worden. Ein Vergleich zu dem Zillerbau Bennostr. 27a (1873) mit ähnlichem Dachstuhl und gleicher Holzzier bestärkt die obengenannte Zuschreibung der Arbeiten. Bei diesem Umbau erscheinen nun bescheidene künstlerische Ausstattungen mit Rundbogenfries an der Verschalung und geschweiften äußeren Fensterrahmungen.

Fensterdetail mit Holzzierleisten
Foto: D. Lohse


Ursprünglich waren in diesem Haus Holz-Einfachfenster mit zwei Sprossen je Flügel mit Klappläden. Bei der laufenden Rekonstruktion folgten die Eigentümer diesem Prinzip, jedoch werden die z.T. aufgearbeiteten Fenster durch neue Kastenfenster ergänzt. Wenn die noch fehlende Verbretterung in diesem Frühjahr wieder angebracht wird, soll dahinter eine zeitgemäße Wärmedämmung unsichtbar befestigt werden. Apropos Wärme, künftig wird das Haus alternativ beheizt – dafür kann Erdwärme von einem neuen ca. 150m tiefen Brunnen genutzt werden. Das scheint mir eine intelligente Lösung zu sein. Dadurch fielen zwei ältere Schornsteine weg.

Wie das Haus in früheren Zeiten gedeckt war, ist nicht bekannt. Eine letzte Dachdeckung (nach 1945) mit roten Strangfalzziegeln war noch so gut, dass hier nur sparsame Ergänzungen erforderlich waren.

Ein westlicher, eingeschossiger Anbau, der früher auch ein Satteldach hatte, diente als Stall und Waschhaus und soll in einer zweiten Sanierungsphase dem Wohnbereich zugeschlagen werden. Ein anderes, nicht mehr stehendes Nebengebäude längs der Zillerstraße, an das nur noch ein Fenstergewände in der Mauer am Fußweg erinnert, diente wohl einst als Kleintierstall. Es war durchaus üblich, dass sich Winzer Ziegen, Kaninchen und Hühner hielten, ohne dass man sie deswegen als Bauern bezeichnet hätte. An der Stelle dieses Nebengebäudes wollte in den 30er Jahren die katholische Kirche offensichtlich eine kleine Kapelle bauen. Wir fanden dazu Skizzen von Architekt Max Czopka, die aber nie verwirklicht wurden.

Zu den Vorvorbesitzern des Grundstücks weiß man nicht sehr viel – seit 1931 gehörte es aber bis zum Verkauf im Jahre 2013 der benachbarten katholischen Kirche, die es untervermietete bzw. später auch für Rüstzeiten junger Katholiken genutzt hatte.

Das Ziel der Denkmalpflege war eine konstruktive Ertüchtigung des Hauses innerhalb des überkommenen Gefüges und die Wahrung des äußeren Bildes nach dem letzten Umbau von 1872 als das Haus bereits kein Winzerhaus mehr war, auch verbunden mit einer Modernisierung der technischen Ausstattung. Dieses Ziel wurde m.E. prinzipiell erreicht; natürlich blieben Überraschungen während der Zeit der Sanierungsarbeiten nicht aus, wo man dann auch ein paar Kompromisse eingehen musste. Ich möchte den Bauherren, meinen Freunden Frank S. und Andrea L., ausdrücklich für die Leistungen während der langen Bauzeit danken, ich bewundere das Durchstehvermögen und weiß, dass das Geld nicht in den Sand gesetzt wurde, wiewohl auf Sand (sh. Heidesandterrasse) gebaut wurde.

Die durch die Überschrift aufgeworfene Frage möchte ich nachdrücklich mit Ja beantworten, es muss sich hierbei um ein um 1750 erbautes Winzerhaus handeln!

Dietrich Lohse

Erinnerungen an den Puppenspieler und Regisseur Carl Schröder

In meinem Schreibtisch gibt es mehrere Schubladen, die sind angefüllt mit Fotos und Briefen voller Erinnerungen. In großen zeitlichen Abständen fordert die Größe der Schubkästen eine Inventur. Die nasskalten Tage des neuen Jahres sind wie geschaffen dafür in der Vergangenheit zu kramen, mit dem Ziel, den Inhalt zu reduzieren und Platz für Neues zu gewinnen. Das dauert immer viel länger als gedacht. Erinnerungen beanspruchen Raum und Zeit. Manche Ereignisse verblassen mit den Jahren, es fehlt der Schlüssel für die Erinnerungen, das sind die „Platzmacher“. Bei dieser manchmal auch wehmütigen Beschäftigung fiel mir dieser Tage eine kleine ordentlich gefaltete Mappe in die Hand. „Für Familie Aust, dankend von Carl Schröder XII./82.“ steht darauf. Der Inhalt sind Fotos, selbst entwickelte schwarzweiß Aufnahmen von seiner Ausstellung „Ein Leben mit Puppen“, die im Herbst 1982 im Erdgeschoss des Lusthauses Hoflößnitz zu sehen war. Diese Fotos waren mir ein Katalysator für das Erwachen einer ganzen Reihe schönster Erinnerungen an Carl Schröder, meist im Umfeld der Hoflößnitz, angefangen mit dem gemeinsamen Aufbau seiner Puppenspiel-Ausstellung, wovon die Aufnahmen erzählen. Und die Gedanken spazierten weiter zu einer kleinen, einem fröhlichen Volksfest gleichenden Feier, anlässlich seines 80. Geburtstages und den ganz zufälligen Begegnungen, wenn man Karin und Carl Schröder bei Spaziergängen oder einem Glas Wein auf diesem geliebten Areal traf.

Ulrich Aust im Dresdner Zwinger, 1989
Foto: Fam. Aust


Unser gemeinsames Kennenlernen begann erst zu einer Zeit, in der die über die Landesgrenzen hinaus international verehrte und bekannte Puppenspielerlegende schon weit auf seinem Lebensweg vorangeschritten war. Sein Alter aber wurde zur Nebensache, wenn man ihn erlebte. „Ich verliebte mich spontan in diesen Mann…“, erzählte mir seine Frau Karin Schröder, die er nach dem Tod seiner ersten Frau Henriette, seiner langjährigen treuen Puppenspielbegleiterin, heiratete.

Am 8. Februar 2017 jährt sich sein 20. Todestag. Das ist ein Anlass, sich dieser schönen vergangenen Zeit zu erinnern und anderen darüber mitzuteilen.

„Alle Kunst ist der Freude gewidmet und es gibt keine höhere und keine ernsthaftere Aufgabe, als die Menschen zu beglücken“ (J.C.F. v. Schiller). Entsprechend dieser Worte lebte Carl Schröder mit großer Freude und ebensolcher Ernsthaftigkeit. Und so erlebten wir ihn auch bei den Vorbereitungen für seine Ausstellung „Carl Schröder – Ein Leben mit Puppen“.

Bild: Fam. Schröder


Der Umstand, dass mein Mann die umfassende Sanierung der Erdgeschossräume des Lusthauses von1977 bis 1985 baulich leitete und betreute, hatte zur Folge, dass wir auch bei den verschiedensten Ausstellungen sehr oft unterstützend mit Rat und Tat geholfen haben.

Der Weg über die Straße war nicht weit, um Bretter, Draht, Strick aus unseren Beständen herbei zu bringen und so wuchsen wunderschöne Ausstellungen, meist bis weit in die Nacht hinein. Es gab kaum Vorplanungen, Vitrinen wurden improvisiert, ausgeliehen und mehrfach, immer neu kaschiert, wieder verwendet, denn für die wechselnden Ausstellungen waren kaum Gelder vorgesehen. Und doch wurden es stets interessante und anspruchsvolle Ausstellungen.

Carl Schröder, der Künstler selbst, war zupackend mittendrin, freundlich aber auch kritisch, bescheiden, aber auch fordernd. Auf einer Tafel zu seiner Biographie gab es ein sehr eindrückliches Foto, das den Künstler als kleinen Jungen zusammen mit seinen Eltern im Korb eines Heißluftballons zeigt. Man sieht es dem Ballon an, dass er nur auf Pappe gemalt ist, so groß, dass er nur angeschnitten Platz auf dem Foto fand. Aber das war egal. Ihm war dieses Foto wichtig und uns brachte es auf eine schöne Idee für die Ausstellungseröffnung.

Während ich viele Meter Stoff zusammennähte, schweißte mein Mann einen gewaltigen Eisenring zusammen von mehr als 2m Durchmesser. Gerade so groß wie unser großer Gartentisch. Mit meiner transportablen Nähmaschine aus dem Westen vernähte ich, mehrfach um den Tisch wandernd den Ring mit dem Stoff. Das funktionierte wunderbar, anschließend bemalten wir unseren eindimensionalen Ballon wie wir uns einen Heißluftballon vorstellten. Ein alter Wäschekorb und –leinen fanden sich auch und so bauten wir vor dem Lusthaus der Hoflößnitz unseren Korb auf, spannten mit den Wäscheleinen die große Ballonscheibe zwischen die Bäume und vertäuten sie mit dem Korb. Vor alles stellten wir eine Tafel, auf der zu lesen stand, zu welcher Uhrzeit Carl Schröder mit dem Ballon in die Lüfte steigen wird.

Ihm zu Ehren war viel Volk unterwegs, die Stimmung war heiter und ausgelassen. Unser „Ballon“ war schon allein durch seine Größe auffällig. Man drängelte sich, um zu erfahren, was es mit all dem auf sich habe. Was anfangs nur eine lustige Überraschung für Carl Schröder sein sollte, wurde zum großen Vergnügen vieler. Als mein Mann in vollem Ernst gefragt wurde, ob auch andere Personen mitfliegen dürften, kannte unsere Freude kaum noch Grenzen. Nein, natürlich nicht und sie sollten bitte nicht so nah an die Leinen gehen, weil sonst der Ballon unbeabsichtigt und unkontrolliert vor der Zeit aufsteigen könne…

Endlich war es soweit, Carl Schröder stieg in den Korb, lächelte freundlich nach allen Seiten grüßend, winkte… es wurden viele Fotos gemacht… und er stieg wieder behände aus dem Korb heraus.

Carl Schröder mit seinen Eltern, Dresdner Vogelwiese, um 1908
Foto: Fam. Schröder


Ich habe leider nur noch die Erinnerung ohne Foto, aber vielleicht gibt es ja auch noch bei anderen Schubladen mit Erinnerungsbildern?

Carl Schröder liebte die verträumte Atmosphäre der Hoflößnitz und fühlte sich dort ausgesprochen wohl. Aus diesem Grunde fand hier auch die wunderschöne Feier seines 80. Geburtstages statt. Im Juni, bei schönstem Sommerwetter mit Puppenspiel und vielen Gästen, tummelte sich ein vergnügtes Volk auf den Wiesen, unter den Kastanien und um den frisch verheirateten glücklichen Jubilar.

Carl Schröder, Herbst 1982
Foto: Stiftung Hoflößnitz


Das alles ist lange Vergangenheit, nichts bleibt wie es war. Und doch lobe ich mir den reichen Inhalt meiner Schubladen, der mir Rückblicke ermöglicht in kleine Welten von gestern oder vorgestern, allein durch eine Fotomappe.

Ich habe mir vorgenommen, wichtige emotionale Nachrichten zukünftig wieder öfter auf Papier und weniger digital zu verschicken. Was soll sonst aus meinen Schubladen und den schönen Erinnerungen werden?

Elisabeth Aust

40 Jahre Restaurierung der Hoflößnitz und Zwingerbaumeister Ulrich Aust

Einladung zur öffentlichen Veranstaltung in die Hoflößnitz

Wer den Titel überfliegt, denkt vielleicht, was hat denn das miteinander zu tun? Wer die Aktivitäten des Vereins für Denkmalpflege und neues Bauen Radebeul e.V. über die Jahre verfolgt hat, wird bemerken, dass die Hoflößnitz immer wieder im Fokus von dessen Veranstaltungen liegt. Eine schöne Tradition ist es geworden, ein mal im Jahr eine gemeinsame Veranstaltung mit dem Verein Kulturlandschaft Hoflößnitz zu gestalten. Beide Vereine wollen nun erneut auf diesem Wege zur oben benannten Veranstaltung einladen. Aber was hat das mit Ulrich Aust zu tun?

Ulrich Aust im Dresdner Zwinger, 1989
Foto: Fam. Aust


Viele in den letzten 25 Jahren Zugezogene oder in dieser Zeit erst intensiver mit Radebeul in Beziehung Gekommene stolpern vielleicht über den Vornamen, da Ihnen unter dem Namen Aust nur Friedrich Aust, Elisabeth Aust, Philipp Aust oder Friederike Curling Aust bekannt sind.

Der bibliophil Veranlagte geht nun zum Bücherschrank und schaut im Stadtlexikon Radebeul nach (bei dem wir uns schon auf die angekündigte neue erweiterte Auflage freuen). Ein kurzer Eintrag ohne Bild gibt Auskunft:
„Architekt und Denkmalpfleger, geb. 16.02.1942 Bautzen, gest. 30.07.1992 Radebeul… Seit 1971 arbeitete er für die Staatlichen Kunstsammlungen u.a. am Wiederaufbau des Dresdner Stadtschlosses und wurde 1983 zum Zwingerbaumeister berufen. In Radebeul machte er sich u.a. um die Sanierung des Hohenhauses, der Hoflößnitz, der Spitzhaustreppe, zahlreicher historischer Weinbergsmauern und des Meinholdschen Turmhauses (Weinbergstraße 10) verdient, wo er seit 1978 mit seiner Familie lebte. Für sein Engagement wurde Aust u.a. mit dem Kunstpreis der DDR geehrt.“

Man sieht, alle genannten Austs gehören zusammen. Und dann fällt das tragische Jubiläum auf – Ulrich Aust starb vor 25 Jahren im Alter von nur 50 Jahren. Dieses Jahr wäre er 75 Jahre alt geworden. Was hätte er nicht alles noch bewirken können, wenn er mehr Zeit gehabt hätte?

Ich selbst, damals noch sehr jung, habe ihn beim ehrenamtlichen Engagement im Aktiv für Denkmalpflege beim Stadtarchitekten der Stadt Radebeul Mitte der 1980er Jahre kennengelernt. Abgesehen davon, dass er sehr fachkompetent und zielstrebig wirkte und immer neue Ansatzpunkte einbrachte, wenn wertvoller Bausubstanz zu retten oder deren Verschandelung entgegenzuwirken war, hatte ich selbst nur wenige konkrete Erinnerungen.

Aber schon bei der ersten Recherche, ob des Doppeljubiläums Substanz für eine Veranstaltung haben könnte, wurde ich fündig. Frank Andert vom Sächsischen Weinbaumuseum Hoflößnitz, der sich eines anderen Jubiläums wegen intensiver mit der Sanierungsgeschichte der Hoflößnitz beschäftigt, hatte da Einiges zu erzählen. So entstanden Ansatz und Bindeglied des gemeinsamen Themas.

Sanierungsarbeiten an Hoflößnitz, Anfang der 1980er Jahre
Foto: Stiftung Hoflößnitz


Neugierig geworden, lud ich ein paar mir bekannte Personen zu uns ein, von denen ich wusste, dass sie über die Arbeit im Aktiv für Denkmalpflege oder am Dresdner Schloss oder an der Zwingerbauhütte mehr mit Ulrich Aust zu tun hatten. Die erste Überraschung war, dass gleich noch eine Person mehr kam, als ich gedacht hatte – und das aus Begeisterung für das angedachte Thema. Dadurch wurde auch eine weitere Facette des Wirkens von Ulrich Aust bekannt – die Weinbergskirche in Dresden Pillnitz.

Diesen Abend werde ich so schnell nicht vergessen. Mit Herzblut erzählten die Gäste von einem Mann voller Ideen und Tatkraft. Er besaß die schöne Gabe, die eigene Begeisterung für die Denkmalpflege auch auf andere übertragen zu können. Und er war zupackend – seine Frau berichtete, dass sie fast an jedem Wochenende für viele Leute Proviant zusammen packte, damit die Helfer etwas zu Essen hatten.

An einer großen Zahl von Objekten schützenswerter Bausubstanz hat er dienstlich, ehrenamtlich und privat Hand angelegt oder für deren Erhaltung Weichen gestellt. Nur einige möchte ich zum Neugierig machen nennen:
das Löwentor am Dresdner Schloss, Schloss Scharfenberg, das Hellhaus in Moritzburg, das Grüne Gewölbe im Albertinum, den Muschelpavillon an der Spitzhaustreppe, das Hohenhaus in Radebeul… Seine tatkräftige Art ließ ihn zum Teil unkonventionelle Wege gehen, was ihm nicht nur Freunde machte. Manches war so auch nur unter den Umständen der DDR möglich.

Die Gäste des Abends sagten noch, dass sie sich nicht erinnern könnten, dass Ulrich Aust Hektik ausgestrahlt hätte, sein Wirken war bestimmt von Fachkompetenz und seine Ausstrahlung wäre von respektvoller Distanz geprägt gewesen.

In ganz besonderem Maße lag ihm das, sich in unmittelbaren Nachbarschaft des von seiner Familie bewohnten Meinholdschen Turmhauses befindliche Ensemble „Schloss Hoflößnitz“, wie es damals hieß, am Herzen. Das Großprojekt der 1977 begonnenen Generalinstandsetzung des Lust- und Berghauses der Hoflößnitz begleitete er über viele Jahre als Gutachter, Berater und Organisator.

Der Start dieser Restaurierung jährt sich nun zum vierzigsten Mal. Ein Rückblick darauf bietet sich also an.

Nun soll aber nicht zu viel verraten werden. Vielmehr möchten die genannten Vereine Sie am 24. Februar 2017, 19.30 Uhr in den neuen Winzersaal im Presshaus der Hoflößnitz einladen, bei einem Vortrag mehr zum Thema 40 Jahre Sanierung Hoflößnitz zu hören und in einer lebendigen Gesprächsrunde von Weggefährten, die Strahlkraft des Wirkens von Ulrich Aust zu erleben.

Michael Mitzschke

Vier vor zwölf

oder Bürgertreff in Radebeul-West eröffnet

Mit einem kleinen Festakt wurde am 11. Januar durch den Radebeuler Oberbürgermeister Bert Wendsche der Bürgertreff in Radebeul-West auf der Bahnhofstraße 8 eröffnet. Mit diesem ungewöhnlichen Experiment soll von Anfang an die Sanierungsmaßnahme in Radebeul-West in enger Zusammenarbeit zwischen Bürgern, Gewerbetreibenden und Verwaltung transparent begleitet werden. Der freie Blick durch die großen Schaufenster von Außen nach Innen und umgekehrt war von den Initiatoren so gewollt. Nicht zu übersehen ist im Bürgertreff die symbolische Uhr, auf welcher die Zeiger vier Minuten vor zwölf Uhr stehen. Was wohl heißen soll, es könnte bald zu spät sein, wenn wir nicht sofort aktiv werden, um dem Geschäftssterben, der Umnutzung von öffentlichen Räumen und schließlich der Verödung unserer Innenstädte etwas entgegen zu setzen. Lösungen lassen sich hierfür nur gemeinsam finden, nicht zuletzt im Austausch mit anderen Städten, die vor ähnlichen Problemen stehen.

Radebeuls Oberbürgermeister Bert Wendsche eröffnet den Bürgertreff vier vor zwölf
Foto: K. U. Baum


Zur Eröffnung des Bürgertreffs jedenfalls herrschte reges Begängnis. Der Start war gelungen. Die ersten Seiten des Gästebuches begannen sich schnell zu füllen mit Eintragungen von „Super, dass es eine Initiative für Radebeul-Wests Lebensraum gibt, die viel Potenzial der Mitgestaltung bietet“ über „der Evangelische Schulverein mit seiner Grundschule »um die Ecke« wünscht gutes Gelingen und eine gute Zusammenarbeit“ bis zu einem Gruß von den Naundorfern, verbunden mit dem Hinweis, dass für sie Radebeul-West ein wichtiger Ort zum Einkaufen und Kommunizieren ist, da in der ältesten Radebeuler Ursprungsgemeinde bereits alle Läden geschlossen sind. Für reichlich Diskussionsstoff sorgte auch die Fotodokumentation, welche die Stadtgalerie Radebeul gestaltet hatte. Alte und neueste Aufnahmen veranschaulichen den beständigen Wandel dieses innerstädtischen Zentrumsbereiches. Die Ausstellung gliedert sich in drei Abschnitte. Neben historischen Ansichten, die hauptsächlich vom Radebeuler Stadtarchiv zur Verfügung gestellt wurden, sind Aufnahmen zu sehen, welche im Zeitraum der letzten 10 Jahre entstanden sind. Aufschlussreich ist die Dokumentation der Abriss- und Umbaumaßnahmen aber auch des Verfalls vom einstmals repräsentativen Bahnhofs-Ensemble. Es drängt sich die Frage auf: Wer schützt eigentlich die unter Denkmalschutz stehenden Gebäude vor der Aufhebung des Denkmalschutzes? In diesem Falle heißt es leider: Zu spät! Zuversicht hingegen vermitteln die Fotografien von den jüngsten Händlerinitiativen zur Belebung des innerstädtischen Zentrumsbereichs. Selbst wenn es sich dabei nur um kleine Schritte handelt, die das Gemeinschaftsgefühl der ortsansässigen Händler nicht unwesentlich gestärkt haben, freuen sich die Akteure über das bereits Erreichte. So wurden Frühlings- und Weihnachtsspektakel veranstaltet, gemütliche Sitzbänke mit Lehne aufgestellt und seit zwei Jahren gibt es wieder einen geschmückten Weihnachtsbaum auf dem Bahnhofsvorplatz.

Inmitten der interessierten Eröffnungsbesucher, Dr. Jörg Müller, 1. Bürgermeister
Foto: K. U. Baum


Natürlich war auch Radebeuls 1. Bürgermeister Dr. Jörg Müller zur Eröffnung des Bürgertreffs präsent, denn bei ihm laufen alle organisatorischen Fäden für die Maßnahmen im Sanierungsgebiet von Radebeul-West zusammen. Neben den zahlreich erschienenen Bürgern und ortsansässigen Händlern befanden sich unter den Eröffnungsbesuchern ebenfalls Stadträte, Vertreter von Vereinen sowie Mitarbeiter aus verschiedenen Fachabteilungen der Stadtverwaltung.

Ein stimmungsvoller Auftakt mit Akkordeon und Kontrabass
Foto: N. Millauer


Abschließend so viel zum Konzept: Der Radebeuler Bürgertreff ist jeden Mittwoch von 15 bis 18 Uhr geöffnet. Die Betreuung vor Ort erfolgt durch ein fünfköpfiges Kommunikationsteam, welches alle Anregungen und Hinweise entgegennimmt und weiterleitet. Fachlich flankiert wird der Bürgertreff durch die Radebeuler Stadtverwaltung, speziell im Tandem mit den Bereichen Stadtplanung sowie Kunst- und Kulturförderung. Spätestens ab dem III. Quartal nimmt im Bürgertreff das Sanierungsbüro mit eigenen Sprechzeiten seine Tätigkeit auf. Außerdem wird ein Stadtteilmanager den im Sanierungsgebiet ansässigen Gewebetreibenden als Ansprechpartner beratend zur Seite stehen. Mit vielen zusätzlichen Aktivitäten will man zur Belebung des Stadtteiles beitragen. Einige Veranstaltungstermine stehen für das Jahr 2017 bereits fest. Das Frühlingsspektakel wird am 1. April und das Weihnachtsspektakel am 2. Dezember stattfinden. Neu ist das Sommerfest im Apothekerpark zum Kindertag am 1. Juni. Darüber hinaus finden in loser Folge Ausstellungen, Vorträge, Diskussionsabende, Konzerte und Theateraufführungen statt. Für Radebeuls Ursprungsgemeinden, Vereine oder Initiativen bietet sich die Möglichkeit zur Vorstellung und Präsentation. Erhältlich sind im Bürgertreff auch der städtische Veranstaltungskalender, das Radebeuler Amtsblatt, das kulturelle Monatsheft „Vorschau & Rückblick“ sowie die Programme verschiedener Kultur- und Bildungseinrichtungen aus Radebeul und der näheren Umgebung.

Das fünfköpfige Kommunikationsteam gemeinsam mit den Mitarbeitern der Stadtverwaltung: Björn Reinemer, Ilona Rau, Margitta Czura, Nadine Wollrad, Dajana König, Anja Schöniger, Karin Baum, Andrea Löwlein (v.l.n.r.)
Foto: N. Millauer


Noch im Aufbau befindet sich das Bürgeraktiv Radebeul-West. Wer mitarbeiten möchte ist herzlich willkommen. Das nächste Treffen im Bürgertreff findet am Montag, den 27. Februar um 18 Uhr statt. KONTAKT unter galerie@radebeul.de, 0160-2357039.

Karin (Gerhardt) Baum

Editorial 2-17

Seit einigen Wochen bietet die Blickachse von der Ecke Freiligrath- und Meißnerstraße in Richtung Lößnitz derzeit ganz unverstellte Perspektiven.

Das über ein Jahrzehnt verlassene und trostlos anzuschauende Areal mit verfallenden Baracken und ruinösem Glasinvest-Gebäude wird seit Herbst vergangenen Jahres sukzessive beräumt. Letzte Betonstützen inmitten eines Trümmerberges zeugen vom Baufortschritt, oder besser derzeitigem Baurückschritt.

Das verglaste Hochhaus passte sicher nie an diesen städtebaulich sensiblen Platz. Dennoch gehörte es nach all den Jahren, gewohnheitsmäßig, so selbstverständlich zu Radebeul wie die noch wuchtigeren Blöcke an der Wasastraße.

Nun darf man gespannt sein, wie sich das ehrgeizige Vorhaben auf der Großbaustelle mit 12.000m² in einigen Jahren im Stadtbild präsentieren wird. Dem urbanen Standort entsprechend ist sinnvollerweise eine Mischbebauung mit Wohn- und Geschäftshäusern vorgesehen.

Zu wünschen bleibt jedoch, dass man mit der geplanten Gesamtkonzeption architektonisch nicht wieder vom „Regen in die Traufe“ fällt und sich gar am gegenüberliegenden „Vodafon“- Komplex orientiert, welches dem Terrain in der Nachwendezeit viel städtebaulichen Charme entrissen hat und jeder Heiterkeit entbehrt.

Bis dahin bleibt eine Hoffnung mit zwischenzeitlich weitem Blick auf die Weinhänge von Radebeul verbunden.

Sascha Graedtke

Die andere Seite

16 Künstler zeigen Malerei, Grafik und Plastiken in der Stadtgalerie

Olaf Amberg, Carsten Bürger, Michele Cyranka, Sylvia Fenk, Robert Finke, Rita Geißler, Philipp Gloger, Anna Gorsleben, Gerrit Höfer, Franziska Kunath, Stephanie Laeger, Anita Rempe, Elisabeth Richter, Barbara Wiesner, Susan Wittwer, Bettina Zimmermann

Die Künstler zeigen sich den Besuchern zur Ausstellungseröffnung am 18. November 2016 Foto: S. Preißler

Die Künstler zeigen sich den Besuchern zur Ausstellungseröffnung am 18. November 2016 Foto: S. Preißler

Es riecht nach frischer Farbe in der Stadtgalerie und man spürt sofort, dass einige der ausgestellten Arbeiten erst kurz vor der Eröffnung fertiggestellt wurden. Wie es zu dieser Gemeinschaftsausstellung kam, ist vielen Zufällen zu verdanken.

Foto: S. Preißler

Foto: S. Preißler

Den Kontakt regte die Künstlerin Anita Rempe an, der wir uns durch den Radebeuler Grafikmarkt und die »Ateliergemeinschaft Oberlicht« seit vielen Jahren verbunden fühlen.
Schließlich wurde die Idee geboren, Kunstwerke, die auf der anderen Elbseite bei einem Pleinair in Röhrsdorf entstanden sind, in der Radebeuler Stadtgaleriezu präsentieren. Nicht schlecht haben wir dann gestaunt, als es plötzlich hieß, dass sich 16 Pleinairteilnehmer an dieser Gemeinschaftsausstellung beteiligen wollen. Die Koordination, welche die Malerin Franziska Kunath mehr oder weniger freiwillig übernommen hatte, war keine leichte Aufgabe. Das betraf organisatorische Absprachen, die Vorauswahl der Exponate, die Gestaltung der Druckerzeugnisse, schließlich die Anlieferung der Exponate und den Ausstellungsaufbau.
Die Zeitspanne der Vorbereitung war relativ kurz. Und wer schon einmal ein solches Gemeinschaftsprojekt organisiert hat, weiß wovon ich schreibe.
Zwei Generationen im Alter von Mitte 30 bis Ende 50 hatten sich im Künstlerhof Röhrsdorf bei Franziska Kunath zusammengefunden. Geprägt wurde ein Großteil der Gruppe durch die Ausbildung an der Dresdner Kunsthochschule, durch Lehrer wie Gerhard Kettner, Elke Hopfe, Max Uhlig, Claus Weidensdorfer, Siegfrid Klotz, Wolfram Hänsch, Lutz Dammbeck, Ralf Kehrbach und Helmuth Heinze, dieJüngsten unter ihnen bereits durch Christian Sery und Hans Peter Adamski.
Die Ausstellung hinterlässt einen kraftvollen Eindruck, bietet Abwechslung, hat Spannung und Rhythmus. Nein, da wurde nicht »gepingelt«! Selbst die kleinformatigen Zeichnungen haben Größe und halten den wuchtig groben Bildhauerarbeiten, welche ebenfalls in der Ausstellung zu sehen sind, stand. Die Exponate reiben sich aneinander, steigern sich gegenseitig und lassen sich trotzdem die Luft zur Entfaltung. Eine humorvolle Abwechslung wird durch recht skurrile Objekte wie die türkisfarbenen »Rehkeule« oder den Vogelfänger in Katzengestalt geboten. Kurzum das Konzept und die künstlerische Qualität der Ausstellung sprechen die Besucher sehr an. Die andere Seite, welche auch als linkselbige Seite, überelbsche, wildromantische Seite oder gar Schattenseite bezeichnet wird, ist für uns Radebeuler auch heute noch ein relativ unbekanntes Terrain. Mit dem Ausbau der Niederwarthaer Brücke für den PKW Verkehr wurde im mehrfachen Sinne eine praktikable Verbindung geschaffen, die geradezu animiert, das jeweilige Vis à Vis zu erkunden.
Der Appenhof oder Schloß Batzdorf sind für Kunst- und Kulturinteressierte seit langem ein Begriff. Vom Künstlerhof in Röhrsdorf und dem Pleinair habe ich (und so wird es wohl auch den meisten Radebeulern gehen) erstmals im Zusammenhang mit den Vorbereitungen zu dieser Ausstellung etwas gehört. Das alte Gehöft inmitten der relativ unverbauten Landschaft mit seinen großartigen Möglichkeiten für künstlerische Betätigung und Präsentation war eine schöne Überraschung.

Anna Gorsleben "Schafe", 2015, Tusche/Acryl

Anna Gorsleben „Schafe“, 2015, Tusche/Acryl Foto: K. (Gerhardt) Baum

Der offene Austausch in der Gemeinschaft jenseits von Konkurrenzgedanken scheint wohl noch immer oder vielleicht schon wieder eine große Anziehungskraft auszuüben. Dass sich so viele Künstler der jüngeren Generation auf die Freilichtmalerei rückbesonnen haben, stimmt hoffnungsfroh. Wer denkt da nicht an Künstler, die einstmals nach Worpswede, Moritzburg oder Goppeln ausgeschwärmt sind? Denn das unmittelbare Arbeiten inmitten der Natur mit den sich beständig verändernden Lichtverhältnissen, den von Tageszeit und Wetter abhängigen unterschiedlichen Stimmungen ist einerseits sehr reizvoll, erfordert andererseits jedoch ein hohes Maß an Konzentration auf Wesentliches, was auch in den sparsamen Bildtiteln wie Weg, Wald, Teich, Schaf, Garten, Teich, Feld, Blumenstrauß, Gewitterregen oder »Der schöne Tag« zum Ausdruck kommt.
Sebastian Hennig beschrieb in einem Beitrag die Atmosphäre eines solchen Pleinairs: »Jeder ist für sich tätig und man findet sich doch zu Mahlzeiten und in den Arbeitspausen in einem geselligen Kreis zusammen.« Allerdings fügt er auch ein wenig lakonisch hinzu, dass es sich bei dem Pleinair in Röhrsdorf um eine reine Privatinitiative handelt, ohne jede Förderung und »dass die Künstler wie so oft ihre eigenen Sponsoren sind.«
In Ermangelung staatlicher Strukturen entstehen jenseits des kommerziellen Kunstbetriebes in der Fläche immer mehr Insellösungen. Die Kunstszene von der anderen Seite wäre für uns Radebeuler sicher eine großartige Bereicherung und es wäre wohl beidseitig wünschens wert, dass die frisch geknüpften zarten Bande nicht so schnell wieder abreißen mögen.

Karin (Gerhardt) Baum

Wenn der Wind weht

Kunstspuren in der Galerie mit Weitblick

Wenn der Wind weht, kommt Bewegung ins Leben.
Jede und jeder von uns hätte dafür Beispiele parat, richtige Geschichten sogar manchmal. Die Geschichte von dem Hut vielleicht, den der Wind vom Kopf der Dame auf der Brücke direkt in die Elbe wehte oder unter eine Dampfwalze, was heute nicht mehr vorkommen kann, weil es keine Dampfwalzen mehr gibt. Oder die von dem General, der immer den Kopf so komisch schief halten musste auf seinem dürren oder auch fettfaltigen Hals, auf dass ihm der Wind die alberne Mütze nicht vom Kopfe schlug. Generäle gibt es ja noch, leider.
In der Galerie mit Weitblick ist gegenwärtig zu erleben, was passiert, wenn sich dreizehn Künstlerinnen und Künstler Gedanken um diese Wettererscheinung machen: Wenn der Wind weht, gibt’s Kunstspuren.

„Kunstspuren“ ist der Name einer Gruppe von gegenwärtig dreizehn Künstlerinnen und Künstlern, die sich zusammenfinden um gemeinsam der Kunst mehr Raum zu schaffen. Im Alltag sind Künstler unsichtbar – im Miteinander suchen sie Wege, sich öfter mal zu zeigen.
Nun ist es durchaus auch schon eine Kunst, dreizehn Künstler in den kleinen Räumen dieser mutigen kleinen Galerie unterzubringen.
Galeristin Doro Kuhbandner hat das nicht nur mit Weitblick, sondern auch politisch korrekt mit einer Obergrenze geregelt bekommen. Wenn also wiedermal irgendwo nach Obergrenzen gerufen wird: hier finden wir sie lautlos und harmonisch verwirklicht: Zwei Bilder oder Objekte pro Teilnehmer oder Teilnehmerin, das gibt sechsundzwanzig Antworten auf die Frage was passiert, wenn der Wind weht.
Die eine oder der andere von ihnen wird sich hinaus begeben haben in die sturmumbrauste Natur, um den Pinsel erleben zu lassen, wie es ist, wenn der Wind weht. Andere werden ihren Fundus konsultiert haben und Erinnerungen aufgefrischt, sie sind ja alle nicht mehr ganz neu im Metier. Und natürlich haben sie alle eine Vorstellung von dem Vorgang, haben sie es alle schon mal die Nase draußen gehabt, wenn der Wind weht: Es lichtet sich der Nebel, und es weitet sich der Blick.
Die Galerie mit Weitblick hat ihren Namen ja nicht von Ungefähr. Doro vollendet in diesen Tagen ihr viertes Jahr in diesen Räumen. Das ist durchaus ein Grund für sie, stolz zu sein, wie es für uns ein Grund zur Dankbarkeit ist, und natürlich einer – zu gratulieren.
An gut zweihundert Wochenenden konnte sie in diesen vier Jahren von ihrem bunten Stübchen aus den Weitblick genießen und die Kunst.

„Kunst“ kommt nicht vordergründig von „Können“, sondern von „Künden“. Künstler haben eine Botschaft, und Botschaften brauchen Adressaten. Dass die Botschaften individuell geboren und gestaltet werden, ist und bleibt dabei unbestrittene Voraussetzung. An der Bewegung aber, die unterschiedlichen Botschaften vernehmbar zu machen, arbeiten hier alle gemeinsam: Wenn der Wind weht, entsteht Aufmerksamkeit: Aufmerksamkeit für die Kunst, die als Nahrung der Seele mehr ist, als ein schmückender Rahmen.
Den nämlich, den Rahmen, bietet in unserem Falle die Galerie mit Weitblick. Bis weit ins Neue Jahr hinein gibt es hier die Kunstspuren zu erleben und manches Kleinod zu entdecken, ob nun der Wind weht, oder nicht.

Thomas Gerlach

Buchpremiere „Von eytel Raub und Strauchdieberey“ am 20. Januar 2016 in der Stadtgalerie

Nach Dresden und Leipzig werden nun Chemnitz´ wilde Neunziger durch einen Roman beleuchtet

TitelChemnitz in den Neunzigern. Bittere Not für die einen, Goldgräberstimmung für die anderen. Das Werk von Generationen wird verzockt, und zum Zug scheint zu kommen, wer dreist genug ist. Für Heranwachsende ist die Autorität zerbrochen und keine neue in Sicht. Wer mit besserer Ortskenntnis verfolgende Polizeiautos erfolgreich abhängt, verliert den letzten Respekt vor der Ordnung. Den Triumph auf der Straße verlacht aber die magere Barschaft, und Leergutklau ist auf Dauer unergiebig. Da hilft nur noch ein Banküberfall! Spätestens hier erweist sich, dass wir es nicht mit abgebrühten Ganoven, sondern mit Kindsköpfen zu tun haben. Die Härte der Buße wird nicht verschwiegen. Überhaupt zeigt die charmante Räuberpistole Glanz und Dürftigkeit der Jugend auf unsentimentale Weise und setzt dem »Wilden Osten« ein ganz eigenes Denkmal. (aus der Verlagswerbung)

Dieses Buch ist es nun durch Zufall bei mir hängengeblieben und ich musste danach trachten, mich davon zu entlasten, indem ich das mir Übergebene auf dem Wege der Veröffentlichung wieder abgebe. Es stammt von einem, der sehr niedrig zielte aber hoch hinauswollte, der tief niedergedrückt wurde und doch wieder an die Oberfläche gelangte. An der frischen Luft hat er nach einiger Zeit sogar die Sprache wieder gefunden. Im Buch steht nun sein originaler Text im Wortlaut, wie er dem Herausgeber zugespielt wurde. Außer einer behutsamen Rechtschreibkorrektur habe ich daran nichts verändert. Die kunstlose Sprache ist erstaunlich dicht gewebt. Das Geplauder des Unbekannten steht einer mit allen Wassern der Schreibkunst gewaschenen professionellen Erzählweise beinahe in nichts nach. Die besten Romane schreibt immer noch das Leben.
Clemens Meyer schilderte in „Als wir träumten“ (2006) die turbulenten Nachwendejahre in Leipzig. Für Dresden folgt ihm darin zehn Jahre später Peter Richter mit „89/90“. Mit „Von eytel Raub und Strauchdieberey. Ein Schelmengeständnis.“ folgt nun der authentische Bericht aus Chemnitz. Früher hieß es von den drei sächsischen Metropolen: In Chemnitz würde das Geld erwirtschaftet, in Leipzig erhandelt und in Dresden ausgegeben. Nachdem der künstlerisch-publizistische Komplex weitgehend unwidersprochen hat ausreden dürfen haben wir hier also die austehende Schilderung jener Jahre aus Sicht der Arbeiterklasse. Nach Merkur und Jupiter, hämmert nun Vulkan mit glühendem Griffel seine Fassung des Geschehens auf den Schild.
Vom Autor des Erlebnisberichts kennen wir nur seinen Vornamen. Vermutlich hat er keinen Ehrgeiz als Schriftsteller wahrgenommen zu werden. Vielleicht möchte er sich nicht brüsten mit begangenen Untaten. Andererseits dünkt ihm das Niedergeschriebene wieder zu kostbar, um es nur Verwandten und Freunden mitzuteilen.
Sieben Jahre lag das Heft bei mir herum. Wenn die Mappe mir unvermutet in die Finger kam, traf es mich jedesmal wie der Vorwurf eines uneingelösten Versprechens. Freilich hatte ich ein solches nie gegeben. Aber während des Lesens wuchs eine innere Verantwortung für den Text in mir heran, für einen Text, der nicht mir gehörte und doch bislang allein mir bekannt war. Probeweise gab ich ihn dann diesem und jenem zu Gehör. Er fesselte jeden Zuhörer. Schließlich wurde mein geschätzter Dichter-Verleger Uwe Lammla in seinen Bann gezogen und der Entschluß war gefaßt, die Aufzeichnungen als Buch zu veröffentlichen.
Dem Leser empfehlen wir, sich einfach vom Reiz der Geschichte gefangen nehmen, in der Handlung treiben zu lassen. Denn was den vorliegenden Bericht wertvoll und lesenswert macht, ist die Perspektive seines Erzählers. Dem Autor dieser Erinnerungen ist mehrfach der Boden unter den Füßen weggezogen worden. Daran hat er freilich selber Seinen anteil genommen. Seine Aufzeichnungen sind ein rarer Fund, ein Kassiber aus der Zitadelle des Schicksals. Hier wird nicht nur berichtet, hier spricht sich der Täter in seinen Taten selbst aus und er lässt uns rückblickend an seinen Überlegungen und Plänen teilhaben, als stünden wir gerade neben ihm. Manches klägliche Geschehen in diesem Buch wird vor allem von der Ehrlichkeit seiner Vortragsweise veredelt. Wir müssen die Taten des Autors weder billigen noch verteidigen. Es reizt das Flair eines Grenzbezirks, den wir hier betreten. Es ist immer nur ein kleiner Schritt von der Devianz zur Delinquenz, von wirtschaftlicher Kreativität zu krimineller Energie. Bertolt Brecht läßt den Macheath als Advocatus diaboli in seiner „Dreigroschenoper“ rhetorisch fragen: „Was ist ein Dietrich gegen eine Aktie? Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank? Was ist die Ermordung eines Mannes gegen die Anstellung eines Mannes?“ Denn sehr fließend verlaufen die habituellen Übergänge zwischen Wirtschaft und Raub, zwischen Handel und Prostitution. Der Wille, etwas um beinahe jeden Preis verkaufen zu wollen, kann unversehens dazu führen, dass man sich letztlich selbst verkauft. Der Instinkt für diesen Übergang geht zunehmend verloren. Dann lesen sich Insolvenzerklärungen zuweilen wie Gerichtsurteile und Kriminalprozessakten, aber auch Ehescheidungen, klingen wie Berichte gescheiterter Unternehmensgründungen. Die legale Vorteilnahme an anderer Geld und Gut kann so übergriffig und sittenwidrig verlaufen, dass sie an den Bereich des Kriminellen zumindest anstößt, oft genug aber auch weit in ihn übergreift, ihn zuletzt sogar verzweigter ausfüllt als es der eindeutige Gelegenheitsraub tut. Der Erfolg rechtfertigt Vieles, allzu oft viel zu Vieles. Dieses Buch rückt uns die Verhältnisse wieder gerade, indem es eine eindeutige Kontur des Verbrechens nachzeichnet. Dadurch kommt ihm zuletzt sogar noch eine sittliche Dimension zu. Der Räuber ist eine Erscheinungsform des menschlichen Dasein, wie der Bettler, die Hure, der Wucherer oder der Krieger. Sein Handeln hat seinen Preis und damit ist es genug. Der Autor ist sich wohl immer bewußt gewesen, was er tat. Man könnte bei ihm beinahe von einem spezifischen Handwerksstolz des reinen Kriminellen reden.
In seinem ahnungslosen Draufgängertum wird uns der Autor dieser Jugenderinnerungen nahezu sympathisch. Denn nach Abzug der Schuld bleibt zuletzt von der kriminelle Energie immer noch die Energie übrig. Die Freiheit, die jener Thomas und seine Kumpels sich übers Maß genommen hatten, die wurde ihnen damit wieder entzogen. Nach der bezahlten Zeche ist ihm eine einzigartige Erfahrung geblieben. Er verwirft keinen Teil seines Lebens. Wir Leser können uns erfreuen an der tröstlichen Schönheit der unverwüstlichen menschlichen Natur.

Sebastian Hennig

Hennig, Sebastian (Hg.): Von eytel Raub und Strauchdieberey. Ein Schelmengeständnis. 2017. 158 S. 250 gr. ISBN 3-944064-74-7. Gb. 18,– €, Buchpremiere zur Finissage der Ausstellung „Die andere Seite“ am 20. Januar 2017 um 20 Uhr in der Stadtgalerie Radebeul, Altkötzschenbroda

Zeichen und Gestalt

Ausstellung Dresdner Kunst zum Zweiten

Die „Ausstellung Dresdner Kunst“ auf der Hohen Straße 35 in Radebeul hatte im vergangenen Winter mit eindrucksvollen Aquarellen Paul Wilhelms große Aufmerksamkeit erregt und sich, wenn wir so wollen, auf Anhieb als Marke etabliert. Die damals geweckten „Hoffnungen auf mehr“ sind nun ein erstes Mal erfüllt worden: Seit 19. November lädt Herr Gottfried Klitzsch wieder ins Obergeschoss seiner Villa ein, diesmal mit Arbeiten von Hermann Glöckner und Helmut Schmidt-Kirstein.
„Zeichen und Gestalt“ hat er die Ausstellung genannt, die laut Ankündigung wieder ab 7. Januar und bis zum 26. Februar an den Wochenenden jeweils von 11 bis 18 Uhr zu erleben ist.
Gottfried Klitzsch schwärmt von der „Kraft der Linie“. Er sieht „die Zeichnung als klassische Grundlage aller Darstellung“ und zugleich als „Ausdruck und Ausweis künstlerischer Meisterschaft“.
Der gebürtige Radebeuler war glücklich genug, frühzeitig in München nicht nur eine Heimat zu finden, sondern auch einen Beruf, dessen Ertrag ihm nun hilft, eine späte Liebe zum Erblühen zu bringen: die Liebe zur Dresdner Kunst des 20. Jahrhunderts, deren von der Elblandschaft geprägten besonderen Realitätsbezug er auch in Abstraktion und Informell aufleuchten sieht. Indem er nun seine noch junge Sammlung dem heimischen Publikum frei zugänglich macht, erweist er seine Liebe und seine Dankbarkeit.

Abseits der „offiziellen“ Kunst sind sich Hermann Glöckner und Helmut Schmidt-Kirstein seit der Mitte der 1950er Jahre nicht nur räumlich (beide wohnten zuletzt im Künstlerhaus in Dresden-Loschwitz) sondern auch in ihren freien Arbeiten nahe gekommen.
Der jüngere Schmidt-Kirstein (1909 – 1985) hatte schon als Gymnasiast erste Ausstellungen, es aber lange Zeit nicht auf einen künstlerischen Beruf abgesehen. Nach Studien in Dresden und Wien arbeitete er als Fachlehrer für dekorative Berufe. Erst nach der Heimkehr aus dem Krieg ließ er sich in Dresden als freier Künstler nieder. Zuvor hatte eine Begegnung mit der Kunst Picassos dazu geführt, dass er nahezu sein gesamtes Frühwerk vernichtete. Nach der Verarbeitung der Kriegserlebnisse wandte er sich mehr und mehr der Abstraktion zu, wobei die Linie als bestimmendes Element erhalten blieb. Nach 1970 kehrte er zu realistischer Darstellungsweise zurück.
Hermann Glöckner (1889 – 1987) war zwanzig Jahre älter als Schmidt-Kirstein. Geboren in Dresden Cotta, begann er einen langen Weg des Suchens und Lernens in Leipzig, der ihn schließlich auch an die Dresdner Kunstakademie führte.
Wie Schmidt-Kirstein war Glöckner 1945 Mitglied der Künstlergruppe „Der Ruf“, die sich der „befreiten Kunst“ zu widmen begann, jedoch schon 1948 ihre letzte Ausstellung hatte.
Wie auch vor 1945 geriet Hermann Glöckner mit seiner freien Weltsicht und seiner unabhängigen Kunstauffassung bereits in der ersten Hälfte der 1950er Jahre im Zuge der Formalismusdebatte zunehmend in Isolation.
Zahlreiche Sgrafitto-Putzschnitte zeugen auch in Radebeul von Glöckners Brotarbeit – leider werden es ihrer immer weniger.
„Beide Künstler“, schreibt Gottfried Klitzsch im Begleittext zur Ausstellung, „bewegen sich im Spannungsfeld zwischen ‚Zeichen und Gestalt‘ und vermögen unserer Wirklichkeitserfahrung andere Weltsichten hinzuzufügen. Sie sind herausragende Beispiele einer Lebenskunst, die nicht den Vorgaben einer normierenden Gesellschaft, sondern den inneren Sternen ihrer eigenen Existenz mit all ihren Zufälligkeiten und Unvorhersehbarkeiten gefolgt sind“.

Auch diese „Ausstellung Dresdner Kunst“ ist mehrfachen Besuch wert und erneut Anlass, Dank zu sagen.
Thomas Gerlach

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