400 Jahre Kirchenmusik auf Kötzschenbrodaer Flur

Foto: H. Kazmirowski

Im Januarheft 2023 hatte ich mich dem Erlebnis des Weihnachtsoratoriums in der Radebeuler Lutherkirche gewidmet, das am 12. Dezember 2022 nach coronabedingter Pause wieder in einer vollbesetzten Kirche stattfinden konnte. Gleichzeitig überdachte ich die für viele Radebeuler ungewohnte Situation, dass nach der Zusammenlegung der beiden Radebeuler und weiterer Umlandgemeinden zum „Evangelischen Kirchspiel in der Lößnitz“ die Friedenskirche ihren Rang als traditionsreiche, eigenständige Aufführungsstätte von Kirchenmusik eingebüßt hat, weil aufgrund der Größe des zahlenmäßig gewachsenen Chores dieser nun mit den großen Werken der Chorliteratur in der geräumigeren Lutherkirche auftritt. Über diese Veränderungen darf man nicht vergessen, dass im abgelaufenen Jahr die Kantorei Grund zum Feiern hatte, denn im Juli beging man ein besonderes Jubiläum: 400 Jahre Kantorei in der Friedenskirche Kötzschenbroda. Tenor Hans Stege hat zu diesem Anlass einen Artikel im Gemeindebrief vom Oktober veröffentlicht, den Vorschau & Rückblick im Folgenden mit seiner Genehmigung auszugsweise wiedergibt:

Was für eine große Geschichte! Auf der Chorempore lesen wir Namen von 21 Chorleitern und Kantoren. Sie stehen stellvertretend für die große Tradition der evangelisch-lutherischen Kirchenmusik in unserer Lößnitz-Region. Der Schulmeister und Organist David Ziegler gilt als der Gründer des Kirchenchores. Was für eine dramatische Zeit, damals! Mitten im 30-jährigen Krieg, in Not, Bedrängnis und Hoffnungslosigkeit finden sich Menschen zum gemeinsamen Gesang zusammen. Wie viel Trost, wie viel befreienden Lebensatem, wie viel Hoffnung und Gottvertrauen haben sie wohl damals gesucht und gefunden. 400 Jahre ist das her und bis auf den heutigen Tag ist es so geblieben. […] Ich wünsche mir von Herzen, dass wir gemeinsam diese große Tradition der Kirchenmusik und des Gesangs in unserer Region weiter hoch schätzen, nach besten Kräften befördern und bewahren. Wir haben einen kostbaren Schatz. Zu diesem Schatz gehören unsere Kurrendekinder, die jungen Erwachsenen in den vielfältigen Projektgruppen, die Posaunenchöre und Instrumentalgruppen, die Chöre in unseren Kirchspiel-Gemeinden und nicht zuletzt unsere Kantoren, Gemeindepädagogen, Ehrenamtsorganisten sowie die Musiker und Gesangsolisten der Region, mit denen wir zusammenarbeiten. Dazu gehört auch unser kulturell sensibles Publikum, das uns häufig volle Kirchen bei unseren Oratorienkonzerten und Vespern beschert. Der Bedarf ist ungebrochen. Zugleich beklagen wir die beschränkten Mittel angesichts schrumpfender Gemeinden. Auf unser eigenes Engagement wird es ankommen, wie vor 400 Jahren. Und 400 Jahre Friedenskirchkantorei kann und sollte uns Mut machen, auch zu neuen Wegen […] Nutzen wir doch den Schwung unserer beeindruckenden Geschichte, um Kraft und Hoffnung zu schöpfen. Darauf wird es auch in Zukunft ankommen, wie damals vor 400 Jahren.

Mit einem Festgottesdienst am 1. Advent um 10 Uhr in der Friedenskirche, zu dem Gäste aus dem öffentlichen Leben eingeladen sind, startet nun ein kirchspielweites Jubiläumsjahr unter dem Motto: „400 Jahre Kirchenmusiktradition in der Lößnitz“. Dazu setzte die Kantorei unter ihrem Leiter, KMD Peter Kubath, mit der gelungenen Aufführung von Mendelssohns Oratorium „Elias“ bereits im Oktober einen vielbeachteten Akzent. Dieses Werk, das zu den populärsten Chorwerken überhaupt gehört und auch früher schon unter Kubaths Vorgänger Karlheinz Kaiser 1995, 1998, 2003 und 2016 in Radebeul zu hören gewesen war, verfehlte auch bei der jüngsten Aufführung nicht seine Wirkung, was vor allem auch an der deutlich größeren Besetzung des Orchesters im Bereich der Bläser lag. Das Publikum in der vollbesetzten Kirche lauschte ergriffen der alttestamentarischen Geschichte um den Propheten Elias, der in der Auseinandersetzung mit den Israeliten die Hinwendung zu nur einem Gott, Jahwe, fordert und am Ende doch damit scheitert. Anders als in den letzten Jahren wird in diesem Advent in Radebeul das Bach’sche Weihnachtsoratorium nicht zu hören sein, sondern wird nur die 3. Kantate („Herrscher des Himmels“) am 2. Weihnachtstag um 10 Uhr im Rahmen eines Gottesdienstes erklingen. Deswegen möchte ich alle Leserinnen und Leser auf das Konzert am 3. Adventssonntag (17.12.) hinweisen, wenn in der Lutherkirche mit Camille Saint-Saëns „Weihnachtsoratorium“ von 1858 ein nicht ganz so oft aufgeführtes, gleichwohl wunderbares Stück der romantischen Chorliteratur dargeboten werden wird. Dieses Werk, das auch schon durch die Kantorei der Friedenskirche in der Vergangenheit aufgeführt wurde, läuft bei uns zu Hause seit Jahrzehnten neben Bachs WO und berührt in seiner lyrisch-kontemplativen Anlage gleichermaßen wie das barocke Vorbild. Das Frühwerk des Komponisten, er stellte es mit 23 Jahren fertig, ist allerdings deutlich kürzer als Bachs knapp dreistündiges Meisterwerk, weshalb an diesem Adventsnachmittag der Kammerchor ein weiteres weihnachtliches Stück zu Gehör bringen wird: Benjamin Brittens „A Ceremony of Carols“, ein Chorwerk aus dem Jahr 1942. In Brittens 11 Sätze umfassenden Werk werden mittelenglische Texte vertont und zu einem ganz besonderen Klangerlebnis verschmolzen. Mit diesen beiden Werken bereichert die Radebeuler Kantorei den umfangreichen Veranstaltungskalender in der Adventszeit, wofür ihr schon jetzt gedankt und eine aufmerksame Zuhörerschaft gewünscht sein soll.

Bertram Kazmirowski

Editorial 12-23

Schon wieder neigt sich ein Jahr dem Ende zu. Mit wohl weit mehr Turbulenzen als wir uns alle wünschen könnten. In einer Zeit, wo es traditionell üblich ist Bilanz zu ziehen, gehen bange Gedanken zurück, noch bangere in die ungewisse Zukunft.

Nachdem die unsägliche und über Jahre währende Corona-Zeit endlich ihr vielleicht nur vorläufiges Ende nahm, bemächtigte sich in Europa wieder ein noch viel hartnäckigeres und scheinbar unausrottbares Virus des Menschengeschlechts – das des Krieges!

Nach fast zwei Jahren ist der Ausgang in der Ukraine noch völlig unabsehbar. Spielen hier weitgehend geopolitische Interessen eine Rolle, verfängt der weltpolitisch komplexere Krieg zwischen Isreal und dem Gaza-Steifen zusätzlich im religiösen Deutungswahn.

Nüchtern bleibt zu konstatieren, dass nur selten der Menschenverstand oder die Diplomatie obsiegte, sonderm allein das militärische Durchhaltevermögen. Es wäre wohl beschämend zu wissen, wieviel deutsche Rüstungsgüter neben anderen internationale Kriege heute buchstäblich befeuern.

Kurz vor Drucklegung verfügte die Bundesregierung nach ihrem desaströsen Scheitern vor dem Bundesverfassungsgericht über eine umfängliche Haushaltssperre. Am selben Tage wurden der Ukraine vom Verteidigungsminister nach bisher über 22, weitere 1,3 Milliarden Euro an Rüstungsgeldern zugesprochen. Überall fehlt es an Mitteln, aber wo ein Wille ist finden sich offenbar immer Wege.

Liebe Leserinnen und Leser, lassen Sie uns trotz allem mit einem unerschütterlichen Frohsinn in die Zukunft schauen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine besinnliche Advents- und Weihnachtszeit.

Sascha Graedtke

Zum Titelbild

Zum Titelbild V&R Nov. 2023

Schildenstraße 17

Im Jahr 1898 entwarf der Architekt Carl Käfer in Radebeul für Herrn Hermann Knötzsch ein Wohn- und Geschäftshaus in Ecklage mit Schieferdach, Klinkerfassade und EG in Sandstein.

Foto: D. Lohse

Knötzsch betrieb hier die Gaststätte „Knötzschs Weinrestaurant“. Als Betonung der städtebaulichen Lage zwischen Kirche und Rathaus erhielt das Haus einen Turm mit Wölbung und Spitze. Nach 1945 wurde das Lokal nicht mehr betrieben und bei Dachdeckerarbeiten der Turm gekappt – diesmal habe ich mit Absicht kein aktuelles Foto am Text, sondern eins von 1992 (ohne Turm) verwendet. Kurze Zeit dienten die Gaststättenräume noch der Volkssolidarität bis etwa 2005. Eine Sanierung ab 2006 unter neuem Eigentümer hatte den Plan, ein reines Wohnhaus zu gestalten. Es wurden zusätzliche Gaupen und Balkone angebracht und 2007 die Turmspitze nach altem Vorbild wieder aufgesetzt. In Höhe des 1. OG erinnert noch ein Sandsteinrelief „Putten stellen spielerisch Wein her“ ein wenig an die alte Gaststätte.

Dietrich Lohse

Mittendrin II

Foto: I.Meffert

Weinbergsbilder von Anita Rempe und Pit Müller in der Hoflößnitz
Es ist eine unendliche Geschichte: Eingewiegt in die sanfte Bewegung der steinernen Mauern, die, dem leichtwelligen Verlauf der Hänge folgend, dem Weinstock Lebensraum schaffen und dem Winzer Arbeit; eingesponnen und umgarnt vom rötlichen Geflecht der Reben, die ihre Daseinsfreude in immer weiter ausgreifenden Ranken ausspielen und ihre Lebenslust in saftige Trauben gießen; bestrahlt schließlich von der Sonne, die den Stein erwärmt; eingehüllt aber auch von grauen Nebelschwaden, die die Wirklichkeit in eine andere Dimension heben, dann und wann sogar von Schnee überrascht, der selbst zu unserer Zeit schon häufiger fiel – dort, immer mittendrin, sitzt der Maler mit Block und Stift und läßt die Dinge wirken.
Der Ereignisreichtum derartiger Lebensfülle in der Stille des Weinbergs – und wenn nicht gerade Traktoren oder Motorsensen unterwegs sind, ist es dort erstaunlich still – führte den Radebeuler Maler und Grafiker Peter Pit Müller mit logischer Konsequenz zur Ausstellung Mittendrin, die er vor zwei Jahren hier in der Hoflößnitz gemeinsam mit André Uhlig gestaltete. Damals also sind zwei Männer gemeinsam durch die Weinberge gewandert, haben gemalt und gezeichnet und eine erstaunliche Bildfülle mit nach Hause gebracht.
Es liegt nahe, daß es dabei nicht bleiben konnte. Eine unendliche Geschichte hat nun mal die fatale oder schöne Angewohnheit, immer wieder weiterzugehen. Pit ist, wie er selbst sagt, mit dem Weinberg einfach noch nicht fertig. Wer wollte ihn dafür tadeln? Wer wollte ihm gar zürnen, wenn er immer wieder in den Berg steigt – ja, durchaus auch mal mit einem guten Tropfen im Gepäck – und Erholung sucht für die geplagten Augen? Die können sich angesichts eines Reisighaufens entspannen, dessen grafische Raffinesse Pit zum Bild werden läßt. Wenn überall nur Ordnung herrscht, sagt der Maler dazu, wenn es nichts mehr gibt als rechte Winkel, muß die Wildnis gemalt werden. Unsere Augen brauchen etwas, woran sie sich festhalten können. Ganz nebenbei führt uns eine Ausstellung wie diese eindrucksvoll vor Augen, wie glücklich wir hier unter den Weinhängen sein können, mitten in der Stadt so viel lebendige grüne Natur zu haben. Weinbau, das darf an dieser Stelle nicht vergessen werden, ist hier im Elbtal vor allem auch Landschaftspflege.
Spätestens hier ergibt sich für Pit ein schöner Gleichklang mit seiner genialen Kollegin Anita Rempe. Sie sieht das scheinbar allgegenwärtige Chaos in den Köpfen trefflich gespiegelt im tausendfachen Durcheinander der Reben und Ranken. Gleichzeitig ist sie stets aufs Neue fasziniert von dem sich so störrisch gebenden Gestrüppe, das der Winzer mühsam zu bändigen sucht. Wie unser aller Leben auch, zeigt es immer wieder überraschende Wendungen.
Anita fühlt sich in Manchem den Reben nahe. In ihr wohnt ein ständig neu aufkeimendes Bedürfnis zum Anderssein, ein starker Wunsch nach Neubeginn. Sie könnte kein Bild zweimal malen.
Die diplomierte Grafikerin ist in Magdeburg geboren und seit zehn Jahren im Gauernitzer Fischerdorf ansässig. Dort hat sie sich im Überschwemmungsgebiet hochwassersicher eingerichtet. Natürlich entstehen da auch ihre Ölbilder, in denen sie ihre in der Natur gewonnenen Eindrücke auf immer wieder erfrischende Weise verarbeitet. Anita hat fürs Puppentheater gearbeitet und als Trickfilmzeichnerin. Ein paar Jahre lang war sie – wie Pit auch – Mitglied der Künstlergemeinschaft Atelier Oberlicht. Und wie Pit hat sie sich in einem Zusatzstudium der Kunsttherapie zugewendet. Das Studium und das daraus resultierende Papier waren nötig, therapeutisch arbeiten zu dürfen – es zu können, bedarf es noch ganz anderer Voraussetzungen. Da ist vor allem Einfühlungsvermögen gefragt. Dank ihrer unverstellten, munteren Begeisterungsfähigkeit fällt es Anita leicht, auf andere Menschen, vor allem auf Menschen, die anders sind, zuzugehen. Über viele Jahre hinweg haben beide dann in unterschiedlichen Einrichtungen und Projekten sehr segensreich wirken können. Ihre eigentliche Passion, die Kunst, haben sie dabei nie aus den Augen verloren.
Pit ist in Leipzig geboren, über Jahrzehnte hinweg aber zweifellos ein waschechter Radebeuler geworden. Er hat Glas- und Keramikmalerei gelernt und dabei ein solides Handwerkszeug erworben. Es spricht sich ja langsam wieder herum, daß die Kunst so ganz ohne Handwerk doch nicht auskommt. Pit hat dann an der Dresdner Hochschule Malerei studiert. Er ist seit 1982 selbstständiger Maler. Seine Sujets findet er in den vier Elementen. Besonders dem Wasser hat er im Laufe der Jahre viel Aufmerksamkeit gewidmet, wobei stets das fünfte Element, der alles verbindende Geist, durch die Hand mit aufs Bild kam.

Foto: I.Meffert

Die Hand hat das Malen gelernt über die Jahre. Das kommt ihm nun zu Gute, da die Sehkraft nachläßt – eigentlich Höchststrafe für einen Maler –, aber die Hand weiß auch so, was zu tun ist: Die Bewegungsabläufe sitzen einfach. Beim Wandern und Verweilen im Weinberg entstehen größerformatige Skizzen und manchmal auch Fotografien, die später zu Hause im Atelier zu Bildern komponiert werden.
Ein fröhlicher Zufall – Anita fremdelt ein wenig mit dem Wort, mir aber gefällt es, weil ich den Zufall persönlich nehme – ein fröhlicher Zufall also hat dafür gesorgt, daß sich Anita und Pit spontan entschlossen haben, das Thema Weinberge noch einmal gemeinsam für eine Ausstellung zu bearbeiten. Besonders für Anita ist es wichtig bei solch einer Aufgabe ein Gegenüber zu haben. Und schon saßen sie malend und zeichnend und schauend und vor allem atmend mittendrin zwischen den Reben. Wenn’s sein sollte, sind sie auch mal allein losgelaufen. Zudem haben sie Bild-Erfahrungen von außerhalb in ihre Betrachtungen einbezogen. So ist Pit besonders dankbar dafür, daß ihn sein Freund und Mäzen Frank Biermann nach Lanzarote eingeladen hatte. Dort, wo die Rebe in schwarzen Lavakratern gedeiht, haben die beiden Männer weinfreudig die Landschaft erkundet. So manches Bild dieser Reise ist hier zu sehen.
Und dann geschah etwas, das eigentlich gar nicht geschehen kann: Anita und Pit malen, unabhängig von einander im jeweils eigenen Atelier und freilich auf der Grundlage gemeinsamer Erfahrungen, die gleichen Bilder. Auf der Einladungskarte ist das eindrücklich zu sehen. Namen sind nicht wichtig, sagt der abgeklärte Pit dazu, wichtig ist das Bild, das Entstehen.
Nun, vielleicht sind Namen wirklich nicht wichtig. Aber wichtig ist, davon bin ich zutiefst überzeugt, die Persönlichkeit, die hinter einem Bild steht. Pit und Anita sind sich insoweit ähnlich, als sie beide ausgeprägte Persönlichkeiten sind. In ihren Weinbergsbildern scheint nach meinem Empfinden eine partielle Geschwisterlichkeit auf, ein Gleichklang der Begeisterung angesichts der Elemente. Diese Begeisterung ist es, die Begeisterung für die leichtwelligen sonnenbeschienen Hänge, für die seit Jahrhunderten gepflegten Trockenmauern und den Wein, die die unendliche Geschichte weiterleben läßt, wie die Reben, die alljährlich ihre Ranken ins Endlose strecken. Und ich hoffe, daß sich die Begeisterung nun auch auf die Betrachter überträgt und der Ausstellung den verdienten Erfolg beschert.

Thomas Gerlach

Die Ausstellung »Mittendrin II« ist noch bis zum 10. Dezember im Bergverwalterhaus der Hoflößnitz, Knohllweg 37, in Radebeul zu sehen, geöffnet Di–So von 10–18 Uhr.

Mit den Texten der brachialromantischen Hausapotheker Dieter Beckert und Jürgen B. Wolff durchs Jahr

Leserzuschrift zu:

Zu: Vorschau 10/23, Hymnische, „Einigkeit, Recht & Freiheit“

JA, ICH, Jahrgang 1953, Geburtsort Köln, „Wehrpaß“ Nummer TTMMJJK30117 Kreiswehrersatzamt Aachen vom 20.9.1972, BIN Kriegsdienstverweigerer.
In Vorbereitung der damaligen gerichtsartigen Verhandlung vor dem Ausschuss des Kreiswehrersatzamtes habe ich dank Hilfe meines katholischen Beistandes gelernt, was eine Gewissensentscheidung ist.
ICH kann seither den Unterschied von Notwehr und Nothilfe artikulieren. DAS war für mich als junger Mann, eine prägende Erfahrung, die bis Heute Bestand hat. Insofern war meine Einforderung des grundgesetzlich verankerten Rechtes der Kriegsdienstverweigerung kein einmaliger Akt, sondern eine bleibende Erfahrung für mein gesamtes Leben.
JA, ich bekenne mich als Fundamental-Pazifist und würde mir statt die in unseren Leitmedien gebetsmühlenhaft vorgetragenen Kriegsberichte die von Thomas Gerlach vorgetragene Lyrik aus der Oktober-Ausgabe des „Vorschau-Rückblick“ wünschen.
Begleitend empfehle ich auf örtlicher Ebene (Stadtbibliothek, Stadtgalerie) Filmabende mit den Filmen: Stanley Kubrick, 1964, „Dr. Seltsam oder wie ich lernte die Bombe zu lieben“ Dalton Trumbo, 1971, „Johnny zieht in den Krieg“ Romuald Karmakar, 1992, „Warheads“ mit den dokumentarischen Kapiteln „Mississippi, Special Aussault Scool, 1990“ „Französisch Guyana, 1991“ und „Gospic, Kroatien, 1991“.
Möglicherweise könnten solche „Bilder“ in den videospielgeprägten Jahrgängen nach mir einen Denkprozess initiieren, der mit „Büchern, beispielsweise „Die Waffen nieder!“ (Bertha von Suttner, 1889) nicht mehr zeitgeist- und bildungsmäßig zu vermitteln sind.

Heinz-Gerd Koch

Radebeuler Miniaturen

1623 – 2023:

400 Jahre Haus Möbius

XI
Haus und Abgrund

In strahlender Gewißheit eines nahen Sieges tritt Ulrike auf mich zu und hält mir das Oktoberheft unter die Nase: Meinst du nicht, flötet sie mit aller Süße, deren sie fähig ist, daß es sinnvoll wäre, ein Bild nicht nur zu erwähnen, sondern auch so zu erklären, daß sich die Leserschaft was drunter vorstellen kann – wenn dus schon nicht zeigen willst?!
Nun ja, sag ich leise, hast ja recht, da ist etwas schief gegangen. Das Bild ist irgendwie, nu, wie ein bißchen verloren gegangen. So was kommt vor. Aber hier ist es nun in voller Schönheit:
Es trägt den Titel „Zu Gast bei TG“, und es wirkt auf den ersten Blick tatsächlich so, als stünden Tisch und Wein auf der Straße. Die Kopie hat mir Familie Kronbach zugänglich gemacht (herzlichen Dank dafür!). Bei genauerem Betrachten – nun, das bleibe jeder und jedem selbst überlassen. Auf unserer „Laube“ steht das alles jedenfalls nicht…

Michael Hofmann Repro T. Gerlach

Klaus Schumann Repro T. Gerlach

Und ganz sicher kann sich auch jeder und jede vorstellen, daß es im Laufe der vierhundert Jahre so manches gab, das es nicht gab (und das demzufolge auch nicht vermißt wurde):
In den ersten rund zweihundertachtzig Jahren gab es keinen elektrischen Strom und demzufolge auch weder Heizlüfter noch Ventilatoren.
In den ersten rund dreihundertzwanzig Jahren gab es kein fließendes Wasser im Haus, nur einen Brunnen auf dem Hof.
In den ersten rund dreihundertvierzig Jahren gab es kein Radio im Haus und demzufolge weder Fußballreportagen noch „Alternative Fakten“.
In den ersten rund dreihundertfünfundsiebzig Jahren gab es keine Badewanne im Haus. Da das Haus aber gut durchlüftet ist, fiel das so gut wie gar nicht auf.
Und in den ersten rund dreihundertneunzig Jahren gab es im Haus kein Internetz – was waren das glückliche Zeiten – und demzufolge waltete auch vierhundert Jahre lang (wenn überhaupt) nur natürliche Intelligenz im Hause. Und das soll auch noch einige Zeit so bleiben!
Kriege gab es natürlich immer, obwohl die mit Sicherheit (von der Generalität mal abgesehn) keiner vermißt hätte. Fünfundsiebzig Jahre ohne Krieg, wie wir sie zuletzt erlebt haben, gab es noch nie. Wenn wir hoffen könnten, daß dieser Zustand noch etwas anhält, könnten wir davon ausgehen, daß unsere Nachfahren noch das Fünfhundertste feiern können. Das Haus jedenfalls wäre bereit…
Apropos feiern: Wein gab es natürlich auch immer. Der hilft in guten wie in weniger guten Tagen. Darauf sollten wir anstoßen, ohne Netz, aber mit klingenden Gläsern, auf daß es ihn auch weiterhin gibt.
Die jüngste Hausansicht stammt übrigens aus der Feder von Klaus Schumann. Auch sie ist der Erwähnung wert. Und wenns sein soll, gibt’s künftig nicht nur Wein, sondern auch das eine oder andere neue Bild. Aber darum werden sich andere kümmern …

Thomas Gerlach

Glosse?

„Der grüne Heinrich“

Vielleicht kann sich der Eine oder Andere noch an den „Grünen Heinrich“ erinnern. Wer das war und wo der lebte? Nicht nur die Radebeuler, die einst vom Dresdner West-Hang in die Lößnitzstadt zogen, werden ihn nicht vergessen haben, verbrachten sie doch im „Grünen Heinrich“ vermutlich so mache vergnügte Stunde.
Dort in Gorbitz wurde am 21. August 1981 für das größte Neubaugebiet Dresdens der Grundstein gelegt. Genau an dieser Stelle entstand weder ein Wohngebäude noch eine Schule, nein, sondern die spätere Wohngebietsgaststätte „Grüner Heinrich“. Wie die Gaststätte, die zunächst Bauarbeiter und Schulkinder mittags verpflegte und in der später bis zu 450 Gäste Platz gefunden haben, zu ihrem Namen gekommen ist, weiß ich eigentlich nur aus der Zeitung.
Für dieses für 45.000 Menschen konzipierte Wohngebiet soll es auch ein Kunst-Konzept gegeben haben. „Kunst am Bau“ muss offensichtlich auch schon in der DDR eine Rolle gespielt haben. Von derartigen Ideen habe ich bezüglich der Siedlung an der Waldstraße oder des Villenparks Altradebeul in unserer Stadt bisher noch nichts gehört. Im Nachhinein wurde von Privat ein Gedenkstein in der Waldstraßensiedlung aufgestellt. Sei es drum.
Den Namen „Grüner Heinrich“ hatte man sich von einem gewissen Gottfried Keller ausgeliehen. Der soll 1855 von Berlin kommend, nach Zürich reisend, in Dresden einen Zwischenstopp eingelegt haben. Da waren bereits die ersten drei Bände seines Romanzyklus Der grüne Heinrich erschienen, einer autobiografisch eingefärbten Lebensgeschichte von einem Mann, der als Kind den Spitznahmen „Grüner Heinrich“ wegen seines eigenartigen Mantels erhalten hatte.
Nun kam die Stadt Dresden 1904 auf die Idee, eine Straße nach dem Autor jenes Romans zu benennen, der mittlerweile zu einem der bedeutendsten Schriftsteller des bürgerlichen Realismus aufgestiegen war. Und wie es der Zufall so wollte, führte diese Straße ausgerechnet auch durch das spätere Baugebiet, auf dem 15.000 Wohnungen entstehen sollten.
Obwohl aus der Schweiz kommend, ist nun Gottfried Keller wahrlich kein unbedeutender Schriftsteller in deutschen Landen, auch wenn er in seinen jungen Jahren noch nicht so richtig wusste, was er mit sich anstellen sollte und seine Jugendzeit regelrecht verträumt und vertrödelt haben soll. Man kannte ja damals noch keine Discoschuppen oder Parkplätze vor Supermärkten. Aber einfach mal in Dresden aus dem Zug steigen und schon wird eine Straße nach dir benannt, das ist schon gewaltig. Wie oft bin ich schon  am Neustädter Bahnhof ausgestiegen…
Allerdings gibt es noch Steigerungen ungeahnter Art: Udo Lindenberg beispielsweise war nie in Radebeul und bekommt trotzdem ein hoch nobles Wandbild. Da strampelt man sich jahrzentelang ab und es merkt keiner! Da kannste warten bis de grün wirst! Aber offensichtlich fehlt mir dazu das entsprechende Likörglas.
Der Keller hingegen, das muss man ihm lassen, war schon ein feiner Mann. Der hat sich für seine Schweiz eingesetzt und die Neutralität gegenüber Napoleon verteidigt. Der Körner wiederum hatte den „Grünen Heinrich“ verteidigt – also der Matthias Körner, der Gorbitzer Stadtteilchronist – auch ein Dresdner. Genutzt hat es nichts. Abgerissen wurde die beliebte Wohngebietsgaststätte 2021 trotzdem. An deren Stelle steht heute ein großer Klotz mit 179 Studenten-Apartments.
Was das alles mit Radebeul zu tun hat? Es war auch ein Radebeuler Architekt, der beratend mit an der Umsetzung des Bauvorhabens beteiligt war. Daran kann man schon mal erinnern, meint

Euer Motzi.

 

Wir erinnern:

Hundertster Todestag von Architekt Ernst Ziller

Foto: Radebeuler Stadtarchiv

Ernst Moritz Theodor Ziller wurde am 22.06.1837 in Oberlößnitz als ältester Sohn des Baumeisters Christian Gottlieb Ziller geboren und starb am 20.11.1923 in Athen. Während seine Brüder Moritz, Gustav (sie firmierten als Gebr. Ziller) und Paul Ziller in der Lößnitz als Baumeister arbeiteten, hatte Ernst seine berufliche Entwicklung über Wien genommen und sich dann als Architekt in Athen niedergelassen. Die Firma Gebr. Ziller hatte in der 2. Hälfte des 19. Jh. ganz wesentlichen Anteil an der Gestaltung der Lößnitzorte. Ernst Ziller entwarf und baute bedeutende Häuser, darunter das Wohnhaus von Heinrich Schliemann und auch staatstragende Bauten in Athen und anderen griechischen Städten, er wurde da berühmt! In Radebeul hatte er durch Korrespondenz mit seinem Bruder Paul am Entwurf des späteren Karl-May-Grabmals mitgewirkt. Es ist schade, dass seine Entwurfsskizze für eine Kirche der Gemeinde Oberlößnitz nicht realisiert wurde.

Dietrich Lohse

 

 

Chorausfahrt 2023 in die Kunstblumenstadt Sebnitz

Die Ausfahrt startete pünktlich mit Gendritzki Reisen um 7:00 Uhr in Radebeul. Wie immer von Volkmar Kretzschmar perfekt und bis ins Detail geplant. Der kulturelle Teil begann mit einer sehr interessanten Führung durch die Schauwerkstatt „Kunstblume Sebnitz“. An den einzelnen Arbeitsplätzen konnten wir die aufwendigen Schritte vom Wickeln der Stiele über Schnitt und Pressung der Blütenblätter bis zum „Erblühen“ der fertigen Blume bewundern. Ein Film über die historische Entwicklung der Kunstblumentradition gab einen Überblick vom Start über die Blütezeit bis Gegenwart. Wir verabschiedeten uns hier traditionell mit einem kleinen Ständchen. Zu unserer aller Freude unter der musikalischen Leitung von Maria Schreyer.

Foto: Männerchor Radebeul e.V. „Liederkranz 1844“

Im Anschluss ging die Fahrt zum „Hertingswalder Gasthof“. Hier wartete zum Mittagessen eine gutbürgerliche Küche und leckere hauseigene Eierschecke.
Danach ging es zurück nach Sebnitz zu einer historisch heimatkundlichen Führung durch Sebnitz. Begonnen wurde auf dem Marktplatz in Sebnitz vorbei an historischen Gebäuden, am Denkmal des Scherenschnittkünstler Adolf Tannert. Die Führung endete passend auf dem „Sängerhof“ in Sebnitz.

Der Chor bedankte sich mit einem kleinen Ständchen bei der Stadtführerin. Weiter ging es mit dem Bus zum Panoramahotel Lilienstein in Ebenheit. Dort gab es ein Treffen mit dem Männerchor „Sächsische Schweiz“. Gesangseinlagen in der Tradition der Bergsteigerchöre trafen auf unsere Tradition der Weinlieder.

Ein gemeinsames Singen mit dem schönen Panoramablick auf den Königsstein beendete die diesjährige Chorausfahrt.
Timo Schneider 30.07.23
Schriftführer

Die Fahrtkosten für die Chorfahrt werden durch den Sächsischen Musikrat gefördert und mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.

Copyright © 2007-2025 Vorschau und Rückblick. Alle Rechte vorbehalten.