Auf ein Neues im nächsten Jahr!

Zum XJAZZ-Festival am 27./28. Mai in Radebeul

Kristina Amparo mit ihrer Band

Kristina Amparo mit ihrer Band                Foto: B. Kazmirowski

im Mai-Heft der „Vorschau“ kündigte Jazzlegende Günter Baby Sommer ein für Ende des Wonnemonats (27./28.) in Radebeul geplantes Jazzfestival unter dem Titel XJAZZ an und warb um breite Akzeptanz unter Musikfans der Region, damit es zu einer Tradition werden möge. XJAZZ ist, das sollte man wissen, ein seit einigen Jahren sich von Berlin aus über das Land und seit diesem Jahr auch in Europa (Tel Aviv, Istanbul und Reykjavik) verbreitendes Konzertkonzept, das den Begriff Jazz absichtsvoll weit fasst und stilistische Ausflüge zum Soul und Funk, ja selbst zum Gospel und zur Klassik ermöglicht. Es geht also nicht um die reine Lehre (Kann es die in der Kunst überhaupt geben?), sondern um ein atmosphärisch stimmiges Musikerlebnis, weshalb sich die Organisatoren für die Radebeuler Premiere auch drei sehr unterschiedliche, gleichwohl geeignete Locations (wie man Neudeutsch sagt) ausgesucht und eine ganze Palette an Musikern aus dem In- und Ausland eingeladen hatten. Ein großes Plus, so sollte sich erweisen, war die Verwurzelung der jungen Konzertveranstalter von „Dynamite Konzerte“ um Björn Reinemer in unserer Region (Firmensitz im „White House“ auf der Kötzschenbrodaer Straße), was sich im unermüdlichen Engagement im Umfeld des Festivals und zu den Veranstaltungen selbst zeigte. Die insgesamt neun Konzerte fanden zwischen Freitagabend und Samstagabend in der Lutherkirche, im Foyer der Landesbühnen Sachsen und im Areal des Weingutes Aust statt, wobei der Verfasser sich für jene im Weinberg am Sonnabend entschieden hatte. Ich gebe zu, dass ich nicht zu den Kennern der Materie gehöre, sondern mich eher nach dem von Sommer in seinem Artikel ausgerufenen Motto „Viel Vergnügen bei offenen Ohren“ richten und also unvoreingenommen auf die Musik einlassen wollte. Mit mir zusammen fanden sich dann zu spätnachmittäglicher Stunde schon geschätzte 60 entspannt wirkende Menschen im Weingut ein, wo an diesem Tag zwei Bühnen aufgebaut waren, auf denen die vier Acts – Three Fall, Kristin Amparo, Baby Sommer mit Michael Winkler sowie Tabitha Xavier mit Steffen Roth – spielten. Ungewöhnlich, aber in jedem Fall gelungen fand ich die Entscheidung, nicht auf einen großen Namen zu setzen, sondern über insgesamt fünf Stunden die Künstler kürzer, dafür manche auch mehrfach auftreten zu lassen. Nicht nur meiner Meinung nach waren die beiden Auftritte der schwedischen Sängerin Kristina Amparo besondere Höhepunkte, und dies nicht nur deshalb, weil sie sowohl den Beginn als auch das Ende des Konzertabends markierte.

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Foto: B. Kazmirowski

Mit selbst komponierten, stimmgewaltig und doch feinsinnig interpretierten, eher zum Soul tendierenden Stücken verlockte sie die auf Bänken sitzenden, im Gras liegenden und mit Weinglas am Rande stehenden Zuhörer zu gedankenverlorener Versunkenheit in der Musik, besonders in der abendlichen Dämmerung. Wie angenehm, wenn Zeit einmal so zu einem langen sinnlichen Moment gerinnt und inmitten der Natur still zu stehen scheint. Baby Sommer ließ es sich natürlich nicht nehmen, als Schirmherr des Festivals mit seiner Band auch selbst in Erscheinung zu treten und mit dem Saxophonisten Michael Winkler einen seiner facettenreichen Auftritte hinzulegen, bei denen vor allem seine Schlagzeugimprovisationen und die Soloparts Winklers die Aufführung zu einem volltönenden Erlebnis werden ließen.
Dem Vernehmen nach planen die Veranstalter nach der erfolgreichen Premiere auch für 2017 mit einer XJAZZ Edition Radebeul. Die ca. 400 Besucher in den Konzerten machen Mut und Lust auf mehr Jazzmusik zwischen Elbufer und Hangkante, wobei sicherlich die meisten Fans darauf hoffen, dass das unverkrampfte und natürliche Miteinander zwischen ihnen und den Veranstaltern einerseits sowie den Künstlern andererseits, wie ich es exemplarisch im Weingut Aust erleben durfte, erhalten bleibt. Eine Besonderheit dieses Konzertabends bei Winzer Aust war ganz gewiss der terminliche Zusammenfall mit der Eröffnung des Pressenhauses in der nahe gelegenen Hoflößnitz (siehe auch den Beitrag dazu im Heft), von wo gegen Abend einige Besucher des Bürgerfestes unverhofft noch den Weg zum Jazz fanden – und so einen kulturvollen Tag in kulturträchtigem Ambiente ausklingen lassen konnten.

Bertram Kazmirowski

Der „eiserne Ziller“ im Lößnitzgrund

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Feierliche Enthüllung der Gedenktafel                                         Foto: D. Lohse

Aller guten Dinge sind drei – also will ich noch ein drittes, für Radebeul wichtiges Beispiel für eine einer Person gewidmeten Gusseisentafel vorstellen. Dieses soll dann die lockere Folge (sh. V+R 08/15, V+R 02/16) solcher Tafeln in Radebeul beenden.
Doch nun sollten wir uns in den Lößnitzgrund nahe des alten E-Werkes begeben, was am 4. Juni 2016 knapp über 20 Personen, darunter der Oberbürgermeister, Herr Wendsche und der 1. Bürgermeister, Herr Dr. Müller, auf Einladung des Gartenamtes der Stadt und der Roland-Gräfe-Stiftung taten, um die Wiedereinweihung dieses Denkmals für Moritz Ziller von 1898 zu erleben. Als Zeichen, dass die Zillers auch heute noch gekannt werden, darf man die Anwesenheit von mehreren Eigentümern bzw. Bewohnern von Zillerhäusern werten! Um die Jahreswende 2014/15 war zunächst der Eindruck entstanden, das die Denkmal erklärende Eisentafel sei gestohlen worden, schließlich wird leider auch andern Ortes Buntmetall und auch Eisen entwendet und zu Geld gemacht. Später klärte dann eine gedruckte Info an der Natursteinwand darüber auf, dass die alte Tafel offiziell abgenommen wurde, um sie reparieren, bzw. erneuern zu lassen. Da tat man wohl den zweiten Schritt vor dem ersten, aber schließlich wurde die zuständige Denkmalschutzbehörde beim LRA in Großenhain doch noch beteiligt. Und nun, nach reichlich einem Jahr, haben wir eine neue Gusseisentafel (H=42,5cm, B=79,5cm – die Maße 57 mal 31cm in der SZ vom 21.5.16 entsprechen nicht der Realität), auf der an das Wirken des Baumeisters Moritz Ziller und den „Verein zur Verschönerung der Lößnitz“ erinnert wird; Material, Abmessungen, Inhalt (Zum Gedenken an den Baumeister – Moritz Ziller – Begründer des Verschönerungsvereins – Erbaut 1898) und Schrifttypen alles gleich, also haben wir jetzt eine Kopie. Die schadhafte und schlecht lesbare Originalplatte wurde archiviert.
Frau Funke vom Gartenamt und der Kunstmaler Herr Gräfe, haben sich um den organisatorischen Ablauf gekümmert, wobei es zu einer kostenmäßigen Teilung kam. Für den Guss und die Schrift sorgte die Firma Frank Geißler zusammen mit dem Schriftgestalter Bernd Wendisch. Interessant für mich war ein technisches Detail im Prozess der Erneuerung: für die Oberflächenbehandlung der neuen Platte wurde „mein“ Bäckermeister, Tobias Schimmel, zu Rate gezogen, denn Bäcker wissen manchmal noch, wie die Schwärzung von Backblechen durch Einbrennen von Öl gemacht wird. Es hat geklappt, die Gusstafel im Lößnitzgrund wurde so schwarz versiegelt. Schauen wir mal, wie lange das an der frischen Luft hält!
Da ich nach Fehlen der Tafel ein wenig Wirbel gemacht hatte, wurde ich logischerweise gebeten, zur Wiedereröffnung ein paar Worte zur Familie Ziller und der Geschichte des Denkmals zu sagen. Als ehemaligem Mitarbeiter der ehemaligen Denkmalschutzbehörde in Radebeul fiel mir das nicht schwer, hier der Text meiner kurzen Rede vom 4. Juni 2016.

Wer war Moritz Ziller und warum setzte man ihm im Lößnitzgrund ein Denkmal?

Moritz Gustav Ziller (1838-1895) war der zweitälteste Sohn des Radebeuler Baumeisters Christian Gottlieb Ziller, wurde selbst Baumeister und war für die Lößnitzorte wohl der Wichtigste aus der Ziller-Baudynastie. Der ältere Bruder Ernst hatte als Architekt eine überregionale Bedeutung erreicht und wirkte in Wien und Athen.7-101_0701 Kopie
Moritz Ziller übernahm 1859 das väterliche Baugeschäft, was dann ab 1867 durch Einstieg seines jüngeren Bruders Gustav als Firma GEBR. ZILLER arbeitete und große Bedeutung durch Art und Zahl der errichteten Häuser für Radebeul und die Umgebung hatte. Heute würde man von Marktführer sprechen, ohne die anderen Baufirmen in der Lößnitz wie Große oder Eisold unterschätzen zu wollen.
Moritz und Gustav Ziller hatten dabei auch immer das Stadtbild der Ober- und Niederlößnitz im Blick, sie bauten also nicht nur Häuser, sondern entwickelten bewusst ganze Straßenzüge wie die heutige Eduard-Bilz-Straße, Dr.-Schmincke-Allee oder Zillerstraße. Das hatte sowohl gestalterische als auch wirtschaftliche Hintergründe. Zusätzlich gab bzw. gibt es in allen drei Straßen noch künstlerische Höhepunkte: die Stelen am Alveslebenplatz und die verschwundene Siegessäule am Königsplatz (Eduard-Bilz-Str./ Augustusweg), das Rondell mit Brunnen und vier March-Figuren (Dr.-Schmincke-Allee) sowie der Zillerplatz mit Springbrunnen.
Darüber hinaus wirkte Moritz Ziller ab 1880 im „Verein zur Verschönerung der Lößnitz“ mit und war bis 1892 dessen Vorsitzender. Nach ihm hatten u.a. Bernhard Große und Robert Werner den Vorsitz im Verschönerungsverein, der nach Zusammenschlüssen noch bis 1945 bestand. Ein wichtiges Anliegen dieses Vereins war u.a. die Gestaltung des Promenadenweges im Lößnitzgrund, wo die Firma Gebr. Ziller mit der „Meierei“ eine Baustelle hatte, wo sie Steinbrüche betrieb und Lagerplätze hatte. Um 1900 müssen wir uns den Weg längs des Lößnitzbaches weitaus vielfältiger gestaltet vorstellen, als wir ihn heute erleben können. Weitere Anliegen des Vereins waren der Erhalt der Lößnitzlandschaft sowie die touristische Begleitung der Gäste. Er veranstaltete Benefizkonzerte, verwendete die Erlöse für Wegebau und Beschilderung derselben und gab Broschüren und Landkarten heraus.
Als Moritz Ziller 1895 siebenundfünfzigjährig starb, beschloss der Verein, ihm ein Denkmal für sein langjähriges, erfolgreiches Wirken zu errichten. Ein Platz dafür wurde im Lößnitzgrund unterhalb des Grundhofes gefunden, dessen damaliger Eigentümer Ing. Dehne ein Stück seines Landes abgab. Das Moritz-Ziller-Denkmal wurde dann 1898 feierlich eingeweiht. Eine halbrunde Stützmauer ringt dem mit Laubbäumen bestandenen Steilhang eine platzartige, ebene Fläche neben dem Weg ab. Seit dem erinnert eine gusseiserne Tafel in der Mitte der Mauer an den Baumeister Moritz Ziller. Zwei Sitzbänke bieten auch heute noch Wanderern die Möglichkeit, hier eine Pause einzulegen und vielleicht über Moritz Ziller und dessen Leistungen nachzudenken.
Diese Anlage hat die Zeit von über 100 Jahren relativ gut überstanden, wahrscheinlich wurden die Sitzbänke mal erneuert. Doch im Jahr 2015 stellte man Schäden an der Gusstafel fest und die Stadt Radebeul beschloss im Zusammenwirken mit der Roland-Gräfe-Stiftung, die Tafel erneuern zu lassen. Allen Beteiligten sei gedankt.
Wie hätte man zu Zillers Zeiten jetzt gesagt: dem Schutze des Publikums empfohlen!

Zur Gruppe der Eisenplatten in Radebeul hatte ich ursprünglich noch ein paar weitere Ideen, so kenne ich eine historische, gusseiserne Ofenplatte mit Wappen und anderem Zierrat. Doch diese Ofenplatte passt insofern nicht in die Reihe, da sie sich auf keine in Radebeul bekannte Person bezieht und sich außerdem in einem Innenraum einer Radebeuler Villa befindet, d.h., wohl unter keinen Umständen von Interessenten betrachtet werden könnte. Das Ziel, alle Gusstafeln in Radebeul zu betrachten und vorzustellen, hatte ich mir diesmal nicht gestellt. Damit klappe ich das „Kapitel Eisen“ in V+R erst mal zu.

Dietrich Lohse

Gebaut, um zu überzeugen

Zur Eröffnung des Pressenhauses der Hoflößnitz am 28.05.16

Feierliche Eröffnung am Pressenhaus

Feierliche Eröffnung am Pressenhaus Foto: B. Kazmirowski

Wer in den letzten Monaten aufmerksam unser Heft gelesen hat, dem konnte die Bedeutung der Hoflößnitz für die Außenwirkung Radebeuls als größter Ort entlang der Sächsischen Weinstraße einerseits und die Binnenwirkung dieses Identität stiftenden Ensembles aus Architektur und kultivierter Weinlandschaft für viele Radebeuler andererseits nicht entgehen (vgl. u.a. Heft 6/2015, 9/2015, 3/2016). Wann immer Altes aufgegeben und Neues geschaffen wird, wo immer Veränderungswillen auf Bewahrungserwartung trifft, sind enttäuschte Hoffnungen nicht ungewöhnlich, gleichzeitig aber auch die Chancen gegeben, bisher Un-Mögliches als willkommene Verbesserung zu begrüßen. Nach meinem Eindruck überwölbte dieser Spannungsbogen die feierliche Eröffnung des für etwa 1,5 Millionen Euro sanierten Pressenhauses am 28. Mai in Anwesenheit zahlreicher geladener Gäste aus Politik, Kultur, Wirtschaft und Tourismus.

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Schauraum: Präsentation aller sächsischen Weingüter Foto: B. Kazmirowski

Natürlich steht zu so einem Anlass vor allem die Frage im Vordergrund, inwieweit die ca. einjährige denkmalgerechte Sanierung des klassizistischen Baus – ausgeführt von Handwerkern überwiegend aus der Region – gelungen und die Funktionalität als neues touristisches Zentrum des sächsischen Weinbaus gesichert ist. Der erste Eindruck ist positiv, denn insbesondere das komplett umgebaute Erdgeschoss weitet sich vom an der Ostseite gelegenen Eingang über eine geräumige, hell und geschmackvoll eingerichtete Vinothek mit eingeschlossener Besucherinformation in einen holzverkleideten Schauraum, in dem erstmals alle sächsischen Weingüter in Kurzporträts vorgestellt werden. Man kann sicherlich darüber streiten, ob die mitunter nur sehr spärlichen Angaben eher Lust auf die unausgeführten Details machen, der von auswärts angereiste Weinliebhaber also neugierig wird und Weingüter gezielt aufsucht oder ob sie in ihrer Ähnlichkeit nicht eher doch langweilen. Die im gleichen Raum installierte multimediale Präsentation zum Weinbau in Sachsen wird nach vollständigem Aufbau den Anspruch einlösen müssen, Information mit Animation harmonieren zu können und den unterschiedlichen Besuchergruppen gerecht zu werden. Ein ganz eigener Nutzungsakzent im Gesamtensemble der Hoflößnitz wurde im völlig neu erschlossenen Obergeschoss des Pressenhauses mit der Schaffung eines sehenswerten Gesellschaftsraumes gesetzt, der gediegenen Feierlichkeiten mit bis zu ca. 80 Personen einen würdigen Rahmen verleiht. Freilich erfuhr ich auf Nachfrage beim Geschäftsführer der Stiftung Hoflößnitz, Jörg Hahn, der als Hausherr stolz durch die Räume führte, dass eine Vermietung in diesen Saal nicht nur seinen Preis hat, sondern auch unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit gesehen werden muss. Dem Vernehmen nach ist aber die Nachfrage nach dem Saal gut, was angesichts des fabelhaften Ausblicks auf die Weinlage Goldener Wagen und der Kooperation mit der Oberschänke als gastronomischer Partner auch nicht verwundert. Interessant in diesem Zusammenhang sind auch Hahns Visionen, die diesen Saal als Veranstaltungsort (z.B. für „Jugend musiziert“) umfassen, was eine begrüßenswerte Öffnung in die Stadtgesellschaft hinein sein würde. Woran ich mich jedoch störte, ist die in meinen Augen einfallslose Gestaltung des Treppenhauses und die Qualität der Türen im Obergeschoss, die nicht dem Niveau des Saales entsprechen.

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Veranstaltungsaal im Dachgeschoss Foto: B. Kazmirowski

Ich kann mir gut vorstellen, dass das Pressenhaus Schritt um Schritt eine Lücke zu füllen imstande ist, indem es fremdverkehrlichen Erfordernissen Rechnung trägt und zu einem Anlaufpunkt für Orientierung suchende Gäste wird. Ungelöst jedoch bleibt mindestens für die mittelfristige Zukunft die Bewirtschaftung der vormaligen „Schoppenstube“ als unbedingt nötiger gastronomischer Reiz und natürlich die museale Gestaltung des Schlosses im Sinne einer heimatkundlichen Bildungsstätte, denn das Pressenhaus kann in dieser Hinsicht nicht die an das Gesamtkonzept der Hoflößnitz gerichteten berechtigten Erwartungen erfüllen. Es bleibt zu wünschen, dass Radebeuler und Auswärtige das auch im Außenbereich in frischer Anmutung daherkommende Gelände der Hoflößnitz wieder so mit Leben erfüllen, wie es zum Eröffnungstag während des nachmittäglichen Bürgerfestes der Fall war. Möge Jörg Hahn, der sich dabei munter unter das Volk mischte und Rede und Antwort stand, und seinen Mitarbeitern bei ihrer alltäglichen Arbeit vor Ort sowie den Entscheidungsträgern in Stiftung und Stadt bei den anstehenden Entscheidungen ein glückliches Händchen beschieden sein.

Bertram Kazmirowski

Editorial 07-16

Vor einiger Zeit lag ein auf den ersten Blick scheinbar toter Vogel in unserem Garten. Bei näherem Hinsehen zeigte sich jedoch, dass er trotz seiner Reglosigkeit immer noch lebte. Lange kann er dort nicht gelegen haben, denn Radebeuler Gärten sind bekanntermaßen von Katzen äußerst frequentiert. In der Konsequenz hat das eine nicht unerhebliche Auswirkung auf die Population zahlreicher Vogelarten, insbesondere auf die allseits beliebten Singvögel.
Unser Vogel war mit seinen langen schmalen, schwalbenähnlichen Flügeln recht schnell als Mauersegler identifiziert. Das Gefieder war am Flügel zum Teil verklebt und leicht blutig. Zum Schutz wurde das kranke Tier zunächst in einen luftigen Schuhkarton verbracht. Am Samstagvormittag stellte sich dann unweigerlich die Frage: Wie kann man sinnvoll helfen?
Wir erinnerten uns, dass es im Umfeld eine Wildvogelauffangstation geben müsse. Und tatsächlich, nach kurzer Recherche machten wir uns auf den Weg nach Dresden-Kaditz. Unvermutet auf dem Gelände der Stadtentwässerung befindet sich seit 2007 Sachsens erste Auffangstation für Wildvögel, die vom Umweltzentrum Dresden getragen wird. Zwischen sachlichen Betriebsgeländebauten ist die Station hier oasengleich von zahlreichen Bäumen und Sträuchern umgeben. Die überaus netten ehrenamtlichen Betreuer nahmen sich des Tieres an. Glücklicherweise waren die Flügel nicht gebrochen. Parasitäre Lausfliegen schienen wohl die Ursache für die Schwächung gewesen zu sein. Trotz der medizinischen Betreuung war bei unserer Verabschiedung noch nicht abzuschätzen, ob der Mauersegler den Weg ins Leben wieder schaffen könne.
Einige Tage später fragten wir telefonisch zaghaft nach. Man sagte uns, dass er mit hoffnungsvollem Schwung davongeflogen sei.

Sascha Graedtke

Einmal im Jahr – eine Betrachtung zu den Ausstellungen des Radebeuler Kunstvereins

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Petra Graupner im Atelier Foto: I. Bielmeier

Einmal im Jahr, und das schon seit 20 Jahren, übernimmt der Radebeuler Kunstverein in den
Monaten Juli und August die Ausstellungsräume der Stadtgalerie in Altkötzschenbroda. Für einen Zeitraum von 5 Wochen sind wir als Verein für die Ausgestaltung, für die Betreuung und die
Sicherheit der Galerie zuständig. Für die Damen des Kulturamtes ist dann Urlaubszeit.
Das wird einigen von Ihnen, verehrte Leser, nicht unbekannt sein, aber ich will noch etwas zur Besonderheit und zum Verständnis dieser Ausstellung beifügen.

In meinen Ausführungen geht es um die Vorbereitung und Entwicklung der Ausstellung des Kunstvereins, die zwar in den Räumen der Stadtgalerie stattfindet, aber nur durch den Radebeuler Kunstverein getragen wird. Die Wahl des Künstlers oder der Künstlerin obliegt ebenfalls dem Verein, aber auch alle anfallenden Kosten, wie z.B. Transport, Werbung, Material, Versicherung sowie die Gestaltung der Eröffnungsfeier werden durch den Verein übernommen.

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Jörg Mai im Atelier Foto: I. Bielmeier

Da jede Ausstellung immer mit viel Arbeit verbunden ist, sind alle Mitglieder des Kunstvereins ganz persönlich in den Prozess der Ausgestaltung einbezogen. Natürlich blieb und bleibt die Regie und die Hauptarbeit bei unserer Vorsitzenden, Frau Ingeborg Bielmeier .
Eine Woche vor der Eröffnung geht es dann in die heiße Phase des Aufbaus und oft auch bei heißen Temperaturen. Wer von unseren Mitgliedern schon einmal dabei mitgewirkt hat, denkt aber gern an diese Aufbauwoche zurück. Sie ist immer produktiv und interessant, weil es viele Möglichkeiten und viele Lösungen bei Gestaltungen gibt. Und die müssen ausgehandelt werden. Es wird also beobachtet, geschleppt, gehängt, verworfen, korrigiert und umgehängt. Die Platzierungen, die Höhen, die Abstände, die genauen Bezeichnungen müssen stimmen und nach drei Tagen Arbeit muss es eine für alle Seiten zufriedenstellende Lösung geben.
Beurteilt wird das Resultat dann durch die Besucher, die sich am Sonnabend dieser Arbeitswoche zur Eröffnung der Ausstellung einstellen und genau beobachten, ob alles gut gelaufen ist.
So eine Eröffnungsfeier ist dann immer ein Höhepunkt im öffentlichen Leben, aber vor allem im Leben des ausstellenden Künstlers. Freunde und Kollegen sind gekommen. Viele Interessenten sind da. Die Stimmung ist festlich. Es gibt eine Laudatio auf das Werk und den Meister, Blumen, nette Worte, Wein, Musik und später oft auch eine zauberhafte Julinacht im Garten der Stadtgalerie.

Einige Wochen später erfolgt dann noch ein Kunstgespräch, zu dem auch die Öffentlichkeit immer eingeladen ist. Ich erinnere an die Gespräche und an die Ausstellung mit Siegfried Klotz, Volker Mixa, Malgorzata Chodakowska u.a.m.

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Plastik von Petra Graupner Foto: I. Bielmeier

Vielleicht interessiert Sie noch, liebe Leser, wie wir aus den fast 1000 Künstlern, die in und um Dresden leben, diejenigen fanden, die bei uns ausstellten. Wir haben das Glück, mit Inge Bielmeier eine Vorsitzende zu haben, die sich in der Dresdner Kunstszene hervorragend auskennt und der sich auch alle Türen öffnen.
Mit ihr besuchten wir im Verlauf der letzten 20 Jahre etwa 200 Künstler: Maler, Grafiker, Plastiker, Schrift-, Glas-, Textilgestalter.
Für die Vereinsmitglieder waren diese Besuche im Atelier immer etwas Besonderes. Und schön, im Sinne von anregend und ästhetisch, ist es bei „Künstlers“ immer. Hier, bei diesen Atelierbesuchen, entstanden die Ideen zu den Ausstellungen. Bis zur Realisierung verging meist noch eine Zeit. Aber manchmal entschieden wir uns ganz schnell. So z.B. im letzten Jahr bei Ursula Güttsches, der Bildhauerin aus Borsberg bei Pillnitz. Wir waren nicht nur von ihrem plastischen Werk, ihren großformatigen Grafiken und ihrem Katalog überrascht, sondern auch von ihrem Umfeld, einem ehemaligen Bauernhof, dem sie mit ihrer Kollegin ein völlig neues Antlitz gegeben hatte.

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Grafik von Petra Graupner Foto: I. Bielmeier

In diesem Jahr erfolgte die Entscheidung nicht so spontan, aber wir hoffen, eine gute Wahl mit den beiden Dresdner Künstlern getroffen zu haben.
Petra Graupner und Jörg Mai werden vom 15. Juli – 21. August (Öffnungszeiten: Di, Mi, Do, So, 14-18 Uhr) bei uns ihre Werke zeigen. Es sind Bilder, Plastiken und Grafiken, die Arbeits- und Herangehensweisen zeigen, die wir so noch nie gesehen haben. Beide spannen ihre Kontraste und Möglichkeiten weit aus. Wir begegnen zarten, in den Raum greifenden Plastiken, wundersamen Grafiken, skurrilen altmeisterlich gemalten Bilden in attraktiven Größen. Und die Arbeiten sind auch schön im eigentlichen Sinne. Wir sind uns sicher, dass auch diese Ausstellung ihre Bewunderer in unserer Öffentlichkeit findet und laden Sie, liebe Leser, herzlich nicht nur zur Eröffnung am 15.7., 19.30 Uhr, in die Stadtgalerie ein.

Gudrun Täubert

Andreas Hanske – Fährtensuche

Malerei, Collagen und Objekte in der Stadtgalerie Radebeul

Der Geruch von Nelkenöl und frischer Farbe durchzieht die Räume der Galerie. Zwischen den zum Teil sehr großformatigen Bildern wirkt der agile Künstler noch zierlicher als er ohnehin schon ist.

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Andreas Hanske vor seinem Bild »wie geerdet«, 2016, Kasseintempera auf Leinwand             Foto: K. (Gerhardt) Baum

Die Einladung zur Personalausstellung in der Radebeuler Stadtgalerie bedeutet mir viel“ meint Andreas Hanske beim Ausstellungsaufbau, denn es ist das erste Mal, dass er seine Werke in der Heimatstadt präsentiert. In Radebeul-Niederlößnitz 1950 geboren, verbrachte er hier seine Kindheit und Jugend. Mit der Ausstellung ´Fährtensuche´, nunmehr also dem ´Alterswerk´, kehrt er mit einem bemalten Waschtrog-Deckel (welcher aus dem Elternhaus stammt) und vielen Erinnerungsfetzen an den Lebensort seiner frühen, grundlegenden Bildung zurück. Neben vorwiegend neuen und neuesten Werken, die zwischen 2014 und 2016 entstanden sind, werden auch einige aus länger zurückliegenden Schaffensperioden gezeigt, darunter eines der ersten Porträtbilder aus dem Jahr 1979 sowie archaisch anmutende erdenschwere Gouachen aus dem Zeitraum von 1984 bis 1985. Ebenfalls im Kontrast zu den expressiv-abstrakten Bildern in leuchtender Farbigkeit stehen kleinformatige übermalte Fotocollagen aus dem Jahr 2015 mit aktuell konkretem Bezug zur Flüchtlingsproblematik `feldwege – erdhöhlen – kirchtürme` oder dem IS-Wahnsinn ´das reich der nacht erreicht´.
Als Künstler ist Andreas Hanske ein so genannter Autodidakt. Sein beruflicher Werdegang verlief zunächst in DDR-konformen Bahnen. Dem Abitur und der Ausbildung zum Maschinenschlosser im VEB Druckmaschinenwerk Planeta folgte nach Absolvierung des Grundwehrdienstes ein Studium an der Bergakademie Freiberg. Danach arbeitete er zwei Jahre als Geophysiker in Leipzig. Sein Freundeskreis war naturwissenschaftlich orientiert. Zu Künstlern hatte er bis dahin kaum Kontakt. Doch im Jahr 1978 kam es (nicht nur für ihn) zum radikalen Bruch. Die Intellektuellen und Kreativen intervenierten gegen Bevormundung und Agonie. Hanskes Gründe für den Ausstieg waren sowohl gesellschaftlicher als auch persönlicher Art. Er gab die finanzielle Sicherheit auf und wendete sich fortan dem künstlerischen Schaffen zu.

Prägend wurde besonders in den ersten Jahren die Bekanntschaft mit dem Dresdner Maler Willy Günther. Dieser regte ihn zur Auseinandersetzung mit der Gouachemalerei an, welche bis Ende der 1980er Jahre die bevorzugte Technik blieb. Verschiedene Drucktechniken erprobte er bei dem Grafiker Alfred Erhard in Ilmenau. Neben der Malerei und Zeichnung spielten ab 1985 der Holzschnitt und die Holzbildhauerei, später auch die intermediale Performance mit Aktionsmalerei, Textvortrag und Musik eine zunehmende Rolle. Mittelpunkt ist – bis heute – allerdings immer die Malerei geblieben. Neu ist die speziell durch ihn entwickelte Technik Kasseintempera.

Hanskes Bildungseinrichtungen waren die Bibliotheken. Moderne Kunstströmungen und handwerkliche Techniken studierte er in Katalogen und Fachbüchern. Besonders interessierten ihn der amerikanische Expressionismus und die informelle Malerei.

In expressiv gegenständlicher Manier entstanden zunächst Porträts, Landschaften und Stillleben. Danach arbeitete er rein abstrakt. Anfang der 1990er Jahre setzte er sich verstärkt mit Farbe und Struktur auseinander. Sobald er jedoch begann, Formen einzufügen, war der Bezug zum Gegenstand wieder da. Hanske sagt von sich, dass er keinen Plan mache, er wisse nie, was zum Schluss rauskommt. Die Bilder entstehen aus sich selbst.

Andreas Hanske lebt und arbeitet, abgesehen von kurzen Unterbrechungen, nunmehr seit vier Jahrzehnten in Leipzig. Die dortige Kunstszene war ab Ende der 1970er Jahre sehr lebendig und zunehmend subversiv, was auch reichlich Konfliktpotenzial in sich barg. Nach einem dreijährigen Intermezzo in Ilmenau kehrte er 1981 zu den Leipziger Künstlerfreunden zurück, welche sich auf der Suche nach unkonventionellen Ausdrucksmöglichkeiten zu einer Künstlerinitiative zusammengefunden hatten. Sie verstanden sich als die „neuen Unkonkreten“ und setzten sich ganz bewusst von der Leipziger Hochschulkunst ab. Erstmals stellten sie ihre Werke 1983 in der Wohnung des selbsternannten Galeristen Gerd Harry „Judy“ Lybke aus, die kurzerhand zu einer Untergrundgalerie umfunktioniert worden war und als Galerie EIGEN+ART schon bald über die lokalen Grenzen hinaus bekannt werden sollte.

Die Aufnahme in den Verband Bildender Künstler brachte ab 1984 eine gewisse soziale Absicherung. Auch war es für den Autodidakten Hanske wohl eine wichtige künstlerische Bestätigung, dass der Leipziger Maler und Grafiker Frieder Heinze die Mentorenschaft übernommen hatte. Offizielle Ausstellungsmöglichkeiten blieben für den Unangepassten jedoch rar.

Der gesellschaftliche Umbruch wurde für die DDR-Künstler zur Achterbahnfahrt mit mit Höhenflügen und Abstürzen im schnellen Wechsel. Die Gründung des Kunstvereins „Mobiles Büros für Erdangelegenheiten“ zu Beginn der 1990er Jahre mit Sitz in Leipzig und Köln, ermöglichte für ein reichliches Jahrzehnt zahlreiche Aktionen und Happenings im öffentlichen Raum und setzte viele kreative Ideen frei.

Ein Stück Kunstgeschichte schrieb im Jahr 1990 die letzte und größte Werkschau ostdeutscher Subkultur. Der Kunstwissenschaftler Christoph Tannert hatte 200 Künstler aus der DDR zum dreitägigen Kunstspektakel mit Bildender Kunst, Literatur, Musik, Tanz und Aktionskunst nach Paris eingeladen. Andreas Hanske erinnert sich schmunzelnd: „Alle Ausstellungsteilnehmer wurden zum Empfang in den Élysée-Palast eingeladen und François Mitterrand schüttelte jedem persönlich die Hand.“

Als das Ende der DDR schon absehbar war und noch einige Jahre danach wurde den Untergrundkünstlern große Aufmerksamkeit entgegengebracht. Westleute kamen in die Ateliers und kauften. Das ging eine Weile gut. Danach brachen die Hungerjahre an.

Obwohl Andreas Hanske seine Arbeiten regelmäßig auf Messen und in Galerien präsentierte, wurde die finanzielle Lage schließlich immer prekärer. Von 2002 bis 2003 schulte er zum Webdesigner um. Erst 2008 folgte wieder nach längerer Pause eine Personalausstellung mit neuen Bildern. Die Ausstellung „hyle – wildwuchs“, welche er 2013 im Sächsischen Landtag zeigte, gehört zu seinen bisher umfangreichsten Retrospektiven.

Andreas Hanskes Lust am Malen und spielerischen Experimentieren ist bis heute ungebrochen. Die Rente wirkt wohl existenziell befreiend wie ein bedingungsloses Grundeinkommen. Es bleibt also nach wie vor spannend, was der Ausstellung „Fährtensuche“ folgen wird. Doch zunächst sind alle interessierten Kunstfreunde bis zum 3. Juli herzlich in die Stadtgalerie eingeladen.

Karin (Gerhardt) Baum

Mit Tom Tagtraum durch das Jahr 2016 – Teil 6

Du musst Träumen ihre Entstehung zulassen, denn nur so kann irgendwann ein Teil davon auch Wirklichkeit werden.

Bei den strahlenden Steinen

„Ja, vielleicht später…“, so verabschiedet sich Tom schnell von Tilla, Tim, Tina und Johanna, „vielleicht ganz zum Schluss“. Jetzt, am frühen Schneewintermorgen im Gebirge bei den strahlenden Steinen, ist Tom Tagtraum nicht zu allererst nach Erdbeersahnetorte vom Bäcker Rehenbusch zumute. Schließlich hat Tom eben den unsichtbaren Schlittenlift erfunden und es gilt, ihn auszuprobieren. Toms holz-beiger Hörnerschlitten wird also den Geisberg hinauf gezogen, damit er den Tellkoppberg hinab rodeln kann. Huiiii geht das flott durch den frischen Pulverschnee! Und schon wartet der unsichtbare Schlittenlift – dessen Vorteil sich jetzt auch darin erweist, dass er nicht so starr befestigt ist wie die Skilifte sonst überall – unten am Tellkoppberg. Auf einen Blick und einen Wink von Tom Tagtraum ist der unsichtbare Schlittenlift mal hier und mal da installiert und Tom kann nach Herzenslust rodeln in einer Gegend, die hier sogar sieben Rodelberge hat.
„He, unsichtbarer Schlittenlift hierher, unsichtbarer Schlittenlift nach da.“ Siebenundsiebzig Mal saust Tom mit seinem holz-beigen Hörnerschlitten die sieben Berge hinab, erst danach bekommt er mächtigen Hunger und kauft sich an einer Imbissbude ein Stück Tomatenmohnmozarellaeierkuchen mit Schokoerdbeersirup, ja das Geld reicht sogar noch für eine süße Heringswaffel in Form eines Dinosauriers, die mit ganz frischen Kichererbsen gefüllt ist. Tom beginnt laut vor sich her zu lachen. Ist das nun aus einer Art beigefarbener Hörnerschlittenlaunigkeit heraus oder gar die Erkenntnis, hier auf dem Bienenhummelberg der Lösung aller nie gelösten Matheaufgaben näher gekommen zu sein, weil die Schule da ganz unten im Tal zurück bleibt? Und um wie viel näher scheint jetzt die Lösung aller Chemiearbeiten, hat Tom doch in der Nähe des alten Bergstollens einen jener strahlenden Steine gefunden, von dem das Gebirge hier seinen Namen hat. Die silbrigen Erze blinkern Tom an. Der Stein trägt weder Armbanduhr, Handy noch E-Mail-Adresse, und hätte er einen Reisepass, welches Geburtsdatum stünde da wohl drin? Und haben nicht erst die Menschen den Steinen Namen gegeben? Noch eine Weile bestaunt Tom den Stein und fühlt dabei, dass der seine Hände recht angenehm wärmt. Aber da wird es längst Zeit für den Nachhauseweg und als Tom jetzt, es mag das neunundneunzigste Mal gewesen sein, etwas langsamer ins Tal hinab rodelt, verschwindet der unsichtbare Schlittenlift. Vielleicht für immer, vielleicht nur bis zum nächsten Mal…

„Beeil dich, Tom“, rufen Tilla, Tim, Tina und Johanna wie aus einem Mund, denn die Scheinwerfer des dunkelroten Zuges, mit dem alle heute früh gemeinsam aufgebrochen waren, sind vom Tunnel aus schon zu sehen. Am Bahnhof Geisberg steigen alle zu, und von der Müdigkeit nach dem Rodeltag in frischer Gebirgsluft und der wohligen Wärme im Zug schlafen unsere Freunde bald ein wenig. Tilla träumt von sauren Gurken, Tim von einem Computerspiel, Tina von der Ballettschule und Johanna von Bildern, die sie bald malen will. Tom fühlt im Schlummer noch die Wärme des strahlenden Gebirgsglitzersteines in seinen Händen und sieht, wie der sich in einen Spickzettel mit allen Mathe- und Chemielösungen verwandelt. Nicht nur der Globus, auch der ganze Sternenatlas beginnt sich in ihm zu drehen und außerdem…. Pst! Der Zug mit unseren Freunden kommt erst in 41 Minuten zu Hause an. Für heute ist das genau die richtige Zeit zum Träumen.

Tobias Märksch

Verleihung des David-Schmidt-Preises 2016 im Noteingang Radebeul

29. April 2016. Ein Abend, an dem es eng wird im Noti. Aber weit ums Herz. Denn hier sammelt sich eine kleine Menschheit für das große Ganze: Personen, Initiativen, Vereine, Institutionen – Leute, die ehrenamtliches und professionelles Tun für andere Menschen zusammen auf tragende Säulen stellen. Einen Säulenheiligen braucht es nicht, aber ohne das gelebte Beispiel und die Inspiration von David würden wir nicht hier sein. Er hat begonnen, als wir noch dachten, es hätte Zeit. Er hat uns vorgemacht, wie es gehen kann und so vielen Menschen den Mut gegeben, sich für eine bessere Gesellschaft einzusetzen und Hass und Rassismus wirkungsvoll entgegenzutreten.

Hauptpreis und Trostpreis Foto: S. Graedtke

Hauptpreis und Trostpreis
Foto: S. Graedtke


Alle wissen, dass nur vier der zahlreichen Bewerber*innen und Vorgeschlagenen einen Preis gewinnen können. Alle Jurymitglieder versichern, wie schwer die Auswahl gefallen ist. Das kann man leicht glauben, schaut man nur in die Gesichter der Couragierten, Engagierten, Erfahrenen oder ziemlich Neuen der Szene. Ja, die gibt es inzwischen. Und sie wird interessiert beobachtet, auch wenn die Beobachter heute Abend nicht unbedingt anwesend sind.

Die Spannung ist groß, denn alle Beteiligten haben dichtgehalten. Und zuerst berichten drei junge Frauen davon, was sie mit Agenda Alternativ mit dem Preis 2015 im erzgebirgischen Schwarzenberg bewirkt haben. Das Geld und der damit verbundene Aufwind half ein wundervolles, politisches Punkrockfestival aufzuziehen. Ein Video vermittelt etwas von der tollen Stimmung dort.

Irgendwie ist David auch hier – und sei es einfach durch seine „Kochstudio“-Videos. Herrlich selbstgedreht, abgedreht, humorverdreht. Das macht, dass alle lachen können, obwohl das Datum nicht dazu herausfordert. Wenn einer an seinem 29. Geburtstag, der ein 29. April ist, schon wieder gehen muss, ist das zutiefst bestürzend. Man darf deshalb auch mit den nächsten Angehörigen und Freund*innen trauern.

Doch die legen Wert darauf, dass hier auch ein Geburtstag gefeiert wird. Man kann es sich so zurechtlegen, dann wird er ein wenig erträglicher, dieser Tag.

Tröstend ist vor allem die Gesellschaft dieser Vielen – es waren zirka 200 –, die auch weite Wege in Kauf genommen haben, um dabei zu sein, wenn die Wahl der Preisträger*innen verkündet wird.

Bei einem Vorschlag war es sofort klar: Dieses Projekt ist zwei Nummern zu groß für den David-Schmidt-Preis. Ein international agierendes, unglaublich mutiges Team, das die Not der Geflüchteten noch auf ihrem Weg lindern hilft, genannt Dresden-Balkan-Konvoi. Drei Mitglieder waren gekommen, um ihr Projekt vorzustellen. Es ist umwerfend! Jetzt bereiten sie gerade einen Seenotrettungsdienst vor. Spontan spendeten einige der Anwesenden etwas Geld, so dass es zwar keinen Preis, dafür aber eine Wertschätzung in Form von Taschengeld-Teilung mit auf den Weg geben konnte.

Gewinnen wollen alle, und das können sie auch. Der Tisch, wo mitgebrachte Flyer, Karten, Schildchen und Broschüren ausgelegt werden, ist immer umlagert. Der reichliche Platz im „Noteingang“ wird ausgefüllt mit kleinen Gruppen im munteren Gespräch. „Wie macht ihr das, wann habt ihr angefangen, wer hilft euch, wie läuft‘s?“

Dies ist eine Veranstaltung, bei der das Buffet nicht gestürmt wird. Gemächlich wechselt man mit seinem Gesprächspartner hinüber, wo der Falsche Hase aufgetischt hat: vegan, köstlich, für jeden zu geniessen. Integration auch beim Essen.

Die Preisträger*innen 2016:
David-Schmidt-Preis für eine Initiative: AG Geschichte Treibhaus in Döbeln
David-Schmidt-Preis für eine Einzelperson: Dilara Karabacak
Sonderpreis des Noteingang e.V. gegen Cyberhate: Meißen watch
Sonderpreis der Hans-Böckler-Stiftung für Engagement von / für Geflüchtete: FAS-Freitagscafé der Freien Alternativschule Dresden

Christine Ruby
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Alle Nominierten und weitere Informationen unter: www.david-schmidt-preis.de
Facebook-Seite: https://www.facebook.com/david.schmidt.preis/

Es tat sich was in der Finsteren Gasse

Sensible Gemüter unter den Lesern möchten vielleicht weiterblättern, denn sie könnten vermuten, in den folgenden Zeilen wird „Schröckliches im Sinne einer Moritat“ ausgebreitet, etwa der Überfall einer Postkutsche, ein Diamantenraub oder gar Mord! Aber nein, ich kann Sie versichern, es wird eher harmlos, es geht um Straßenbau, genauer gesagt, um die Reparatur eines Radebeuler Weges namens Finstere Gasse. Die meisten Radebeuler werden diesen Wander- und Verbindungsweg (er ist Teil des Radebeuler Weinwanderweges) in Niederlößnitz sicherlich kennen, u.a. auch deshalb, weil im August 2014 hier die pressewirksame Elch-Geschichte ihren Anfang nahm. Interessant ist der Weg sicher zu jeder Jahreszeit, am angenehmsten aber im Sommer, wenn man beim Aufstieg den Schatten der Bäume und die Feuchte der alten Mauern wie eine Erfrischung spürt.

»Finstere Gasse im Winter 2010«, Thilo Hänsel

»Finstere Gasse im Winter 2010«, Thilo Hänsel


Der Weg Finstere Gasse ist im steilsten, mittleren Abschnitt sehr alt, mindestens so alt wie das Minckwitz’sche Grundstück, dessen östliche Flanke der Weg bildet, also etwa 300 Jahre, wahrscheinlich aber noch älter. Ein unterer und ein oberer Abschnitt haben straßenähnlichen Charakter, doch in der Mitte der Finsteren Gasse war immer nur ein Weg. Ältere Radebeuler erinnern sich vielleicht, dass vor etlichen Jahren ein Trabbifahrer die Durchfahrt mal geschafft haben soll. Sicher mit Kratzern, denn der Weg ist eng und das Befahren nicht im Sinne des Erfinders. Über die Jahrzehnte und Jahrhunderte muss der Weg verschiedene Arten von Befestigungen gehabt haben: vielleicht eine leichte Wegedecke (ähnlich der sandgeschlämmten Schotterdecke), da war die Gefahr des Abspülens bei Starkregen natürlich groß, eine Pflasterung, die aber auch durch Ausspülung lückenhaft wurde und in jüngerer Zeit sogar mal eine Schwarzdecke, die auch nicht lange hielt. Bis zum Jahr 2015 waren von all dem nur noch Reste zu erkennen und es bestand eine erhebliche Unfallgefahr für Benutzer des Weges. In der Situation plante die Stadtverwaltung 2015 dann eine grundhafte Erneuerung – längere Haltbarkeit, eine gute Begehbarkeit (für einen Wanderweg konnte man die Begehung mit hochhackigen Schuhen ausschließen) und relativ kurze Bau- und Sperrzeiten waren unter einen Hut zu bringen.
Entfernung der Schwarzdecke Foto: D. Lohse

Entfernung der Schwarzdecke
Foto: D. Lohse


Das scheint der Stadt mit Wildpflaster, das aus einem ehemaligen Dresdner Kasernengelände stammte (Sekundärverwendung) und auch mit der Wahl der Baufirma Hausdorf aus Tauscha gut gelungen zu sein. Auch die Wahl der eingesetzten Technik, ich sah u.a. einen kleinen, schmalen Bagger, war optimal auf die Enge des Weges ausgerichtet. In der Wegmitte ist das Wilpflaster (wohl eine Syenit- oder Granitart) zu einer flachen Mulde ausgebildet. Ob das Oberflächenwasser darin seinen Weg findet, muss sich noch zeigen.
Wildpflaster, nach der Sanierung Foto: D. Lohse

Wildpflaster, nach der Sanierung
Foto: D. Lohse


Laut Radebeuler Amtsblatt vom April d.J. betrugen die Baukosten 30.000€.

Bisher konnte man, wenn man genau hinschaute, noch ein älteres Recht, das sogenannte alte sächsische Wegerecht, erkennen. Das beruhte darauf, dass Wege und kleinere Straßen in der Mitte flach eingesetzte Grenzsteine, hier Sandstein ursprünglich mit eingemeißeltem Kreuz, hatten und die Anlieger sich jeweils in der Länge ihres Grundstücks und bis zur Mitte des Weges um Bau, Erhalt und Reinigung des Weges kümmern mussten. Die Kommunen hatten also früher mit dieser Art Weg nichts zu tun. Die alten, z.T. noch vorhandenen Grenzsteine der Finsteren Gasse wurden stehen gelassen und so sollte eine Erinnerung an das historische sächsische Wegerecht gezeigt werden. Bei einer Begehung sah ich nur noch wenige davon, was vielleicht auch daran gelegen haben könnte, dass der neue Weg mit Material (Sand, bzw. Feinsplitt) bestreut war, was durch Regen noch eingeschwämmt werden sollte. An anderen Stellen in Radebeul, so z.B. am Strakenweg, konnte man bislang auch noch den Grenzverlauf in der Wegmitte erkennen, doch eine Rechtswirkung geht davon nicht mehr aus, da inzwischen die meisten Rechte abgelöst und die Wege in das städtische System übernommen wurden. Auch hier hatte die Stadt die geschilderte Maßnahme zur Verbesserung der Begehbarkeit eines Weges selbst beauftragt und auch finanziell beglichen.

Unser Dank gilt Frau Heike Funke von der Abteilung Stadtgrün der Stadtverwaltung, die die Koordinierung der Aufgabe übernommen hatte, und auch der o.g. Baufirma. Die Ausführung erfolgte fachgerecht und fügt sich gut in das Landschaftsschutzgebiet der Lößnitz ein – hoffen wir für uns und unsere Gäste auf eine lange Haltbarkeit.

Dietrich Lohse

Ein vollendetes Leben

15. Februar 1927 – Max Manfred Queißer – 4. Mai 2016

Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen,
die sich über die Dinge ziehn.
Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,
aber versuchen will ich ihn.

Ich kreise um Gott, um den uralten Turm,
und ich kreise jahrhundertelang;
und ich weiß nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm
oder ein großer Gesang.

(Rilke)

Als geschlossener Kreis ist der Ring eine vollkommene Form; in jedem Schließen eines Kreises liegt Vollendung.

Foto: G. Queißer

Foto: G. Queißer


Am 4. Mai 2016 hat sich der Lebenskreis des Malers Max Manfred Queißer geschlossen. Wie Rilke, so glaube ich, hat auch er versucht, baumgleich seinem Leben Ring um Ring hinzuzufügen, jeden Wandel, jede große oder kleine Veränderung als einen Zugewinn begrüßend. So wurde Manfreds Leben ein vollendetes Leben.

Das war keineswegs selbstverständlich.

Im Februar 1927 wurde er in Freital geboren. Als er 1933 in die Schule kam, war schon alles darauf ausgerichtet, ihn und seine Mitschüler auf das sogenannte große Ziel ihres Lebens vorzubereiten: Den Heldentod. Tatsächlich folgte dann nach einer Lehre zum Maschinenschlosser 1944 die Einberufung zum Kriegsdienst, der für ihn (zum Glück nur) in sowjetischer Kriegsgefangenschaft endete. Es dürfte ihm sehr schmerzlich geworden sein erleben zu müssen, daß das Wort Heldentod nun auch unter uns, in der freiesten aller möglichen Gesellschaften, wieder angekommen ist. An den traumatischen Erlebnissen der Zeit zwischen 1944 und 1948, die er selbst als gestohlene Jahre bezeichnete, hat er bis in seine letzten Tage hinein schwer zu tragen gehabt.

Auf der Suche nach dem Leben begann Manfred zu malen, die Ateliers befreundeter Maler waren hier seine Lehrstuben.

Die Suche nach einem Beruf führte 1968 zu einer Promotion an der TU Dresden, der einundzwanzig Jahre wissenschaftlicher Tätigkeit als Kultursoziologe folgten. Dank enger freundschaftlicher Beziehungen zu Friedrich Kracht, Karl-Heinz Adler und der Genossenschaft Kunst am Bau verlor er die Kunst auch während seiner Berufsjahre nie ganz aus den Augen. Als Mitglied des redaktionellen Beirates der Fachzeitschrift Form+Zweck lag ihm die Belebung des BAUHAUS-Gedankens besonders am Herzen.

So gelang es ihm, Ring um Ring zu einem Leben zu fügen.

Gerlinde, seine zweite Ehefrau, mit der er seit 1976 in Radebeul lebte, brachte neue Farben ins Spiel: Sie teilten nun Leben und Werk. Die agile kleine Frau teilte mit ihm ihre Jugend, die freie Innenarchitektin bezog ihn gern in ihre Projekte ein. Gemeinsam entwickelten sie künstlerische Gestaltungskonzepte. Schließlich ermunterte sie ihn, sich ab 1990 mit neuer Energie der Malerei zu widmen und organisierte ihm, als er die Sicherheit wiedergewonnen hatte, weit über Radebeul hinaus zahlreiche Ausstellungen.

Friedrich Schorlemmer nannte in seiner Gedenkrede drei Säulen, um die sich die Ringe dieses Lebens zogen: eine politische Philosophie, die Musik und die Malerei. Andreas Schorlemmer fügte hinzu, was alle verband: die Liebe.

Frucht dieser Liebe war Sohn Friedemann, der in seinem Namen Vaters Hoffnung trägt, nie wieder einen Krieg erleben zu müssen. Hoffen heißt, schrieb Friedrich Schorlemmer, an einen Überschuß glauben und aus solchem Vertrauen Handlungskraft gewinnen.

Max Manfred Queißer hat, vom Vertrauen der Liebe getragen, eine Handlungskraft besessen, die ihn bis fast zuletzt den Pinsel führen und ihn auch dann noch immer wieder zu Spaziergängen aufbrechen ließ, als ihm das Alter schon das Gehen unmöglich machen wollte. Der große Mann mit dem herzlichen Lachen und dem wehenden weißen Haar fehlt nun im Stadtbild, denn er hat den letzten Ring vollendet und ist ein Teil geworden vom großen Gesang.

Thomas Gerlach

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