Die (jung gebliebene) Mutter aller deutschsprachigen Lustspiele

Lessings „Minna von Barnhelm“ hatte am 18./19.1. Premiere an den Landesbühnen Sachsen

Obgleich Lessing insgesamt ein Dutzend Stücke für die Bühne schrieb, werden doch seit langem nur noch einige wenige davon regelmäßig gespielt. „Nathan der Weise“ (1783) natürlich, auch „Emilia Galotti“ (1772), gelegentlich noch „Miß Sara Sampson“ (1755) und „Minna von Barnhelm“ 1767). Was daran auffällt, sind die Titel: jeweils der Name der Hauptfigur wird direkt benannt. Was daran noch mehr auffallen sollte: In drei der vier Stücke stellte Lessing eine weibliche Figur in den Mittelpunkt, was in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ein unerhörter Bruch mit den Traditionen war. Man gehe beispielsweise die Reihe der Shakespearschen Stücke durch: wo Namen im Titel auftauchen, geht es um Männer, allesamt Prinzen oder Könige. Dagegen Lessing, der Modernisierer, Vordenker und Aufklärer: Er wendete sich den Bürgern und dem niederen Adel zu, darunter besonders den Frauen. Minna von Barnhelm, sächsisches Edelfräulein, steht beispielsweise für eine selbstbewusste Frau, die sich nicht damit abfinden will, dass ihr Traum von einem Leben an der Seite eines verdienten preußischen Offiziers, Tellheim, an dessen Stolz und Ehrgefühl scheitern soll. Das ist die Grundkonstellation für das als Lustspiel deklarierte Stück, dessen vollständiger Titel bereits einen Fingerzeig auf den heiteren Charakter gibt: „Minna von Barnhelm oder Das Soldatenglück“.

Szene mit Grian Duesberg und Sandra Maria Huimann
Foto: Norbert Millauer


Unter der Regie von Steffen Pietsch entwickelt sich auf der von Katharina Lorenz geschickt und Ressourcen schonend eingerichteten Bühne (über die gesamte Spieldauer genügt eine als Wirtshauszimmer angedeutete Spielfläche mit Sofa, Koffer sowie Wand mit Tür) ein insbesondere im ersten Teil flottes und amüsantes Schauspiel, in dem das Regieteam den Akteuren viele Freiheiten lässt ihr komödiantisches Vermögen auszuleben. Dazu knallen Türen und purzeln Körper, wird auf Knien gerutscht und gerannt und werden Gegenstände hin- und hergeschleppt. Und zwar meist so, dass das Publikum ahnt oder gar vorab erkennt, welcher Trick aus der Kiste hervorzaubert wird. Hervorzuheben ist dabei in erster Linie Michael Berndt-Cananá, der einerseits als hinterlistiger, auf den eigenen Vorteil bedachter und liebedienerischer Gastwirt etliche Kabinettstückchen aus dem (körper-)sprachlichen Repertoire zaubert. Andererseits sorgt Cananás Auftritt im zweiten Teil als Riccaut de la Marlinière, einem französischen Militär, für den humoristischen Höhepunkt des ganzen Abends, wozu auch die famose Kostümierung (durch Katharina Lorenz besorgt) und seine Frisur beitragen. Aber auch andere Figuren wissen von Beginn an mit spritzigem Witz und einnehmender Agilität zu gefallen. Zu nennen ist da die in ihrer ersten Spielzeit im Ensemble eingesetzte Tammy Girke als Franziska, dem Kammermädchen der Barnhelm (Sandra Maria Huimann), die eine betörende Aura von Leichtigkeit und weiblicher Raffinesse umgibt. Oder auch Johannes Krobbach als Paul Werner, einem ehemaligen Wachtmeister im Regiment Tellheims, der es kaum erwarten kann, wieder in den Krieg (nach Persien) zu ziehen und der als liebevoll-ironisch gezeichnete Karikatur des soldatischen Gehabes daherkommt. Oder auch Moritz Gabriel als Tellheims Diener Just, der das Quartett der wichtigen Nebenfiguren komplettiert. Außerdem hat Anke Teickner noch einen kurzen Auftritt als Witwe eines ehemaligen Offiziers, der mit Tellheim im Felde gestanden war. Ob Zufall oder nicht, aber vor allem das genannte Quartett vermag es, die Sympathien des Publikums auf sich zu ziehen. Möglicherweise ist dieser Effekt aber auch der bewussten Entscheidung der Regie geschuldet, die Rolle der Nebenfiguren als „Spin Doctors“ zu betonen, die das Schicksal der Dame bzw. des Herrn beeinflussen. Die beiden Hauptfiguren, Minna und vor allem der Major Tellheim (Grian Duisberg) scheinen bisweilen mit angezogener Handbremse zu agieren. Das verwundert, denn eigentlich ist die Handlung vor allem um deren Beziehung gewebt, die zuerst durch Tellheims starren Trotz und danach durch Minnas ins Übermütige abkippender Lust an weiblicher List auf die Probe gestellt wird. Vor allem dadurch, dass der Teil nach der Pause weitgehend Minna und Tellheim gehört, schleichen sich einige Längen ein, lässt der Schwung des ersten Teils spürbar nach. Aber wenn ganz am Ende ein geseufztes „It’s a man’s world“ aus dem Off das Stück abrundet, wird doch noch einmal die Akzentuierung dieser Inszenierung deutlich: Eine verliebte Frau kann schon manches Mal über einen Mann den Kopf schütteln, aber viel lieber möchte sie ihm doch um den Hals fallen.

Alles in allem vermochte die Aufführung am Premierenabend dem Publikum, darunter erfreulich viele Schüler, im nahezu ausverkauften Saal etwas mehr als zwei vergnügliche Stunden zu bereiten und es davon zu überzeugen, dass auch ein Text aus dem 18. Jahrhundert frisch und kraftvoll daherkommen kann, ohne dass er sich an das Gegenwartsdeutsch anbiedern müsste.

Bertram Kazmirowski
Weitere Aufführungen in Radebeul: 7.3., 19.30 Uhr, 15.3., 19 Uhr.

Wiedererscheinung – Hommage an Käthe Kollwitz – Su Junguo, Chen Yunpu und Si Ankun

Laudatio zur aktuellen Ausstellung im Käthe-Kollwitz-Haus Moritzburg

Drei chinesische Holzschnittkünstler aus Mangshi, dem südlichsten Teil der westlichen Provinz Yunnan, im Käthe Kollwitz Haus Moritzburg.

Künstler: Chen yunpu


Es freut mich sehr, ihnen hier und heute ein paar einführende Worte zu den Arbeiten der drei eingeladenen Künstler aus China geben zu dürfen. Alle drei Künstler kannten das Werk von Käthe Kollwitz schon in China und ihre traditionellen Holzschnitte sind auch direkt beeinflusst von der Denkweise der Künstlerin Käthe Kollwitz. Dichtung, Malerei und Musik bilden für das chinesische Kunstempfinden eine untrennbare Einheit. Malen heißt Bilder schreiben, Schreiben heißt Bilder malen und somit liegt es nahe, dass zur Eröffnung Lyrik von Jiang Hao in Originalsprache, übersetzt und auch in Klängen durch fünf Flöten improvisiert wird.

Doch zunächst ein paar Worte zu den eingeladenen Künstlern. Su Junguo hat in der Kunstuniversität Yunnan studiert und ist derzeit Direktor der Abteilung für Kunst der Dehong Universität der Provinz Yunnan, Professor und Mitglied der Yunnan Künstlervereinigung sowie deren Generalsekretär. Su Junguo präsentiert seine in China bekannte Serie von Druckgrafiken zur dramatischen Gestalt der Vogelscheuche. Im Wind wiegend, wechselt sie Stimmungen von wahr und falsch. In ihrer Darstellung spiegelt sich das Gute und das Böse der Welt. Warum das Thema Vogelscheuche? – Das Sprichwort: die Furcht vor der Gefahr ist schrecklicher als die Gefahr selbst kommt einem in den Sinn, im Besonderen, weil die Vogelscheuche als Symbol des Erschreckens gilt und bei näherem Betrachten doch nur eine leblose Puppe ist. Neben dem Thema Vogelscheuche, beschäftigt sich Su Junguo auch intensiv mit der Darstellung der Landschaft. Widmen wir uns einem Landschaftsbild, dass eine Geschichte vom Krieg, in der sonst ruhigen Berglandschaft erzählt. Auf dem Bild sieht man die beschwerliche Tour mit mehreren Transportern in einer steilen Berglandschaft. Die Straße ist offensichtlich nicht gut ausgebaut und einige Männer arbeiten noch daran. Die Kolonne stöhnt beschwerlich den Berg hinauf, einer der LKW’s liegt bereits im Straßengraben. Eine weitere Bedrohung kommt hinzu, drei Flugzeuge am Himmel sind unterwegs und es fallen Bomben oder große Steinbrocken. Su Junguo wurde in eine Militärfamilie hineingeboren und sein Interesse liegt auch in der Heimatgeschichte. Dieses Bild geht auf eine historische Begebenheit zurück, die Bergstraße zwischen Yunnan und Burma, die im Krieg bombardiert wurde.

v.l. Angelika Heyder Tippelt, Nina Reichmann, Irene Wieland, Fang Han, Sabine Hänisch, Si Ankun, Katharina Sommer, Chen Yunpu, Su Junguo, Yini Tao und Lea Wieland


Alle Druckgrafiken von Su Junguo sind in der Technik vom ölbedruckten Holzschnitt auf Papier festgehalten. Manuell wird jede Linie erst danach geschnitten. Durch die Reduktion, auf im Wesentlichen nur zwei dominierender Farbtöne, kann der Betrachter sich gut auf die lebendigen, erzählerischen Details im Bild einlassen.

Si Ankun zählt zu den jungen Dehong Druckgrafikern. Si Ankun wurde 1992 in Dehong Yingjiang geboren und ist somit der jüngste Künstler in der Ausstellung. 2008 studierte er an der Kunstabteilung der Dehong Normalschule (eine Hochschule die Lehrer für den Kunstunterricht ausbildet). Si Ankum bekam die Auszeichnung des fünfjährigen Kunstmajor der Dehang Normalschule, legte bald den Schwerpunkt auf Druckgrafik und nach einem Jahr direkt nach seinem Abschluss, arbeitet er nun als Lehrer an der Kunstschule mit dem Schwerpunkt Holzschnitt. Er arbeitet im Schwarz-Weiß-Holzschnitt. Seine Gra?ken haben durch die Reduktion eine sehr starke Ausdruckskraft und eine besondere Klarheit.

Für die Ausstellung in Moritzburg hat Si Ankun sich den Themenschwerpunkt visionäre Stillleben mit Landschaft ausgewählt. Nimm an, was nützlich ist, lass weg, was unnütz ist und füge das hinzu, was dein Eigenes ist. Seine Auswahl von Grafiken sind oft als Fries in drei Bildsegmente unterteilt. Es leuchtet eine weiße Berglandschaft vor dem dunklem Hintergrund hell auf. Im Bildvordergrund wächst ein imaginäres Lotusfeld, zwischen den Fruchtständen schweben Papierflieger. Der Papierflieger ist ein immer wiederkehrendes Motiv in Si Ankuns Arbeiten. Mal wirbeln sie im Wind, dann sind sie sogar in der Serie „kaputte Kartons“ anzutreffen, an Fäden hängen noch einige Flieger von oben herab und andere schweben leicht zu Boden. Die Landschaftsserie lässt Leben ahnen, im Inneren befindet sich ein Vergnügungspark kleiner Leute. Ein kaputter Karton mit neuem Innenleben, aus allen Ritzen krabbeln kleine Menschlein, die aufgeregt ihre neue Behausung untersuchen. Seine menschlichen Figuren sind abstrahiert, verlieren aber nicht den Bezug zur Realität, sodass auch menschlichen Köpfe zu erkennen sind. Der immer wieder neu gefragte Prozess des Suchens, Findens, Erkennens und schließlich Gestaltens macht Si Ankun offensichtlich große Freude. Erstaunlich ist die Linienführung. Und ich wundere mich, welche Werkzeuge hier wohl im Spiel waren. So fabuliert er mit einer außerordentlichen Formenvielfalt und erfreut uns mit abwechslungsreichen Details. Im ständigen Wechselspiel, mit wiederkehrendem Klängen von Kreisen und Dreiecken, so komponiert Si Ankun seine ausdrucksstarken Schwarz-Weiß Holzschnitte.

Künstler: Su junguo


Ich lese Ihnen zuletzt noch aus einer direkten chinesischen Übersetzung ein paar sehr schöne Charakterzüge über Si Ankuns Persönlichkeit vor: „Ankun ist ein junger Mann aus der Dai-Nationalität, er ist weiß und stark, schreit nicht und spricht gelegentlich ein paar Worte, aber es ist ein sanftes Flüstern, das für die Dai-Leute einzigartig ist.“
In China wird immer etwas sehr persönliches über den Charakter der einzelnen Person formuliert, was in Europa vielleicht als etwas befremdlich wirken könnte, steht in China selbstverständlich vor dem Lebenslauf. Übrigens wurde über alle drei hier anwesenden Künstler eine sehr feine und zurückhaltende Art beschrieben.

Der Künstler Chen Yunpu wurde in Mang geboren. Er studierte in Dehong an der Kunstuniversität. Derzeit ist er stellvertretender Vorsitzender und Generalsekretär der Künstlervereinigung in Mang. Seit Jahren beschäftigt er sich intensiv mit dem Holzschnitt. Chen Yunpus Holzschnitte umkreisen das Thema Mensch in kräftigen und strahlenden Farbtönen gehalten und in lockeren Linien, freihändig geschnitzt. In seinen Gesichtern kann man den Seelenzustand der Menschen lesen, — nimm dir Zeit zu lachen – das ist die Musik der Seele – die Rettung der Menschen liegt in der Liebe und kommt durch die Liebe. Wir stehen vor seinem Portrait. Das in die Leere blickende Gesicht, der vom Leben Gezeichneten, lässt die guten und schweren Momente des Lebens ablesen. Die Menschen bewahren offensichtlich ihre innere Stärke, haben den Blick nach vorne gerichtet und stellen sich ihrem Schicksal. Man spürt förmlich eine Verwandtschaft durch die Kraft und der Dynamik in seinen Portraits die auch in Käthe Kollwitz Bildern zu spüren ist. Das Werk von Käthe Kollwitz kann wie ein Gedicht gelesen werden, in ihren Portraits widerspiegelt sich das Elend und die Trauer. Sie hatte den Existenzkampf und den Zusammenschluss und schließlich das sich Erheben des Volkes thematisiert und in ihren Holzschnitten bearbeitete sie den Krieg mit Kummer, Trauer, Hunger Obdachlosigkeit und Tod. Chen Yunpu beschäftigt sich auch intensiv mit der künstlerischen Umsetzung von Männern, Frauen und Kindern in ihren traditionellen, farbenfrohen Gewändern. Die genaue Beobachtung seines unmittelbaren Umfeldes, werden sorgfältig und mit gezieltem Umgang mit dem Messer aus dem Holzbrett geschnitzt. Auch die realistische Bildfindung hat deutliche Parallelen zu Käthe Kollwitz‘ Bildwelten.

Bevor wir den besonderen Stellenwert von Käthe Kollwitz in China erfahren, gibt es noch eine musikalische Performance zur Lyrik von Jiang Hao zu hören. Es lesen: Yini Tao „kleine Dinge“ auf Chinesisch, Lea Wieland liest die Übersetzung und an den Flöten Katharina Sommer, Angelika Heyder Tippelt, Manuela Hielscher und Nina Reichmann, ja und Irene Wieland die fünfte Flöte.

Irene Wieland

Editorial 2-20

Unser Februarheft rückt das Käthe-Kollwitz-Haus in Moritzburg mit der neuen Ausstellung „Wiedererscheinung – Hommage an Käthe Kollwitz“ – Holzschnitte dreier chinesischer Künstler in den Fokus.

Die Besucher waren zur Eröffnung sehr gespannt: auf die ausgestellten Arbeiten, auf die Laudatio von Irene Wieland. Sie spielte auch noch im Querflötenquintett „Quintravers“ gemeinsam mit Katharina Sommer und drei weiteren Künstlerinnen, das mit Improvisationen eindrucksvolle Bögen zu den gezeigten Holzschnitten schlug und ebenso ein von der Kuratorin Yini Tao vorgetragenes chinesisches Gedicht untermalte.

Der Einsatz einer Kürbisflöte erzeugte fernöstliche Stimmung. Ein das Publikum besonders ansprechender Vortrag der Kunstkritikerin Fang Han, der besonders den Zusammenhang zwischen Käthe Kollwitz und chinesischer Künstler näher erläuterte, rundete die Eröffnung ab.

Beide Beiträge, sowohl die Laudatio als auch den Kurzvortrag finden Sie, liebe Leserinnen und Leser, in diesem Heft. Sicherlich sind Sie nach der Lektüre dann sehr gespannt auf die Ausstellung im Käthe-Kollwitz-Haus in Moritzburg, die bis Anfang März zu sehen ist.

Staunen Sie, ich wünsche Ihnen viel Vergnügen!

Ilona Rau

Editorial 2020-01

Liebe Leserinnen und Leser,

“Ich glaube, hilf meinem Unglauben” – dieses biblische Leitwort aus dem Markusevangelium (9,24) begleitet in den christlichen Kirchen das vor uns liegende Jahr 2020.
Eigentlich ein Stoßgebet, auch in der Erzählung, der es entnommen ist. Für sich genommen klingt es paradox und beschreibt doch eine Lage, die jeder kennt und jede. Das griechische Wort “pisteuein”, von Luther hier mit “glauben” übersetzt, bedeutet zunächst einmal “vertrauen”. Vertrauen kann man anderen Menschen, sich selbst oder überhaupt dem Leben entgegenbringen – oder auch nicht. Oder der Zukunft, obwohl kein Mensch wissen kann, was sie bringt – ihm persönlich oder uns allen miteinander. Nun liegt ein neues Jahr vor uns wie ein noch unbeschriebenes Blatt. Manche werden mit Vorfreude darauf schauen, andere eher sorgenvoll. Zumeist aber wird jeder Mensch in sich selbst von beiden Empfindungen etwas finden. Für den oft schmerzlich vermissten Zusammenhalt in unserer Gesellschaft scheint mir die “Zweistimmigkeit” hilfreich zu sein, die im Bibelwort für das neue Jahr zu hören ist – in ein und demselben Menschen. Es gibt eben nicht hier die Glaubenden und da die Ungläubigen. Hier die immer nur Starken und da die immer nur Schwachen. Hier die Zuversichtlichen und da die von ihrer Angst Gesteuerten. Jeder trägt in sich selbst auch etwas vom anderen. Ich halte das für eine hilfreiche Perspektive, um sich und andere besser zu verstehen. Das werden wir nicht erleben können, wenn wir vor unseren Endgeräten vereinsamen und über den verlorenen Zusammenhalt klagen.
Vielleicht kann es ein guter Vorsatz für das neue Jahr sein, die vielen Möglichkeiten zur persönlichen Begegnung besser zu nutzen.

Christof Heinze
Pfarrer der LutherkircheRadebeul

Wolf Biermann zu Gast bei uns

Insbesondere im 30. Jahr der Deutschen Einheit wollen wir unsere zwölfteilige Lyrik-Seite programmatisch fortführen.
Mit Wolf Biermann konnten wir nun sicher den Künstler gewinnen, der wohl wie kaum ein zweiter stellvertretend für die Zerrissenheit der deutschen Teilung steht. 1936 in Hamburg geboren ist er mit nunmehr 83 Jahren auch heute noch im Rahmen von Lesungen und Konzerten mit seiner Frau Pamela unermüdlich unterwegs. Eine Konzertreise führte sie im Herbst 2019 gar bis Taipei (Taiwan), wo seine Texte simultan ins Chinesische übersetzt wurden.
Von früher Jugend an war Biermann von einem überaus starken politischen Sendungsbewusstsein geprägt, was sich durch sein ganzes Leben ziehen sollte. So liest sich seine Biographie geradezu wie ein gut gebauter Politthriller, für dessen Plott es große Phantasie gebraucht hätte.
Es ist in diesem Rahmen kaum möglich all die nennenswerten Facetten im Leben und Schaffen Biermanns hier auszuloten. Sein jüdischer und zugleich kommunistischer Vater, der Widerstand gegen die Nazis leistete, wurde 1943 im KZ-Auschwitz ermordet. Die Mutter entkam im gleichen Jahr mit ihrem Sohn durch einen Sprung in den Nordkanal dem Feuersturm auf Hamburg nur knapp dem Tod.
Bereits als Siebzehnjähriger suchte er den Weg in den Osten, wo er von der Stasi vergeblich als »Geheimer Informator« gewonnen werden sollte. Nach Abbruch seines Studiums der Politischen Ökonomie an der Humboldt-Universität in Berlin arbeitete er zwischenzeitlich als Regieassistent am Berliner Ensemble und studierte anschließend Philosophie und Mathematik.
Für seine weitere Entwicklung war 1960 die Begegnung mit Hanns Eisler von größter Bedeutung, der ihn ermutigte, Gedichte und Lieder zu schreiben. 1961 gründete er in Ost-Berlin das Berliner Arbeiter Theater (b.a.t.), wenig später wurden Inszenierungen verboten und schon 1963 musste das Theater geschlossen werden. Es folgten Auftrittsverbote, sein Wunsch in die
SED einzutreten wurde verwehrt und erste Auftritte 1964 in Westdeutschland verhärteten zunehmend die schwierigen Beziehungen zur Parteiführung. Das 11. Plenum des ZK der SED 1965 verhängte schließlich ein vollständiges Auftritts- und Berufsverbot gegen ihn.
In diese Zeit (1968) fällt die legendäre Einspielung seiner ersten Langspielplatte »Chausseestraße 131« die konspirativ in eben dieser Wohnung mit improvisierter Tontechnik erfolgte.
Der große Wendepunkt in Biermanns Leben kam schließlich 1976 mit seiner Ausbürgerung, während einer Konzertreise in Westdeutschland. Der Aufschrei breiter Kreise von Künstlern und Intellektuellen war immens und führte zur wachsenden Bedeutung der Dissidenten-Szene in der DDR.
Die Jahre in der anderen deutschen Hälfte waren von großer Schaffenskraft geprägt. Biermann nahm aus der neuen Perspektive nun mehr und mehr Abstand von seinen kommunistischen Idealen, was ihm in der Rezeption Betitelungen wie »Wendehals« einbrachten. Mit dem Mauerfall von 1989 erfüllte sich auch für ihn das bis dahin Undenkbare und neue künstlerische Impulse folgten.
Biermann kann heute auf ein reiches Œuvre zurückblicken. Seine Gedichtbände zählen zu den meistverkauften der deutschen Nachkriegsliteratur. Für sein Lebenswerk kamen ihm in West- und Gesamtdeutschland zahlreiche Preise und Ehrungen zuteil.

Liebe Leserinnen und Leser,
eine Auswahl seiner Lyrik wird uns dieses Jahr an dieser Stelle begleiten. Eingefleischte Biermann-Kenner werden bei einigen Gedichten womöglich die Melodien seiner Vertonungen hören.
Seine Texte sind, wie Biermann eben, überaus politisch, widerborstig und münden unausweichlich in quälenden Reflexionen über das ach so zerrissene deutsche Vaterland.
Oder wie formulierte es einst Marcel Reich-Ranicki mit Wertschätzung so schön: »Eintracht zu stiften ist seine Sache nicht.«

Sascha Graedtke

Mit Wolf Biermann poetisch und politisch durch das Jahr

Die künstlerischen Chaoten

Vom Scheitern eines Radebeuler Fernsehsenders. Endgültig?

Als technischer Unterstützer des Kabelnetzbetreibers wirsNET erfuhr Stephan Liebich, dass es kein Problem darstellt, 500 TV- und Radioprogramme aus dem Himmel, von diversen Satelliten, zu holen und ins Radebeuler Netz zu speisen. Da müsste es doch ein Leichtes sein, noch ein 501. dazu zu geben. Einen eigenen Radebeuler Fernsehsender! Gesagt getan. Am 19. August 2013 erhielt Liebich vom Medienrat der Sächsischen Landeszentrale für privaten Rundfunk und neue Medien eine Sendelizenz. Aus einer Quasi-Schnapsidee entstand Radebeul TV.
Die Voraussetzungen erschienen günstig: Der Sender wird potenziell in 5.000 Wohneinheiten des Kabelnetzes von wirsNET und GAL eingespeist. Über Facebook und Internet ist die Reichweite praktisch unbegrenzt – die höchsten Klickraten lagen bei 10.000. Wir bekamen bundesweit Rückmeldungen von Ex-Radebeulern, die sich gerne an Bildern aus der alten Heimat labten. So machten wir nicht schlecht Außen-Werbung für unser Städtchen.
Was braucht es schon fürs Fernsehen? Eine Videokamera, ein Mikrofon und einen Computer als Schneidetisch. Man geht mit der Kamera zum Bürgermeister, stellt sie vor ihn hin und lässt ihn erzählen, wie es denn nun weitergeht mit der Meißner Straße. Praktisch, dass einige Parteien, Vereine und Organisationen eigene Presseleute haben, die Mitteilungen schreiben. Nun kann man diese Papiere nicht einfach vor die Kamera halten. Dafür braucht es einen Vorleser, etwas vornehmer Moderator genannt. Jedoch ist im übersandten Text (so definiert sich Journalismus) zunächst das Wesentliche vom Unwesentlichen zu trennen, bevor (Achtung: Scherz!) Letzteres zur Aussendung kommt. Dafür braucht es einen Bearbeiter, auch Redakteur genannt.

Die künstlerischen Chaoten Burkhard & Stephan Foto: B. Zscheischler

Nun, einen PC hat doch jeder! Und ein jeder einigermaßen brauchbare Fotoapparat hat mittlerweile einen Video-Knopf. Ein Smartphone tuts notfalls auch. Wenn da nicht mit der Zeit der Anspruch aufkäme, mindestens (fast) so gut zu sein wie ARD und ZDF. Dort steht der Moderator vor der Frauenkirche. Wie machen die das? Ganz einfach: Der Moderator steht, gut ausgeleuchtet in einem Studio vor einer grünen Wand. Dem Computer befiehlt man am Schneidplatz, er möge doch bitte überall dort, wo es gleichmäßig grün ist, das Foto der Frauenkirche setzen (der Moderator darf dann nur kein grünes Hemd tragen, sonst wird er „durchsichtig“). Das PC-Programm dafür kostet wenig. Den grünen Stoff gibt es günstig im Nähladen. Man muss ihn nur gut verspannt an eine Wand anbringen. Aber jetzt kommts: Um den Stoff möglichst gleichmäßig auszuleuchten, braucht es ein paar Lampen. Bei denen gilt: Je besser das Licht sein soll, desto teurer sind sie. Und dann so Sachen wie Interviews. Schon ist eine zweite Kamera nötig. Nice to have: Funkmikrofone statt Kabelsalat! Ach, das Thema Ton und Musik! Schon ist die GEMA nicht weit. Sie will in erster Linie Geld sehen. Viel Geld! Und so weiter…
Nach einigen Monaten kam ich dazu: Burkhard Zscheischler. Bei der Süddeutschen Zeitung in München, bei der UNION bzw. den Dresdner Neuesten Nachrichten, Anfang der 90er Jahre sogar in einer Radebeuler Redaktion auf der Bahnhofstraße, habe ich „Print“ gelernt. Als Sprecher von Behörden und Ministerien des Freistaats lernte ich dann, wie man sich vor Mikrofon und Kamera verhält. Ich übernahm die Redaktion und schrieb viele Texte, die ich zumeist auch sprach – meistens abends oder am Wochenende. Einen Vormittagstermin unter der Woche beim Bürgermeister oder bei der Feuerwehr konnte ich nie wahrnehmen, da muss ich beim Freistaat Geld verdienen. Das übernahm dann oft Stephan Liebich. Er hat als Sänger den idealen Beruf für solche Hobbys. Dafür hat er abends keine Zeit, denn dann singt er. Zwischen uns war also viel Kommunikation nötig. Eine Zusammenarbeit, die den eigentlichen Spaß ausmachte. Das änderte sich mit Marco Huber. Er war der ideale Allein-Redakteur, der alles zugleich machte. Aber eben wirklich alles und alles alleine. Interne Kommunikation war schwierig. Dann ging er aber weg und macht heute in Zittau Internet-Fernsehen.
Simone Laack, Susanne Hanke, Kathrin Däbritz, die Liebich-Familie, Angela & Burkhard Zscheischler und Maik Beyer – manche kamen und gingen, manche blieben bis zum Schluss. Der “harte Kern” waren Burkhard & Stephan. Es war immer ihr Hobby. Den anfänglichen Ansatz, Geld damit zu verdienen, mussten sie bald aufgeben. Die beiden verstehen sich hauptsächlich als „Künstler“. Damit ist Kreativitiät gemeint, die eng verwandt ist mit dem Chaos. Um Geld einzusammeln, hätte „mal jemand“ Klinken putzen gehen müssen bei Handel, Handwerk und Industrie. Dieser „jemand“ fand sich nie. Das ist nämlich eine ziemlich undankbare Aufgabe, getragen von viel Reden und Überzeugungsarbeit, “belohnt” mit Enttäuschungen. Die wenigen Ausnahmen bestätigen die Regel. Liebich hat privat einen fünfstelligen Euro-Betrag in die Technik gesteckt, um nur einen Teil wieder einzuspielen. Mittlerweile, nach sechs Jahren, ist alles abgeschrieben und manche Technik überholt. Der ganze “Krempel” ist eigentlich neu anzuschaffen: Kameras, leistungsfähige Computer mit je zwei Bildschirmen, Stative, Lampen, Mikrofone, Ersatz-Akkus, Ladegeräte, Speichermedien und noch einiges an Kleinkram, der im Einzelnen wenig kostet, der sich aber leider ständig verliert.
Denn Radebeul TV ist ein Privatsender. Wer glaubt, wir würden vom Gebührenaufkommen der GEZ profitieren, der irrt gewaltig. Die Kabelnutzer von wirsNET bezogen uns kostenlos. Deshalb machten wir nach gut 6 Jahren Kassensturz und kamen zur Erkenntnis: Ok, Spaß war manchmal dabei, aber außer Spesen ist nichts gewesen. Nicht zuletzt scheiterten wir am eigenen Qualitätsanspruch: Speziell Burkhard hat zwar einen Mordsspaß am Schreiben von Drehbüchern und witzigen Moderatorentexten, doch kann der mittlerweile über 60-Jährige sich selbst kaum im Spiegel ertragen, geschweige denn als Fernsehbild. Fernsehen, so sein Credo, lebt nicht von einem angegrauten Moderator mit Rauschebart und Glatze, wahlweise von anderen „Stand“-Bildern, ob weiblich oder männlich, die irgendwelche lahmen Texte vorlesen, sondern von Bildern vom schönen Radebeul. Um aber 15 Minuten Magazin pro Woche mit bewegten Bildern zu füllen, muss etwa das zehnfache dessen aufgenommen, gesichtet, verarbeitet und geschnitten werden. Archiv? Theoretisch ja, praktisch ist das Richtige selten dabei. Wir haben Hochsommer, aber unser Archivbild zeigt sich tief verschneit. Deshalb steigen wir doch schnell aufs Rad und „holen“ uns ein aktuelles Bild. Dumm nur, dass Radebeul bisweilen ziemlich weitläufig sein kann, zwischen AWD und LÖMA liegen einige Kilometer. Na, das hält uns wenigstens gesund, denn wir sind meist mit dem Rad unterwegs. Aber ein Kindergartenanbau in Wahnsdorf? Ach nee, da will ich jetzt nicht hoch strampeln.
Trotz alledem! Wir haben Preise errungen, im Wettbewerb privater TV-Sender in Sachsen und darüber hinaus. Geldpreise sogar! Die eine Hälfte steckten wir in neue Technik, die andere in einen gemeinsamen Urlaub. Ein Wochenende. Mit dem Fahrrad. So viel Geld wars dann doch nicht. „Man hätte vielleicht mal Reklame machen müssen.“ – Ja, „man“ hätte. Aber weder „man“ noch „frau“ haben sich eingefunden. Es gab auch wohlmeinende Ratschläge von Zeitgenossen (mit beiden Händen in den Hosentaschen) wie: „Ihr solltet mal in die Schulen gehen.“ Haben wir gemacht. Wir erfuhren: Fernsehen ist “old school”. Die Jugend heute macht nur noch „in“ Youtube oder Instagram. Also machten wir alleine weiter. Für ein aussterbendes Publikum.
Im März 2019 haben wir uns von unseren Zuschauern verabschiedet mit dem Hinweis auf eine Denkpause. Seitdem wurden wir immer wieder gefragt, wann wir wieder losmachen. Fein! Unser Programm wurde also doch bemerkt und es gibt offenbar nicht wenige, die unserem Angebot nachtrauern. Ja, klar! Man konnte es, bequem im Sessel sitzend, konsumieren. Kostenlos! Das machen wir jetzt auch: Bequem sitzen wir im Sessel und warten darauf, was sich so bietet – kostenlos. Radebeul TV ist für uns Geschichte. Im Wesentlichen gescheitert. Aber eine nette Episode. In der alten Form würden wir es nicht wieder aufleben lassen wollen.
Wieso schreibe ich dann so lange drüber? Wenn die Radebeuler doch so darauf bestehen, was wäre denn nötig? Notwendig wäre: Eine Redaktion von 4-5 engagierten Damen und Herren, die Lust darauf haben, das Radebeuler Zeitgeschehen mit einer Videokamera, letzten Endes aber gemeinsam, zu begleiten: Politik, Wirtschaft, Kultur oder Sport und das vielfältige Vereinsgeschehen. Eine Reportage über die Mühlengeschichte im Lößnitzgrund, zum Beispiel. Es gibt ein Buch darüber. Wieso das nicht als Film? “Mein Lieblingsplatz!” Eine Vorstellung unserer Weingüter und Straußwirtschaften. „Zu Besuch bei…“ – einem Politiker, einem Künstler im Atelier, einer 100-Jährigen im Heim. Eine aktuelle Debatte aus dem Stadtrat zum Sanierungsgebiet Radebeul-West. Eine Übertragung einer Premiere der Landesbühnen in ein Seniorenheim. Porträts unserer Wirtschaftsbetriebe. Ach, Ideen hätten wir genug. Man muss nur regelmäßig Lust dazu haben, unabhängig vom Wetter und von anderen Verpflichtungen wie Erwerbs-Arbeit, Ehegespons oder Enkelkindern. Denn es ist ein Hobby. Die Leute guggen gerne sowas, wollen aber nichts dafür bezahlen. Wirklich? Grundsätzlich zu klären wäre die Technikfrage. Alle 4-5 Jahre ist der Krempel veraltet und auszutauschen. Ein wenig Geld sollte also doch hereinkommen.
WirsNET war bisher so freundlich, keine Sendegebühren zu verlangen. Mal angenommen, das bleibt so… Der Sender ist für den Kabelnetzbetreiber vielleicht sogar ein nettes „Zuckerl“ für seine Kunden. Dies weiter gedacht, kommt mir ein grandioser Gedanke: Ob wirsNET-Kunden bereit wären, sagen wir mal: 50 Cent pro Monat über den bisherigen Gebührensatz hinaus zu bezahlen für den Service, Lokalnachrichten zu sehen? Wenn 100 Kunden das ein Jahr lang machen, wäre schon eine halbe Kamera bezahlt. Im Internet sind sogenannte „Bezahlschranken“ mittlerweile weit verbreitet, technisch kein Hexenwerk. Wir haben es überschlägig errechnet. Wenn wir nichts damit verdienen, aber auch nicht mehr draufzahlen wollen, bräuchten wir monatliche Einnahmen von 500-1.000 Euro. Absolute Untergrenze. Bereits ein Dumpingpreis. Nahe der Selbstausbeutung.
Schön wäre es, wenn man ab und zu einem professionellen Sprecher/einer Sprecherin einen Hunderter in die Hand drücken könnte, der oder die einen deutschen Satz mit Subjekt, Prädikat, Objekt ohne viele Äh und Stottern aufsagen kann, weil das viel Arbeit ersparen würde: Das mühsame Herausschneiden der Versprecher am Computer, weil sonst die Zuschauer bereits nach dem ersten Halbsatz aktiv weghören. Denn stell Dir vor, es ist Fernsehen und keiner guggt zu. Den Beweis erhielten wir vorm Herbst- und Weinfest 2018: In der letzten Minute der Sendung verlosten wir zwei Freikarten. Es hat sich kein Schwein dafür interessiert! 100% der Zuschauer hatten bereits einige Minuten zuvor abgeschaltet. An welcher genau? Schwer zu sagen. Es ist nicht messbar. Deshalb folgten wir unseren Zuschauern einige Monate später nach und schalteten das Programm ab.
Unseren Anspruch, den gibt es immer noch: Ein lokales Nachrichtenangebot für jene Mitbürger schaffen, die keine Zeitung mehr lesen. Denn dieser Personenkreis wird immer größer. Ein Angebot auch für Mitmenschen, die sich nur noch in Filterblasen a-sozialer Medien aufhalten. Die Erde wird zwar nicht allein dadurch zum Würfel, wenn erregte Bürger dies wiederholt in Internetforen behaupten, doch diese Art Mitmenschen scheint sehr vermehrungsfreudig zu sein. Dagegen ist nur Information zu setzen. Vielleicht mit einem Bürgerfernsehen. Dort, anders als in der gescholtenen “L”-Presse, spricht einer aus der direkten Nachbarschaft. Den kennen wir. Wenn der das sagt, muss es Hand und Fuß haben. Ein Informationsangebot also, gemacht von Bürgern für Bürger. Spannend, unterhaltsam und informativ. Vielleicht getragen von einem Bürger-Verein. Wo sind die Vereinsjuristen unter den Lesern? Wäre das etwas Gemeinnütziges und Spenden steuerabzugsfähig? Und, nicht zu verachten: Wir sehen uns!
Da wären wir wieder bei dem: „Man müsste“. Bei uns hat sich „man“ bisher nicht eingefunden. Und mit dem „müsste“ haben wir es auch nicht so. Wir machen nämlich nur, was uns Spaß macht. Wir sind eben die künstlerischen Chaoten.

Burkhard Zscheischler

Der neue Erweiterungsbau am Lößnitzgymnasium „Luisenstift“

Meine alte Schule, dass ich sie erfolgreich verließ, ist jetzt 55 Jahre her, wächst und wächst und wird, wie mir scheint, dabei immer jünger. Über die fast 150 Jahre der Schule (ob man das feiern wird?) hatte sie verschiedene Namen und Funktionen. Das „Luisenstift“ war bis nach dem 1. Weltkrieg eine kirchennahe, reine Mädchen-schule, gemischte Klassen mit Mädchen und Jungen kamen erst in den 40er Jahren auf. Als ich die Schule besuchte, war es eine Erweiterte Oberschule und erhielt später den Namen des sowjetischen Kosmonauten „Juri Gagarin“. Bald nach der Wende hieß die Schule dann auch wieder „Luisenstift“.

Altbau und Neubau, fast fertig Foto: D. Lohse

Aber Moment mal, den ersten Satz habe ich mit „meine alte Schule“ begonnen. „Mein“ ist jedoch ein besitzanzeigendes Fürwort, doch gehört mir die Schule? Juristen könnten das schnell widerlegen und Makler würden vielleicht fragen, ob ich ihnen die Schule verkaufen möchte. Doch die meisten Schüler und auch Lehrer werden leichthin von ihrer Schule sprechen. Man möge mir bitte die Sentimentalität verzeihen, wenn ich wider besseren Wissens weiter von meiner Schule in der Straße der Jugend 3 sprechen möchte.

Ansicht aus Süden Foto: D. Lohse

Hier zunächst ein kurzer Abriss zur Baugeschichte insgesamt. Eindeutig das älteste Gebäude ist das „Luisenstift“ von 1870, entworfen und gebaut von der Baufirma Gebr. Ziller in nur zwei Jahren. Um 1900 erfolgte ein zweiteiliger Anbau auf der Westseite. Die freistehende Turnhalle mit schönen Proportionen und Mehrzweck-raum wurde 1926 gebaut. Eine nach der Zillerstraße hin orientierte Plattenbauschule Typ Dresden steht seit 1979. Im südlichen Gelände kam etwa 1995 eine neue, größere Turnhalle hinzu. 2008 konnte der Plattenbau erfolgreich umgebaut und um einen Flügel erweitert werden und noch mehr Schüler aufnehmen. In diesen Komplex wurden eine Aula und ein Aufzug integriert. 2015 erkannte man die Notwendigkeit eines weiteren Neubaus vor allem für die naturwissenschaftlichen Fächer. Dazu schrieb die Stadt Radebeul einen Architektenwettbewerb nach EU-Richtlinie aus, der dann 2016 ausgewertet und entschieden werden konnte: den 1. Preis bekam das Dresdner Büro Pussert Kosch Architekten zugesprochen. Grundsteinlegung für den 5,3 Mio € teuren Neubau war am 14. August 2018 und mit der Fertigstellung kann im Februar 2020 gerechnet werden. Unter heutigen Verhältnissen scheint mir das ein recht zügiger Bauablauf zu sein – man denke nur an den Flughafen Berlin-Brandenburg! Für die Baufreiheit wurde ein kleineres Gebäude abgerissen, das als Gärtnerhaus bekannt war und daran erinnerte, dass das „Luisenstift“ ursprünglich mal Selbstversorger von den umliegenden Feldern, Beeten und Obstbäumen war.

Durch den neuen Baukörper, der dem ältesten Gebäude zugeordnet und mit ihm verbunden ist, werden neue Freiräume und Verbindungswege zwischen allen Häusern entstehen. Ich hoffe aber, dass vom alten Schulpark mit gutem Baumbestand möglichst viel erhalten werden kann.

Was wäre noch über den Neubau zu sagen? Beste technische Bedingungen für die Spezialkabinette hatte ich oben bereits erwähnt. Dazu kommt eine Photovoltaik-anlage auf dem Dach, die den Strombedarf des gesamten Gymnasiums abdecken soll und in ein neues Blockheizwerk einspeist. Die Architektur ist eher logisch, aber spannungsarm, eine regelmäßige, zweigeschossige Lochfassade, darüber ein Flachdach. Eine Schule ist nun mal in erster Linie ein Zweckbau und kann auch ohne „Kunst am Bau“ oder Verspieltheiten auskommen. Durch die im Entwurf bestimmte Lage des Neubaus im gering nach Süden abfallenden Gelände konnte auf der Südseite ein Teil des Kellergeschosses freigestellt und künftig als Cafeteria genutzt werden.

Detail am Neubau Foto: D. Lohse

Ich hoffe, dass das dann mit den Höhen klappt! Wenn ich mich an meine Schulzeit erinnere, war an eine solche komfortable Einrichtung nicht zu denken.

Meine Frage an Frau Stolzenhain, die Direktorin, ob mit dem Neubau nun ein Schul-campus entstehen würde, verneint sie. Da müssten noch andere Bedingungen erfüllt werden. Zur schon erkennbaren Farbgebung „Mausgrau“ sagten mir ein paar Rade-beuler, dass es ihnen so nicht gefiele. Die Farbe heißt laut Siegerentwurf „Graubraun“ und will wohl die Farbe der Plattenschule (Gelbgrün) keinesfalls über-trumpfen. Man wird sich sicherlich bald an die „Maus“ gewöhnt haben.

Als ehemaligen Schüler und Denkmalpfleger würde ich mich freuen, wenn die Sanierung des alten „Luisenstift“ bald nach der Fertigstellung des Neubaus, wie versprochen, erfolgen könnte. Und auch da wird man sich auf eine Fassadenfarbe nach denkmalpflegerischen Befunden und anderen Gesichtspunkten einigen und das Farbzusammenspiel mit dem Neubau überprüfen müssen. Ich halte diese große Bauaufgabe in der relativ kurzen Bauzeit für gut gelungen und sehe darin insgesamt eine Bereicherung für Radebeul.

Dietrich Lohse

Familientaugliches Skandalstück

Zur Premiere von „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ am 1. Adventswochenende an den Landesbühnen Sachsen

Sicherlich nicht ganz ohne Hintergedanken hatte Intendant Manuel Schöbel die Premiere der von ihm verantworteten Neueinstudierung von Brecht/Weills dreiaktiger Oper „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ (1930) auf das 1. Adventswochenende terminiert. Einen Tag nach dem Kaufrausch-Freitag (durch die Werbeindustrie als „Black Friday“ hochgejubelt) fanden am Abend eines der umsatzstärksten Tage des Jahres immerhin doch genug Besucher in das Radebeuler Haupthaus. Bei ihrer Anreise hatten sie deutlich weniger mit Parkplatzproblemen zu kämpfen als die mehreren Zehntausend, die zeitgleich im Elbepark oder in der Dresdner Innenstadt die Kassen klingeln ließen, weil sie den Versuchungen der Rabattangebote, Vorzugspreise und saisonalen Schnäppchen nicht widerstehen konnten.

»Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny« – Premiere war am 30.11.2019

Womöglich also wollten Schöbel und Ausstatter Stefan Wiel dieses Wochenende bewusst mit einer passenden Aufführung bebildern, mit „Mahagonny“ quasi einen Kommentar zur vorweihnachtlichen Konsumvergessenheit und Vergnügungsopulenz (Weihnachtsmärkte allerorten, dazu Weihnachtszirkus im Ostragehege, ein Riesenrad neben dem Goldenen Reiter und weihnachtlich verbrämte Lichtverschmutzung etwa im Schlosspark Pillnitz) abgeben, wozu das Stück ja allemal taugt. Die Vorlage ist bekannt: In 20 Szenen entfaltet sich die Parabel von einer Stadt, die in der Wüste aus Not gegründet bald zum Eldorado für all jene (Männer) wird, denen das Geld locker in der Tasche sitzt und die sich dort nach harter Arbeit in Alaska mit Schnaps, Frauen und (Glücks-)Spiel vergnügen wollen, bis einem von ihnen, Jim, aufgeht, dass jene Verlustierungen nur oberflächliche Betäubung einer eigentlich nach Sinn dürstenden Seele sind und die Geld-ist-Geil-Mentalität die Menschen über kurz oder lang entmenschlicht. So weit so einfach. Was macht nun das Radebeuler Theater daraus? Zunächst überrascht es mit einem interessanten Einfall: Die Bühne verlängert sich über die vorderen zehn Sitzreihen als Rampe in den Zuschauerraum hinein, als wollte sie eine Einladung symbolisieren: Der Weg nach Mahagonny steht allen offen, man muss nur gehen und (an)kommen. Zur Ouvertüre kommen die drei wichtigsten Protagonisten über eben jene Rampe. Leokadja Begbick (Michaela Ische) im Rollstuhl (ein fahrbarer Rollstuhl ja ist immer noch besser als ein in der Wüste liegen gebliebener PKW,) geschoben von Dreieinigkeitsmoses (Paul Gukhoe Song) und begleitet von Fatty, einem Prokuristen (Edward Lee). Wie immer man sich auch Steuerflüchtlinge vorstellt, diese drei sind zwar eitle und am Ende auch brutale, letztlich aber unerfahrene Geschäftemacher und halten während der ganzen Oper nicht nur optisch Distanz zu allen, die Mahagonny nach und nach bevölkern. Vielleicht liegt es auch am Brechtschen Libretto und dieser Oper als eines der wenigen Beispiele für episches Musiktheater, dass das Miteinanderspiel eher wie eine nüchterne Versuchsanordnung daherkommt: Auf der einen Seite die drei benannten Anzugträger (und zwei als „Schatten“ bezeichnete Tänzer, deren Notwendigkeit allerdings nicht herausgearbeitet wird), auf der anderen Jim, Jack, Bill und Joe (Aljaž Vesel, Andreas Petzoldt, Johannes Leuschner, Michael König), deren Namen für das denkbar Durchschnittlichste im Menschen stehen, was die nordamerikanische Gesellschaft in ihrer männlichen Ausprägung hervorzubringen im Stande war und ist. Und so durchschnittlich verhalten sich alle dann auch und sind dadurch eigentlich wie die Menschen überall. Nicht dazwischen, aber sehr prononciert platziert ist Jenny (Kirsten Labonte, die dieser Rolle Charakter und bisweilen auch stimmlichen Glanz verleiht), die die einzige weibliche Rolle mit Tiefgang besetzt. Hinzu kommt eine Großgruppe an weiteren Jims und Jacks und Bills und Joes (Opernchor und Zusatzchor), die sich vor allem daran weiden, was die Mädchen von Mahagonny (neun Darstellerinnen und ein Darsteller in der Rolle einer Drag Queen, jeweils in eindeutig körperliche Vorzüge betonender Kostümierung) und die Saloons anbieten. Allerdings bleiben diese Szenen voller Ausschweifung und Erotik („Erstens kommt das Fressen, zweitens kommt der Liebesakt. Drittens das Boxen nicht vergessen, viertens Saufen, laut Kontrakt.“) alle recht brav und bieder, was umgekehrt bedeutet, dass diese „Mahagonny“-Einstudierung auch von kulturbeflissenen Eltern nebst Heranwachsenden besucht werden kann, ohne dass man verlegen husten (Eltern), peinlich berührt erröten (Kinder) und hinterher noch ein (auf-) klärendes Gespräch führen müsste (beide Seiten). Statt deftiger Szenen zur expliziten Sprache wurde auf großflächige Videoeinspielungen im Bühnenhintergrund gesetzt, die eher Verweischarakter tragen als dass sie konkret sind. Natürlich ist dieser zurückhaltende inszenatorische Ansatz legitim, denn schließlich gibt es ja auch noch die Musik (die Elblandphilharmonie unter Hans-Peter Preu musiziert stimmig die Weillsche Partitur und arbeitet deren stilistische Vielgestaltigkeit schön heraus), die die Handlung kongenial untersetzt. Allerdings mag mancher nicht ohne Berechtigung einwenden, dass eine so weichgespülte Fassung das verstörend-aufrüttelnde Potential der Vorlage, die ja die Zuschauer der Uraufführung irritiert zurückließ und die Nazi-Schergen auf den Plan rief, nicht zur Gänze entfalten vermag. Kritisch anzumerken ist überdies die vielfach mangelnde Textverständlichkeit in den Gesangspassagen, wodurch eine Menge inhaltlicher Impulse verpuffen. Warum werden nicht Übertitel eingeblendet, so wie es an vielen anderen Häusern üblich ist? (Nebenbei: Da nützt es auch wenig, wenn man an der Garderobe auf die Möglichkeit hinweist, dass Träger eines Hörgerätes auf eine Schwerhörigenanlage zurückgreifen können, was ja an sich eine sehr lobenswerte Initiative ist.)
Das durch Jim nach dem überstandenen, die Stadt zwischenzeitlich existentiell bedrohenden Wirbelsturm ausgegebene Motto „Du darfst“ begründet sowohl die wirtschaftlich erfolgreichste als auch die moralisch verdorbenste Ära von Mahagonny. Wenn das Dürfen aber nicht durch ein (Bezahlen-)Können gedeckt ist, fällt das Kartenhaus in sich zusammen, ist der Deal zwischen Käufer und Verkäufer geplatzt und wird Jim am Ende auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet, was zweifellos eine dramatische Überspitzung ist, aber erst in der Übertreibung wird der Schrecken ja deutlich. Dass Geld die Welt regiert, wussten wir schon vorher. Dass Geld letztlich aber auch die Welt in ihrer sozialen Verfasstheit negiert, ist eine Erkenntnis, die Brecht/Weill zwar schon vor 90 Jahren formulierten, deren dramatische Gültigkeit wir aber erst in letzter Zeit angesichts der global zu besichtigenden Auswüchse unserer marktkapitalistischen Gesellschaft zu begreifen beginnen. Freundlicher Beifall zum Ende eines zweieinhalbstündigen Theaterabends, der eingefleischte Brecht/Weill-Fans sicherlich enttäuschte, für andere aber eine willkommene (Erst-)Begegnung darstellte.

Bertram Kazmirowski
Nächste Aufführungen am 10.1. und 19.1.

Unter einem Himmel

Malerei und Grafik von Renate Winkler in der Fachhochschule der sächsischen Verwaltung Meißen

Seit vielen Jahren schon präsentiert der Verein der Freunde und Förderer der Fachhochschule Ausstellungen regionaler Künstler. Dem liegt der kluge Gedanke des Gründungsrektors und langjährigen Vereinsvorsitzenden Werner Schnabel zugrunde, Verwaltungsfachkräfte sollten schon während ihres Studiums und quasi „nebenher“ erfahren, dass die Welt größer ist, als Verwaltung vermuten lässt und der Himmel mehr Farben unter sich vereint, als das Grau der Theorie.
Die Ausstellung „Unter einem Himmel“ der Radebeuler Malerin und Grafikerin Renate Winkler reflektiert diesen Gedanken auf ganz eigene Weise. Seit mehr als zwanzig Jahren begeistert sich die Malerin für die arabischen

»Alte aus Gizeh«, Öl 2019 Foto: R.Winkler

Wüstengebiete, für die kargen Landschaften des Sinai und für die dort lebenden Menschen. Sie ist immer wieder fasziniert vom Leben der Beduinen, die bei aller Einfachheit, ja, mit unseren Augen gesehen, geradezu Ärmlichkeit, ein so hohes Maß an Herzlichkeit und Gastfreundschaft zeigen, wie es hierzulande schon lange undenkbar ist. Da hat sie gelernt zu staunen, was es „unter einem Himmel“ für Möglichkeiten gibt für den, der bereit ist, sich darauf einzulassen.
Und also zieht es sie immer wieder ins „Heilige Land“, einmal sogar nach einer schweren Operation gegen den Rat ihrer Ärzte, denn „der Mensch lebt nicht vom Brot allein“.
Renate Winkler schreibt es dem stillen Vermächtnis ihres Großvaters zu, dass sie sich von klein auf angezogen fühlte von den Künsten. Martin Klippel hatte in Meißen als Kunstmaler gelebt und war noch vor ihrer Geburt verstorben. Dennoch glaubt sie, dass er es war, der ihr diese Sehnsucht vererbt hat, die so ganz elementar wirkende Sehnsucht nach Kunst und künstlerischem Tun.
Es war gar nicht von Anfang an das Malen – sie war Statistin bei den Landesbühnen, tanzte bei Palucca. Natürlich hat sie auch Ton geknetet. Da ist sie später drangeblieben und hat schließlich einen Abschluss als Keramik-Zirkelleiterin gemacht. Während der zugehörigen Ausbildung hat sie von Menschen wie Prof. Kaiser von der Burg Giebichenstein oder Lothar Sell aus Meißen lernen können. Die Eindrücke sind unvergesslich geblieben. Und sie profitiert noch immer davon.

»Obere Bergstraße«, Radebeul, Öl 2015 Foto: R.Winkler

Das Elternhaus hatte ihr in Mitten von Büchern eine gediegene, fast bürgerliche Bildung ermöglicht. Der Vater achtete ihren Hang zur Kunst, hatte aber darauf bestanden, dass sie erstmal was Ordentliches lernte. Und da die Meinung von Vätern damals noch Gewicht hatte, ist sie zunächst Kindergärtnerin geworden und hat dann noch Pädagogik studiert. Dann arbeitete sie an der Fachschule für Kindergärtnerinnen. Das sind Berufe, die den Tag ausfüllen. Dennoch blieb der Traum von einer eigenen künstlerischen Tätigkeit in ihr immer lebendig.

»Phöenix«, Öl 2018 Foto: R.Winkler

Mit ihrem Eintritt in den Grafikkurs bei Markus Retzlaff im Atelier Oberlicht begann sich der Traum zu erfüllen. Seither ist Renate Winkler, wie ihr Mentor Retzlaff sagt, zu einer Künstlerin gereift, die „eins scheint mit ihrer Grafik, ihrer Malerei, die nicht Vollkommenheit sucht, sondern Lebendigkeit“.
Ihre Bilder entstehen zu Hause an der Staffelei. Von „draußen“ bringt sie Skizzen und Fotos als Erinnerungshilfen mit. Vor Ort zu zeichnen gelingt ihr eher selten. Wer zeichnet, sagt sie, darf nicht ungeduldig sein. Vor allem nicht mit sich selbst. Aber das Foto allein reicht nicht aus. Damit das Bild gelingt, muss sie die Situation erlebt haben. Sie braucht die unmittelbare Lebendigkeit „unter einem Himmel“, sich von ihr ergreifen und zum Bild drängen zu lassen.

»Anflug auf Teheran«, Holzschnitt, verlorene Form 2019 Foto: R.Winkler

Die Meißner Ausstellung zeigt Arbeiten der Künstlerin aus dem letzten Jahrzehnt, Arbeiten, die von Erlebnissen im Orient, in Persien, Ägypten oder im Sinai ebenso inspiriert sind, wie von Spaziergängen durch das heimische Radebeul. Denn alles liegt – und das ist Renate Winklers beinahe politische und nicht mehr von jeden gern gehörte Botschaft – alles liegt „unter EINEM Himmel“.

Thomas Gerlach

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