Gedankensplitter zur Kötzschenbrodaer Schiffsmühle

Wie die Überschrift erahnen lässt, handelt es sich nicht um eine komplette geschichtliche Abhandlung zu diesem Thema, auch nicht um die Biografie eines Schiffsmüllers, der Müller hieß. Aber ein historischer Gegenstand aus meinem täglichen Umfeld inspirierte mich, über beide Themen einen Moment nachzudenken und etwas – quasi als Splitter – niederzuschreiben. Mehr »

Erinnerungen an Milena

Irgendwann im Sommer 1925, also in diesen Tagen vor 90 Jahren, dürften sich Passanten am Bahnhof Kötzschenbroda und dann weiter entlang der Moritzburger Straße über einen nicht alltäglichen Anblick gewundert haben. Ein adliger Herr im feinen Anzug schiebt eine Karre mit Gepäckstücken, begleitet wird er von zwei jungen, gut gekleideten Damen. Mehr »

Beitrag zur Veranstaltung „Häuser und ihre Besitzer“

verein für denkmalpflege und neues bauen

Im Retzschhaus zu Gast

Es will gesehen werden, das fast 400 Jahre alte und in schönen warmen Farben restaurierte Winzerhaus der Familie Seifert/Tichatschke auf der Weinbergstraße 20. Mit seiner Süd-Westkante und dem turmartigen Vorbau schiebt es sich in die sanft ansteigende Straße und bildet somit einen dominanten Blickpunkt, aber auch einen Ort zum Verweilen. Mehr »

Radebeuler Begegnungen

Exkursion von Lindenau nach Nieder- und Oberlößnitz am 29. August 2015

Nunmehr zum siebenten Male setzen sich Radebeuler in Bewegung, um Radebeuler kennen zu lernen. Unter der fachkundigen Leitung des Freizeithistorikers Hans-Georg Staudte beginnt die Ortsteilwanderung dort, wo sie zuletzt endete. Einige der schönsten Fotos von der sechsten Radebeuler Begegnung, welche in die 725-Jahr-Feier von Lindenau eingebunden war, werden zu sehen sein. Mehr »

Editorial

Holiday in the hometown!

Heute spare ich mir den Weg zum service store im Bahnhof von Coswig, um irgendwo hin zu wollen. Nein, heute wird ein ganz besonderer Tag! Noch schnell zum discounter und shoppen für die party. Ein paar drinks und chicken wings dürfen nicht fehlen. Vielleicht noch ein highlight für die happy hour? Aber auch Andere lassen es sich heute gut gehen. Zwei tenniegirls kommen ganz crazy aus dem »nails for you«-shop in West. Stimmt, ein bißchen style und wellness müsste auch mal sein. Schon des Öfteren schielte ich auf den »Kryo Lounge«-Laden in Ost. Was die da wohl machen?

Jetzt ist nur noch chillen angesagt. Ich gehe mit Tablett und tablet in den Garten, lege mich in den Liegestuhl und empfange meine ersten Gäste so nach und nach in social networks. Endlich sind alle wieder mal beisammen – und eine Stille ist hier. Nun gut, der eine oder andere mischt sich per skype schon etwas aufdringlicher in die wachsende Runde. Und wäre da nur nicht das Summen und Klingeln all der mails, sms‚ und whatsapps auf dem smartphone die selbst jetzt nicht aus dem Blickfeld gelassen sein wollen. Aber das coolste kommt ja noch. Jeden Sonnabend so gegen drei viertel zehn gibt es ein ritualisiertes event, was mit seiner Beständigkeit wohl nur noch mit dem Amen in der Kirche zu vergleichen ist: ein krönendes Feuerwerk, irgendwo im Häusermeer! Das lässt die von der Feier in weiten Teilen ausgegrenzte Bürgerschaft zumindest akkustisch an den allwöchentlichen Festivitäten teilhaben. So klingt der Abend mit einem update von allen Seiten nun so langsam aus. Warum denn in der Ferne schweifen? Ist doch schön bei uns in Redbull.

Sascha Graedtke

Titelbild Juli 2015

Zum Titelbild  07/15

Als Familie Matthes / Schürbrand dieses ehemalige Pfarrhaus in Naustadt 2008 in Erbbaupacht übernahm war der Pfarrer längst ausgezogen, nur die Kantorin wohnte noch hier. Erfreulich ist, dass mit dem Gemeindesaal im EG neben Wohnungen noch ein Teil des kirchlichen Lebens im Hause stattfindet, so hörte ich einmal Gesang im ehemaligen Pfarrhaus als der Kinderchor probte.
Das Haus, ein Winkelbau aus Süd- und Ostflügel mit steilen Satteldächern, ist wohl nicht ganz so alt wie die Kirche. Interessant ist, dass wir an Details erkennen können, dass im EG des Südflügels früher eine Blockstube (vergl. Umgebindehäuser i. d. Lausitz) war. Die Zahl 1826 im Schlussstein über der Tür könnte ein Indiz dafür sein, dass zu dieser Zeit die hölzerne Blockstube gegen massive Mauern ausgetauscht wurde. Der Südflügel mit dem reicheren Fachwerk ist wohl im 16. und der Ostflügel im 17. Jahrhundert entstanden. Das am leicht ansteigenden Hang liegende Ensemble (Hofseite =  Schauseite) wirkt trotz verschiedener Bauzeiten sehr harmonisch. Der gute Erhaltungszustand täuscht heute darüber hinweg, dass Familie Matthes / Schürbrand als erstes statische Probleme angehen musste und dann über die Jahre weiter viel tun hatte. Mit zwei Berufen im Holzhandwerk konnten sie manches selbst machen, zum Dachdecken des Ostflügels (Biberschwanzziegel mit Fledermausgaupen) und anderen Gewerken brauchte sie aber Hilfe. Mit dem Ergebnis einer Sanierung mit schonendem Umgang kann auch die Denkmalpflege sehr zufrieden sein.

Dietrich Lohse

Rückblick auf den Vortrag zum 125. Geburtstag von Gerhard Madaus

Sein Wirken und bauliche Zeugnisse in Radebeul

Mit Überraschung stellten die Ausrichter des Vortrags fest, dass es mehr Interessenten an diesem Thema gab, als der Vortragsraum der Stadtbibliothek mit seinen 55 Sitzplätzen fassen konnte. So verfolgten eine Reihe Gäste die Ausführung stehend und leider sah ich auch (wenige) ältere Gäste in Ermangelung eines Platzes wieder gehen. Auch die Resonanz danach zeugte von großem Interesse am Thema. Um den Teilnehmern und denen, für die eine Teilnahme nicht möglich war, etwas an die Hand zu geben, war die Referentin Frau Dr. Marina Lienert bereit, noch einen Artikel zu schreiben – vielen Dank!

5-madaus-1Am 23. April 1919 gründeten der Bankbeamte Friedemund Madaus (1894-1969) und der Apotheker Hans Madaus (1896-1959) in Bonn das pharmazeutische Laboratorium „Gebrüder Madaus“. Am 1. Juni 1919 trat auch der dritte Bruder in das Geschäft ein, das nun unter dem Namen „Dr. Madaus & Co., pharmazeutisches Laboratorium“ in Bonn firmierte. Gerhard Madaus (1890-1942) war 1918 in Bonn zum Dr. med. promoviert worden. 1920 heiratete er Hanna, geb. Kinne (geb. 1892). Der Ehe entstammten vier Kinder. Die Arzneimittel, die das pharmazeutische Laboratorium herstellte, bedienten alternativmedizinische Konzepte. Diese hatten die Brüder bei ihrer Mutter kennengelernt. Die Pastorenfrau und Mutter von sieben Kindern Magdalene Madaus (1857-1925) hatte als Heilerin homöopathische Komplexmittel (Präparate mit mehreren bei einem Anwendungsgebiet wirksamen homöopathischen Einzelmitteln) entwickelt und mit der Irisdiagnostik gearbeitet.

Gerhard Madaus entwarf das Konzept der „Biologischen Heilkunde“, ausgehend von der „biologischen Reizregel“, die sein Lehrer Hugo Schulz (1853-1932) vertreten hatte. Danach soll die Lebenstätigkeit durch kleine Reize angefacht, durch mittelstarke gefördert, durch starke gehemmt und durch stärkste aufgehoben werden. Nach Madaus erkrankt immer der ganze Mensch, nicht nur ein Organ, und die Selbstheilungskräfte des Organismus (Immunsystem) können mittels verschieden starker Reize beeinflusst werden, damit der Mensch gesundet. Dies konnte durch naturheilkundliche Anwendungen (Licht, Luft, Wasser, Wärme, Kälte, Bewegung, Ruhe, Ernährung), aber auch durch homöopathische Niedrigpotenzmittel und Komplexmittel – von ihm als Oligoplexe auf den Markt gebracht – , Pflanzenheilmittel oder biochemische Präparate geschehen. Er verband also mehrere alternativmedizinische Heilweisen miteinander. Madaus lehnte zwar die Schulmedizin weitgehend ab, aber er standardisierte seine Präparate und bediente sich dabei naturwissenschaftlicher Methoden.

Farbrikansicht der Familie Dr. Madaus & Co. von der Gartenstraße aus

Farbrikansicht der Familie Dr. Madaus & Co. von der Gartenstraße aus      Foto: Radebeuler Stadtarchiv

Sein Motto lautete: „Das exakt zubereitete Arzneimittel ist für den Heilerfolg ebenso wichtig wie die richtige Verordnung.“ Deshalb mussten alle Einflussfaktoren auf das Arzneimittel – beginnend bei der Auswahl der Pflanzen, über den Zustand des Bodens, die klimatischen Bedingungen, den Teil der genutzten Pflanze, den Erntezeitpunkt, die Weiterverarbeitung bis hin zu Verpackung, Lagerung und Versand – analysiert und standardisiert werden. Dann war gewährleistet, dass immer die gleiche Menge arzneilich wirksamer Substanz in den Präparaten enthalten war. Der wirtschaftliche Erfolg der Firma ermöglichte auch die dazu erforderliche wissenschaftliche Forschung. Schon im ersten Jahr nach Gründung des Geschäfts in Bonn richteten die Brüder Madaus 1920 eine erste Filiale in Stuttgart ein. Weil 1920 das Saargebiet unter französische Verwaltung gestellt sowie in das französische Zoll- und Währungsgebiet integriert worden und daher für den Export nach Deutschland Zoll zu zahlen war, zog Madaus & Co. 1921 nach Radeburg. Hier setzte Gerhard Madaus gegen seine Brüder durch, dass ab 1922 mit dem Arzneipflanzenanbau begonnen wurde. Im nächsten Jahr folgte die Gründung einer Verlagsabteilung und Hausdruckerei für die Etiketten und Werbeschriften. 145 Publikationen verlegten Gerhard Madaus und seine Brüder, darunter die beliebten Madaus-Jahrbücher (1926-1938), die Mitteilungsblätter für die Praxis und wissenschaftliche Begründung der Anwendung biologischer Heilmittel (1936 – 1941) sowie das Taschenbuch für die biologische Praxis (1930-1941). Von besonderer Bedeutung war der Aufbau einer chemischen Abteilung im Jahr 1927 für die naturwissenschaftliche Forschung und die Kontrolle der Präparate. Parallel zum Ausbau in Radeburg eröffnete Madaus & Co. von 1924 bis 1935 sechs weitere Filialen in Deutschland, Frankeich und Holland. Bereits 1929 waren die Möglichkeiten in Radeburg ausgeschöpft. Die Firma zog nach Radebeul, weil hier eine größere Fabrikanalage mit direktem Gleisanschluss sowie umfangreichere Anbaugebiete zur Verfügung standen. Immerhin rund 250 Mitarbeiter nannten sich nun „Madausianer“. 1933 wurde die Firma wohl als „judenfreundlich“ durchsucht – Gerhard Madaus hatte sich im „Biochemischen Bund“ engagiert, in dem mehrere als Juden geltende Vorstandsmitglieder agierten – und die Brüder auch kurzfristig festgenommen. Gerhard Madaus soll dann in den „Stahlhelm“ eingetreten und mit dessen „Gleichschaltung“ Mitglied der NSDAP geworden sein.

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Produktwerbung  Foto: Radebeuler Stadtarchiv

Er galt zwar nicht als eifriger Nationalsozialist. Seine „Biologische Heilkunde“ passte aber bestens in die vom “Reichsärzteführer“ propagierte „Neue Deutsche Heilkunde“, die eine „Synthese von Schulmedizin und alternativen Heilweisen“ vorsah, die der Arzt dann vertreten sollte. Heilpraktiker und andere Alternativmediziner würden damit überflüssig, und der Arzt als alleiniger „Gesundheitsführer“ konnte seinen Patienten dann auch die erbbiologischen und rassenhygienischen Auffassungen vermitteln. Die Firma expandierte und beschäftigte 1936 schon rund 550 Mitarbeiter. Mit der Gründung des Biologischen Instituts zur Erforschung von Arzneipflanzenwirkstoffen 1935 konnte die Forschung weiter ausgebaut werden. Auf dieser Grundlage verfasste Gerhard Madaus das „Lehrbuch der Biologischen Heilmittel, Abt. I, Heilpflanzen“ (Georg Thieme Verlag Leipzig 1938), das in bisher unerreichter Weise Heilpflanzen, ihr, Vorkommen, ihre Wirkstoffe und auch die volkstümliche Anwendung vorstellt. 1938 erfolgte noch ein großer Neubau für Produktion und Verwaltung in Radebeul, sodass 1939 rund 700 „Madausianer“ hier arbeiteten. Während des Zweiten Weltkriegs erhielt die Firma „[…] aufgrund der Herstellung kriegsentscheidender Arzneimittel vom Reichswirtschaftsminister den Sonderausweis II Chem. Nr. 36 [und den Status, dass] die Produktion [der] Arzneimittel nicht eingeschränkt werden darf“. Da viele Mitarbeiter eingezogen wurden, mussten Zwangsarbeiterinnen, die im ehemaligen Gasthof „Krone“ untergebracht waren, deren Arbeit übernehmen.
Die Forschungsarbeiten konnte Madaus fortsetzen. Er hatte während seiner ausgedehnten Reisen erfahren, dass von den Ureinwohnern Brasiliens das Schweigrohr als Pfeilgift zur Sterilisierung ihrer Gegner verwendet wurde. Er konnte anhand von Tierexperimenten nachweisen, dass tatsächlich eine solche Wirkung erzielt werden konnte und hoffte, ein zeitweise sterilisierendes Präparat entwickeln zu können, vergleichbar der späteren Antibaby-Pille. Gemeinsam mit dem Direktor seines Forschungsinstituts, Dr. Friedrich Koch, publizierte er diese Ergebnisse. Am 26. Februar 1942 verstarb Gerhard Madaus. Danach interessierte sich die SS für die Schweigrohr-Versuche mit dem Ziel, eine preiswerte und sichere Methode für die Unfruchtbarmachung der unterjochten slawischen Bevölkerung in den besetzten Gebieten zu erhalten. Wenn das Präparat beispielsweise jedem Brot beigemischt würde, könnten die Menschen noch als Arbeitskräfte gebraucht werden, aber sich nicht mehr fortpflanzen, so die perfide Vorstellung. Koch setzte auf Veranlassung der SS seine Experimente im Institut fort und forderte den Bau eines größeren Treibhauses. Ob die Experimente im KZ Dachau an Menschen fortgesetzt wurden, wie vorgesehen, ist nicht überliefert. Wohl aber, dass Brandwunden-Experimente mit Ecchinacea purpurea (Purpur-Sonnenhut), die Koch im Institut an Tieren durchgeführt hatte, im November 1943 im KZ Buchenwald von Dr. Ding an fünf KZ-Häftlingen „überprüft“ wurden und Koch davon Kenntnis erhielt. Daraufhin beeilte er sich, mit einer Publikation seine Erstautorenschaft sicher zu stellen.
Als die Brüder Madaus erkannt hatten, dass das „Dritte Reich“ den Krieg verlieren musste und Sachsen dann unter sowjetische Herrschaft gelangen würde, begannen sie 1944 mit der Verlagerung wichtiger Drogen, Forschungsunterlagen, Laboreinrichtungen und Apparate nach dem Westen. Schon vor Kriegsende floh die Familie Madaus nach Bonn, nur Friedemund Madaus hielt sich zeitweise in Radebeul auf. Mit dem Einmarsch der Roten Armee am 5. Mai 1945 erfolgte die sofortige Besetzung der Firma und deren Demontage sowie Verbringung in die UdSSR. Am 5. Oktober 1945 genehmigte und befahl die Sowjetische Militäradministration die Wiederaufnahme der Produktion mit max. 200 Mitarbeitern und 30 Maschinen. Wichtig wurde hierbei die Produktion von Penicillin, das erst 1942 in die Therapie eingeführt worden war und nun in der Nachkriegszeit für die Bekämpfung vieler bakterieller Infektionen in großen Mengen gebraucht wurde. Am 21. November 1946 verkündeten die Brüder Madaus offiziell die Verlegung des Firmensitzes nach Bonn, woraufhin ihnen am 3. April 1947 die Vertretungsbefugnis für die Radebeuler Produktionsstätten entzogen wurde. Am 1. Juli 1948 folgte dann die Enteignung der Firma Dr. Madaus & Co. Der Betrieb wurde der VVB (Vereinigung volkseigener Betriebe) Pharmazeutische Industrie zugeordnet.
Wie also ist das Wirken von Gerhard Madaus zu bewerten? Er hat gemeinsam mit seinen Brüdern den nach Wilmar Schwabe / Leipzig weltweit größten Exportbetrieb für homöopathische und biochemische Präparate aufgebaut. Seine Forschungen waren naturwissenschaftlich exakt und haben die standardisierte Herstellung von Pflanzenheilmitteln vorangebracht und das Wissen um die gegenseitige Beeinflussung von Pflanzengemeinschaften erweitert. Einzelne Präparate, wie Ecchinacea purpurea für die Unterstützung des Immunsystems, werden auch heute gern angewandt. Inwieweit homöopathische und biochemische Medikamente wirksam sind, bleibt aber stark umstritten. Madaus‘ pflanzenheilkundliches Wissen hingegen bleibt sein Vermächtnis. Der geplante Missbrauch seiner Erkenntnisse durch das NS-Regime (mit dem er sich arrangiert hatte) kann ihm, da er vorher verstarb, nicht angelastet werden. Inwieweit sein Forscher-Kollege Koch darin involviert war oder er durch die Forderung nach einem Treibhaus-Neubau diese Planungen behinderte, ist nicht mehr exakt nachvollziehbar.
Dr. Marina Lienert und Michael Mitzschke

Der Elbestrom und seine Geschichte

Im Coswiger Museum Karrasburg ist eine sehr informative Ausstellung zu sehen

Es waren doch recht bedeutende Künstler, die über die Zeiten hinweg den Elbestrom in der Malerei verewigten. Johann Alexander Thiele hat den Fluss bspw. 1720 gemalt. Er gab seinem Bild den Titel „Die Elbe bei Sörnewitz in Reif und Nebel“. Viele Jahrzehnte später – im Jahre 1953 – malte Walter Meinig den Fluss an einer seiner romantischsten Stellen; nämlich an dem hochaufragenden Boselfelsen vorbeifließend. Und Herbert Aschmann suchte sich 1960 als Motiv für sein Bild die „Fähre Scharfenberg Brockwitz“ aus. Hin und wieder gab es auch harte Winter in denen die Elbe schon mal zugefroren war. Wie im Jahre 1929, da konnte man den Fluss zwischen Gauernitz und Kötitz zu Fuß überqueren. Was durchaus seinen Reiz hatte.

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»Fährstelle Kötitz« (Franz Thiele/1858)                    Repro: W. Zimmermann

„Kilometer 73 – Die Elbe in Coswig“ ist die aktuelle Ausstellung im Coswiger Museum Karrasburg überschrieben, die am 4. April 2015 eröffnet wurde.
Wie immer im Ausstellungsgeschehen des Coswiger Museums bedient auch diese Ausstellung ausgesprochen übersichtlich ihr Thema. Aufgeteilt in viele Bereiche führt sie an jenem Stück Fluss entlang, an dem sich Coswig mit seinen Ortsteilen Brockwitz und Sörnewitz ausbreiten. Schon immer dominierte der Fluss das Leben und die Arbeit der Menschen, die entlang des Stroms siedelten.

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Die zugefrorene Elbe zwischen Kötitz und Gauernitz (1929)         Repro: W. Zimmermann

In einer „Uferordnung“ aus dem Jahre 1896 kann man bspw. (rot unterstrichen) nachlesen, dass „…die Aus- und Einladung ohne Unterbrechung stattzufinden hat“. Fähren gab es hier schon seit dem 11. Jahrhundert. Und ebenso lange verkehren auch schon Schiffe auf dem Fluss.

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Baden in der Elbe Repro W. Zimmermann

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Tier und Vogelwelt an der Elbe Repro W. Zimmermann

Ein anderes Kapitel widmet sich dem Fischfang in der Elbe. Und alle hier vorkommenden Fischarten – vom winzigen Ukelei bis hin zum Zander und der Barbe (letztere bringt es immerhin auf eine Länge von 50 bis 75 cm) – sind aufgelistet. Letztendlich informiert auch ein Teil über die Elbe als Naherholungsgebiet; nebst einer Badeordnung aus dem Jahre 1818.

 

 

 

Wolfgang Zimmermann
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Noch bis zum 19. Juli 2015 ist die sehenswerte Ausstellung zu besichtigen.

Die Liebe und die Jugend

Den zukünftigen Hochzeitsgarten des Radebeuler Rathausareals prägt seit kurzem ein passendes Skulpturenpaar

Beide lächeln sie und ihre Hände greifen hinein ins sprudelnde Wasser. Es ist ein jungverliebtes Paar, dass sich wohl gerade anschickt, baldigst die Eheringe tauschen zu wollen.

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Skulpturenpaar im Hochzeitsgarten Foto: W. Zimmermann

Nichts Besseres könnte den künftigen Radebeuler Hochzeitsgarten auf dem Rathausareal besser charakterisieren als eben jene zwei jungen Menschen, die voller Glückseligkeit sich das sprudelnde Wasser über die Hände laufen lässt. Und die sich gerade eben wohl auch entschieden haben, das künftige Leben miteinander teilen zu wollen. Als Mann und Frau sozusagen. Der Ort, an dem dies dann besiegelt werden wird, ist das einstige Postgebäude, dass nunmehr zur Radebeuler Stadtverwaltung gehört und in seinem Inneren u.a. das Standesamt beherbergt.
Die im polnischen Lodž gebürtige und seit langem schon in Dresden wohnhafte polnische Bildhauerin Malgorzata Chodakowska hat das Liebespaar erschaffen, dass nun für immer – auch als Maskottchen für alle jungeverliebten Pärchen – diesen Ort prägen wird. Mit Sicherheit wird es sehr bald schon zum begehrten Fotomotiv mutieren.
An der Einweihung dieser Skulptur am Nachmittag des 28. Mai 2015 nahmen nicht

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Malgorzata Chodakowska bei der Einweihung Foto W. Zimmermann

nur Radebeuls Oberbürgermeister Bert Wendsche (parteilos) und seine Mitarbeiter der Stadtverwaltung teil, auch zahlreiche Stadträte waren dazu erschienen.Mit der Vollendung bzw. Einweihung des künftigen Hochzeitsgartens nähert sich die Neugestaltung des Rathausareals seinem Ende. Ein Ort, der früher durch Zäune gesichert war, ist nun für jeden Bürger der Stadt frei zugänglich.

Wolfgang Zimmermann

Mehr als drei Wünsche für Radebeul-West

…und viele, viele Fragen

Radebeul-West im Aufbruch? Das klingt ja toll! Doch wer bricht auf, warum und wohin? Kein Plan, nirgends? Das Bahnhofsgebäude eine Black Box. Der neue Eigentümer vorerst inkognito. Die leer stehenden Geschäfte (Aktueller Stand: 9 im Bereich von 500 Metern) vermehren sich inflationär. Höchste Zeit, dass sich etwas verändert. Also, ran an die Basis! Denn, grau ist alle Theorie und bunt ist das Leben.

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Foto: Karin (Gerhardt) Baum

 Mit einem neuen Konzept startete das traditionelle Frühlingsspektakel am 11. April unter dem Motto „Radebeul-West macht mobil“. Die Händler formierten sich zur kooperativen Gemeinschaft, erstmals in Zusammenarbeit mit dem Bürgeraktiv von Radebeul-West, der Oberschule Kötzschenbroda, dem Radebeuler Kulturamt und der Stadtgalerie. Zarte Bande wurden auch zur Kultur- und Werbegilde Altkötzschenbroda geknüpft. Kleinster gemeinsamer Nenner: Das Frühlingsspektakel fand am gleichen Wochenende wie die Langen Kultur- und Kneipennächte statt, und man bewarb und besuchte sich gegenseitig.

Was war nun so hervorhebenswert, neu oder anders in diesem Jahr? Wimpelketten in Frühlingsfarben flatterten fröhlich an Straßengeländern, Hausfassaden und zwischen Bäumen. Tische und Stühle vor den Geschäften verbreiteten südländisches Flair. Voller Spannung und mit vielen Sonderaktionen erwarteten die Händler ihre Kundschaft. Den unüberhörbaren Auftakt bildete Punkt 10 Uhr auf dem kleinen Platz vorm Bettenhaus Hennl der „Spielmannszug Weinböhla“. Eine Stunde lang zogen die 23 Musiker übers ganze Terrain und gaben 15 Mini-Platzkonzerte. Als Rettungsengel war der Performer Tim Schreiber 6 Stunden im pantomimischen Einsatz und bezog sowohl Händler als auch Kunden in das improvisierte Spiel ein. Auf großes Interesse stießen auch die zwei Stadtteilführungen mit Hans-Georg Staudte, so dass es wohl eine Fortsetzung geben wird. Geschäftsbetreiber stellten sich und ihre Einrichtung vor. Alteingesessene Händler präsentierten kleine Ausstellungen zur Firmengeschichte. Das „Schau ins Schau-Fenster-Gewinnspiel“ wurde so gut angenommen, dass es für die vielen Preisträger schließlich 32 (!) „West-Pakete“ zu packen galt. Die ursprünglich geplante Aktion, ein leer stehendes Geschäft mit Schülerkunst temporär zu beleben, scheiterte im letzten Moment am Vermieter. Die Kunstwerke fanden schließlich „Asyl“ beim Raumausstatter Rau und ergänzten sich sehr ästhetisch mit den Warenauslagen. Auch die farbintensiven Bilder des Radebeuler Künstlers Klaus Liebscher machten sich gut im Geschäft von Farben Oehme. Der Verein „Bündnis Buntes Radebeul“ stellte sein Kochbuch einschließlich schmackhafter Kostproben vor, der Volksschauspieler Herbert Graedtke lud zum Mitmachtheater ein und der SZ-Treffpunkt entschloss sich nahezu in letzter Minute ebenfalls aktiv dabei zu sein.

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Foto: Karin (Gerhardt) Baum

Das Fazit der Händler: Der Gemeinschaftssinn wurde gestärkt, die Veranstaltung machte den Mitwirkenden viel Spaß und die Stimmung war durchweg positiv. Wichtiger als der Umsatz war an diesem Tag die Werbung für den Standort Radebeul-West. Und so soll das Frühlingsspektakel mit dem neuen Konzeptansatz keine Eintagsfliege bleiben. Geplant ist vom 1. bis 3. Advent ein „Weihnachtsspektakel“ wiederum mit einem „Schau ins Schau-Fenster-Gewinnspiel“, vorweihnachtlichen Händler-Sonderaktionen und abwechslungsreicher Alternativkultur an ungewöhnlichen Orten. Bis dahin will man einen humorvollen kleinen Stadtteilführer erarbeiten, um vor allem auch die Radebeuler Neubürger auf vorhandene Potentiale aufmerksam zu machen.

Von der im Rahmen des Frühlingsspektakels gestarteten Wunschbriefkastenaktion versprechen sich nicht nur die Händler anregende Impulse. Die Kästen, welche Schüler der Oberschule Kötzschenbroda sehr originell gestaltet hatten, wurden in verschiedenen Geschäften von Radebeul-West für 7 Wochen stationiert.
Das verblüffende Ergebnis: 25 Kästen waren gut bis sehr gut gefüllt, 14 Kästen blieben leer und ein Kasten wurde sogar weggeworfen. 172 Wunschzettel hatten sich angesammelt, darunter einige von vorn bis hinten eng beschrieben. Die Auswertung erfordert allerdings Zeit. Vorschau und Rückblick wird darüber berichten.

Vorab seien hier schon immer einige der zahlreichen Wünsche bzw. Hinweise genannt: Ordnung, Sauberkeit, Sicherheit, Behinderten-, Senioren- und Familienfreundlichkeit, öffentliche Toiletten, Stellplätze für Fahrräder sowie PKWs mit Parkleitsystem und gestaffelter Parkdauer, Sitzmöglichkeiten mit Lehne und im Schatten, gepflegte Grünbereiche, Barrierefreiheit, Gastronomie mit Außensitzplätzen vom gemütlichen Café bis zum Schnellimbiss für Ernährungsbewusste, Spiel- und Beschäftigungsmöglichkeiten für Kinder, eine kleine Bar für Jugendliche, öffentliche Gemeinschaftsräume, eine zentral gelegene Bibliothek mit Lesecafé, ein Programmkino, die Wiederbelebung verfallender Gebäude und Brachflächen, eine durchgängige Geschwindigkeitsbegrenzung 30 km/h auf der Moritzburger Straße und der Bahnhofstraße vom Mohrenhaus bis nach Altkötzschenbroda, die Umleitung des Schwerlastverkehrs, ein zentraler Infopunkt (Kultureinrichtungen, Sehenswürdigkeiten, Veranstaltungen, Rad-, Spazier- und Wanderwege), ein Frischemarkt am Samstag auf dem Bahnhofsvorplatz, die Ergänzung des Warensortimentes mit Fisch, Spielwaren, Fahrkarten, Sportartikeln, Feinkost, Bekleidung, Tierzubehör, Lebensmitteln, Geschenkartikeln, preiswerten Schuhen…
Einheitliche bzw. verlängerte Öffnungszeiten waren ebenfalls Thema der Wunschzettelaktion. Allerdings haben sich gelegentliche Tests, einzelne Geschäfte bis 19 Uhr offen zu lassen, nicht bewährt. Vielleicht wäre die Konzentration auf einen familienfreundlichen stressfreien „Einkaufs-Samstag“ (auch mal ohne Auto) mit Frischemarkt und einer Kernöffnungszeit von 10 bis 14 Uhr effektiver? Das alles lohnt sich aber nur, wenn möglichst viele Geschäfte mitmachen.

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Im Frauen-Fitness-Studio kommt selbst ein Engel ins Schwitzen Foto: Karin (Gerhardt) Baum

Als positiv wurden u.a. in Radebeul-West die schönen Gründerzeitgebäude, die Nähe zur Flaniermeile Altkötzschenbroda und zum Elbradweg, die optimale Anbindung an den Öffentlichen Nahverkehr, die vielen kleinen Läden, die fachliche Kompetenz der Einzelhändler und ihre guten Serviceleistungen hervorgehoben.

Zu einem abschließenden Gespräch über den Verlauf der Aktion wurde im Kreise der Händler lebhaft diskutiert. Einigkeit bestand darin, dass der kleinteilige Einzelhandelsstandort Radebeul-West akut gefährdet ist, wenn nicht bald etwas Grundlegendes passiert. Einen interessanten Aspekt berührte die Frage: Welche Spielräume sind überhaupt noch vorhanden, um einen lebendigen Innenstadtbereich zu entwickeln, wo sich Menschen wohl fühlen und gern verweilen? Öffentliche Räume im städtischen Besitz sind rar und privat ist privat. Deshalb dürfte es für die Zukunft des Stadtteilzentrums nicht unerheblich sein, was der neue Besitzer des ehemaligen Bahnhofsgebäudes plant. Diskussionsrunden zum Thema Radebeul-West gab es in der Vergangenheit mehr als genug. Doch wer hat die Wortmeldungen fixiert, gebündelt, bearbeitet? Wo laufen die Fäden zusammen? Gibt es einen Maßnahmeplan? Wie sieht die Zeitschiene aus? Wie spiegelt sich Radebeul-West im Stadtentwicklungskonzept INSEK, dessen Entwurf noch bis zum 31. Juli 2015 zur Kenntnis und Diskussion im Technischen Rathaus, in beiden Bibliotheken und im Kulturamt ausliegt? Was bedeutet es, wenn Radebeul-West zum Sanierungsgebiet erklärt wird?

Mit dem Frühlingsspektakel und der Wunschbriefkastenaktion wurde ein viel versprechender Anfang gemacht. Wie aber nun weiter? Das Kulturamt und die Stadtgalerie werden noch einige der genannten Vorhaben bis zum Jahresende fachlich begleiten. Eine aufgeschlossene Gruppe junger Händler will projektbezogen auch künftig zusammenarbeiten. Dabei ist man sich durchaus bewusst, dass Radebeul-West nicht losgelöst von Gesamt-Radebeul betrachtet werden kann. Ein kontinuierlicher Informationsaustausch mit den Fachämtern der Stadtverwaltung, den Radebeuler Stadträten, der Kultur- und Werbegilde Altkötzschenbroda, den Händlern von Radebeul-Ost, dem Fremdenverkehrsverein sowie dem „verein für denkmalpflege und neues bauen“ wird angestrebt.

Manches lässt sich schnell und unkompliziert regeln. Anderes wiederum erfordert sehr viel Geduld. Auch ein Stadtteilkonzept kann man nicht aus dem Boden stampfen. Es muss von innen heraus wachsen, denn es leitet sich aus den Bedürfnissen der Menschen ab, die vor Ort ansässig und wirksam sind. Das Mit-Denken und Mit-Handeln wird man sich dabei allerdings nicht ersparen können, selbst wenn das manchmal auch ganz schön anstrengend ist.

Karin (Gerhardt) Baum

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