Verleihung des Sächsischen Bürgerpreises

Dies war innerhalb einer Woche die zweite Preisverleihung an der ich teilnahm.
Grund war der Vorschlag der Großen Kreisstadt Radebeul, unseren Verein Radebeuler Monatsheft e.V. „Vorschau & Rückblick“ für den Sächsischen Bürgerpreis, gestiftet vom Freistaat Sachsen, der Kulturstiftung Dresden der Dresdner Bank und der Stiftung Frauenkirche vorzuschlagen. Zum sechsten Mal erfolgte dessen Vergabe, mit dem Ziel, ausgewählte herausragende bürgerschaftliche Aktionen für gesellschaftliche Werte in den Blickpunkt der Öffentlichkeit zu rücken, verbunden mit Dank und Anerkennung. Der Preis wurde in fünf Kategorien vergeben: gesellschaftlich-soziales oder kulturell-geistliches Engagement, Engagement in der Schule oder im Sport für Demokratie und Toleranz und erstmalig in der Arbeit mit Flüchtlingen. Dotiert ist er mit jeweils 5000 Euro.
Am 17.10.2016, an dem Tag, an dem sich Dresdner Bürgerinnen und Bürger als Zeichen für Demokratie, Toleranz und Respekt zum Bürgerfest vor der Frauenkirche trafen, versammelten sich in deren Unterkirche 118 Personen und Initiativen aus Sachsen, die nominiert worden waren – darunter auch „Vorschau & Rückblick“, Mitwirkende der feierlichen Verleihung sowie Gäste. Nach der Begrüßung durch den Pfarrer der Frauenkirche Sebastian Feydt und einem Grußwort des Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich, folgte der Festvortrag von Freya Klier. Schwerpunkt war die Darstellung der Situation der vietnamesischen Arbeitskräfte in der DDR. Zum Schluss ihrer Rede bekam der MDR für wiederholt übergewichtige Berichterstattung zu PEGIDA Schelte. Insbesondere galt das für die Feierlichkeiten zum Tag der deutschen Einheit. Sie vermisste das Vermitteln der von ihr erlebten überwiegend positiven Stimmung.
In unserer Kategorie „kulturell-geistliches Engagement“ warteten 28 auf die Auszeichnung. Nun, wir bekamen sie leider nicht. Die Jury entschied sich für die Initiative „Städtische Bibliotheken Dresden, Ehrenamtlicher Bücherhausdienst“.
Leicht ist es sicher nicht , unter den vielen ehrenamtlich Engagierten in der jeweiligen Kategorie einen Preisträger zu benennen. Gratulation den Gewinnern.
Wir machen selbstverständlich auch ohne Preis weiter. Herzlicher Dank an alle Förderer und Freunde von „Vorschau & Rückblick“!

Ilona Rau

Mit Tom Tagtraum durch das Jahr 2016 – Teil 11

Du musst Träumen ihre Entstehung zulassen, denn nur so kann irgendwann ein Teil davon auch Wirklichkeit werden.

Das viertürmige Schloss zum Märchenfilm

In einem viertürmigen Schloss, das auf einer Insel inmitten eines Teichs steht und nur über eine Brücke von der Straße zu erreichen ist, findet eine Ausstellung statt. Nun, an sich ist das nichts Besonderes, denn in den meisten Schlossmuseen sind alte Möbel, Gemälde, Porzellan, Pferdekutschen und Jagdgeweihe zu bewundern. In unserem viertürmigen Schloss aber gibt es eine Ausstellung über einen Film. Es ist ein wundervoller Märchenfilm, der hier in der Gegend um das Schloss entstand. Das ist schon eine ganze Weile her, aber noch heute läuft dieser Märchenfilm vor allem in der Weihnachtszeit im Fernsehprogramm, ja sogar im Kino, begeistert immer wieder die Kinder von damals, die heute längst Eltern und Großeltern geworden sind. Und das Allerschönste ist, die nachgeborenen Generationen finden auch herzliches Gefallen an diesem Film. Wir können also ruhig annehmen, dass unser Märchenfilm damals vor allem mit viel Liebe und herzlicher Innigkeit entstand. Die Bilder des Filmes zaubern, denn die hastende Jetztzeit hält scheinbar vor ihnen inne. Tom ist, was auch sonst, unterwegs zu dem Ort, in dem das viertürmige Schloss mitten auf einer Insel in einem Fischteich steht. Und natürlich nicht irgendwie. Tom fährt in einem moosdunklen Schmalspurbahnwaggon, gezogen von einer kohlepechschwarzen kleinen Weißwolkendampfbimmeltutlokomotive. Gar nicht weit vom Startbahnhof heißen Häuser „Villa Bärenfett“ und „Villa Shatterhand“, lebte doch einst ein fantasiebegabter Schriftsteller dort unterhalb der Weinberge. Tom kniet auf dem Holzsitz, schaut aus dem Zugfenster, genießt die langsam bimmelnde Fahrt durch Gärten, Wiesen, einen Bach entlang in dunklem Grund. Und als ob das alles nicht genug ist: Bevor der Zug die kleine Stadt mit dem viertürmigen Schloss im Teich erreicht, tutet er in voller Dampffahrt mitten durch einen anderen Teich hindurch, sein Gleis führt nämlich über einen Damm mit drei Brücken. Kann es eine märchenhaftere Reise geben zu einem an sich schon märchenhaften Schloss, nun noch mit einer Ausstellung zu einem Märchenfilm dazu?
Auch der Märchenfilm begann als Traum. Oder als Idee? Was war zuerst da, die Idee oder der Traum? Gut, ein Buch gab es schon, aber die Idee zu einem Film? Der Traum, ein Film könnte aus einem Buch, aus einer Idee entstehen und Wirklichkeit werden? Ideen, Träume, die zu Gedankenfolgen werden, zu Gesprächen. Träume werden Ideen werden Gespräche, ein Anfang, ein Beginnen, ein Gestalten. Ein Werden, das ohne Glück nichts werden lässt und Glück, das nur aus Beginnen und Gestalten entstehen kann. Wie alt war wohl Tom, als er in der quietschgelben Straßenbahn fuhr und wie alt mag Tom jetzt sein, als er durch die Märchenfilmausstellung läuft, einen Moment verharrt, aus einem der Schlossfenster in die Ferne schaut und in seinem Gedankenkino Bilder dieser Zeit Revue passieren lässt?

All die bisher gelesenen Geschichten sind Episoden aus Träumen.
Träume, die ein Leben begleiten.
Ohne Träume ist jeder Mensch ärmer als der ärmste Bettler, der aber, träumen könnend, reicher als der reichste Mensch sein kann. Und ohne Träume und Märchen sollte kein Menschenkind groß werden müssen.

Das stolzweiße Ozeanschiff
Tom ist an einem Punkt seines Lebens angelangt, wo er flügge, also richtig erwachsen werden muss. Träume werden ihn bestimmt immer weiter begleiten, aber ein ganzes Leben nur als Tagträumer, als Traumtänzer…, das hieße, am Leben vorbei geträumt zu haben. Es begann eine Zeit, in der sich die Nachrichten überschlugen und die Welt sich in ihrem Inneren scheinbar mal nach da und dann wieder nach dort drehte. Zeit fließt eben, hüpft, springt, lässt sich nicht halten und ist sowieso unbegreiflich, wenn jemand daraus nichts machen kann. Und alles ändert sich ständig. Tom war fern aller Träume und genau an jenem Punkt angekommen, an dem es galt, für sich selbst Weichen zu stellen. Dunkelrote Züge fuhren jetzt überall und der Himmel war voller Flugzeuge in allen Größen und Farben. Reisebusse standen mehr denn je in Staus und viele der wundersamen Verkehrsmittel aus Toms Geschichten waren so einfach nicht mehr auffindbar. Tom musste selbst entscheiden und mit ein bisschen Glück fand er sich auf seinem Kurs ins Leben an Bord eines stolzweißen Ozeanschiffes wieder. Freilich, die Fahrt begann da erst und Klippen, Sandbänke, Untiefen, Stürme, Wellen, Strudel, Gewitter…, wer weiß das schon vornweg, wo und wann. Nur eines ist sicher: Bestimmt. Also durchstarten. Tom hat seinen Kurs festgelegt. Der lautet – geradeaus! Und zwar mit allen Träumen im Gepäck. Viel Glück auf dem Weg, Tom!

Tobias Märksch

 

„Gräfe trifft Reinemer“

Zur aktuellen Ausstellung bei „GRÄFES WEIN & fein“

Foto: K: KunzeWieder einmal trifft Gräfe einen Radebeuler Künstler-, nein eine Künstlerin! Die Bildhauerin Gabriele Reinemer begibt sich hier auf fremde Wege – allerdings nicht zum ersten Mal – es waren schon Fotoarbeiten von ihr in der Stadtgalerie Radebeul zu sehen. Ihr Interesse gilt dabei der Struktur, die sich bei der Reihung von fotografierten Motiven ergibt, das Einzelbild wird so in der Addition (nicht der seriellen Aufnahme) zu einem eigenständigen Werk. So sehen wir eine Reihung von bröckelnden Fenstern, Blicke in verlassene Industrieareale, Steinmauern, aber auch Blicke in eine Frühlingslandschaft, die alle durch die Vervielfältigung zum mindestens (!) zweiten Blick auffordern. Ein Haiku in der Einführung: „Der klare helle Mond- viel dunkler erscheint nun der Schatten des Gebüschs“. Am Ende einer einladenden Tafel, an der man sicher kulinarische Künste genießen kann, hängt in kräftigem Rosa eine Impression „Die satte Gesellschaft“- Hingehen und Ansehen!

Foto: G. Reinemer

Gabriele Reinemer ist geborene Dresdnerin und lebt seit 1983 in Radebeul. Sie studierte erst in Dresden an der HfBK Maskenbild und legte dann in Berlin-Weißensee ihr Diplom als Bildhauerin ab. Seit 1989 ist sie als Mitbegründerin der Dresdner Sezession aktiv, hatte auch Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen vielerorts in Deutschland, in Straßburg, Salzburg, Wroclaw und Finnland. Ihre plastischen Arbeiten wurden in der Stadtgalerie Radebeul – sich wunderbar ergänzend mit Objekten von Else Gold – gezeigt und zu den Sommerprojekten ist sie seit Jahren mit hintersinnigen Werken – z.T. auch schon Fotomontagen – beteiligt.
Die Ausstellung ist bereits am 13.09.2016 mit heiterlieben Worten von Kurator Prof. Detlef Reinemer und expressiver Percussion von Björn Reinemer vor zahlreichen Besuchern eröffnet worden ( 100% Reinemer!) und läuft bis Januar 2017 bei „GRÄFES WEIN &fein“ auf der Hauptstrasse 19 in Radebeul-Ost.
Auch bei den nun beginnenden Weihnachtseinkäufen lohnt sich eine „Belohnungspause“ für Auge und Zunge.

Ulrike Kunze

Laudatio zur Verleihung des Radebeuler Kunstpreises an Reinhard Zabka

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Reinhard Zabka erhält den Kuinstpreis von OB Wendsche Foto: M. Förster

Sehr geehrter Herr Wendsche, lieber Herr Zabka, liebe Frau Zabka,
sehr geehrte Festgäste, liebe Freundinnen und Freunde der Kunst,

ich danke für die Ehre, anlässlich der Verleihung des Radebeuler Kunstpreises an Reinhard Zabka eine Laudatio sprechen zu dürfen. Meine kurze Rede besteht aus drei Teilen.
1. Das Museum
1980 kauft Zabka eine alte Landarbeiterkate in Babe, einem Dorf im abgeschiedenen brandenburgischen Rhinluch. In diesem Künstlerhaus „erträumt“ er das Lügenmuseum als eine Wunderkammer mit skurrilen Objekten, die wie ein kleiner Wanderzirkus auf Wagen und Schlitten umherziehen.
1990 ist das Lügenmuseum dann tatsächlich in der Welt. Und heute ist es hier in Radebeul- Serkowitz.
Das Lügenmuseum spielt mit Wahrheit und Täuschung in einer Welt der Illusion. Eine Besucherin hat das Lügenmuseum einmal als „Wunderhaus“ bezeichnet. Die Kunst- und Wunderkammer des 17./18. Jahrhunderts mit Gefundenem aus aller Welt und aller Zeit ersteht hier immer wieder neu. Alles ist zum Staunen: Ungesehenes, Unerhörtes, Nie Gekanntes. Menschengemachtes und Naturalien werden zu hintersinnig-sinnigen oder auch sinnfreien Objekten, die sich bewegen, die Geräusche und Klänge von sich geben, die leuchten, blinken und funkeln, die rattern, ruckeln, zuckeln oder leise klingeln, wie eigensinnige Wesen oder von solchen bewohnte Gehäuse.
Das ist schon außergewöhnlich und vor allem: erfrischend und inspirierend. Insofern war der brandenburgische Museumsverband immer stolz auf „sein“ Lügenmuseum in Gantikow: Als 1995 dem Verbandsvorstand der Aufnahmeantrag vorgelegt wurde, in dem es hieß: Emma von Hohenbüssow, 122 Jahre alt – ein Abbild zeigte ein italienisches Zwerghuhn – beantragt die Mitgliedschaft für das von ihr 1884 gegründete Lügenmuseum. Da sprang der Leiter des Potsdamer Naturkundemuseums auf: „Hühner können keine 122 Jahre alt werden!“ Schallendes Gelächter, die Aufnahme in die Museumscommunity war besiegelt. Wir haben es nie bereut, sondern im Gegenteil immer Freude an unserem Mitglied Lügenmuseum gehabt. Denn wir brauchen solche Museen, die mit Leichtigkeit Gedanken und Gefühle freisetzen und Neugier wecken.

2. Wanderschaft
Die Wanderschaft zieht sich wie ein Roter Faden durch die Biografie des Lügenmuseums.
In Babe 1990 gegründet, zog es sieben Jahre später nach Gantikow und wiederum 14 Jahre später nach Radebeul. Traut man der mathematischen Reihe, wird es hier wohl 28 Jahre lang bleiben und dann weiterwandern.
Die Wanderschaft wohnt auch den Kunstwerken selbst inne: Oftmals sind es mobile Objekte, auch Reiseattribute wie Koffer, Wanderapotheken oder Wanderschuhe (Fontane!). Sie erzählen Geschichten von glücklichen Überfahrten oder Schiffbrüchen, wie Märchenerzähler unserer Lebensreise. Eine wundersame Form nehmen sie als begehbare Labyrinthe an. Labyrinthe leiten durch Irrungen und Wirrungen zur Mitte. Als ich 2009 das „Labyrinth der Wende“ in der St.-Marien-Kirche in Frankfurt/Oder sah, das Zabka zusammen mit anderen Künstlern gebaut hatte, war ich wie bezaubert. Aus banalen Obstkistenbrettern und Palettenholz (rosa angestrichen, Brandschutzfarbe!) hatte er ein fragiles Gebilde geschaffen, das wie selbstverständlich durch das Kirchenschiff mäanderte und den Fluss der flanierenden Menschen begleitete. Auch den Dachboden des kleinen Stadtmuseums in Eberswalde verwandelte er 1989 zeitweise in ein Labyrinth der Erinnerung: Die Menschen waren fasziniert. Diese Labyrinthe existieren nur für kurze Zeit. Unter offenem Himmel gehen sie schließlich furios in Flammen auf. Werden und Vergehen.
Die Wanderschaft prägt auch das Leben des Künstlers Reinhard Zabka alias Richard von Gigantikow: geboren 1950 in Erfurt als Sohn von Flüchtlingen aus Schlesien und Ostpreußen, entwickelt er sich ab 1968 schnell zum Oppositionellen. Seine Bewegungsfreiheit wird eingeschränkt: Er darf Erfurt nicht verlassen, muss sich wöchentlich bei der Polizei melden. Die Bewegung der evangelischen Kirche von unten bietet zeitweise Heimat, auch Freunde, mit denen er eine fiktive Kommune gründet. Er will ausreisen, aber sein Ausreiseantrag wird abgelehnt. Er verlegt seinen Wandertrieb in Kopf und Hand und beginnt zu malen. Zieht 1976 nach Berlin und teilt sich mit seinem künstlerischen Freund Albrecht Hillemann ein Atelier, sie experimentieren mit Siebdruck und bauen Skulpturen aus Fundsachen. Seit Mitte der 80er Jahre geht es los mit Straßenfesten, Straßenkunstaktionen, illegalen Veranstaltungen. Zabka hat nun sein eigenes Atelier, er macht mit beim Bödikerclub im Friedrichshain, gründet den „Club ohne Raum“, entwickelt sich zum subversiven Kunstjudoka. Während einer kurzen Zeit als Mitglied im Verband Bildender Künstler der DDR beteiligt er sich – mit anderen randständigen Künstlern – an einer Bezirkskunstausstellung am Alexanderplatz, und an weiteren Ausstellungen in Berlin, Dresden und Frankfurt/Oder. 1985 nimmt er an einer Personalausstellung  teil, die vom Evangelischen Kunstdienst organisiert wird, und stellt im Treppenhaus des Berliner Doms seine Installation „Götzen – Ismen – Fetische“ auf. 35.000 Besucher sehen das. Wenn er sich am Ende der DDR an Ausstellungen beteiligen durfte, dann nicht, weil die Staatsvertreter liberaler wurden, sondern weil sie die Übersicht verloren hatten,  wie ein Beobachter einmal feststellte. Sie merkten, dass seine Kunst subversiv war, konnten aber das Subversive darin nicht richtig dingfest machen.
Nach 1989 kann er endlich zum Weltkünstler werden, der er eigentlich immer schon war.
Die lange erträumte Reise nach Bali ist die Initialzündung für seine nunmehr globalen Aktivitäten. Von seinem Basislager Lügenmuseum aus zieht er durch die Welt. Er stellt in Indonesien, Thailand, Burma, Italien, Frankreich und auf den Philippinen aus und veranstaltet dort gemeinsam mit lokalen Künstlern soziale Kunstaktionen im öffentlichen Raum. Inspirationen aus anderen Weltgegenden bringt er nach Deutschland zurück, zum Beispiel auf den Neumarkt in Dresden, wo sich im vergangenen Sommer zum ersten Mal die „WuKaMenta“ niederließ, eine künstlerische Interaktion mit Menschen im öffentlichen Raum.

3. Das Ziel der Reise
Zabkas Kunst kreist um Menschheitsthemen: das Rätsel, das Geheimnis, die Erinnerung, die Illusionen des Lebens und die Beseeltheit der Welt, und nicht zuletzt die Heiterkeit, die Freude.
Kürzlich konnte ich das live verfolgen. Zabkas Installationen waren zu Besuch im Berliner Martin-Gropius-Bau (Ausstellung „Gegenstimmen. Kunst in der DDR 1976-1989“). Ich habe die Besucher im Gropius-Bau beobachtet. Sie bildeten in der betreffenden Raumecke einen kleinen Pulk, schauten, staunten, lächelten, hielten inne. Hielten lange inne. Hielten sehr lange inne. Sie zeigten alle Merkmale konzentrierter Wahrnehmung. Die Aufmerksamkeit der Betrachter als das Ziel des Museums.
Die künstlerische Reise führt am Ende in den Geist und in das Herz der Betrachtenden.
Und da kommen Sie an. Dafür danke ich Ihnen, Herr Zabka, und ich gratuliere Ihnen herzlich zu  Ihrer heutigen Ehrung.  (gekürzte Fassung)

Susanne Köstering
Radebeul, am 15. 10. 2016

Rückblick und Vorschau – Plätze in Radebeul

verein für denkmalpflege und neues bauen

Von der Idee bis zur Realisierung ?/ !

Das Interesse an Stadtplätzen ist in der Radebeuler Öffentlichkeit ungebrochen. Der „verein für denkmalpflege und neues bauen ev.“ initiierte dazu im Frühjahr eine Veranstaltung und spannte den Bogen der Vorträge von realisierten Objekten bis zu geplanten Vorhaben. Landschaftsarchitekten und Frau Funke von der Stadtverwaltung Radebeul, Sachgebiet Stadtgrün, referierten über entstandene, entstehende, absehbare und erträumte Plätze in unserer Stadt.
Herr Ritter vom ehemaligen Büro kokenge.ritter gmbh, jetzt RSP Freiraum GmbH, Dresden, berichtete von der Planung und Realisierung des „Hochzeitsgartens“ in der Rücklage der alten Post in Radebeul Ost, Pestalozzistraße 6a. Eingerahmt von den Gebäuden des Rathauses, der Post bzw. des Standesamtes und der ehemaligen Polizeiwache entstand ein moderner, attraktiver Freiraum nicht nur für das Standesamt. Der 2014 fertiggestellte Hochzeitsgarten ist ein weiterer gelungener Baustein im Rathaus- und Kulturbahnhofsareal mit einer klaren gestalterischen Handschrift.
Die Planung des Robert- Werner- Platzes begann 2011, realisiert wurde der Platz 2013. Herr Bender vom gleichnamigen Büro für Freiraumplanung, Dresden, erläuterte die Entstehungsgeschichte der Anlage. Die ursprüngliche Funktion des Platzes wurde in der Planung aufgegriffen und eine Streuobstwiese als offen zugänglicher und nutzbarer Garten in der Stadt angelegt. Besonderer Wert lag auf dem historischen Bezug und dem dörflichen Charakter der Anlage, die bis ins Detail umgesetzt wurden. Der Brunnen erinnert an Viehtränken einstiger Dorfanger und lädt heute stimmungsvoll zum Sitzen am Wasser ein.
Zum diesjährigen Vorhaben des Sachgebietes Stadtgrün gehört die behutsame Umgestaltung des Hörnigplatzes in der Oberlößnitz unweit der Hoflößnitz. Frau Funke stellte die Planung zur neuen Bepflanzung und zur Aufwertung der überalterten Gesamtanlage vor. Inzwischen sind die Arbeiten abgeschlossen.
Auch am Rosa- Luxemburg- Platz wird die Umgestaltung beginnen.  Als Planungsgrundlage liegt der Entwurf der Landschaftsarchitekten Haufe, Lohse, Pätzig, Dresden von 2009 vor, der nun zur Ausführungsreife gebracht werden kann. Die Umsetzung wird in mehreren Etappen erfolgen. Ergänzend wird die Entsiegelung der westlichen Durchfahrtsstraße in die Gestaltung aufgenommen. Es ist ein großer Erfolg, dass ein progressiver Entwurf, der Rosa Luxemburg gerecht wird, in den kommenden Jahren umgesetzt wird.
Der „verein für denkmalpflege und neues bauen ev.“ hatte die Idee, den Bismarckturm als eines der Wahrzeichen der Weinhänge in Radebeul neu zu etablieren, seine Denkmalfunktion zu stärken und als wichtiges Ausflugsziel für Radebeuler und Touristen attraktiv zu gestalten. Das Ziel ist, neben der „Vollendung“ der ursprünglichen Idee, einen Rundum-Blick über Radebeul und Umgebung durch den Einbau einer Treppe in den Turm zu ermöglichen, ergänzt durch geschichtliche Informationen. Mit Stand September 2016 sind knapp 240.000 € Spendenzusagen durch Stifterbriefe und Patenschaften für Podeste und Treppenstufen erreicht und die Umsetzung der Idee rückt näher. In diesem Sinne war die Vorstellung der Gestaltungsvorschläge für den Außenraum durch Frau Knibbe vom Landschaftsarchitekturbüro Knibbe, Coswig eine glückliche Ergänzung der Aktivitäten der Stadtverwaltung und des Vereins. Auch hier kann nun die gelungene Planung zur Ausführungsreife weiterbearbeitet werden.
Zur Gestaltung des Bilzplatzes  gab es zahlreiche Ideenfindungsrunden durch das Team Fam. Hentsch, Fam. Schumacher, Fr. Täubert unter Einbeziehung von Künstlern und der Stadtverwaltung.  Modelle der Fam. Schumacher und viele Abstimmungen führten letztlich zu einem Entwurf des Berliner Künstlers Roland Fuhrmann für eine Skulptur. Die Spenden der Anwohner der Eduard- Bilz- Straße und weiterer Unterstützer sind nahezu vollständig eingegangen, so dass für die Skulptur der Auftrag erteilt werden konnte. In Regie des „vereins für denkmalpflege und neues bauen ev.“ wurde eine reduzierte Planung für den Platz mit einem Brunnen erarbeitet und mit der Stadtverwaltung abgestimmt.
Fr. Heinrich vom Landschaftsarchitekturbüro Dr.-Ing. Heinrich, Radebeul konnte im Frühjahr die Entwurfsplanung dazu vorstellen. Das Sachgebiet Stadtgrün hat festgelegt, den Platz erst im Frühjahr 2017 bauen zu lassen. Nehmen wir den 175. Geburtstag von Eduard Bilz und die 125 Jahre Betriebserlaubnis Sanatorium Bilz zum Anlass für eine erfolgreiche Umsetzung im kommenden Jahr.
Als offenes, spannendes und visionäres Projekt bleibt der ZiIlerplatz, dessen Planung schon vor fast 10 Jahren begann. Herr Blume vom Büro Blume Landschaftsarchitekten, Dresden, hat in seinem Vortrag die vielen älteren Entwurfsstudien zu diesem, leider vorrangig von Fahrzeugen dominierten Stadtplatz, angerissen und einen weiterentwickelten Ausblick und Denkanstoß gegeben, wie eine offene, moderne und flexible Freiflächengestaltung die vielfältigen Anforderungen an diesen Platz bündeln kann. Er hat beeindruckend und philosophisch untersetzt die Denk- und Arbeitsweise der beteiligten Landschaftsarchitekten verdeutlicht und allen ein Weiterverfolgen dieses Projektes ans Herz gelegt. Allein die Entstehung dieses Platzes als Schmuckplatz im Verhältnis zu seinem heutigen bedauernswerten Zustand sollte Ansporn genug sein. Wünschen wir uns für den Zillerplatz, dass die vorliegenden Entwürfe kurzfristig weiterentwickelt werden können.

Grit Heinrich
Quellen: Vorträge vom 29.04.16 und Internetauftritte der beteiligten Landschaftsarchitekten und des vereins für denkmalpflege und neues bauen ev.; Wikipedia (Zillerplatz)

Editorial 11-16

Am 15.Oktober geriet die Rückfahrt aus dem Urlaub unter Zeitdruck: Die Verleihung des Radebeuler Kunstpreises stand 19.30 Uhr an, und die wollte ich nicht verpassen. Schon zum elften Mal war der Preis zu vergeben. Diesmal wurde er Reinhard Zabka alias Richard von Gigantikow überreicht. Eine sehr gute Entscheidung, wie ich finde.

Weshalb? Erstens bereichert Reinhard Zabka mit seinem Lügenmuseum im ehemaligen Gasthof Serkowitz auf originelle Art die Kulturlandschaft von Radebeul. Seine oft geräuschgebenden Installationen regen zum Nachdenken, aber auch zum Lachen an. Viele Besucher werden mir das bestätigen.Und zweitens ist das unter seiner Regie und Ideengabe aufgebaute und zum Schluss in Flammen aufgehende „Labyrinth“ mittlerweile eine nicht mehr wegzudenkende Attraktion und ein fulminantes Finale zum alljährlichen Radebeuler Weinfest. In der Laudatio, im Heft ein paar Seiten weiter, können Sie mehr über Reinhard Zabka erfahren.

Die Rede des Oberbürgermeisters Bert Wendsche anlässlich der Preisverleihung fand ich sehr gelungen. Anhand der Mattheuer-Figur „Der Jahrhundertschritt“ beleuchtete er die hohe Bedeutung von Kultur und wies auf die Wichtigkeit hin, dass Menschen „den Kopf aufrecht halten“ sollten. Ein Ohrenschmaus waren die Darbietungen der Sängerin Inez mit Begleitung Jan Heinkes am Stahlcello.

Demnächst soll nun der Stadtrat zur Zukunft des Lügenmuseums in Radebeul eine Entscheidung treffen, die wichtig ist für Radebeul und für Reinhard Zabka. Um so mehr wunderte ich mich, dass nur vier Stadträte von 32 an der Veranstaltung teilnahmen.

Das wäre doch eine gute Gelegenheit für alle Stadträte gewesen, sich ein Bild von der

vielfach anerkannten Arbeit Reinhard Zabkas zu machen.Geladen waren sie alle!

Ilona Rau

38. Radebeuler Grafikmarkt

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Grafikmarkt 2015: die Künstler erwarten ihr Publikum Foto: K. u. K. U. Baum

Über 100 Künstler präsentieren am 6. November ihre Werke in der Elbsporthalle

Die Radebeuler sind den Musen seit jeher sehr zugetan. Zwischen den großen städtischen Festen begegnet man sich immer wieder bei Ausstellungseröffnungen, Theatervorstellungen, Lesungen, Konzerten, Film- und Gesprächsabenden, denn die Kulturszene ist lebendig und das Vereinsleben vielfältig ausgeprägt. Der alljährliche Grafikmarktbesuch gehört für Kunstinteressierte zum Ritual und die schönen Räume des historischen Rathauses in Radebeul-Ost bildeten hierfür über Jahrzehnte den stimmigen Rahmen. So verwunderte es kaum, dass der durch Umbaumaßnahmen bedingte Ortswechsel nach Radebeul-West in die Elbsporthalle im vergangenen Jahr zunächst mehr Skeptiker als Befürworter fand. Das kleine Team der Stadtgalerie wagte schließlich das Experiment mit ungewissem Ausgang. Trotzdem war man sich bis zuletzt nicht sicher, ob das Publikum den neuen Veranstaltungsort annehmen würde.
Als jedoch bereits eine halbe Stunde vor Beginn des Grafikmarktes die ersten Besucher ungeduldig darauf warteten, dass sich die Türen öffnen, löste sich bei den Organisatoren die Spannung. Die Halle füllte sich rasch und der Besucherandrang riss nicht ab. Sehr erfreulich war, dass endlich auch Rollstuhlfahrer am Grafikmarkt teilnehmen können, denn der Präsentationsbereich befindet sich auf einer Ebene und alles ist barrierefrei erreichbar. Erstmals waren die Künstler während der ganzen Zeit anwesend und verkauften ihre Arbeiten selbst. Der unmittelbare Kontakt zum Publikum wurde von beiden Seiten als anregende Bereicherung empfunden. Die Gespräche nahmen bis zur letzten Minute kein Ende. Der Ortswechsel brachte Raumgewinn und die neue Organisationsform wirkte sich belebend aus.
Auch in diesem Jahr bietet der Radebeuler Grafikmarkt wieder Gelegenheit zum Schauen, Verweilen, Fachsimpeln, Kaufen und Plaudern. Nicht nur Sammler, sondern vor allem auch Familien gehören zum festen Besucherstamm des Grafikmarktes. Gekauft wird, was gefällt. Auf einer Ausstellungsfläche von 900 qm präsentieren über 100 Künstler Druckgrafiken, Zeichnungen, Collagen, Aquarelle, Scherenschnitte, Fotografien, Künstlerbücher, Kunstpostkarten, Plakate, Kalender und Kataloge. Über 4.000 Exponate stehen zur Auswahl. Das Spektrum an Techniken, Handschriften und Motiven ist breit gefächert und reicht von der Miniatur bis zum Großformat. Ob Landschaften, Sehenswürdigkeiten, figürliche Darstellungen, Stillleben, Blumenstücke oder Tierporträts – die Preise sind sehr moderat und liegen in der Spanne von 1 bis 1.000 Euro. Neben bekannten Künstlern gilt es vor allem immer wieder auch junge und jene zu entdecken, die noch nicht im Rampenlicht stehen. Mit 90 Jahren ist die Radebeuler Malerin und Grafikerin Lieselotte Finke-Poser die älteste Grafikmarktteilnehmerin. Dass sich diese traditionsreiche Veranstaltung bis heute eines so großen Zuspruchs erfreut, macht die einstige Mitbegründerin sehr glücklich.

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Foto: K. u. K. U. Baum

Mit eigenen Ständen werden die Stadtgalerie, der NOTschriften-Verlag, die Buch-, Präge- und Rahmenwerkstatt Kruschel, der Radebeuler Kunstverein, das Stadtarchiv, der Förderkreis der Stadtgalerie, art+form, die Redaktion des kulturellen Monatsheftes „Vorschau und Rückblick“, der Zündblättchenverlag sowie der Förderverein Internationales Wandertheaterfestival vertreten sein.
Bei Vorführungen erleben die Besucher wie eine Grafik entsteht oder Bilderrahmen vergoldet werden. Neu ist die Malecke, wo Kinder und Erwachsene ihre spontan vor Ort entstandenen Kunstwerke ausstellen können. Ein zentraler Informationsstand vermittelt aktuelle Tipps zum Kunst- und Kulturgeschehen in Radebeul und Umland. In schöner Tradition bewirtschaftet der Kunstverein das Künstlercafé, dessen Ausgestaltung in diesem Jahr der Bildhauer Detlef Reinemer übernommen hat. Das Sportcasino hält ganztägig ein preiswertes Imbissangebot bereit. Aber auch die zahlreichen kleinen Caféstuben und Kneipen auf dem Dorfanger von Altkötzschenbroda laden zum geselligen Pausieren ein.
Der 38. Radebeuler Grafikmarkt findet am 6. November von 10 bis 18 Uhr in der Elbsporthalle Radebeul-West statt. Parkplätze sind reichlich vorhanden. Als umweltverträgliche Alternative wird die Anreise per S-Bahn, Bus, Straßenbahn oder Fahrrad empfohlen. Informationsflyer mit einer Übersicht aller Teilnehmer werden in digitaler Form ab Mitte Oktober auf der städtischen Homepage sowie als Printerzeugnis in allen Radebeuler Kultureinrichtungen angeboten.
Karin (Gerhardt) Baum

Nachschlag…

Zum Theater „Heiterer Blick“

Nachtragen wollte ich noch, dass die Gruppe am 22. Oktober dieses Jahres ihr 70-jähriges Jubiläum im Kulturbahnhof von Radebeul begeht. Um 19 Uhr findet dort die große Feier statt, zu der sicher nicht nur die vielen ehemaligen und gegenwärtigen Mitglieder und Fans herzlich eingeladen sind.

Nachtragen könnte man natürlich aus der Geschichte der Truppe so Vieles. Dass zum Beispiel die Familie Kunze aktiv mitwirkte und Dietmar Kunze u. a. verantwortlich war für das Bühnenbild von Antigone, dass die Mitglieder Andrea Stache und Bernd Peschke 1970 zum Schauspielstudio nach Rostock gingen oder Volkmar Weitze das Studium der Theaterwissenschaften an der Humboldtuniversität in Berlin aufnahm. Und wer erinnert sich noch an Karin Abicht…? Es war und kann nicht meine Absicht sein, als Chronist eines Theaters aufzutreten, welches ich nur durch die zufällige Bekanntschaft mit dem Ehepaar Kunick kennengelernt habe. Dazu glaube ich, sollten sich andere berufen fühlen. An die wechselvolle Geschichte des Theaters „Heiterer Blick zu erinnern, schien mir dennoch wichtig.

Ich jedenfalls komme gern zu dieser Jubiläumsfeier und fahre aus diesem Grund extra einen Tage eher vom internationalen Theaterfestival der deutschsprachigen Gruppe „Agora“ aus St. Vith/Belgien ab.

Karl Uwe Baum

Mit Tom Tagtraum durch das Jahr 2016 – Teil 10

Du musst Träumen ihre Entstehung zulassen, denn nur so kann irgendwann ein Teil davon auch Wirklichkeit werden.

Der Astronom auf dem Domhügel

„Nenn mich einfach Nick. Meinen richtigen Namen wälzt die Wissenschaft wohl noch in fünfhundert Jahren in die eine und dann wieder in die andere Sprache. Und nach all der Zeit sollte ich mich noch entscheiden, ob mein Reisepass zwei- oder dreifarbig gestreift sei! Dabei war das damals völlig gleich und sollte erst recht auch heute nicht mehr wichtig sein.“ Zur See im Norden war Tom sehr lange unterwegs und ungewöhnlich weit östlich angekommen. Ein schmaler Streifen Land trennt dort die See von einem See hinter dem Meer. Tom musste Irek, den Fährmann, auf seinem zinnoberroten Boot erst wecken, damit der ihn zu Nick übersetzte, blieb aber für die Rückfahrt ab dem kleinen Hafen mit Irek verabredet. „Weißt du Tom, eines Tages wird man mich im Dom begraben. Mein Sarg wird sogar unter Glas liegen und Besucher werden Eintritt zahlen müssen, um in die Kirche zu dürfen…Na, der Platz hier steckt aber voller Magie. Schau selbst, die Nacht ist wunderbar dunkel. Kein menschen-gemachtes Licht weit und breit, soweit ich von meinem Turm in den Himmel schaue. Und je mehr ich entdecke, desto mehr Ideen und Fragen kommen mir.“ Tom durfte mitten in einer neumondklaren Nacht durchs Fernrohr schauen und in Nicks Schriften und Zeichnungen stöbern. Mehrere Nächte vergingen so und auch Tage, an denen Tom meist unter einem mächtigen, alten Baum inmitten des Kathedralhügels schlief. Tage, an denen er, kurz erwacht, nur mal zur angelehnten Domtür schlich, um die Schöne Madonna auf der Mondsichel zu bewundern. Nächte, die er bei Nick am Fernrohr im Turmzimmer verbrachte. Der Astronom sah in Wirklichkeit gar nicht so aus, wie ihn die Nachwelt aus einem Kupferstich kennen sollte, wallendes Haar und fern entrückt. Nick war ein Mann vom Meer im Norden. Er hätte auch Bootsmann oder Fischer sein können. Jedenfalls war sein Wesen authentisch mit der Welt der Seen vor dem Meer. Kühler Nordwind war ihm tief in Stirnfalten gegraben und machte seine Gedanken zur Welt, die uns umgibt, erst wirklich.

„Nick, unsere Welt ist also wirklich richtig rund und die Planeten drehen sich nach festen Regeln um die Sonne?“ Tom starrte durchs Fernrohr und wagte vor Sternenfaszination kaum zu atmen. Sein Herz war weit und beklommen zugleich. Was hatte er eben gefragt? Nick dachte nach und formulierte mit nordischer Ruhe eine Antwort. „Das stimmt schon, Tom. Jedenfalls fast. Es wird bestimmt viele hundert Jahre so stimmen und die Leute werden es glauben. In Wirklichkeit ist aber alles ganz anders. Die Erde ist längst keine Kugel mehr, sondern ein Würfel. Und auch das wieder nicht. Die Erde besteht aus vielen Würfeln mit unendlich vielen Ecken und Kanten, die sich von allen Seiten durchdringen. Wichtiger als all die Sternenbahnen am Himmel ist, dass du ständig aufpassen musst, auf der Erde nicht bloß so über diese Kanten und Ecken durchs Leben zu stolpern. Am Ende hast du nichts auf der Welt gesehen, geschweige denn hinterlassen. Viele Leute stürzen dieser und nächster Tage ins Zeitaus, finden nie mehr ins Dies-Zeits zurück. Alles dreht sich immer schneller, dreht und dreht sich. Manche haben dann mit viel Geld alles nur Mögliche eingekauft und die tollsten Erlebnisse gebucht. Gerade denen bleibt mitunter nichts erhalten. Hörst du den Schrei der Graugänse draußen vom Haff? Ihren Flügelschlag? Der Endlosgedanke der Erde ist ein ganz anderer, als ihn deine und meine Gegenwart beschreibt.“ Tom hätte noch viele Fragen, wollte von Nick zum Beispiel wissen, wie das Leben auf die Erde gekommen war und wo die Zeit entsteht, wo der Raum drin ist, den wir als Raum erleben. Aber auf all das wollte Nick keine so rechte Antwort geben. Zum Abschied drückte er Tom einen selbst gezeichneten Sternenatlas in die Hand und brummelte etwas von „vielen verschiedenen Richtungen, Etappen in den Zeiten, Geist, der sich verändert…“. Da verstand Tom längst nicht mehr alles, denn selbst Nick war, wie sich hier herausstellte, auch nur ein Suchender geblieben. Tom ist dann den Domhügel direkt zum kleinen Hafen hinunter gerannt und weckt Käptn Irek, der die ganze Zeit auf dem zinnoberroten Fährboot gewartet hatte. Aber Tom holt nur sein signalrotes Flitzefahrrad mit Weitsprungfunktion von Bord und bedeutet Irek, weiter zu schlafen. Schließlich, nun, es kämen bald sehr stürmische Zeiten.
Trotz Flitzweitsprungfahrrades entfernt sich Tom nur ganz langsam von Nick, dem Astronomen vom Domhügel. Die Landschaft ist hier sanft geschwungen. Es hatte am Morgen noch geregnet. Toms Magen knurrt und dirigiert ganz irdische Dinge: Heiße Fischsuppe, Brot und Krautsalat. Das schmeckt so köstlich, Tom wird es auch morgen bestellen. Und übermorgen. Und üüüü… Nehmen wir einfach an, dass der dunkelrote Zug auf der Fahrt nach Hause nur die üblichen Verspätungen haben wird.

Tobias Märksch

10 Jahre Jugendclub „Weißes Haus“

Das „Weiße Haus“ Radebeul wurde im August zehn Jahre alt. Unsere 26-jährige Autorin Leonore Schicktanz blickt auf ihre eigene Zeit dort und die Entwicklung des Jugendclubs zurück.

Um es ein wenig pathetisch zu formulieren: Im „Weißen Haus“ begann und endete meine (frühe) Jugend. Ja, so kann man es sagen, denn immerhin verbrachte ich dort so einige Zeit im Alter zwischen 17 und 24.

2006 begann die Stadt Radebeul damals mit der Sanierung der ehemaligen Kantine des LPG-Frühgemüsezentrums, nahe dem heutigen Kaufland. Seitdem konnte man den Club für Discos, Geburtstagsfeiern oder auch Theatervorstellungen mieten. Ich selbst war bei einigen Geburtstagsfeiern dabei, und auch bei so manchem Konzert. „King Fish“, „Roadcrash“ oder „Fuzz Party Invitation“ sind nur einige der Radebeuler Jugendbands, die damals im „Weißen Haus“ ihren ersten größeren Bühnenauftritt hatten.
Etwa ein Jahr später als das „Weiße Haus“ öffnete im hinteren Teil des Gebäudekomplexes zusätzlich der „Barnyard Club“ (dt.: Scheune, Schuppen, Hof). Mein Lieblingstermin war dort viele Jahre der Mittwochabend. Denn da öffneten sich von 19 bis 24 Uhr die Türen zum Tischtennisspielen, Skateboardfahren oder einfach zum Einstimmen auf das nahende Wochenende. Und auch heute, fast zehn Jahre später, treffen sich dort jeden Mittwoch Jugendliche im Teenageralter.

Ich muss also feststellen – es läuft auch ohne mich ganz gut im „Weißen Haus“. Zum zehnjährigen Jubiläum am 20. August kamen etliche Freunde und Gäste des Jugendclubs, die allein mit ihrem Kommen bewiesen: Der Jugendclub ist ein erfolgreiches Projekt in Radebeul. Und noch lange nicht beendet.

Erst seit kurzem können Tanzgruppen, wie beispielsweise Line- oder Breakdancer, den gerade fertig gestellten Tanzraum benutzen.

Auf der Party zum 10-jährigen Jubiläum; Foto: L. Schicktanz

Auf der Party zum 10-jährigen Jubiläum; Foto: L. Schicktanz


Außerdem soll bald ein Tonstudio entstehen. Die Proberäume sind alle vermietet und in die obere Etage des Hinterhauses soll ein kleines Kino ziehen. Außerdem soll die Zusammenarbeit mit den Schulen der Region verstärkt werden. Denn nur weil es für das „Weiße Haus“ gut läuft, gilt das nicht für alle Besucher von ihm. Viele Jugendliche haben Probleme im Elternhaus, der Schule oder mit Drogen. Für sie ist so ein Ort, wie dieser Jugendclub besonders wichtig.

Ich wünsche dem „Weißen Haus“ auch für die nächsten zehn Jahre alles Gute und weiterhin jede Menge Besucher, die mit ihren Ideen und ihrer Persönlichkeit das Radebeuler Jugendleben bereichern.

Leonore Schicktanz

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