Radebeuler Miniaturen

400 Jahre Haus Möbius

VIII Haus und Welt

Mit mal eben reichlich 1.8m Scheitelhöhe gehört unser Gewölbekeller eher zu den kleineren im Ort. Dennoch hat er bei guter Vorsorge Platz genug für ausreichend Getränk. Der Gedanke, der mich eben umtreibt, macht es nun nötig, etwas ausgiebiger davon Gebrauch zu machen:

wie mehrfach angeklungen, ist es in diesem Land nicht möglich, eine längere Geschichte zu erzählen, ohne auf einen Krieg zu sprechen zu kommen.

Unser Haus, wir erinnern uns, entstand im fünften Jahr eines Krieges, der noch nicht wußte, daß er einst der Dreißigjährige genannt werden würde. Und auch von der Rolle, die der Ort Kötzschenbroda und seine Kirche darin spielen würden, ahnte zu dieser Zeit noch keiner etwas. Wir aber gedenken heute immer wieder mit Dankbarkeit, daß einmal ein Funken Vernunft von hier aus in die Welt ging.

Immerhin ist es mir gelungen, beim Gang durch die Jahrhunderte die immer wiederkehrenden Unerfreulichkeiten, die in dutzenden Schulbüchern glorifiziert wurden, zu umschiffen. An einem aber kommen wir nicht vorbei:

im fünften Jahr des bis dahin bestialischsten aller Kriege, im Jahr 1944 also, begann Alfred Möbius in weiser Voraussicht, im Obergeschoß des alten Winzerhauses zwei Wohnungen mit WC auszustatten. Leider mußte dem Umbau allerdings die alte Treppe weichen, die auf die ehemalige Galerie geführt hatte. Das Verdienst, damit ausreichend nutzbaren Wohnraum geschaffen zu haben, bleibt davon unberührt.

Der Umbau wurde von der Stadt unter dem Vorbehalt genehmigt, daß diese Aufwendungen bei einem später vorgesehenen Abriß nicht mit entschädigt würden. Aus meiner Sicht ist es bezeichnend, daß eine Administration, die vordergründig alles „Völkische“ in den Himmel zu heben vorgibt, nicht zögert, gut erhaltene Zeugnisse traditioneller Bauweise dem Straßenbau zu opfern. Wer Augen hat, der sehe!

Auch wenn die unmittelbaren Auswirkungen von Krieg und Nachkrieg derartige Vorhaben verhinderten, wurden doch bis in die 1980er Jahre immer wieder maßgebende Stimmen laut, „diese alten Buden“ endlich abzureißen.

Damals jedenfalls wurde zu allererst Wohnraum gebraucht. Zwar wurde dem Märchen vom Endsieg überall wenigstens nach außen hin pflichtschuldigst geglaubt, doch die täglich wachsenden Flüchtlingszüge aus dem Osten waren nicht mehr zu übersehen. Diese Menschen brauchten alle ein Dach über dem Kopf! Noch bis nach 1990 hat eine alte Dame hier im Grundstück ihr zu Hause gehabt, die ursprünglich aus dem ehemaligen Ostpreußen stammte …

Erneut fülle ich die Gläser.

Vielleicht sollte an dieser Stelle erwähnt werden, fahre ich nach ein paar kräftigen Schlucken fort, daß inzwischen, von allen Urkunden unbemerkt, ein Bedeutungswechsel stattgefunden hatte: das einstige Nebenhaus, stolze 235 Jahre jünger als das alte, war zum Haupthaus geworden. Noch in den Adressbüchern von 1918 und 1931 sind jeweils fünf Personen als Bewohner des Anwesens benannt (herzlichen Dank an Familie Stock, die mir die Information zugänglich machte!). Leider ist hier nicht differenziert, wer wo genau gewohnt hat.

Die Möbius`sche Modernisierung dürfte jedenfalls zu einer spürbaren Verbesserung – und vielleicht sogar Erweiterung – des Wohnungsbestandes geführt haben. Dies umsomehr, als gleichzeitig ein Waschhaus errichtet wurde, indem eine Badewanne stand, die noch lange von allen Bewohnern genutzt wurde …

Freilich gab es Rückschläge: in dem sprichwörtlichen kalten Winter 47 ist das Fallrohr der Toilettenspülung eingefroren – gedampft hat da jedenfalls nichts mehr …

Ulrike schüttelt sich, puh, das möchte ich auch nicht erlebt haben, sagt sie dann, und nach einer erneuten Trinkpause, sagt sie, ganz schön mutig, diese Bauerei – in so ’ner Zeit …

Mutig, stimme ich ein, und vor allem klarsichtig: Rechts und links fielen ganze Städte in sich zusammen, überall suchten Menschen eine Bleibe … Heute würde kaum noch einer solch ein Risiko auf sich nehmen, schon gar nicht um anderen, Fremden am Ende, zu helfen …

Wo haben, das wieder Ulrike, die beiden Möbiusse nur damals den Optimismus hergenommen? Ulrike fragts ins leere Glas hinein.

Nachdenklich steige ich in den Keller hinab …

Thomas Gerlach

Glosse

Wo steht das Klavier?

Hin und wieder kommt aus dem Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Leipzig auch mal was Vernünftiges. So unter anderem die „Warnung! Geschichte schützt nicht vor Erkenntnissen.“ – gedruckt auf einer Postkarte. Beim Betrachten dieser weißen Sprüche – man hatte mehrere Varianten aufgelegt – kam ich auf jüngste kulturpolitische Kapriolen aus der Region bei denen ich mich an meine Kinderzeit erinnert fühlte.

Nun zählte unsere Familie wahrlich nicht zu den gehobenen Bevölkerungsschichten. Mein Vater war Stehgeiger und Mutter arbeitete in der Weberei. Wenn wir auch nichts hatten oder fast nichts, achteten meine Eltern doch immer auf ein gewisses Niveau im Umgang in der Familie und mit Anderen. Nicht wegen der Leut‘, nein, weil es uns ein Bedürfnis war. Sonntags sind wir immer gut angezogen auf die Straße gegangen und die Trainingshosen blieben im Schrank. Auch achtete Mutter stets darauf, dass ich die Bekannten und Verwandten schön grüße.

Wir hatten eine große Drei-Zimmer-Wohnung in einer kleinen Stadt. Die Wohnstube konnte man nur von der Küche aus betreten. Ob es deshalb immer so ordentlich bei uns aussah, kann ich heute nur noch vermuten. An den Sonnabenden aber konnten wir keinen Besuch empfangen, da die Küche auch als Bad fungieren musste.

Die Wohnstube aber war für mich ein ganz besonderer Ort. Die Eltern hatten viel unternommen, um diesen Raum besonders schön aussehen zu lassen. Die dicken Baumwollgardienen verdunkelten zwar den sieben Meter langen Schlauch, dafür bot er für uns Kinder viel Platz. Die Stube war das Zentrum der Wohnung, quasi der kulturelle Mittelpunkt! Nicht wie bei meinen Großeltern, die das ganze Jahr in der Wohnküche verbrachten und das Wohnzimmer nur zu den „hohen Feiertagen“ aufsuchten.

Da kann ich mich an ganz besondere Möbelstücke erinnern. Stolz war ich als 10-jähriger auf den schwarzen Flügel. Spielen konnte ich darauf nicht, aber wer hatte schon so ein Instrument zu Hause?! Oder der Schachtisch, der später mit der selbstgebastelten Stehlampe an Stelle des Flügels stand. Und erst die Hausbar mit den vielen Spiegeln, das große Aquarium…!

Ganz besonders geliebt habe ich den schmalen hohen Bierglasschrank aus einem Wirtshaus, der die Funktion des Wohnzimmerschrankes erfüllten musste. Natürlich gingen auch die Eltern mit der Mode und kauften sich, als etwas Geld angespart war einen modernen mit hellem Furnier versehenen Wohnzimmerschrank auf vier dünnen Beinen, dessen Türschlösser beizeiten „ausgenuddelt“ waren. Der wirkte wie ein Fremdkörper in der hohen, dunklen Stube.

Die anderen Zimmer konnte man vergessen. Mein Kinderzimmer war zusammengestoppelt mit zufällig irgendwo aufgesammelten Möbeln. Das Schlafzimmer der Eltern interessierte mich bestenfalls im Dezember, da dort die Weihnachtgeschenke deponiert wurden. Sonst war es ein unwirklicher Ort.

Nicht im Traum aber wäre meinen Eltern eingefallen, den Schachtisch ins Kinderzimmer zu stellen oder gar den Flügel ins Schlafzimmer zu verfrachten. Schon deshalb nicht, weil diese beiden Räume für unsere Gäste tabu waren! Und wer ist schon so dumm und versteckt seine Prunkstücke?!

Aber diese Erfahrungen – wie die meisten anderen auch – zählen heute nicht mehr. Wer Macht hat, glaubt, die vermeintlichen Schachfiguren auf dem imaginären Brett nach Belieben hin und her schieben zu können. Da werden Behörden aus dem Zentrum an den Stadtrand wegen eines marginalen Vorteils verlegt, um sie dann Jahre später doch wieder im Zentrum anzusiedeln, werden Immobilien verhökert, um sich letztendlich in fremden einmieten zu müssen. Und schließlich schlägt man allen Ernstes vor, einen Jahrzehnte lang bewährten, von der Bevölkerung und den Touristen angenommenen, kulturellen Standort aufzugeben und hofft, ihn an einem ungünstigeren Ort wieder etablieren zu können. Und wenn es nicht funktioniert, will man es nicht gewesen sein. Ist das nun Schizophrenie, Dummheit oder doch eher Arroganz der Macht?

Nun habe ich hier nicht rumgesponnen. Alles real! Der aufmerksame Leser wird wissen, worum es geht. So richtig will einem dabei das Wort „Glosse“ nicht über die Lippen kommen, eher schon die Bezeichnung „Realsatire“, meint

Euer Motzi!

Wie bunt ist Coswig wirklich?

Spaziergang mit Carl Romer durch die Große Kreisstadt Coswig

Teil 5

Bild: I. Rau


Bild: I. Rau


Unlängst spazierte ich in die Stadt, um nach der Umsetzung der Beschlüsse des Stadtrates zu sehen. Ich traute meinen Augen nicht, denn in Höhe der neuen Feuerwache kommt mir Herr Romer entgegen. “Wo wollen Sie denn so ganz allein hin?”, fragte ich ihn. “Ja mein Herr, Sie haben mir schon so viel in meiner Heimatstadt Coswig gezeigt. Aber heute wollte ich mir mal selbst ein Bild machen von der von Ihnen hinterfragten grünen oder bunten Stadt. Ich bin sehr erstaunt, wie sich z.B. der Baumbestand des Bürgerparkes entwickelt hat und wie doch die heutigen Coswiger sich darin tummeln. Überzeugt hat mich auch die neue Feuerwache, denn ich habe mich gleich mal führen lassen durch die Räumlichkeiten. Was können Sie mir nun heute zeigen, wenn Sie mir schon mal über den Weg laufen?” Nun dann nutzen wir doch gleich mal diesen schönen Frühlingstag heute, um uns mal Ihre alte Heimstatt ansehen, da wo Ihre Gewächshäuser und Ihr Pflanzenüberwinterungshaus standen. “Donnerwetter, meine Linden sehen ja prächtig aus, auch eine Lücke wurde bepflanzt. Und dann sind ja auf dem Straßenschild Romerstraße auch meine Geburtsdaten aufgelistet. Ich kann mich noch gut an die Bekanntmachung vom 19. April 1907 erinnern, als dies im Coswiger Tageblatt veröffentlicht wurde, nachdem der Weg ja vorher nur als W.W. bezeichnet war. Na ja, ich habe ja auch einen Teil der Straße finanziert und dafür sogar die Steine ranschaffen lassen.1 Ist die Verwaltung (damals die Amtshauptmannschaft) immer noch so träge, wie es damals bei der Genehmigung war?” “Na ja”, druckste ich rum. “Dies ist nicht ganz so einfach zu beantworten. Heute hängt so viel an Fördermitteln durch den Freistaat oder den Landkreis. Aber lassen wir das!”. “Jedenfalls bin ich erfreut, dass meine Straße einen so guten Eindruck macht”. “Ja, nur die Parksituation ist teilweise katastrophal wie Sie sehen. Da wird gerade am Wochenende rechts und links geparkt und Bürger mit Kinderwagen oder Rollstuhlfahrerhaben ihre Probleme auf den Fußwegen, durchzukommen. Manchmal frage ich mich schon, warum die Anwohner die Tiefgaragenplätze nicht nutzen oder ihre Gäste das Parkverbot so einfach ignorieren! Übrigens hat man 1991 ihre Straße noch erweitert um die damalige Dr. Kurt Fischer-Straße. Wie Sie sehen, sind sehr viele Neubauten errichtet worden!”

Bild: I. Rau


Bild: I. Rau


“Lieber Herr Romer, hätten Sie nun was dagegen, wenn wir jetzt in meine moderne Dieselkutsche einsteigen und zur Villa Teresa fahren. Ich hatte Sie ja schon darauf verwiesen!” “Das freut mich sehr!”, entgegnete er sofort. “Das dürfen Sie auch, denn hier haben der Förderverein und die Stadtverwaltung mit der Kulturbetriebsgesellschaft sehr viel für die Coswiger und ihre Gäste getan und auch den Park toll gestaltet. Unlängst beim Parkfest, das von jungen Musikern und jungen Künstlern des Gymnasiums mit ausgestaltet wurde, hat man den Start für die Gestaltung des noch verwilderten Teils des Gartens (genannt -verlorener Garten-) gestartet, sodass er in Summe eine tolle Begegnungsstätte für alle Parkbesucher sein wird. “Ich bin überwältigt von dieser Anlage! Teresa und Eugen d’Albert würden sich sehr freuen, wenn sie dies alles hier noch sehen könnten!” “Übrigens hat man im Festsaal mit Unterstützung von diversen Sponsoren den Steinwayflügel wieder aufgearbeitet, sodass er bei den diversen Konzerten, die hier stattfinden, die Gäste sehr erfreut an Musik und dem Flair dieser Begegnungsstätte überhaupt”2. “Geniessen wir doch den Park mit seinem Teich, dem Pavillon und dem schönen Baumbestand! Haben Sie nicht auch wieder einen Tropfen Wein dabei?” fragte er hinterlistig. “Aber natürlich, ich kenne doch Ihre Vorlieben für die guten Coswiger Weine!” Während unserer Rast im Park der Villa wollte er auch über Neuigkeiten aus der Stadtpolitik unterrichtet werden. “Momentan ist schon Sommerpause, Ausschüsse fallen aus mangels Beschlussvorlagen. Aber im Hintergrund beschäftigen wir uns schon mit den letzten Infos zur Bebauung des Areals an der Schillerstrasse. Viele Anlieger haben hier ihre Einwände und Bedenken an die Stadtverwaltung gesendet, wobei u.a. die Parksituation auf der Schillerstr. selbst viel Ärger herauf beschwört. Dazu gehört auch die künftige Zufahrt zu der Tiefgarage, denn die sollte nicht in der Schillerstr. liegen, sondern auf die Weinböhlaer Str. raus führen. Hier hat die Kreisstraßenverwaltung ihre Einwände eingelegt. Aber wir bleiben dran!”, versicherte ich ihm. “Das gefällt mir, wenn die Bürger hier Sachargumente vortragen und die auch vom Stadtrat gehört werden!”,meinte er mit verschmitztem Lächeln. Das Grinsen kam natürlich bei mir an. Ob er und die Stadträte sich damals auch mit solchen Problemen rumgeschlagen haben? Nach unserer ausgiebigen Wein- und Diskussionspause setzten wir uns wieder in meine Kutsche und ich chauffierte ihn noch zu unserem Stadtbad in Kötitz mit dem schön angelegten Campingplatz, der momentan sehr ausgebucht war. Herr Romer staunte über die Vielfalt der Kennzeichen der Autos und Wohnwagen aus Deutschland und dem Ausland. Ich erläuterte ihm, dass dieser Platz in der Begutachtung im Internet toll bedacht wird. Von den Coswigern und ihren Gästen wird sowohl die Kiesgrube, u.a. mit einem Teil als FKK-Strand, als auch das Kinderbecken mit Rutsche, die Sport- und Spielflächen daneben und die Gasthausbewirtschaftung sehr gut angenommen. Daneben erwähnte ich noch, dass demnächst das Gelände noch um eine besondere Sondergolfanlage erweitert wird. Herr Romer nahm dies alles mit großem Staunen in sich auf und bekundete seine Hochachtung von all diesen Neuigkeiten aus Coswig. “Nun kutschieren sie mich aber zurück zu meiner Stele im Park neben dem Museum!” forderte er mich auf. Gern kam ich dieser Bitte nach. Ich versprach ihm, unsere Rundfahrt demnächst durch die Ortsteile von Coswig weiter zu führen.

Eberhard Bröhl

1 Petra Hamann, Coswig hat Geschichte , Wissenswertes und Amüsantes aus dem Stadtarchiv, NOT schriften-Verlag, Herausgegeben von der Großen Kreisstadt Coswig, 1. Auflage 2012 ISBN 978-3-94200-82-2
2 Infos zum Förderverein der Villa Teresa im Internet unter https://www.villa-teresa.de

Berichtigung zu „Histor. Typenproj. – hier ein Moritzbg. Beispiel“, Heft 07/23, S. 17

Durch einen Übertragungsfehler wurden leider zwei Bildunterschriften vertauscht: zum 3. Bild von oben gehört die Adresse Schlossallee 17 und zum 4. Bild Schlossallee 5.
Wir bedauern den Fehler.

S. Graedtke / D. Lohse

Einem keramischen Detail der historischen Gartengestaltung auf der Spur

Die Geschichte fing ganz alltäglich an. Wir, ein Radebeuler Bekannter und Grundstücksbesitzer und ich, ein zur Ruhe gesetzter Denkmalschützer, sagten uns auf der Bahnhofstraße Hallo und wie geht`s. Ich dachte für mich, ist doch schön, dass es noch Denkmaleigentümer, respektive Miteigentümer, gibt, mit denen es früher keinen Krach gegeben hatte! Und dann sagt mein Gesprächspartner noch, gut dass er mich treffe, ich sollte doch mal bei ihm in der Borstraße 27 vorbeikommen, er hätte was in der Erde gefunden, also Archäologie (?), worauf er sich keinen Reim machen könne. Das machte mich neugierig, aber es vergingen ein paar Tage mit täglichen Einkäufen und einem Arztbesuch, ehe ich da hin radelte. Wieder freundliches Hallo zur Begrüßung und wir müssten mal um`s Haus (es ist die Hildebrandt-Villa des früheren Dresdner Stahlbauunternehmers, der sich dann hier zur Ruhe setzte) rumgehen, da könne er mir seine rätselhaften Fundstücke, die Fragen aufwerfen, zeigen.

Schlosspark Babelsberg – hier Anwendung von Beetziegeln
Bild: Stiftung Preussische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg


Als wir vor den keramischen Platten (25cm lang, 12cm oben / 5cm unten breit, 1cm dick) standen, waren wir beide immer noch ratlos und tauschten zunächst unsere Vermutungen aus – solche keramischen, teilweise verzierten, Dachziegeln entfernt ähnliche Gegenstände, wofür könnten sie mal verwendet worden sein? Mein Bekannter dachte in erster Linie, dass die keramischen Platten mal am Haus, z.B. als ein Fassadenelement oder eine Simsabdeckung gewesen sein könnten. Meine Gedanken gingen dagegen mehr in Richtung Garten. Da wir heute keine Übereinstimmung zur früheren Verwendung der Gegenstände fanden, fotografierte ich ein solches Stück und wir vertagten das Thema ohne zeitlichen Druck erst mal.

Inzwischen gab es bei mir wieder ein paar Einkäufe – Brot, Käse und Möhren – und ich überlegte, wen ich zu dem rätselhaften Fund (es waren etwa 40 heilgebliebene und 5 kaputte Keramikplatten) noch befragen könnte. Mir fiel eine Radebeuler Landschaftsarchitektin ein, mit der ich mal dienstlich zu tun gehabt hatte. Bei Frau Dr. Grit Heinrich klopfte ich eines Sonnabend früh an. Obwohl mein Besuch nicht angekündigt war, wurde ich hier freundlich begrüßt und wir schauten gemeinsam auf mein mitgebrachtes Foto. Von dem Moment an war das Rätselraten zu den keramischen Platten beendet: die Landschaftsarchitektin bestärkte mich in meiner Vermutung und nannte für den Gegenstand den Namen: BEETZIEGEL! Beet deshalb, weil früher damit ein besonderes Beet eingefasst wurde und Ziegel, weil der Gegenstand aus dem gleichen Material wie Dachziegel, gebrannter Ton, besteht und auch ähnlich groß ist wie ein Biberschwanzziegel. Die geringe Stückzahl könnte auch ein Bestand von Ersatzziegeln für ein größeres, heute verschwundenes Rundbeet gewesen sein, der jetzt wieder gefunden wurde, schätzte Herr Mertens ein. In der Form kann man aber Unterschiede sehen: unten erkennen wir einen schmaleren, lanzettförmigen Teil und oben eine breitere Halbrundform, die auf einer Seite geschwungene Verzierungen aufweist. Die Platten haben in der Längsrichtung eine leichte Krümmung, die Farbe differiert von hellgrau über graubraun bis rötlich. Im Normalfall wurde ein Rundbeet mit solchen Beetziegeln umrandet, das Erdreich liegt etwas (ca. 10 …20cm) höher als das Umfeld. So ein Beet wurde mit unterschiedlichen Sommerblühern bepflanzt, außen die kleineren, innen die etwas höheren Blumen. Ein derartiges Rundbeet lag im Pleasureground eines Landschaftsparks, wie das Babelsberger Foto zeigt, oder in einer Parkachse oder war axial auf eine Villa oder ein Schloss ausgerichtet. Eine Steigerung der Gestaltung konnte dadurch erreicht werden, dass in o.g. Rundbeet mittig ein zweites Beet wieder mit Beetziegeln und erhöhter Erdfüllung angeordnet wurde. Es soll sogar dreifach in der Höhe gestaffelte Beete gegeben haben! Die Grundform ist m.E. immer der Kreis bzw. in wenigen Fällen ein Halbkreis, wenn das Beet vor einer Mauer stehen sollte. Ich bezweifle aber, dass es auch eckige Beete mit Beetziegeleinfassung gegeben haben könnte.

Bild: D. Lohse


Bild: D. Lohse


Fundstücke aus der Borstr. 27
Bild: D. Lohse


Derartige Rundbeete mit Beetziegeln am Rand waren eine landschaftsgärtnerische Modeerscheinung in der ersten Hälfte des 19. Jh., also vom Klassizismus bis zum Biedermeier, auch als Zeit der Empfindsamkeit bezeichnet. Diese Mode war in England entstanden, kam schließlich in deutsche Landschaftsgärten und von da aus in der 2. Hälfte des 19. Jh. auch in hiesige Villengärten. Frau Dr. Heinrich sah solche Beete auf Reisen in Brandenburg, so im Schlosspark von Babelsberg und Glienicke – noch von früher erhalten oder nach historischem Vorbild wieder errichtet, ist unklar. Unser Fundstück hat einen oberen Abschluss in Akanthus form, es gab aber auch zahlreiche andere Gestaltungsformen und Oberflächenbehandlungen, z.B. mit farbigen Glasuren. Überraschend für mich war, dass solche Formstücke auch als Eisengusselement oder seltener aus Porzellan hergestellt und in Gärten im gleichen Sinne verwendet worden sind, da träfe dann der Name Beetziegel nicht mehr zu. Hierfür war sicher entscheidend, welche Betriebe in der Nähe waren. Von den Herstellern der keramischen Beetziegel wurde empfohlen, die Ziegel vor dem Winter auszugraben und im Frühjahr darauf erneut einzusetzen. Sie waren offensichtlich nicht frostsicher. Durch diesen hohen Aufwand zeichnete sich bereits das Ende der Beetziegelzeit ab. In Einzelfällen wirkte diese Mode wohl auch nach, so dass in der Gartengestaltung der Borstraße 27 um 1872 von Advokat Julius Witschel ein solches angelegt worden sein könnte. Oder sollte der Industrielle Emil Hildebrandt 1895, nachdem er sich in Niederlößnitz niedergelassen hatte, noch so ein Beet angelegt haben? Auf jeden Fall wurde 1895 die zuvor kleinere Villa durch Baumeister Bernhard Große vergrößert und ein gusseiserner Balkon, der vorher auf der Weltausstellung in Paris gezeigt worden war, an die Villa angebaut. Nicht mehr nachvollziehbar sind auch Grund und Zeitpunkt, als man die Reste (s.o.) der Beetziegel als Füllmaterial unter dem Terrassenbelag eingebracht hatte. Die Zahl von knapp 50 derartigen Ziegeln hätte auch nur für ein kleineres Beet gereicht; wahrscheinlich waren es ursprünglich mehr gewesen. Leider konnte in den Fotoalben der Hildebrandt-Erben heute kein älteres Foto des Rundbeets im Garten entdeckt werden. Es darf vermutet werden, dass es auch in anderen Gärten von Ober- oder Niederlößnitz Rundbeete dieser Art gegeben hat – über eine Rückmeldung würden sich Redaktion und Autor freuen. Im 20 Jh. dürften wohl keine Rundbeete mit Beetziegeln mehr angelegt worden sein und die, die es mal gegeben hatte, sind verschwunden und diese Mode einer Beetgestaltung ist in Vergessenheit geraten. Es soll aber keramische Betriebe geben, die diese Beetziegel als Sonderproduktion heute noch herstellen. Die Preise dürften hoch liegen, wie bei „Sonder-…“ zu vermuten ist. Mit dem Artikel wollte ich nur mal an diese Mode erinnern. Das Rätsel wurde gelöst und die Fundumstände sind nahe bei Archäologie, aber nicht wirklich.

Bei meinen Gesprächspartnern, Frau Dr. Heinrich und Herrn Mertens von der Eigentümergemeinschaft Hildebrandt möchte ich mich herzlich bedanken.


Dietrich Lohse

Literatur:
1. „Katechismus der Ziergärtnerei“, H. Jäger, Verlagsbuchhandlung J. J. Weber, Leipzig 1889
2. „Fürst von Pückler-Muskau“, H. L. Heinrich, Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar 1989, darin 3. Kapitel Anne Schäfer „Zur Ausstattung von Landschaftsgärten im 19. Jh.“
3. Stiftung Preußische Schlösser u. Gärten: „Wasserspiele im Park Babelsberg gehen wieder ans Netz“, davon eine Fotoverwendung entspr. https // www.spsg.de / presse-foto-film / 2016-08-16-wasserspiele-babelsberg/

Wie gehen junge Menschen charmant mit Charme um?

An den Landesbühnen über die Schulter geschaut zu Schule und Theater in Sachsen

Wie bitte? Ja richtig, das Rahmenthema für drei Tage Schülertheatertreffen stand unter dem Titel: „Voll getextet“ und bot mit fünf Schülerinszenierungen aus Zwickau, Zschopau, Niesky, Radebeul und Meißen, Theater von feiner humorvoller Machart. Ergänzt wurde Kost von der „geheimen, dramaturgischen Gesellschaft“ mit Studierenden von der Technischen Universität Dresden.

Am dritten Tag der Theaterwerkstatt haben wir Franziska Till und ihrer Schülergruppe (Landesbühnen, Radebeul) über die Schulter geschaut. Die 13 Jugendlichen zwischen 8. und 12. Klasse präsentierten ihre Arbeitsergebnisse auf der großen Bühne des Stammhauses mit viel Humor und Spielfreude.

Ähnlich wie die Stewardessen beim Starten und Landen im Flugzeug, erklärten zu Beginn der Aufführung eine kostümierte Gymnasiastin und ihr Kollege die Funktion eines Tampons, gekonnt Reklame mäßig und keinesfalls schlüpfrig.

Untertexte für die Spieler bei der Theaterwerkstatt waren folgende: Warum sprechen Jungs nicht über Menstruation? Warum ist das erste Treffen mit Partner so ein großes Ding für Eltern? Über welche Themen sollte man lieber nicht sprechen?

Ziemlich authentisch boten die Schüler aus der Theaterwerkstatt Szenen aus ihrem Alltag an: die Klassenfahrt beispielsweise. Gleich nach dem Einstieg ging der Bus kaputt, so dass die geplante Fahrt ihr Ende noch vor Beginn fand. Gespielt mit viel guter Laune, auch auf Seiten des Busfahrers, der gute Mine zum bösen Spiel zelebrierte.

Wie veranschaulicht man Redewendungen, wie z.B. „im Boden versinken,“ oder „um sich eine Mauer bauen,“ „sich verbarrikadieren?“ Wie stellen wir das als Gruppe dar?

Die nächste Szene bot eine Schülerin, die in den Nachbarraum floh, weil sie sich von Mitschülern ungerecht beurteilt fühlte. Eine Klassenkameradin wollte sie zurückholen. „Nein. Ihr kennt mich nicht. Wollt mich aber beurteilen. Ich bin nicht langweilig. Nein. Ich bin nur introvertierter als andere. Das finde ich nicht schlimm. Über vieles mache ich mir Gedanken. Sage nur nicht sofort und auf der Stelle zu allem etwas.“ Die Kollegin lockte die „Introvertierte“ mit einer Schutzscheibe. „Vielleicht hilft dir diese fürs Erste?“

Die nächste Szene könnte aus dem Biologieunterricht stammen. Warum können manche kein Blut sehen? Wie ist der kostbare Stoff „Blut“ aufgebaut? Welche Funktionen haben die weißen und die roten Blutkörperchen? Mit einfachen Mitteln führten die Spieler auf der Bühne schwierige biochemische Prozesse vor. So anschaulich und lehrreich kann Theater sein.

Der Applaus von Lehrern und Mitschülern war am Ende der Darbietungen verdient. Mit Franziska Till von den Landesbühnen in Radebeul hatten sie eine erfahrene „Vollbluttheaterfrau“ an ihrer Seite. Weiter so.

So lässt man sich gern und klug „volltexten“.

Angelika Guetter

MEIN TRAUM: DIE ASTAARDA-AKADEMIE für Kinder

„I have a dream…“- diese Rede von Martin Luther King, zumindest das Zitat, kennt ein jeder.

Ich habe auch einen Traum: eine Akademie zu eröffnen, an der Kinder mit Freude allein und gemeinsam die Welt entdecken.

Seit 25 Jahren bin ich Lehrerin und ich liebe Kinder, habe an verschiedenen Schulen, in verschiedenen Bundesländern gearbeitet und bin sehr vielen Menschen begegnet. Alle diese Begegnungen haben mein Leben verändert, mir neue Einblicke verschafft und mich zum Denken angeregt.

Immer wieder ist mir bei den Kindern eines aufgefallen: anfangs sind alle Kinder Forscher und Entdecker, sind mit Feuereifer dabei… und irgendwann ist diese Freude und das Feuer erloschen und das gemeinsame Lernen wird für die Mehrzahl eher zur Last. Auch das Stillsitzen und die neuen Medien sind Themen, die wider die Natur eines Kindes sind.

Bild: A. Kubisch


Deshalb möchte ich diese Situation verändern und nach all den Jahren am Gymnasium einen Ort anbieten, wo das Lernen und das Miteinander anders gestaltet wird.

Wissen Sie noch, wann Sie als Kind am meisten Freude und Spaß empfunden haben? Beim Spielen natürlich!

Und können Sie sich noch erinnern, wann Sie am kreativsten waren? – In der Stille.

Beides möchte ich an meiner Akademie ermöglichen, damit alle Kinder wieder Freude am Entdecken und Forschen haben und sich selbst erproben und kennenlernen können.

Wie kann solch eine Idee umgesetzt werden?

Als erstes dürfen die Eltern lernen, ihren Kindern ihr volles Vertrauen und ihre bedingungslose Liebe zu schenken. Denn alle Menschen sind unterschiedlich, jeder hat andere Vorlieben, Interessen, sind in einigen Dingen schneller, in anderen langsamer und doch haben wir alle ein gemeinsames Ziel: wir wollen glücklich sein. Wir wollen uns frei entfalten. Wir wollen geliebt werden. Und wir wollen so angenommen werden, wie wir sind. Wenn das gelingt, kann all unsere Energie etwas Neues, noch nie Dagewesenes hervorbringen.

Als nächstes bilden sich heterogene Gruppen von Kindern ähnlich einer Großfamilie, die anfangs drei Tage, später zwei Tage zusammen sind, um sich gegenseitig zu unterstützen, voneinander zu lernen und sich auszutauschen.

Es wird keine Zensuren und auch keine Schulfächer geben, wie wir sie noch alle kennen. Stattdessen möchte ich Themenfelder anbieten, wie z.B.: Natur und Garten, Sport & Spiel, Glück, Mein Ich, Technik und altes Wissen und Kulturen oder Miteinander-Stark. Ebenfalls spielen Musik, Kunst und Kultur sowie das Thema Welt-All eine Rolle. Deutsch und Englisch werden die hauptsächlichen Sprachen sein. Viele Themenfelder werden miteinander kombiniert, so gibt es keine Grenzen mehr und alles findet verknüpfend statt.

Da es keinen „Stundenplan“ oder „Lehrplan“ gibt, weil sich Themen entwickeln und jedes Kind auch mit seinen Ideen vieles in der Gruppe verändert, werden in den Gemeinschaften unterschiedliche Inhalte besprochen und erforscht. Am Ende ihrer Recherchen stellen sie den anderen Kindern ihr Wissen in Form von kleinen, kreativen Vorträgen vor. Dabei werden sie ganz natürlich in ihrer Kommunikation und Vortragskunst gestärkt.

Ich kann mir vorstellen, dass weitere Angebote als Training oder Projekt mit einfließen. So zum Beispiel: das Sehen ohne Augen, Naturkunde, natürliche Heilmittel, gesundes Essen, Umgang mit Menschen, Tieren und Pflanzen, das Geheimnis des Wassers, positives Denken, Selbstheilung, neue Energien, Partnerschaft und Familie, Geburt und Tod, Umwelt, freundliche Kommunikation und einiges mehr.

Wenn Sie richtig gezählt haben, bleiben noch zwei Tage einer Woche im klassischen Sinne übrig.

Was denken Sie denn, was im Leben noch wichtig ist, damit unsere Kinder überlebensfähig sind? Richtig, sie können in diesen zwei Tagen (später sogar drei) in der realen Welt mitwirken und Verantwortung übernehmen.

Ob auf einem Bauernhof, im Café oder Restaurant, im Büro, in einer Gärtnerei, im Senioren-Wohnheim, im Kindergarten, im Buchladen, auf den Weinbergen, in einer Bibliothek, in der Sternwarte, beim Friseur… oder in einem anderen Handwerk. Hier sollen sie regional praktische Erfahrungen sammeln, die ihnen selbst und anderen Menschen helfen.

Mein Ziel ist es, junge Menschen ein Stück weit ihres Lebens zu begleiten, ihnen Mut zu machen, ihre Stärken sichtbar zu machen und sie zu ermuntern, sich mit Frohsinn an Unbekanntes zu trauen, um bestmögliche Lösungen für ihr eigenes Leben zu finden und die Gemeinschaft zu stärken.

Lesen, Schreiben und Rechnen sind Grundvoraussetzung für die Akademie, d.h. Kinder ab 10 bis 21 Jahre können aufgenommen werden.

Bei Interesse können Sie mir gerne schreiben, ob als Eltern, Helfer oder auch als Anbieter eines externen Praktikumsortes. Der Kontakt ist über die Redaktion von „Vorschau & Rückblick“ möglich bzw. können Sie auch eine hinterlegte E-Mail bei www.stimmverleih.com finden.

Ich freue mich über alle Rückmeldungen und Kinder, die in einem Jahr gerne zur Astaarda-Akademie in Radebeul kommen möchten.

Danke für die Möglichkeit, diesen Artikel über meinen Traum zu schreiben.

Herzlichst,
Astrid Kubisch

Rosegger-Schule

Lichtblicke an die Rückbenennung meiner Schule vor 30 Jahren

Bei einem geführten historischen Rundgang durch die Europäische Beispielstadt Hillesheim in der Vulkaneifel lernte ich eine aus meinem früheren Heimatort Radebeul stammende Urlauberin kennen. Das Staunen und die Freude war von uns Beiden groß, als sich dies herausstellte. Sie schickt mir seitdem freundlicherweise Hefte von VORSCHAU & RÜCKBLICK, was in mir die Idee zu einem Rückblick vor 30 Jahren weckte.

Porträt Peter Rosegger
Bild: Rosegger-Gesellschaft Mürzzuschlag


Familiäre Gründe veranlassten meine Mutter mit uns Kindern 1956 von Radebeul in die Eifel zu ziehen. Vor diesem Umzug ging ich in die Rosegger-Schule auf der Wasastraße und wechselte danach zum Radebeuler Gymnasium Luisenstift. Die Verbindung zu einigen Mitschülern aus der Rosegger-Schule blieb bis heute. Die regelmäßigen Klassentreffen durch die Jahrzehnte waren von schönen Erinnerungen geprägt. Unser Biologielehrer Martin Apelt war ein verständnisvoller Lehrer und vergab Lob und Tadel stets gerecht. Er unternahm mit uns in den Ferien Wanderungen von Dorf zu Dorf, wobei wir auf Strohsäcken in Scheunen übernachteten und dabei viel für unser späteres Leben lernten.

Bei mehreren Besuchen kam ich an der Rosegger-Schule vorbei und stellte Mitte der 1960er Jahre fest, dass ihr Name nun ein anderer war. Wo vorher über der großen Eingangstür Rosegger-Schule stand, befand sich die nach dem sowjetischen Astronauten benannte Aufschrift German-Titow-Schule. Ein 10-jähriger Briefwechsel zwischen Karl May (1842-1912) und Peter Rosegger (1843-1918) war Anlass, der Schule einst den Namen des österreichischen Schriftstellers zu geben. Gemeindeväter befürworteten mehrheitlich die Namensgebung Aufgrund Roseggers Engagements für sozial Schwächere.

Im Jahre 1990 fuhren mein Mann und ich in die Steiermark, um das Mürztal und Peter Roseggers kleinen Heimatort Alpl kennen zu lernen. Bei der Familie Burggraber nahmen wir Quartier und ich erzählte, dass ich in Deutschland in eine Rosegger-Schule gegangen bin. Staunende Gesichter schauten mich an: „Was, soweit her draußen kennt man unseren Peter, unternehmen Sie bitte etwas, bitte, damit die Schule wieder ihren rechtmäßigen Namen erhält, wir versuchen ihnen dabei zu helfen.“

Mein Mann riet mir, nicht von unten, sondern direkt oben bei dem sächsischen Ministerpräsidenten Prof. Kurt Biedenkopf anzufangen. Er antwortete mir sehr freundlich, gab es an das Staatsministerium weiter und empfahl mich an den damaligen Radebeuler Kulturamtsleiter Dr. Schubert. Es folgte in der Vorbereitungszeit ein konstruktives Miteinander mit ihm, 660 km von Radebeul entfernt. Hans Burggraber übermittelte mir Adressen mehrerer Rosegger-Vereine und riet auch, die Landesregierung in Graz von meinem Vorhaben zu unterrichten. Einigen ehemaligen Lehrern und Mitschülern teilte ich meine Idee ebenfalls mit, was zugleich Neugier, Freude und Hilfsbereitschaft hervorrief.

Im Zeichensaal der Schule, April 1993: am Tisch stehend der ehemalige Kulturamtsleiter Dr. Dieter Schubert
Bild: Rosegger-Gesellschaft Mürzzuschlag


Im Januar 1992 kam ein Anruf von Rudolf Glettler, dem Präsidenten der Rosegger-Gesellschaft aus Mürzzuschlag, ich jubelte. Der Anruf klingt heute noch in mir nach. Er meldete sich an, am 4. April 1992, mit Rosegger Freunden aus der Steiermark während einer Rundreise nach Radebeul zu kommen. Im voll besetzten Zeichensaal meiner ehemaligen Schule mit interessierten Radebeulern, den österreichischen Gästen, Vertretern aus Verwaltung und Politik stellte ich meine Idee zur Rückbenennung und Gründung eines Fördervereins vor. Mit der 1. Vorsitzenden Kauffrau Christina Sehm, der Rektorin der Förderschule nebenan Edith Apley und dem aktiven Vorstand gab es erfolgreiche, weitblickende Ansprechpartner und Organisatoren.

Wieder zu Hause in Hillesheim begann eine rege Korrespondenz und viele Fahrten in meine alte Heimat kamen zustande. Vielen Dank an meine Familie, die den Werdegang tatkräftig unterstützte. Dazu boten meine Schulkameradin Johanna und Verwandte stets Unterkunft bei unseren Aufenthalten in Radebeul an. Viele Schriftstücke liegen in Ordnern und Fotoalben vor mir und beinhalten das, was in dreijähriger Vorbereitungszeit erarbeitet und erledigt wurde. Mit großer Unterstützung aus Verwaltung von Radebeul, Dresden, Graz und Wien sowie besonders der Rosegger-Gesellschaft aus Mürzzuschlag kamen wir an unser Ziel. Am 30. August 1993 um 14 Uhr fand von Presse und Bürgerschaft der viel beachtete Festakt zur Rückbenennung im Beisein begeisterter Gäste, ehemaliger Schüler, Politiker, Lehrer und österreichischen Freunden statt.

Der neu gegründete Förderverein der Schule erhielt von Rosegger-Vereinen, Gemeinden, dem Land Steiermark, Bund Krieglach u.a. finanzielle Unterstützung und Subventionen zur Verfügung gestellt. Gratulationen erreichten uns viele, u.a. auch von Prof. Biedenkopf. Ehemalige Schüler reisten aus mehreren deutschen Bundesländern zu diesem Ereignis an. Der Name Peter Rosegger ging getreu seines Ausspruchs „Der Schwächere Teil braucht die größere Unterstützung“ zur Förderschule über, die Jahre später nach Coswig als Förderschulzentrum „Peter Rosegger“ verlegt wurde.

Nach der Sanierung 2005/2006 nahm die Schule die Mittelschule Oberlößnitz auf, die sich seitdem Mittelschule Radebeul-Mitte (im Roseggerhaus) nannte. Zum Schuljahresbeginn 2013/2014 wurden alle sächsischen Mittelschulen zu Oberschulen umbenannt.

Felicitas Schulz

Sommer am Fluß

Die Illustratorin Sylvia Graupner zu Gast im Kulturbahnhof

»Überfahrt« aus dem Zyklus Spurensuche, Mischtechnik, 2017
Repro: S. Graupner

Mehr oder weniger zufällig hatte ich auf der Radebeuler Homepage unter der Rubrik „Aktuelle Meldungen“ eine poetische Zeichnung entdeckt, die mich neugierig machte. Hingewiesen wurde damit auf die Ausstellung „Sommer am Fluß“, welche am 7. Juni im Kulturbahnhof eröffnet werden sollte. Die ausstellende Künstlerin, Sylvia Graupner, war mir bis dahin kein Begriff, was allerdings nicht verwundert, denn sie lebt und arbeitet sowohl in Annaberg-Buchholz als auch in Dresden. Eingeladen hatte sie die Kulturamtsleiterin Frau Dr. Lorenz, welche viele Jahre in Annaberg-Buchholz im Kunst- und Kulturbereich tätig war. Dass Sylvia Graupner bereits im Jahr 2022 auf der vom Notschriftenverlag initiierten Radebeuler Buchmesse im Hof der Stadtgalerie mit einem eigenen Stand vertreten war, hatte ich nur flüchtig wahrgenommen. Dass sie seit vielen Jahren mit dem Verleger Jens Kuhbandner und seiner Frau bekannt und befreundet ist, erfuhr ich erst im Nachhinein. Auch mit den in Radebeul wirkenden Künstlern Sophie Cau und Reinhard Zabka ist sie freundschaftlich verbunden.

Die Bildfolge „Sommer am Fluß“ überrascht durch ihre heitere Farbigkeit und verleiht der Mittelhalle des Kulturbahnhofes nicht zuletzt durch das dominante frische Grün eine sehr schöne Atmosphäre. Detailreich und nicht ohne Augenzwinkern, vermitteln die Arbeiten von Sylvia Graupner Lebensfreude und Zuversicht. Im einführenden Text heißt es „Was gibt es Schöneres als einen Sommertag am Fluß zu verbringen. Die Bilder der Ausstellung laden ein, mit den Augen spazieren zu gehen, sich treiben zu lassen…“ und, so würde ich gern ergänzen wollen, sich in die Ferne zu träumen, um dort wiederum anderen eigenwilligen Träumern zu begegnen. Und wo Sylvia Graupner ausstellt, dürfen natürlich auch ihre, um mutmachende Sprüche nie verlegenen blauen Hunde und die widerborstigen roten Katzen nicht fehlen.

Porträt Sylvia Graupner, Foto: Ulrich Fuchs

Gedanken und Gefühle werden von der Künstlerin auf mitunter recht surreal wirkende Tiere, Fabelwesen oder Phantasiegestalten transformiert. Und so begegnet man in den Werken von Sylvia Graupner nicht nur blauen Hunden und roten Katzen, sondern auch einer Mondfrau, einem schlafenden Karussell, einer famosen Insbettbringmaschine, einem zaubernden Müllmann, einem kleinen Saurier oder träumenden Schafen, an denen Kinder und Erwachsene gleichermaßen ihre Freude haben.

Sylvia Graupner, die 1973 in Annaberg-Buchholz geboren wurde, beherrscht ihr Metier souverän. Sie studierte von 1992 bis 1995 Bühnenbild und Graphikdesign an der Hochschule für Bildende Künste Dresden. Von 1995 bis 1999 besuchte sie die Fachklasse Illustration an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig. Bis 2002 war sie Meisterschülerin beim Grafiker und Bühnenbildner Prof. Volker Pfüller (1939–2020). Von ihm habe sie gelernt, immer genau hinzuschauen und zu hinterfragen. Pfüller war ein kluger und kritischer Beobachter. Sein Credo lautete: Man kann nur zeichnen, was man begriffen hat.

Sie selbst lehrte von 2014 bis 2021 an der Hochschule für Bildende Künste Dresden. Dabei war es ihr wichtig, die Studenten zu ermutigen, eigene Wege zu beschreiten, etwas auszuprobieren, herauszufinden, „was in ihnen drin ist“. Keinesfalls sollten sie sich anpassen oder verbiegen, nur um anderen zu gefallen.

»Frau mit Faltschiffchen« aus dem Zyklus Spurensuche, Mischtechnik, 2017 Repro: S. Graupner

Gegenwärtig arbeitet Sylvia Graupner als freiberufliche Illustratorin für Schul- und Kinderbuchverlage aber auch immer wieder fürs Theater. Mehrere, der von ihr illustrierten Bücher sind in verschiedenen Sprachen weltweit erschienen. Ihr Schaffen umfasst Zeichnungen, Radierungen, Collagen und Bilder in unterschiedlichen Mischtechniken. Neben Illustrationen entwirft sie Bühnenbilder, Plakate, Broschüren und auch Kartenspiele. Dem Erzgebirge und ihrer Geburtsstadt fühlt sie sich bis heute verbunden, was sie in ihren Illustrationen auch zum Ausdruck bringt. Im Jahr 2010 erhielt sie den Stadtpreis von Annaberg-Buchholz u.a. für ihren künstlerischen Beitrag zur Pflege von Brauchtum, Kultur und Tradition.

Sylvia Graupner hat keine Scheu vor schwierigen Themen. In der Zeitschrift „Philosophie und Ethik in der Grundschule“ setzte sie sich auf nachdenkliche und mutmachende Weise mit Themen wie „Natur gibt, Natur nimmt“, „Abschied, Tod und Trauer“ oder „Wie wollen wir leben“ auseinander.

Zurzeit wirkt sie an einem Projekt im Bereich der Onkologie mit. Dabei geht es um den Umgang mit Ängsten, um Hoffnung und Zuversicht.

Die Umsetzung ihres Bilderbuches „Meine erste Hochzeit“ als Zeichentrickfilm hatte 2009 auf der Berlinale Premiere und gewann den Pulcinella Award des Festivals CARTOONS ON THE BAY 09.

Sylvia Graupners Terminkalender ist prall gefüllt mit Ausstellungen, Fachtagungen, Lesungen, Mitmalaktionen … Sie beteiligt sich an Projekten in Bibliotheken, Museen, Galerien, Schulen und Krankenhäusern. Um das Pensum zu bewältigen, muss sie sich sehr strukturieren. Ihr Arbeitstag beginnt in der Regel um 8 Uhr. Ideen hat sie mehr als genug, welche zunächst als Bleistiftskizzen aufs Papier gebracht werden – erst später kommen Aquarellfarben, Tusche sowie andere Materialien zum Einsatz. Natürlich ist es ein Unterschied, ob es sich dabei um freie oder auftragsgebundene Arbeiten handelt. Auch hat sie bereits einige eigene Bücher geschrieben.

Die Bildergeschichten entstehen als freie Arbeiten und sind eine Art gezeichnetes Tagebuch. Wie sie sagt, pflegt sie damit ihren Inneren Garten. Ein Skizzenbuch trägt sie immer bei sich. Ihr selbstironischer Blick aufs Leben, lässt vieles leichter werden.

Illustration und Bühnenbild ergänzen sich, so die Künstlerin, da ein Buch mit einer Inszenierung vergleichbar sei. Dabei wäre bei der Bildfindung das dramaturgische Denken durchaus von Vorteil. Oft arbeitet sie mit verschiedenen Textautoren und Musikern zusammen. Frisch erschienen ist das Kreative Denk-Buch, welches sie gemeinsam mit ihrer Tochter Helene Graupner gestaltete.

Wer mehr über Sylvia Graupner wissen möchte oder ein originelles Geschenk sucht, wird auf ihrer Homepage fündig. Die Gelegenheit zum Ausstellungsbesuch im Kulturbahnhof bietet sich noch bis zum 31. August. Ja und vielleicht gibt es im nächsten Jahr auch wieder eine kleine Radebeuler Buchmesse? Sollte dann Sylvia Graupner mit einem Stand vertreten sein, werde ich bestimmt nicht mehr so gedankenlos daran vorrübergehen.

Karin (Gerhardt) Baum

Editorial August 2023

Wie im vergangenen Jahr waren wir auch 2023 zum Rudolstadtfestival am ersten Juliwochenende.

Auch diesmal standen über hundert Künstlergruppen im Programm. Da war die Auswahl schwer.

Ein Konzertpunkt war das Mandolinenorchester „Wanderlust 1919“ Rudolstadt e.V. auf der Großen Bühne auf dem Markt. Im neuen Programm „Die Zukunft der Tradition“, interpretierte es alte und neue Kompositionen aus aller Welt mit viel Gespür für die jeweiligen Eigenheiten. Die zahlreichen Zuschauer jubelten. Ich wurde an unsere Mandolinengruppe erinnert, die in meiner Schulzeit und danach, in Naundorf existierte, angeleitet von unserer Musik- und Klassenlehrerin, Frau Ilse Sommer. Sie hatte es vermocht, Schülerinnen und Schüler für Mandoline und Mandola zu begeistern, so dass zu vielen Feiern dieses kleine Orchester meistens Volkslieder und Lieder aus dem Erzgebirge spielte. Ich gehörte zwar nicht zur „Mandogruppe“, meine Parts waren Ansagen und Rezitationen. Nicht fehlen durfte bei den Mandolinen der „Zug der Wandervögel“. Auf diesen wartete ich beim Festival leider vergeblich, obwohl Insider aus dem Fan-Publikum sich sicher waren, er kommt immer zum Schluss. Nein, diesmal war eine griechische Komposition die Zugabe.

Es war großartig! Sicher geprägt aus der Schulzeit, fesselt mich der Klang der Mandolinen bis heute, und nicht nur mich! Die Mitglieder des Mandolinenorchesters sind übrigens im Alter von 9 bis 96 Jahren. Von diesem Altersspektrum träumt so mancher Verein in Radebeul.

Die Mandoline ist Instrument des Jahres 2023. Verwundert hat mich im Beitrag „Die Mandoline ist noch da“ von Katrin Mädler in der SZ vom 8./9.4.23 die Aussage von Brunhilde Jacob, einer Mandolinenbauerin: „Aber in der DDR assoziierten wohl einige das Instrument zu sehr mit dem süddeutschen Raum und dem Ausland. Die Verbreitung wurde aus politischen Gründen nicht gefördert. Und es ließ sich schlecht marschieren zur Mandoline.“

Vielleicht war das Instrument einfach eine Zeit lang nur „nicht so in“, die Gitarre machte das Rennen…

Ilona Rau

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