Ein Schneemann im Juni

Seit 30 Jahren unterstützt der Radebeuler EINE WELT e.V. Kinder in El Salvador. Auch nach Schließung des Eine-Welt-Ladens zum Ende Dezember soll die Hilfe weiter gehen.

Der Weg von Mittelamerika nach Radebeul ist weit und so kann es schon mal vorkommen, dass ein Dankesbrief mit einem handgemalten Schneemann-Bild erst mit einigen Monaten Verspätung in Sachsen eintrifft. Mit Spenden und durch den ehrenamtlichen Verkauf fair gehandelter Waren unterstützt der Radebeuler EINE WELT e.V. Radebeul seit 30 Jahren die Partnergemeinde Octavio Ortiz in El Salvador. Dort wurden im Herbst 1992, kurz nach dem Ende des Bürgerkrieges, auf dem Gelände einer riesigen ehemaligen Baumwollplantage demobilisierte Kämpfer und zurückkehrende Flüchtlinge mit ihren Familien angesiedelt. So entstanden dort einige Dörfer, anfangs nur mit Häusern aus Wellblech und Plastikplanen. Inzwischen haben fast alle Familien Häuser aus Stein, es gibt die Schule, den Kindergarten, eine Gesundheitsstation und ein Gemeindezentrum.

Auch das pädagogische Konzept der Kinderzentren wurde von Jahr zu Jahr professioneller. Boten diese Einrichtungen vor 25 Jahren meist nur „Hängematte und Milch“ / „hamaca y leche“ , so wird nun mit pädagogischen Konzepten gearbeitet, die den bei uns üblichen ähneln. Ziel ist, den Kindern eine angemessene Betreuung und Erziehung sowie eine fundierte Schulbildung bieten zu können. Weiterhin ist aber der Lebensalltag der Familien von Mangel in vielerlei Hinsicht bestimmt. Am Montag Reis und Bohnen, am Dienstag Bohnen mit Reis usw., dazu Maistortillas. So ähnlich sieht normalerweise der Speiseplan für die Kinder in der Partnergemeinde aus. Mit der Unterstützung des Radebeuler EINE WELT e.V. kann dieser karge Speiseplan mit frischem Gemüse und Obst , Eiern und Käse ergänzt werden und so eine ausgewogenere Ernährung ermöglicht werden.

Doch nicht nur das leibliche Wohl, auch die sozialen Belange werden gefördert. So kann der Betrieb des Kindergartens in der Partnergemeinde nur mit Unterstützung aus Radebeul gesichert werden. Ebenso wird das Gehalt einer Aushilfslehrerin und der Erzieherinnen ko-finanziert. Bei Reisen nach El Salvador konnten Vereinsmitglieder selbst direkte Einblicke in die Situation vor Ort gewinnen. Immer wieder waren auch Besucherinnen aus El Salvador in Radebeul zu Gast.

„Viele kleine Leute, an vielen kleinen Orten, die viele kleine Dinge tun, können das Gesicht dieser Welt verändern“ – dieser Spruch gilt heute genauso wie bei der Gründung des Vereins vor 28 Jahren. Der Wunsch der Vereinsmitglieder, dass die Unterstützung bald nicht mehr notwendig sein würde, bleibt wohl nur ein Traum. Denn noch immer ist die politische und wirtschaftliche Lage in dem von Bandenkriminalität gezeichneten mittelamerikanischen Land instabil.

Auch wenn der Eine-Welt-Laden in Altkötzschenbroda zum Ende des Jahres seine Pforten schließt, soll die Unterstützung der Partnergemeinde in El Salvador weiter gehen. Anfang nächsten Jahres ist wieder eine Reise nach El Salvador geplant. Danach werden weitere Pläne für die künftige Form der Hilfe geschmiedet.

Frohe Weihnacht
Foto: EINE WELT e.V.


Der Eine-Welt-Laden Radebeul in Altkötzschenbroda 32 (gegenüber der Friedenskirche) hat noch bis Weihnachten regulär montags bis freitags 15 bis 18 Uhr und dienstags zusätzlich 10 bis 13 Uhr geöffnet. An den ersten drei Adventswochenenden gibt es Sonderöffnungszeiten während des Weihnachtsmarkts – eine gute Gelegenheit gleich dreifach Freude zu bereiten: durch Absatz für die Produzenten fair gehandelter Waren, durch Erlöse für die Partnergemeinde in El Salvador und nicht zuletzt durch originelle Geschenke auf dem Gabentisch.

Ulrike Schöbel
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Spendenkonto des EINE WELT e.V.: IBAN DE28 8505 5000 3000 0248 90
Kontakt: Astrid Kretzschmar kontakt@eine-welt-radebeul.de

Kultur-Kraftwerk in Kötzschenbroda

Eine Nachlese zum 45. Radebeuler Grafikmarkt

Gemeint ist mit Kraftwerk, kein Windrad und auch kein Solarmodul. Gemeint ist die eigene kreative Kraft, aus der kulturelle Energie entsteht, die sich auf andere überträgt, durch Reibung verstärkt und nachhaltig potenziert.

Maximilian Koch (Freiberg) Student an der Kunsthochschule Halle / Burg Giebichenstein
Foto: K. (Gerhardt) Baum

Wenngleich die Elbsporthalle am frühen Sonntagmorgen einem Taubenschlag glich und es recht turbulent zuging, hatte effizientes Handeln Priorität. Nachdem die Künstler per Los ihre Standnummer gezogen hatten, wurde schnell ausgepackt und aufgebaut. Punkt 9.30 Uhr erfolgte der Kontrollrundgang und um 10.00 Uhr standen die ersten erwartungsfrohen Besucher im Raum.

Am Stand von »Vorschau & Rückblick“ Karl Uwe Baum und Bertram Kazmirowski im Gespräch mit einem Interessenten
Foto: K. (Gerhardt) Baum

Die Atmosphäre war heiter und entspannt. Selbst die Erhöhung des Standgeldes auf 40 Euro wurde von den teilnehmenden Künstlern als moderat empfunden. Andererseits, das sollte man wissen, ist der zur Verfügung stehende Präsentationsbereich mehr als knapp: Eine Sperrholzplatte von 120 x 80 cm dient als Ablage und das Drittel eines Bauzaunes als Hängefläche. Doch wer beim Radebeuler Grafikmarkt mitmacht, weiß worauf er sich einlässt und dass Kompromisse notwendig sind.

Der unmittelbare Kontakt zwischen Künstlern und Publikum wurde beiderseits wieder als sehr anregend empfunden. Aber auch der Austausch mit den Kollegen bedeutet den Künstlern sehr viel. Und vielleicht ist es gerade diese ungezwungene Kommunikationsfreudigkeit, welche den Radebeuler Grafikmarkt so besonders macht.

Gudrun Trendafilov (Dresden), Ulrike Meyer-Clasen (Dresden), Biliana Vardjieva-Winkler (Dresden) und Uwe Beyer (Coswig) erwarten die Besucher Foto: K. (Gerhardt) Baum

Reger Betrieb im Künstlercafé, welches von der Gruppe »Kunstspuren« gestaltet wurde Foto: K. (Gerhardt) Baum

Über einhundert Künstler präsentierten Werke ihres aktuellen Schaffens. Die Handschriften, Themen, Techniken und Motive waren sehr vielfältig. Man konnte Kunst von guter bis herausragender Qualität entdecken, aber leider auch Arbeiten, die nicht auf einen Grafikmarkt gehören. Ein Problem, mit dem sich die Organisatoren unbedingt auseinandersetzen sollten.

Erfreulich ist, dass sich viele junge Künstler wieder verstärkt der Druckgrafik zugewendet haben. Die Zeit verging viel zu schnell und man hatte das Gefühl noch lange nicht alles gesehen zu haben. Schade eigentlich, dass der Grafikmarkt nur noch an einem Tag stattfindet, wenngleich es hierfür gute Gründe gibt.

Auch „Vorschau & Rückblick“ war mit einem Stand vertreten, der recht rege frequentiert wurde. Sogar neue Vereinsmitglieder konnten gewonnen werden. Sechs Redaktionsmitglieder wechselten sich im Schichtdienst ab, so dass sich die Zeit davor, danach und zwischendurch zum Schauen, Kaufen und Plaudern nutzen ließ.

Längst hat es sich herumgesprochen, dass der Radebeuler Grafikmarkt (nicht nur wegen des verführerischen Kuchenbuffetts vom Förderkreis der Stadtgalerie) als eine gute Adresse gilt. Die Stadt Radebeul wird als ein zuverlässiger Partner der Künstler und Kulturschaffenden wahrgenommen. Kontinuität schafft Vertrauen und bietet Sicherheit. Wie meinte doch der einstige Inspirator des Radebeuler Grafikmarktes Fritz Treu (1908 – 2009): „Was so lange Bestand hat, das muss doch gut sein.“ Spätestens hier sei allen gedankt, die seit vielen Jahren vor und hinter den Kulissen dazu beigetragen haben.

Karin (Gerhardt) Baum

Beitragsänderung 2024

Liebe Mitglieder des Vereins Radebeuler Monatsheft e.V. „Vorschau & Rückblick“,

ich möchte nochmals daran erinnern, dass wir in unserer Jahresmitgliederversammlung am 10. Februar 2023 nach einer Diskussion entschieden hatten, den Jahresmitgliedsbeitrag von 25 € auf 30 € zu erhöhen. Da wir diesen Punkt nicht in der Tagesordnung hatten, fiel kein Entschluss. Dieser soll nach ordentlicher Ankündigung dann am 9. Februar 2024 gefasst werden. Daher wird ab 2024 der Jahresbeitrag höchstwahrscheinlich 30 € betragen.

Alle Mitglieder warten deshalb bitte mit der Überweisung des Beitrags bis nach dem 9.2.2024.

Auf unserer Internetseite wird das Protokoll der Versammlung dann erscheinen, aus dem jedes Mitglied entnehmen kann, ob der Beschluss gefasst worden ist. Bitte warten Sie diesen Termin ab, um unnötige Nachzahlungen zu vermeiden.

Vielen Dank für Ihr Verständnis,
mit freundlichen Grüßen

Ilona Rau
Vereinsvorsitzende

Spendenaufruf

Liebe Leserinnen und Leser,

auch dieses Jahr wende ich mich an Sie mit der Bitte, die Herausgabe von „Vorschau & Rückblick“ durch Spenden mit absichern zu helfen. Wie Sie sich vielleicht erinnern, konnten wir das Jahr 2022 auch dank Ihrer Spenden von 2800 € mit schwarzen Zahlen abschließen. Für dieses Jahr liegt unser Spendenstand bisher bei 1300 € und der Jahresabschluss mit noch offenen Ausgaben steht bevor. Hilfe ist also sehr willkommen.

In der Hoffnung auf Ihre Unterstützung als treue Leserinnen und Leser verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen

Ilona Rau
Vereinsvorsitzende

400 Jahre Kirchenmusik auf Kötzschenbrodaer Flur

Foto: H. Kazmirowski

Im Januarheft 2023 hatte ich mich dem Erlebnis des Weihnachtsoratoriums in der Radebeuler Lutherkirche gewidmet, das am 12. Dezember 2022 nach coronabedingter Pause wieder in einer vollbesetzten Kirche stattfinden konnte. Gleichzeitig überdachte ich die für viele Radebeuler ungewohnte Situation, dass nach der Zusammenlegung der beiden Radebeuler und weiterer Umlandgemeinden zum „Evangelischen Kirchspiel in der Lößnitz“ die Friedenskirche ihren Rang als traditionsreiche, eigenständige Aufführungsstätte von Kirchenmusik eingebüßt hat, weil aufgrund der Größe des zahlenmäßig gewachsenen Chores dieser nun mit den großen Werken der Chorliteratur in der geräumigeren Lutherkirche auftritt. Über diese Veränderungen darf man nicht vergessen, dass im abgelaufenen Jahr die Kantorei Grund zum Feiern hatte, denn im Juli beging man ein besonderes Jubiläum: 400 Jahre Kantorei in der Friedenskirche Kötzschenbroda. Tenor Hans Stege hat zu diesem Anlass einen Artikel im Gemeindebrief vom Oktober veröffentlicht, den Vorschau & Rückblick im Folgenden mit seiner Genehmigung auszugsweise wiedergibt:

Was für eine große Geschichte! Auf der Chorempore lesen wir Namen von 21 Chorleitern und Kantoren. Sie stehen stellvertretend für die große Tradition der evangelisch-lutherischen Kirchenmusik in unserer Lößnitz-Region. Der Schulmeister und Organist David Ziegler gilt als der Gründer des Kirchenchores. Was für eine dramatische Zeit, damals! Mitten im 30-jährigen Krieg, in Not, Bedrängnis und Hoffnungslosigkeit finden sich Menschen zum gemeinsamen Gesang zusammen. Wie viel Trost, wie viel befreienden Lebensatem, wie viel Hoffnung und Gottvertrauen haben sie wohl damals gesucht und gefunden. 400 Jahre ist das her und bis auf den heutigen Tag ist es so geblieben. […] Ich wünsche mir von Herzen, dass wir gemeinsam diese große Tradition der Kirchenmusik und des Gesangs in unserer Region weiter hoch schätzen, nach besten Kräften befördern und bewahren. Wir haben einen kostbaren Schatz. Zu diesem Schatz gehören unsere Kurrendekinder, die jungen Erwachsenen in den vielfältigen Projektgruppen, die Posaunenchöre und Instrumentalgruppen, die Chöre in unseren Kirchspiel-Gemeinden und nicht zuletzt unsere Kantoren, Gemeindepädagogen, Ehrenamtsorganisten sowie die Musiker und Gesangsolisten der Region, mit denen wir zusammenarbeiten. Dazu gehört auch unser kulturell sensibles Publikum, das uns häufig volle Kirchen bei unseren Oratorienkonzerten und Vespern beschert. Der Bedarf ist ungebrochen. Zugleich beklagen wir die beschränkten Mittel angesichts schrumpfender Gemeinden. Auf unser eigenes Engagement wird es ankommen, wie vor 400 Jahren. Und 400 Jahre Friedenskirchkantorei kann und sollte uns Mut machen, auch zu neuen Wegen […] Nutzen wir doch den Schwung unserer beeindruckenden Geschichte, um Kraft und Hoffnung zu schöpfen. Darauf wird es auch in Zukunft ankommen, wie damals vor 400 Jahren.

Mit einem Festgottesdienst am 1. Advent um 10 Uhr in der Friedenskirche, zu dem Gäste aus dem öffentlichen Leben eingeladen sind, startet nun ein kirchspielweites Jubiläumsjahr unter dem Motto: „400 Jahre Kirchenmusiktradition in der Lößnitz“. Dazu setzte die Kantorei unter ihrem Leiter, KMD Peter Kubath, mit der gelungenen Aufführung von Mendelssohns Oratorium „Elias“ bereits im Oktober einen vielbeachteten Akzent. Dieses Werk, das zu den populärsten Chorwerken überhaupt gehört und auch früher schon unter Kubaths Vorgänger Karlheinz Kaiser 1995, 1998, 2003 und 2016 in Radebeul zu hören gewesen war, verfehlte auch bei der jüngsten Aufführung nicht seine Wirkung, was vor allem auch an der deutlich größeren Besetzung des Orchesters im Bereich der Bläser lag. Das Publikum in der vollbesetzten Kirche lauschte ergriffen der alttestamentarischen Geschichte um den Propheten Elias, der in der Auseinandersetzung mit den Israeliten die Hinwendung zu nur einem Gott, Jahwe, fordert und am Ende doch damit scheitert. Anders als in den letzten Jahren wird in diesem Advent in Radebeul das Bach’sche Weihnachtsoratorium nicht zu hören sein, sondern wird nur die 3. Kantate („Herrscher des Himmels“) am 2. Weihnachtstag um 10 Uhr im Rahmen eines Gottesdienstes erklingen. Deswegen möchte ich alle Leserinnen und Leser auf das Konzert am 3. Adventssonntag (17.12.) hinweisen, wenn in der Lutherkirche mit Camille Saint-Saëns „Weihnachtsoratorium“ von 1858 ein nicht ganz so oft aufgeführtes, gleichwohl wunderbares Stück der romantischen Chorliteratur dargeboten werden wird. Dieses Werk, das auch schon durch die Kantorei der Friedenskirche in der Vergangenheit aufgeführt wurde, läuft bei uns zu Hause seit Jahrzehnten neben Bachs WO und berührt in seiner lyrisch-kontemplativen Anlage gleichermaßen wie das barocke Vorbild. Das Frühwerk des Komponisten, er stellte es mit 23 Jahren fertig, ist allerdings deutlich kürzer als Bachs knapp dreistündiges Meisterwerk, weshalb an diesem Adventsnachmittag der Kammerchor ein weiteres weihnachtliches Stück zu Gehör bringen wird: Benjamin Brittens „A Ceremony of Carols“, ein Chorwerk aus dem Jahr 1942. In Brittens 11 Sätze umfassenden Werk werden mittelenglische Texte vertont und zu einem ganz besonderen Klangerlebnis verschmolzen. Mit diesen beiden Werken bereichert die Radebeuler Kantorei den umfangreichen Veranstaltungskalender in der Adventszeit, wofür ihr schon jetzt gedankt und eine aufmerksame Zuhörerschaft gewünscht sein soll.

Bertram Kazmirowski

Editorial 12-23

Schon wieder neigt sich ein Jahr dem Ende zu. Mit wohl weit mehr Turbulenzen als wir uns alle wünschen könnten. In einer Zeit, wo es traditionell üblich ist Bilanz zu ziehen, gehen bange Gedanken zurück, noch bangere in die ungewisse Zukunft.

Nachdem die unsägliche und über Jahre währende Corona-Zeit endlich ihr vielleicht nur vorläufiges Ende nahm, bemächtigte sich in Europa wieder ein noch viel hartnäckigeres und scheinbar unausrottbares Virus des Menschengeschlechts – das des Krieges!

Nach fast zwei Jahren ist der Ausgang in der Ukraine noch völlig unabsehbar. Spielen hier weitgehend geopolitische Interessen eine Rolle, verfängt der weltpolitisch komplexere Krieg zwischen Isreal und dem Gaza-Steifen zusätzlich im religiösen Deutungswahn.

Nüchtern bleibt zu konstatieren, dass nur selten der Menschenverstand oder die Diplomatie obsiegte, sonderm allein das militärische Durchhaltevermögen. Es wäre wohl beschämend zu wissen, wieviel deutsche Rüstungsgüter neben anderen internationale Kriege heute buchstäblich befeuern.

Kurz vor Drucklegung verfügte die Bundesregierung nach ihrem desaströsen Scheitern vor dem Bundesverfassungsgericht über eine umfängliche Haushaltssperre. Am selben Tage wurden der Ukraine vom Verteidigungsminister nach bisher über 22, weitere 1,3 Milliarden Euro an Rüstungsgeldern zugesprochen. Überall fehlt es an Mitteln, aber wo ein Wille ist finden sich offenbar immer Wege.

Liebe Leserinnen und Leser, lassen Sie uns trotz allem mit einem unerschütterlichen Frohsinn in die Zukunft schauen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine besinnliche Advents- und Weihnachtszeit.

Sascha Graedtke

Zum Titelbild

Zum Titelbild V&R Nov. 2023

Schildenstraße 17

Im Jahr 1898 entwarf der Architekt Carl Käfer in Radebeul für Herrn Hermann Knötzsch ein Wohn- und Geschäftshaus in Ecklage mit Schieferdach, Klinkerfassade und EG in Sandstein.

Foto: D. Lohse

Knötzsch betrieb hier die Gaststätte „Knötzschs Weinrestaurant“. Als Betonung der städtebaulichen Lage zwischen Kirche und Rathaus erhielt das Haus einen Turm mit Wölbung und Spitze. Nach 1945 wurde das Lokal nicht mehr betrieben und bei Dachdeckerarbeiten der Turm gekappt – diesmal habe ich mit Absicht kein aktuelles Foto am Text, sondern eins von 1992 (ohne Turm) verwendet. Kurze Zeit dienten die Gaststättenräume noch der Volkssolidarität bis etwa 2005. Eine Sanierung ab 2006 unter neuem Eigentümer hatte den Plan, ein reines Wohnhaus zu gestalten. Es wurden zusätzliche Gaupen und Balkone angebracht und 2007 die Turmspitze nach altem Vorbild wieder aufgesetzt. In Höhe des 1. OG erinnert noch ein Sandsteinrelief „Putten stellen spielerisch Wein her“ ein wenig an die alte Gaststätte.

Dietrich Lohse

Mittendrin II

Foto: I.Meffert

Weinbergsbilder von Anita Rempe und Pit Müller in der Hoflößnitz
Es ist eine unendliche Geschichte: Eingewiegt in die sanfte Bewegung der steinernen Mauern, die, dem leichtwelligen Verlauf der Hänge folgend, dem Weinstock Lebensraum schaffen und dem Winzer Arbeit; eingesponnen und umgarnt vom rötlichen Geflecht der Reben, die ihre Daseinsfreude in immer weiter ausgreifenden Ranken ausspielen und ihre Lebenslust in saftige Trauben gießen; bestrahlt schließlich von der Sonne, die den Stein erwärmt; eingehüllt aber auch von grauen Nebelschwaden, die die Wirklichkeit in eine andere Dimension heben, dann und wann sogar von Schnee überrascht, der selbst zu unserer Zeit schon häufiger fiel – dort, immer mittendrin, sitzt der Maler mit Block und Stift und läßt die Dinge wirken.
Der Ereignisreichtum derartiger Lebensfülle in der Stille des Weinbergs – und wenn nicht gerade Traktoren oder Motorsensen unterwegs sind, ist es dort erstaunlich still – führte den Radebeuler Maler und Grafiker Peter Pit Müller mit logischer Konsequenz zur Ausstellung Mittendrin, die er vor zwei Jahren hier in der Hoflößnitz gemeinsam mit André Uhlig gestaltete. Damals also sind zwei Männer gemeinsam durch die Weinberge gewandert, haben gemalt und gezeichnet und eine erstaunliche Bildfülle mit nach Hause gebracht.
Es liegt nahe, daß es dabei nicht bleiben konnte. Eine unendliche Geschichte hat nun mal die fatale oder schöne Angewohnheit, immer wieder weiterzugehen. Pit ist, wie er selbst sagt, mit dem Weinberg einfach noch nicht fertig. Wer wollte ihn dafür tadeln? Wer wollte ihm gar zürnen, wenn er immer wieder in den Berg steigt – ja, durchaus auch mal mit einem guten Tropfen im Gepäck – und Erholung sucht für die geplagten Augen? Die können sich angesichts eines Reisighaufens entspannen, dessen grafische Raffinesse Pit zum Bild werden läßt. Wenn überall nur Ordnung herrscht, sagt der Maler dazu, wenn es nichts mehr gibt als rechte Winkel, muß die Wildnis gemalt werden. Unsere Augen brauchen etwas, woran sie sich festhalten können. Ganz nebenbei führt uns eine Ausstellung wie diese eindrucksvoll vor Augen, wie glücklich wir hier unter den Weinhängen sein können, mitten in der Stadt so viel lebendige grüne Natur zu haben. Weinbau, das darf an dieser Stelle nicht vergessen werden, ist hier im Elbtal vor allem auch Landschaftspflege.
Spätestens hier ergibt sich für Pit ein schöner Gleichklang mit seiner genialen Kollegin Anita Rempe. Sie sieht das scheinbar allgegenwärtige Chaos in den Köpfen trefflich gespiegelt im tausendfachen Durcheinander der Reben und Ranken. Gleichzeitig ist sie stets aufs Neue fasziniert von dem sich so störrisch gebenden Gestrüppe, das der Winzer mühsam zu bändigen sucht. Wie unser aller Leben auch, zeigt es immer wieder überraschende Wendungen.
Anita fühlt sich in Manchem den Reben nahe. In ihr wohnt ein ständig neu aufkeimendes Bedürfnis zum Anderssein, ein starker Wunsch nach Neubeginn. Sie könnte kein Bild zweimal malen.
Die diplomierte Grafikerin ist in Magdeburg geboren und seit zehn Jahren im Gauernitzer Fischerdorf ansässig. Dort hat sie sich im Überschwemmungsgebiet hochwassersicher eingerichtet. Natürlich entstehen da auch ihre Ölbilder, in denen sie ihre in der Natur gewonnenen Eindrücke auf immer wieder erfrischende Weise verarbeitet. Anita hat fürs Puppentheater gearbeitet und als Trickfilmzeichnerin. Ein paar Jahre lang war sie – wie Pit auch – Mitglied der Künstlergemeinschaft Atelier Oberlicht. Und wie Pit hat sie sich in einem Zusatzstudium der Kunsttherapie zugewendet. Das Studium und das daraus resultierende Papier waren nötig, therapeutisch arbeiten zu dürfen – es zu können, bedarf es noch ganz anderer Voraussetzungen. Da ist vor allem Einfühlungsvermögen gefragt. Dank ihrer unverstellten, munteren Begeisterungsfähigkeit fällt es Anita leicht, auf andere Menschen, vor allem auf Menschen, die anders sind, zuzugehen. Über viele Jahre hinweg haben beide dann in unterschiedlichen Einrichtungen und Projekten sehr segensreich wirken können. Ihre eigentliche Passion, die Kunst, haben sie dabei nie aus den Augen verloren.
Pit ist in Leipzig geboren, über Jahrzehnte hinweg aber zweifellos ein waschechter Radebeuler geworden. Er hat Glas- und Keramikmalerei gelernt und dabei ein solides Handwerkszeug erworben. Es spricht sich ja langsam wieder herum, daß die Kunst so ganz ohne Handwerk doch nicht auskommt. Pit hat dann an der Dresdner Hochschule Malerei studiert. Er ist seit 1982 selbstständiger Maler. Seine Sujets findet er in den vier Elementen. Besonders dem Wasser hat er im Laufe der Jahre viel Aufmerksamkeit gewidmet, wobei stets das fünfte Element, der alles verbindende Geist, durch die Hand mit aufs Bild kam.

Foto: I.Meffert

Die Hand hat das Malen gelernt über die Jahre. Das kommt ihm nun zu Gute, da die Sehkraft nachläßt – eigentlich Höchststrafe für einen Maler –, aber die Hand weiß auch so, was zu tun ist: Die Bewegungsabläufe sitzen einfach. Beim Wandern und Verweilen im Weinberg entstehen größerformatige Skizzen und manchmal auch Fotografien, die später zu Hause im Atelier zu Bildern komponiert werden.
Ein fröhlicher Zufall – Anita fremdelt ein wenig mit dem Wort, mir aber gefällt es, weil ich den Zufall persönlich nehme – ein fröhlicher Zufall also hat dafür gesorgt, daß sich Anita und Pit spontan entschlossen haben, das Thema Weinberge noch einmal gemeinsam für eine Ausstellung zu bearbeiten. Besonders für Anita ist es wichtig bei solch einer Aufgabe ein Gegenüber zu haben. Und schon saßen sie malend und zeichnend und schauend und vor allem atmend mittendrin zwischen den Reben. Wenn’s sein sollte, sind sie auch mal allein losgelaufen. Zudem haben sie Bild-Erfahrungen von außerhalb in ihre Betrachtungen einbezogen. So ist Pit besonders dankbar dafür, daß ihn sein Freund und Mäzen Frank Biermann nach Lanzarote eingeladen hatte. Dort, wo die Rebe in schwarzen Lavakratern gedeiht, haben die beiden Männer weinfreudig die Landschaft erkundet. So manches Bild dieser Reise ist hier zu sehen.
Und dann geschah etwas, das eigentlich gar nicht geschehen kann: Anita und Pit malen, unabhängig von einander im jeweils eigenen Atelier und freilich auf der Grundlage gemeinsamer Erfahrungen, die gleichen Bilder. Auf der Einladungskarte ist das eindrücklich zu sehen. Namen sind nicht wichtig, sagt der abgeklärte Pit dazu, wichtig ist das Bild, das Entstehen.
Nun, vielleicht sind Namen wirklich nicht wichtig. Aber wichtig ist, davon bin ich zutiefst überzeugt, die Persönlichkeit, die hinter einem Bild steht. Pit und Anita sind sich insoweit ähnlich, als sie beide ausgeprägte Persönlichkeiten sind. In ihren Weinbergsbildern scheint nach meinem Empfinden eine partielle Geschwisterlichkeit auf, ein Gleichklang der Begeisterung angesichts der Elemente. Diese Begeisterung ist es, die Begeisterung für die leichtwelligen sonnenbeschienen Hänge, für die seit Jahrhunderten gepflegten Trockenmauern und den Wein, die die unendliche Geschichte weiterleben läßt, wie die Reben, die alljährlich ihre Ranken ins Endlose strecken. Und ich hoffe, daß sich die Begeisterung nun auch auf die Betrachter überträgt und der Ausstellung den verdienten Erfolg beschert.

Thomas Gerlach

Die Ausstellung »Mittendrin II« ist noch bis zum 10. Dezember im Bergverwalterhaus der Hoflößnitz, Knohllweg 37, in Radebeul zu sehen, geöffnet Di–So von 10–18 Uhr.

Mit den Texten der brachialromantischen Hausapotheker Dieter Beckert und Jürgen B. Wolff durchs Jahr

Leserzuschrift zu:

Zu: Vorschau 10/23, Hymnische, „Einigkeit, Recht & Freiheit“

JA, ICH, Jahrgang 1953, Geburtsort Köln, „Wehrpaß“ Nummer TTMMJJK30117 Kreiswehrersatzamt Aachen vom 20.9.1972, BIN Kriegsdienstverweigerer.
In Vorbereitung der damaligen gerichtsartigen Verhandlung vor dem Ausschuss des Kreiswehrersatzamtes habe ich dank Hilfe meines katholischen Beistandes gelernt, was eine Gewissensentscheidung ist.
ICH kann seither den Unterschied von Notwehr und Nothilfe artikulieren. DAS war für mich als junger Mann, eine prägende Erfahrung, die bis Heute Bestand hat. Insofern war meine Einforderung des grundgesetzlich verankerten Rechtes der Kriegsdienstverweigerung kein einmaliger Akt, sondern eine bleibende Erfahrung für mein gesamtes Leben.
JA, ich bekenne mich als Fundamental-Pazifist und würde mir statt die in unseren Leitmedien gebetsmühlenhaft vorgetragenen Kriegsberichte die von Thomas Gerlach vorgetragene Lyrik aus der Oktober-Ausgabe des „Vorschau-Rückblick“ wünschen.
Begleitend empfehle ich auf örtlicher Ebene (Stadtbibliothek, Stadtgalerie) Filmabende mit den Filmen: Stanley Kubrick, 1964, „Dr. Seltsam oder wie ich lernte die Bombe zu lieben“ Dalton Trumbo, 1971, „Johnny zieht in den Krieg“ Romuald Karmakar, 1992, „Warheads“ mit den dokumentarischen Kapiteln „Mississippi, Special Aussault Scool, 1990“ „Französisch Guyana, 1991“ und „Gospic, Kroatien, 1991“.
Möglicherweise könnten solche „Bilder“ in den videospielgeprägten Jahrgängen nach mir einen Denkprozess initiieren, der mit „Büchern, beispielsweise „Die Waffen nieder!“ (Bertha von Suttner, 1889) nicht mehr zeitgeist- und bildungsmäßig zu vermitteln sind.

Heinz-Gerd Koch

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