Wunderbare Musik und elementare Traurigkeit

Großer Beifall für Giacomo Puccinis »La Bohème« an den Landesbühnen Sachsen

"La Bohème", eine Inszenierung von Horst Kupich

Sie sind die eigentlich tragenden Säulen jenes merkwürdigen Sammelsuriums, das eine Künstlerwelt (La Bohème) erst ausmacht. Und das schon, seit sich die Künste innerhalb der Menschheitsgeschichte überhaupt zu formieren begannen. Gemeint sind der Dichter, der Musiker, der Maler und zudem der Philosoph als ein Meister des tiefgründigen Gedankens. Schon von Anbeginn wurden solche Menschen bestaunt, belächelt und in gleichem Maße beschimpft. Ihr Tun sei ohne Sinn, sie schüfen keine Werte und wären daher eigentlich vollkommen überflüssig; so der Tenor der Vorwürfe. Den Wert und Sinn eines Kunstwerks zu be­greifen; das hatte dem Menschen nie jemand beigebracht.

Dem Italiener Giacomo Puccini nun verdankt die Nachwelt ein winziges Stück an Aufklärung über das schwere und komplizierte Leben von »La Bohème« – der Welt der Künstler und der Künste. Und ebenso auch ein Quentchen an Verständnis für die von jeher so arg geschmähte Gruppe etwas anders denkender und handelnder Menschen. Nimmt man das Libretto (Giuseppe Giacosa und Luigi Illica) von »La Bohème« zur Hand, dann wird bald schon deutlich, womit Puccini die Wahl gerade dieses Themas für seine Oper rechtfertigte. In einer absoluten Begeisterung des Menschen für das schöpferische Tun nämlich. Vollkommen unabhängig von irgendwelchen ökonomischen Zwängen. Not leiden sie nämlich alle vier, in jenem harten Winter in Paris. Und so kann es geschehen, dass Rodolfo (Kay Frenzel), der Dichter, sein gerade erst beendetes Drama kurzerhand verbrennt, damit sich die Freunde daran ein wenig die Hände wärmen können. Den Hauswirt (Dietmar Fiedler), der die Miete eintreiben will, haben sie gerade vergrault. Und das so gesparte Geld wollen sie nun in der Stammkneipe auf den Kopf hauen. Rodolfo bleibt allein zurück und überhört fast das zarte Klopfen an der Tür. Draußen steht Mimi (Stephanie Krone), die ihn um Feuer bittet, um ihre Kerze anzünden zu können. Sie friert, sie zittert und immer wieder wird sie von einem quälenden Husten geschüttelt. Natürlich verlieben sich beide ineinander und damit beginnt eine der schönsten und zugleich traurigsten Liebesgeschichten, die das Musiktheater überhaupt aufweisen kann. Doch nicht nur im Libretto schlechthin, sondern vor allem in der ergreifend schönen Musik, die Puccini diesem Stoff unterlegen konnte.

Die Radebeuler »La Bohème« (Horst O. Kupich) ist stimmig bis auf das so ge­nannte I-Tüpfelchen. Hervorragend stimm­lich wie auch darstellerisch besetzt ragt die Gruppe der Künstler hervor; Iikka Leppänen (der Musiker Schaunard) glänzt mit einem schönen warmen Bariton, während Hagen Erkraths (der Philosoph Colline) Bass scheinbar genau seiner beruflichen Zuordnung entspricht. Norman D. Patzkes Bariton verleiht dem Maler Marcel nicht nur eine ganz be­sondere Farbe, sondern macht zu­gleich auch die an Besessenheit grenzende Leidenschaft eines Malers wunderbar sicht­bar. Stephanie Krone – nach langer Pause auf die Bühne zurückgekehrt – ist sowohl stimmlich mit großartigem So­pran als auch darstellerisch ausgesprochen überzeugend und wird daher auch optisch zum erklärten Mittelpunkt dieser Künstler-Männerrunde. Nicht zu­letzt bringt sich Christine Poulitsi in der Rolle der Musette mit kraftvoll, kämpferischem Sopran ein und spielt zugleich jederzeit überzeugend die hilfsbereite Freundin. Die wunderbaren Melodien Giacomo Puccinis transportieren eine geradezu greifbare elementare Traurigkeit.

Das Bühnenbild (Lena Heeschen) lenkt in seiner Sparsamkeit niemals von der Handlung ab, stützt aber dennoch eine stimmige Atmosphäre. Die Kostüme (Ann Schaper-Jesussek) atmen zwar Zeitlosigkeit, wirken aber zugleich charmant ab­gegriffen und wie irgendwo und ir­gend­wie zusammengeborgt. Ein personell re­duzierter Opernchor wurde ergänzt durch einen sehr agilen und vor allem spielfreudigen Kinderchor. Und Michele Carulli dirigierte letztlich das Ganze, als wähnte er sich in seiner italienischen Heimat und womöglich sogar direkt in Torre del Lago nördlich von Pisa, wo der Meister Giacomo Puccini die schönsten seiner Opern erschuf. »La Bohème« – ein Muss für die Opernfreunde zwischen Meißen und Dresden.

Ich habe nichts

Zum literarischen Lebenswerk von Hanns Cibulka

Hanns Cibulka, der am 20. September 90 Jahre geworden wäre, gehörte zu den meistgelesenen Schriftstellern der DDR. Sein Leben und Schaffen liegt in einem vielgestaltigen Werk, das Gedichtbände und Tagebücher umfasst, als ein offenes Buch vor uns aufgeschlagen. Ein Strom von Teilnahme und Mitleiden durchleuchtet darin unsere zur Existenz erhobene Welt, weitet unser Wissen und möchte uns besser, ja weiser machen. Hanns Cibulka hat eine Atmosphäre so­zialer und kultureller Verantwortung bilden helfen, und ist dafür als ein Jahrhundertzeuge bezeichnet worden, der das vergangene Säkulum nicht nur durchlebt, sondern gewissermaßen protokolliert hat­te. Viele seiner Tagebuchaufzeichnungen möchten der Orientierung dienen: »Das Tagebuch ist Zustrom, Zentrum, Be­kenntnis. Nur dort, wo es bekennt, strahlt es aus, wird »fremdes Dasein im Eigenen« aufgelöst.« Das Tagebuch bietet sich dem Suchenden und Hoffenden zum Gespräch an, die sich auf den Weg begeben, einen prägnanten Punkt und damit auch eine Anleitung zum bewussten Leben zu finden.

Aus Anlass des Jubiläums veröffentlichte der NOTschriftenverlag Radebeul ein Gedenkbuch für Hanns Cibulka, das Beiträge zu seinem Werk, u.a. von den Radebeuler Schriftstellern Jörg Bernig und Thomas Gerlach sowie vom Autor selbst enthält. Einige Arbeiten widmen sich dem lyrischen OEuvre Cibulkas und erinnern somit an ein immer seltener werdendes Genre: »Worte/ Geschunden,/ getreten,/ ausgewiesen,/ zurückgeholt/ und wieder verleugnet./ –

Brennesselwald./ Und dennoch:/ die zartesten aller Gebilde, staublos.«

In seinem letzten Gedichtband: Der Rebstock (1980) heißt es »Drei Weinberge/ liegen hinter meinem Haus,/ drei Wünsche/ stehen mir noch/ offen …/ den letzten/ trägt eine Taube/ als Rebblatt/ um die Welt.«

Für Schlagzeilen sorgte Cibulka im Jahre 1982 mit seinem Rügentagebuch Swantow, das nicht nur im Hinblick auf die Ereignisse in Japan von bestürzender Gegenwärtigkeit ist.

So beschreibt er die Schönheit von Rügens Landschaft. Gleichzeitig quält ihn der Gedanke, dass der Mensch die technischen Kräfte, die er in Bewegung setzte, nicht mehr beherrschen, dass er im Maßlosen nicht mehr das rechte Maß finden könne. In diesen Aufzeichnungen, die als das heimliche Manifest der in der DDR aufkeimenden Umweltbewegung verstan­den und von der Zensur zunächst verboten wurde, setzte er sich mit der Umweltbedrohung auseinander: »Mit der Klafter des Todes/ vermessen Schnelle Brüter/ das Land./ Im Wasserbett Kernstäbe, Primärkreislauf, abgeblasen/ über den Kamin/ die Radionuklide./ Der Mensch/ im Strahlengeviert./ Im Abwasser staut sich/ die Schuld.«

Als das Buch dennoch erschien, war die erste Auflage von 15 000 Exemplaren binnen dreier Tage vergriffen. Innerhalb eines Jahres hatte der Autor in der DDR etwa einhundert Lesungen! Es war die unbedachte Fortschrittsgläubigkeit, die der Schriftsteller anprangerte, unser selbstverliebtes Wiegen in trügerischer Sicherheit, denn das Schutzkleid unserer Erde ist in tödlicher Gefahr…

In seinem letzten Werk: Späte Jahre (2004) spricht Cibulka von der Klimakatastrophe als Antwort der Natur auf die Habgier der Menschen. Der Mensch mordet sich selbst, allerdings ist es ein Mord auf Zeit.

Herausgeber Günter Gerstmann, den eine langjährige Freundschaft mit Hanns Cibulka verband, verfolgt mit dem vorliegenden Buch das Anliegen, das Andenken an einen Schriftsteller wach zu halten, der zu Unrecht in Vergessenheit zu geraten droht. Er teilt dieses Ansinnen mit den Autorinnen und Autoren, die mit ihren Beiträgen und Engagement das Erscheinen des Bandes ermöglicht haben und sich vehement für das Weiterleben seines literarischen Werkes einsetzen.

Das Buch kostet 11,90 Euro und ist im Buchhandel oder beim Notschriftenverlag erhältlich.

Günter Gerstmann

Mühlen in der Lößnitz

Zur Ausstellungseröffnung im Museumsdepot am 23. März

Thilo Hänsel am Modell einer Bockwindmühle

In seiner parodistischen Bühnenfassung des Märchens »Der gestiefelte Kater« lässt Ludwig Tieck den über Land fahrenden König nicht nur fragen, wem denn die herrlichen Ländereien gehören (dem Grafen Carabas na­türlich). Die Prinzessin möchte vom Bauern auch wissen, warum dieser »denn da das Stroh so um­haue«? Da­rauf Bauer Kunz: »Das ist ja die Ernte, Mamsell Königin, das Getreide.« »Das Getreide?«, schaltet sich der König ein, »Wozu braucht ihr denn das?« Kunz: »Daraus wird ja das Brot gebacken.« Der König zeigt sich er­staunt: »Daraus wird Brot gebacken? Wer sollte wohl auf solche Streiche kommen…«

Die Monarchie ist lange abgeschafft. Heute sind die Kunden König, und die wissen natürlich bescheid, woher das Brot kommt – vom Bäcker oder aus dem Supermarkt. Bauern, die sie eines besseren belehren könnten, begegnet man in der Stadt leider nur noch selten.

Mühlen - Blick in die Ausstellung

Bevor aus Getreide Brot gebacken werden kann, muss es gemahlen werden; da kommen die Mühlen ins Spiel. Vor gut 200 Jahren, als Tieck sein Märchenstück schrieb, musste man das nicht eigens er­wähnen. Da hatte man die Mühlen al­lerorten noch vor Au­gen und ihr sprichwörtliches Klappern im Ohr. Allein in der Lößnitz und der un­mittelbaren Umgebung waren damals 14 Mühlen im Gange. Heute ist davon nur noch eine einzige in Betrieb, die Schefflermühle im Lößnitzgrund. Eine weitere, die Gohliser Windmühle, hat die Zeit als technisches Denkmal überdauert. An die andern erinnern, wenn überhaupt, nur noch Straßen- und Häusernamen und seit 2008 auch der schöne Mühlsteinbrunnen in Radebeul-Mitte.

Dem Radebeuler Architekten im Un­ruhestand Thilo Hänsel war das nicht ge­nug. Seit langem trug er sich mit dem Gedanken, die wichtige Bedeutung und die lokale Tradition des Müllerhandwerks ins rechte Licht zu rücken. Gemeinsam mit Thomas Gerlach hat er sich zunächst auf Spurensuche zur Ge­schichte der Mühlen am Lößnitzbach begeben. Das vorzeigbare Ergebnis dieser Recherchen liegt seit einigen Tagen in Buchform vor.

Da diese Arbeit nun einmal gemacht war und die Autoren und einige ihrer Helfer der Arbeitsgruppe Stadtmuseum angehören, lag der Gedanke nicht fern, die Mühlen der Lößnitz auch zum Thema der zweiten Ausstellung der AG im Radebeuler Mu­seumsdepot zu machen.

Der Ort passt gut, denn nur einen Steinwurf von hier stand bis 1869 eine hölzerne Bockwindmühle, ähnlich der hier im Modell gezeigten. Und die Radebeuler Ursprungsgemeinde Serkowitz, wo wir uns befinden, hatte nicht nur den ältesten Gasthof, sondern – dicht dabei – auch die älteste Mühle der Lößnitz aufzuweisen – zumindest, wenn man sich an der ersten urkundlichen Erwähnung im Jahre 1337 orientiert.

Menschheitsgeschichtlich sind die Techniken der Getreideverarbeitung na­türlich viel älter, und auch dafür gibt es in der Lößnitz Belege. Das Landesamt für Ar­chäologie hat uns für die Ausstellung freundlicherweise Teile eines bronzezeitlichen Fundes von 2007 bei Radebeul-Naundorf zur Verfügung gestellt, darunter ein Steinpaar, das hier schon vor rund 3000 Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Zerreiben von Körnern benutzt wurde.

Von Mühlen spricht man freilich erst, seitdem sich die Mahlsteine drehen. Wie man sich das zunächst vorzustellen hat, demonstriert der kunstvolle Nachbau einer mittelalterlichen Handmühle, der eigens für diese Ausstellung hergestellt wurde. Welcher Anstrengung es bedarf, durch Drehen des Läufersteins damit so etwas Ähnliches wie Mehl zu erzeugen, kann jeder selbst ausprobieren und wird danach noch besser verstehen, dass man sich schon früh be­mühte, die Arbeit durch technische Einrichtungen zu er­leichtern und andere An­triebsarten zu nutzen als die Menschenkraft.

Die historische Bedeutung der Mühlentechnik für die technische Entwicklung im Allgemeinen kann gar nicht hoch genug bewertet werden, und die heute als »alternative Energie« wieder groß in Mode ge­kommene Wasser- und Windkraft wurde zuerst für den Antrieb von Mühlen aller Art genutzt.

Im späten Mittelalter, als erstmals eine Getreidemühle in der Lößnitz erwähnt wird, hatten sich längst drei wesentliche Mühlentypen herausgebildet: Schiffsmühlen, Bachmühlen und Windmühlen. Alle drei Typen waren bis ins 19. Jahrhundert auch in unserem Stadtgebiet vertreten. Wo diese Mühlen lagen, wie sie ausgesehen haben und einiges zu ihrer Ge­schichte ist auf den Tafeln der Ausstellung in Bild und Text dargestellt. Daneben können die Besucher Grundlegendes über die Mühlentechnik erfahren, und auch der Bereich des Kuriosen kommt nicht zu kurz.

Der freundlichen Unterstützung durch zahlreiche Leihgeber haben wir es zu verdanken, dass hier auch viele echte Schätze gezeigt werden können: Modelle und Dokumente, historische Werkzeuge aus
der Landwirtschaft und dem Müller- und Bäckerhandwerk, originale Mühlenteile und nicht zuletzt auch einige Kunstwerke. Ein herzlicher Dank an alle, die der Ausstellung so zu noch mehr Anschaulichkeit verhal-
fen!

Die erste Ausstellung im Museumsdepot »100 Jahre Vor-Stadt-Geschichte – die Lößnitz 1835 bis 1935« war eher etwas für »alte Radebeuler«. So überraschte es kaum, dass unter den zahlreichen Besuchern die Generation 50 + deutlich am stärksten vertreten war. Ich würde mir wünschen, dass es uns diesmal besser gelingt, auch jüngere Leute anzusprechen; insbesondere denke ich da natürlich an die Radebeuler Schulen.

Wenn Ihnen, werte Gäste, die neue Ausstellung zusagt, können Sie uns dabei vielleicht als Multiplikatoren mit etwas Mundpropaganda unterstützen. Zu erfahren gibt es, wie gesagt, einiges. Und wenn bei den Prinzen und Prinzessinnen von heute nur hängen bleibt, dass das Brot eben nicht im Supermarkt wächst, wäre schon viel gewonnen.

Die Ausstellung »Mühlen in der Lößnitz« im Radebeuler Museumsdepot, Wa­sastraße 21, ist immer am letzten Mittwoch im Monat von 15 bis 19 Uhr zu besichtigen. Anschließend gibt es jeweils einen Vortrag; am 25. Mai um 19 Uhr spricht Helmut Harzbecker, Inhaber der Mühle in Bauda, über den Beruf des Müllers. Der Eintritt ist frei. – Zusätzliche Führungen für Gruppen und Schulklassen werden auf Anfrage gern angeboten (Kontakt über Tel. 8311605 bzw. per Email an kulturamt@radebeul.de). – Dank der großzügigen Unterstützung durch die Meißner Sparkassenstiftung konnte pa­rallel zur Ausstellung das vom Verein für Denkmalpflege und Neues Bauen Ra-
debeul e.V. herausgegebene, reich illustrierte Buch »Die Lößnitzbachmühlen« von Thilo Hänsel und Thomas Gerlach erscheinen (Notschriften-Verlag Radebeul).

Gesundheitsmeile Altkötzschenbroda

Immer mehr Angebote am Anger (2. Teil)

Im Aprilheft nahmen wir sie mit auf einen Rundgang, der die Gesundheitsangebote auf der Südseite des Angers beschrieb. Nun setzen wir den Rundgang auf der Nordseite fort.

Pro Natura Altkötzschenbroda

Der Naturkostladen der Familie Schreckenbach »Pro Natura« ist wohl die älteste Gesundheitseinrichtung am Anger und wurde immerhin schon 1998 eröffnet. Anfangs war er als recht kleiner Laden schräg gegenüber des heutigen Standortes in Altkötzschenbroda 15 zu finden. Das große Angebot an Biowaren reicht von Obst, Gemüse, Tee über Kosmetikprodukte bis zu Aromalampen und Dekorationsartikeln. Die Inhaberin Karin Schreckenbach und die anderen Frauen, die hier verkaufen, beraten bei dem fast unüberschaubaren Angebot auch gern und kompetent.

Im Familienzentrum – Altkötzschenbroda Nr. 20 – bietet Uwe Wittig schon seit vielen Jahren seine mobilen Massagen an. Nach dem Motto: »eine halbe Stunde nur für mich« kann man nach telefonischer Voranmeldung besagte halbe Stunde bei diesem staatlich anerkannten Masseur ent­spannen. Der 42-jährige kommt zu den verschiedensten Arbeitgebern in der Region, auch in Ämter und Behörden, um Mitar-
beiter, die oft verspannt an Schreibtischen sitzen, dort durchzukneten. Täglich ist er mobil unterwegs mit seinem klappbaren Massagetisch und (sehr beliebt) dem Massagestuhl, um seine Fä­higkeiten in den Dienst verspannter Mitmenschen zu stellen. Umso erfreulicher, dass das Familienzentrum von Radebeul auch von ihm bedient wird – immer am ers­ten Montag des Monats.

Ebenfalls schon einige Jahre bietet Gabriele Baumann, eigentlich eine gelernte Architektin, hier in der »Fami« Shiatsu-Massagen an. Etwa alle zwei Wochen gastiert sie donnerstags im Familienzentrum, um hier nach japanischer Art Meridian-Dehnungen durchzuführen. Der Patient liegt dabei auf Decken am Boden, so kann sie die eigene Körperkraft bei der Dehnung einsetzen, und man kann liegend tief in Ruhe kommen. Die Wirkung ist phantastisch, alles ist hinterher im Fluss, man fühlt sich wie neugeboren. Gabriele Baumann hat sich auch mit ihrer »Nachbarin« ausgetauscht und beide haben sich gegenseitig massiert, um die jeweils andere Methode kennen zu lernen.

Die Rede ist von Than Cho Htay. Die junge Frau bietet ebenfalls eine asiatische, aber ganz andere, eher kräftige Art der Massage in Altkötzschenbroda 28 am Grad­steg an. Wie man schon am Namen vermutet, handelt es sich um eine Thailänderin. Doch sie bietet keine erotische (wie viele Männer beim Stichwort Thailand wohl denken), sondern ganzheitliche Massagen, die feinstofflich wirken, das Immunsystem stimulieren, den Be­wegungsapparat dehnen, die Muskulatur kräftigen und den Energiefluss des ge­samten Körpers verbessern. Ideal ist, sich viel Zeit zu nehmen: mindestens eine bis anderthalb Stunden, dann ist die Wirkung größer. Man kann dabei auch die Kleidung anlassen. Wer nicht gleich eine Ganzkörpermassage will, kann auch – zum Kennenlernen – zunächst nur eine Gesichts- und Kopfmassage bu­chen.

Hat man den kleinen Gradsteg überquert und bewegt sich Richtung Friedenskirche, sieht man neben dem Eine-Welt- Laden eine Fensterbank mit Flyern, die neugierig machen. »Reiki« steht da drauf zum Beispiel. Reiki beschreibt auch eine Heilenergie, die ursprünglich aus Japan kommt. In Wochenendseminaren kann der Umgang mit dieser Heilenergie erlernt werden. Das System ist recht komplex und hat etwas mit spiritueller Lichtenergie zu tun. Unter der Anschrift Altkötzschenbroda 32 steht Christiane Arndt – Lehrerin für Heilung und Transformation – für Fragen, Beratungen und Massagen zur Verfügung. Sie hält auch Seminare außerhalb von Dresden ab und ist viel unterwegs.

»Die Abwesenheit von Gesundheit ist ein Ungleichgewicht des Körpers, welches sich mit Symptomen äußert.« Das ist die Einstellung mit der die beiden Heilpraktiker in der neuen Praxis »Sonnenbogen« ans Werk gehen. Sie befindet sich fast am Ende des Dorfangers, gegenüber der Friedenskirche. Statt nur an Symptomen herum zu doktern, soll das Gleichgewicht, die innere Balance, wieder hergestellt werden. Deshalb liegt auch hier der Schwerpunkt auf der Energiemedizin. In der Praxis werden Osteopathie, craniosakrale Behandlungen sowie Reflexzonentherapie und physiotherapeutische Leistungen angeboten. Dabei lernt der Mensch sich selbst praktisch neu kennen und gelangt zu mehr Klarheit, Bewusstheit sowie körperlicher und mentaler Gesundheit, versprechen die beiden Heilpraktiker Stefan Wolf und Gerd Duffe.

Und hier schließt sich der Kreis. Denn die beiden sind nicht nur mit Christoph Wutzke vom »NaturkraftCentrum Altkötzschenbroda« befreundet (Sie erinnern sich: Möbel der Kraft, Vorschau & Rückblick April 2011) sie empfehlen sich auch ge­genseitig. Das macht Sinn: denn beide »Unternehmen« ergänzen sich bei der Beratung zu mehr Gesundheit – und davon profitieren nicht nur Radebeuler Bürger.

Editorial Maiheft 2011

Schon längere Zeit ist Unruhe hinter den »Kulissen« der Landesbühnen Sachsen zu vernehmen. Dringen doch mal wilde Gerüchte, mal konkrete Planungen in die zusehends verwirrte Öffentlichkeit und künden von einer bisher beispiellosen Fehde zwischen den Interessen von Stadt und Land. Denn im Rahmen des sogenannten Kulturraumgesetzes geht es um nichts weniger, als die Frage, inwiefern sich Einsparungen auf das zweitgrößte deutsche Reisetheater auswirken werden. Dass in dem intonierten »Streichkonzert« nun das Orchester auserkoren wurde, führt nicht nur bei den Musikern zu derben Misstönen. Eines aber ist klar, jede Sparte wäre von Kürzungen nicht nur betroffen, sondern wäre aufgrund der bereits bestehenden nicht unempfindlichen Einschränkunken in ihrer Existenz grundsätzlich zur Disposition gestellt. Geplant ist nach den jüngsten Verlautbarungen eine Fusion der Neuen Elbland Philharmonie mit dem Orchester der Landesbühnen herbeizuführen, die nach dem Willen der Staatsregierung zur gewünschten »Gesundung« führen soll. Ins Felde geführte Synergieeffekte sollen die Maßnahmen weitgehend entmystifizieren. Tatsächlich aber ist nicht abzusehen, welche orchestralen Werke bei derartigen Kürzungen dann überhaupt noch aufführbar sein werden. Intendant Christian Schmidt sieht seine langjährigen Bemühungen zum Erhalt der gewachsenen Strukturen nun derart unterhöhlt, dass er als Konsequenz seine vorzeitige Vertagsauflösung ankündigte. Nun ist vom Kunstministerium auch schon über seine Nachfolge entschieden worden. Manuel Schöbel, seit 2006 Intendant des Mittelsächsischen Theaters in Freiberg, wird ab Mitte 2012 seine Position an der dann wohl vom Staatsbetrieb in kommunale Trägerschaft überführte privatisierte „Theater GmbH« leiten. Es ist nicht zu übersehen: Die Ampeln der Kultur stehen immer öfter auf Rot. Zu wünschen bleiben für den Fortbestand eines soliden kulturellen Fundaments aber auch künftig maßvoll gestaltete Grünphasen.

Das unvergänglich Schöne

Eine Ausstellung zum 125. Geburtstag des Radebeuler Malers Paul Wilhelm

»Paul Wilhelm ist der Vollender und letzte bedeutende Führer einer typischen Dresdner Malkultur, die kurz vor der Jahrhundertwende ihren Anfang nahm, alle Stürme eines halben Jahrhunderts überdauerte und heute geläutert in der dritten Generation eine Reihe trefflicher Vertreter als Beitrag zur deutschen Kunstgeschichte stellt.« Diese Einschätzung hatte der Dresdner Kunsthistoriker Dr. Fritz Löffler im Jahr 1956 getroffen, als sich Paul Wilhelm auf dem Höhepunkt seines Schaffens befand und dessen Werk weithin große Anerkennung genoss. So bot damals der 70. Geburtstag des Künstlers Anlass für Würdigungen der verschiedensten Art. Die Stadt Radebeul verlieh dem Maler und Beförderer des Radebeuler Kulturlebens im Jahr 1956 die Ehrenbürgerschaft. Retrospektiven fanden in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, in den Kunstsammlungen Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) und in der Nationalgalerie Berlin statt. Museen und Sammlungen erwarben von ihm Gemälde und Aquarelle. Eine Ehrenpension, die Paul Wilhelm ab 1960 erhielt, ermöglichte dem Künstler in seinen letzten Jahren das Arbeiten ohne Sorge um die Existenz. Als er im Jahr 1965 starb, hinterließ er ein umfangreiches künstlerisches Werk, welches in selten schöner Geschlossenheit zu treuen Händen in fachkundige Nachlassverwaltung übergeben werden konnte.

Paul Wilhelm (Foto aus Privatbesitz)

Seitdem ist wiederum fast ein halbes Jahrhundert vergangen und es stellt sich die Frage, welche Spuren der einst so geschätzte Künstler in seiner Wahlheimat und über deren Grenzen hinaus hinterlassen hat. Werke von Paul Wilhelm befinden sich in Museen und Sammlungen des In- und Auslandes, aber auch im Sächsischen Weingutmuseum Hoflößnitz und in der Städtischen Kunstsammlung Radebeul. Allerdings hätte der relativ leicht zugängige Bestand der Radebeuler Institutionen für eine Gedenkausstellung bei weitem nicht ausgereicht, zumal die der Hoflößnitz und dem Weinbau verbundenen Gemälde bei anderen Gelegenheiten der Öffentlichkeit präsentiert werden sollen. So ist es schließlich sehr erfreulich, dass die Städtische Galerie Dresden, das Museum Bautzen und die Städtischen Sammlungen Freital Werke von Paul Wilhelm zur Verfügung stellten. Außerdem zeigten mehrere Radebeuler Bürger großes Entgegenkommen, in dem sie die Ausstellung durch bisher unbekannte Arbeiten – die ältesten sind mit dem Jahr 1903 datiert – aus ihrem Privatbesitz bereicherten. Leihgaben  aus dem eingangs erwähnten künstlerischen Nachlass von Paul Wilhelm wurden von den jetzigen Besitzern für die Gedenkausstellung leider verwehrt. Und so ist die Ausstellung zum 125. Geburtstag von Paul Wilhelm auch ein Spiegelbild dessen, was eine kleine städtische Galerie mit ihren bescheidenen personellen wie finanziellen Ressourcen in heutiger Zeit zu leisten vermag.

Das Motto der Ausstellung »Das unvergänglich Schöne« wurde bewusst gewählt. Ihm liegt ein Zitat des Kunsthistorikers Prof. Dr. Werner Schmidt zugrunde, der im Katalog der Dresdner Aquarell-Ausstellung von 1966 feststellte, dass man in Wilhelms Werken »während der Kriegszeit zuweilen auch ein mühevolles Abschirmen, ein behutsames Wachhalten des unvergänglich Schönen gegenüber der Welt des Grauens« spüren kann. Diesen interessanten Gedanken könnte man fortführen, denn Paul Wilhelm ließ sich von keinem System vereinnahmen. Sein Werk war einzig und allein dem eigenen künstlerischen Anspruch verpflichtet und den Rankinglisten des heutigen Kunstmarktes würde Paul Wilhelm wohl völlig verständnislos gegenüberstehen.

Paul Wilhelm, Haus und Garten des Künstlers (Foto K. Gerhardt)

Paul Wilhelm wurde am 29. März 1886 in Greiz als Sohn eines Tuchfabrikanten geboren. Seine Ambitionen lagen sowohl auf naturwissenschaftlichem (Biologie und Zoologie) als auch auf künstlerischem (Malerei und Musik) Gebiet. Er entschied sich für die Kunst, speziell die Malerei. Im Jahr 1904 begann er in Dresden an der Kunstgewerbeschule zu studieren, doch schon bald wechselte er an die Akademie. Obwohl er Meisterschüler bei Gotthardt Kuehl wurde, fühlte er sich seinem Lehrer Oskar Zwintscher künstlerisch viel näher. Bereits im Jahr 1910 hatte Paul Wilhelm im legendären Kunstsalon von Emil Richter seine erste Einzelausstellung. Wenngleich die impressionistischen Einflüsse auf das Frühwerk  unübersehbar waren, wurde dem jungen Maler eine ausgewogene künstlerische Reife zugesprochen.

Die Auseinandersetzung mit dem Expressionismus, vor allem mit den Künstlern der »Brücke« und des »Blauen Reiter«, die das Aquarell zu einer neuen Qualität erhoben hatten, führte dazu, dass die Aquarelle neben den Gemälden zum wichtigsten Bestandteil seines Schaffens wurden.

Mit dem Malerfreund, Wilhelm Claus (1882-1914), siedelte sich Paul Wilhelm im Jahr 1911 in Radebeul-Niederlößnitz an. Beide wohnten und arbeiteten im Turmhaus des Grundhofes. Als der junge Wilhelm Claus plötzlich verstarb, übernahm Karl Kröner (1887-1972) dessen Atelier. Paul Wilhelm blieb Karl Kröner bis zu seinem Tode eng verbunden, ebenso wie dem Dresdner Maler Theodor Rosenhauer. Ohnehin standen die in Radebeul ansässigen Künstler in einem beständigen geistigen Austausch mit einigen Künstlern aus Dresden und der näheren Umgebung wie Johannes Beutner, Erich Fraaß,  Otto Griebel, Hans Jüchser, Fritz Winkler und  Joseph Hegenbarth. Ab Anfang der 30er Jahre, als es nicht ungefährlich war sich mit Gleichgesinnten zu treffen, gab man vor, sich ausschließlich zum Wandern zusammen zu finden und so kam der Begriff von den so genannten »Spaziergängern« auf.

Marion Wilhelm, lesend, 1933

Gemeinsam mit seiner amerikanischen Frau Marion bezog Paul Wilhelm im Jahr 1920 eine kleine Villa auf dem Gradsteg. Haus und Garten strahlten eine gewisse Noblesse und spätbürgerliche Kultiviertheit aus. Wem es vergönnt war, dieses Refugium zu betreten, geriet unweigerlich ins wortschwelgende Schwärmen. Paul Wilhelms »Phantasie entzündete sich nur am Besonderen und Erlesenen« schrieb Dr. Fritz Löffler 1948 in einem Katalog. Wilhelms Musikalität verwob sich mit einem ausgeprägten Farb- und Formempfinden, was in seinen Kunstwerken als auch in seinem unmittelbaren Umfeld zum Ausdruck kam.  Man liebte die Geselligkeit, lud zu Gesprächen und kleinen Konzerten. Den Alltag organisierte die »Wilhelmine«. Sie pflegte Kontakte und Freundschaften, beschaffte alles was zum Leben notwendig war. Neben seinem Wirken als Künstler, erwarb sich Paul Wilhelm Anerkennung als Züchter von Delphinium-Hybriden (Rittersporn) und Sammler von alten Schellackplatten mit Aufnahmen der menschlichen Gesangsstimme. Ein herzliches Verhältnis verband Marion und Paul Wilhelm auch mit dem jungen Künstlerpaar Ute und Werner Wittig.

Paul Wilhelm erlegte sich selbst eine thematische Beschränkung auf, die er zeitlebens beibehielt. Sein Werk reifte in Zurückhaltung und Stille. Reisen ließen ihn nicht unbeeindruckt und fanden beachtenswerten Niederschlag in seinem Schaffen. Doch mit der Lößnitz hatte er seinen eigentlichen Sehnsuchtsort gefunden. Immer wieder stellte er die Blumen in seinem Garten und die ihn umgebenden Lößnitzberge im Wandel der Jahreszeiten dar, vor allem jedoch im Frühling und im Herbst. Eine große Faszination übte auf ihn dabei die magische Wirkung des Lichtes aus. Figürliche Darstellungen und Porträts interessierten ihn mit zunehmendem Alter immer weniger, mit Ausnahme ihm nahe stehender Personen, wie Kinder, die er sehr liebte, und natürlich Frau Marion. Radierungen bildeten in seinem Schaffen eher eine Ausnahme und Zeichnungen dienten ihm vorwiegend als Vorarbeit für die im Atelier entstandenen Bilder. Als seine Kräfte zu schwinden begannen, wendete er sich der Aquarellmalerei zu, die er zu höchster Vollendung führte.

Paul Wilhelm, einer der bedeutendsten Vertreter der »Dresdner Malkultur«, ist aus dem öffentlichen Bewusstsein der Dresdner Kunstmuseen nahezu verdrängt. Ein Werkkatalog steht noch aus. In Radebeul erinnert der »Professor-Wilhelm-Ring« an den Künstler. Und was nur Wenigen bekannt sein dürfte ist die Tatsache, dass im Luthersaal der Radebeuler Friedenskirchgemeinde der originale »Paul-Wilhelm-Flügel« steht. Mit der Gedenkausstellung, die bis zum 8. Mai in der Radebeuler Stadtgalerie zu sehen ist, verbindet sich die Hoffnung, dass dieser Ausstellung weitere an anderen Orten folgen mögen und die Kunst eines Paul Wilhelm vor allem unter den jüngeren Menschen neue Freunde findet.

Karin Gerhardt, Stadtgaleristin

Auf dem Ego-Trip nach Afrika

Zur Premiere von »Benefiz« am 5./6. März 2011 an den Landesbühnen

Auch Sie gehören also zu denen, die ab und zu für ein humanitäres Projekt in der dritten Welt Geld spenden oder sich zumindest vorstellen können, Bedürftige in Afrika, Asien oder Lateinamerika zu unterstützen? Und Sie tun dies einerseits, weil sie erkennen, dass bei Hunger, Elend, Krankheit und Armut Hilfe dringend geboten ist, andererseits, weil Sie ein ganz kleines bisschen damit auch Ihr Gewissen beruhigen wollen, denn Ihnen geht es objektiv gesehen ja ganz gut? Dann kann ich Ihnen die jüngste und mit viel Beifall bedachte Produktion der Landesbühnen empfehlen: »Benefiz – jeder rettet einen Afrikaner« der Gegenwartsautorin Ingrid Lausund (1965 in Ingolstadt geboren) zielt mitten hinein in unsere Wohlstandgesellschaft, die oft genug nicht zwischen ehrlichem Engagement für die Dritte Welt und Betroffenheitstümelei unterscheidet.

In der von Gastregisseur Michael Funke verantworteten Inszenierung nimmt das Publikum Anteil an einer Probe zu einer Wohltätigkeitsveranstaltung, deren Erlös für eine Schule in Guinea-Bissau (Westafrika) verwendet werden soll. Der Clou: Diese Schule gibt es inzwischen wirklich, nachdem das Stück in den letzten drei Jahren deutschlandweit (Stuttgart, Karlsruhe, Darmstadt u.a.) mit großem Erfolg gespielt wurde und die Zuschauer Spenden für den im Stück verhandelten Zweck gegeben haben. Mit diesem Kniff blendet Lausund Bühnenrealität und Lebenswirklichkeit auf unerhörte Weise ineinander und entlässt das Publikum mit dem zwiespältigen Gefühl, dass das spontane Lachen an vielen Stellen während des (über weite Strecken satirischen) Stückes wohl doch kein Lachen hätte sein dürfen, weil es vielmehr im Halse hätte stecken bleiben müssen. Aber dieses Empfinden stellt sich erst nach und nach ein und umso mehr, je intensiver Eva (Dörte Dreger), Christine (Wiebke Adam-Schwarz), Leo (Michael Mienert), Rainer (Tom Hantschel) und Eckhard (Olaf Hörbe) ihre sehr heutigen Charaktere entfalten. Sie sind überhaupt die größte Stärke des Stückes, denn anders als sonst im Theater entspringen sie in Anmutung und Verhalten der Mitte unserer Gesellschaft, sind Teil von uns allen, kurz: Dem Zuschauer fällt es nicht schwer, sich mit den Figuren zu identifizieren. Jeder kann sich in der einen oder anderen Figur spiegeln und seine ganz persönliche Sicht auf Sinn oder Unsinn von Spendenaufrufen und Sammelbüchsen wieder finden. En passant verwickelt das Stück den Theaterbesucher darüber hinaus auch in einen Dialog über die Tücken und Fallstricke politisch korrekter Sprache, die aus dem angelsächsischen Raum in den letzten 20 Jahren zu uns herübergeschwappt ist und den unbefangenen Gebrauch unserer Muttersprache erschwert. Insbesondere Eva ist einer dieser eifernden Gutmenschen, die es »ganz ganz schlimm« finden, wenn Rainer eine befreundete Afrikanerin als »Schwarze« bezeichnet, weil sie dahinter Abwertung und Rassismus wittert. Dörte Dreger verleiht ihrer Eva den bemitleidenswerten Gestus der ewig an der Welt Verzweifelnden, der durch ein überreflektierendes Helfersyndrom entstehen kann. Kein Wunder, dass sie mit dem hemdsärmlig-leutseligen Pragmatismus von Rainer ebenso wenig etwas anfangen kann wie mit dem lebensfrohen Leo, für den die weiblichen Reize von Christine weitaus interessanter sind als etwa Eckhards ernst gemeinte Erschütterung über das Schicksal afrikanischer Kinder, die finanziell zu unterstützen er sich vorgenommen hat. Mitnichten sind die Fünf also eine Einheit und sich einig, vielmehr fragt jede(r) – ohne es vordergründig zu beabsichtigen – zuerst danach, wie unentbehrlich und wichtig er oder sie für das Gelingen der Veranstaltung ist. Prominentes Beispiel dafür ist Christine, die ein Provinzsternchen ohne näher bezeichnete Qualitäten ist, sich selbst aber als Profi und damit als Garant für den Erfolg der Benefiz-Veranstaltung sieht. Das Stück entlarvt so auf unterhaltsame Weise die Eitelkeiten und den Geltungsdrang aller Charaktere und entwirft damit eine Folie, vor der jeder Zuschauer aufgefordert ist darüber nachzudenken, in welchem Verhältnis für ihn Eigennutz und Selbstlosigkeit bei einer solchen Spendenshow stehen würden. Natürlich ist dieses Stück damit eine Gratwanderung, denn ins Lächerliche gezogen werden soll der Wunsch zu helfen nicht, dazu ist das Thema viel zu wichtig. Dass ein Abdriften ins Alberne oder gar Moralisierende nicht geschieht, ist das Verdienst der Regie, die alle Figuren klar und umrissen auftreten lässt, deren menschliche Schwächen sie mit jeder Faser sympathisch machen.

Starke Bilder und Töne produziert die Inszenierung auch dank der von Andrea Eisensee besorgten Ausstattung und der von Uwe Zimmermann erarbeiteten Musik. Probebühne und Pausenraum etwa sind zwei parallel geschaltete und vertikal gestufte Spielflächen, auf denen mitunter gegenseitig ausschließende Handlungsstränge ablaufen (etwa wenn Leo und Christine oben heftig flirten und gleichzeitig Eva und Eckhard unten über das Mädchen ohne Arme und den Waisenjungen sprechen). Das von den fünf Protagonisten (beachtlich sicher!) intonierte und Anlass zum Selbstlob gebende »Ukululule« hört sich im ersten Moment an wie ein afrikanischer Gospel, um dann doch als Adaption des urdeutschen Stimmungsliedes vom Eiermann enttarnt zu werden. Wenn man möchte, dann ist dieses Lied eine Metapher für das ganze Stück: Wir tun wohl zu oft etwas, um zuallererst damit uns selbst zu gefallen, und scheitern dadurch grandios an unseren hehren Ansprüchen und Moralvorstellungen.

 

Bertram Kazmirowski

Editorial Märzheft 2011

Der Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus waren im Januar in Radebeul drei Veranstaltungen gewidmet, die eine erfreulich große Resonanz fanden. Zwei davon hatten unmittelbaren lokalen Bezug. »Zwangsarbeit in Radebeul« lautete das Thema der »Reden in Kötzschenbroda«, ein Thema, das durch die letztjährige Sonderausstellung der Hoflößnitz auf die Agenda gesetzt worden war. Dass es dazu mehr zu sagen gibt, als die Ausstellung zeigen konnte, kam sowohl in den Redebeiträgen, von denen wir einen im aktuellen Heft dokumentieren, wie auch in der Diskussion klar zum Ausdruck. Ein Großteil der Quellen zu diesem öffentlichen Verbrechen (nicht nur im Weinbau) harrt auch in Radebeul noch der Aufarbeitung, und dass sich Zeitzeugen generell scheuen würden, persönliche Erinnerungen zum Thema weiterzugeben, wurde schon durch die entsprechenden Diskussionsbeiträge eindrucksvoll widerlegt.

Einen ganz anderen Charakter trug die offizielle Gedenkstunde für die NS-Opfer in der bis auf den letzten Platz besetzten Krankenhauskapelle. Hier kamen nicht Zeitzeugen zu Wort, sondern Schüler einer 9. Klasse. Sie waren in der Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein dem Schicksal von Radebeuler Euthanasieopfern nachgegangen, hatten Plakate dazu gestaltet und präsentierten die Ergebnisse ihres Geschichtsprojekts nun auf beeindruckende Art. Nachher hörte ich einen hoch betagten Zuhörer zu einem anderen sagen, das sei diesmal aber keine proletarische Veranstaltung gewesen, sondern eine bürgerliche. Auch wenn das nicht als Lob gemeint war, dürften es die Organisatoren um Couragepreisträger Thomas Berndt als ein solches auffassen. Das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus gehört in die Mitte der Gesellschaft.

Frank Andert

[V&R 3/2011, S. 1]

»Auf der Flucht erschossen«

Nach Kriegsausbruch holten die Nationalsozialisten Millionen von Zwangsarbeitern aus den von ihnen besetzten Ländern, vor allem aus dem Osten. Zwangsarbeit nutzten sie aber schon vor dem Krieg, wenn auch noch nicht in diesem Ausmaß. Zwangsarbeiter konnten sie zu dieser Zeit jedoch nur in Deutschland rekrutieren. Davon betroffen waren auch Radebeuler Bürger. Das soll am Schicksal des Schlossers Albert Eulitz dargestellt werden. Dazu ist eine kurze Einleitung erforderlich.

1936 begannen die Nationalsozialisten, das System der Konzentrationslager aufzubauen, die die seit 1933 bestehenden politischen Schutzhaftlager ablösten. Mit ihnen wurde die Verfolgungspolitik erweitert, um nichtpolitische »Gegnergruppen« zur Umsetzung ihres »sozialhygienischen« und rassistischen Konzepts. Organisatorisch wurden die KZ der SS unterstellt. Mit Erlass des Reichsinnenministers Frick vom 14. Dezember 1937 fand die bereits seit 1933 angewandte polizeiliche Vorbeugehaft ihre formalrechtliche Regelung und ihre Ausdehnung auf so genannte »Asoziale«. 1 Nun wurde von Heinrich Himmler (Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei) erstmals der Einsatz von KZ­-Häftlingen zur Zwangsarbeit geplant. Er bot an, für die Monumentalbauten des Regimes die benötigten Baustoffe zur Verfügung zu stellen und gründete dazu die SS-eigene »Deutsche Erd- und Steinwerke GmbH« zum Betrieb von Ziegelwerken und Steinbrüchen. Die Standortwahl für neu errichtete Konzentrationslager war nunmehr auch davon abhängig, ob in unmittelbarer Nähe ein ergiebiger Steinbruch lag oder Tonvorkommen vorhanden waren. 2 Zunehmend wurden die planmäßig vorbereiteten Verhaftungsaktionen wirtschaftlich motiviert, zur Gewinnung von Sklavenarbeitern. Auch für militärische SS-Produktionsstätten im Zuge der Kriegsvorbereitung spielte Zwangsarbeit eine immer wichtigere Rolle. 3

Die zwei Verhaftungswellen von »Asozialen und Arbeitsscheuen« Ende April und Mitte Juni 1938 dienten demnach sowohl dem »Schutz der Volksgemeinschaft« als auch der Zwangsrekrutierung von Arbeitskräften. Jeder, der seinen Dienst an der »Volksgemeinschaft« nicht erfüllte, sollte in Schutzhaft genommen werden dürfen. Die Definition, wer darunter zu fassen sei, war nicht eindeutig, sodass die Gestapo-Dienststellen Handlungsspielraum hatten. Das konnten Arbeitslose sein oder Menschen, denen vorgeworfen wurde, die verlangte Arbeitsleistung nicht zu erbringen. 4 Schon am 26. Januar 1938 hatte Himmler angeordnet, die Festnahme aller arbeitsfähigen Männer vorzubereiten, »die nachweisbar in zwei Fällen die ihnen angebotenen Arbeitsplätze ohne berechtigten Grund abgelehnt oder die Arbeit zwar aufgenommen, aber nach kurzer Zeit ohne stichhaltigen Grund wieder aufgegeben haben«. Sie galten als »asozial«. 5

Betroffen von diesem umfassenden und überraschenden Zugriff waren auch Radebeuler Bürger. Im Totenbuch des im Sommer 1937 errichteten Lagers Buchenwald findet sich der Name des Schlossers Albert Eulitz, geboren am 4. Februar 1883 in Dresden, wohnhaft gewesen Radebeul, Stosch-Sarrasani-Str. 40a (heute Gartenstr.). Er wurde Ende April im Rahmen der Verhaftungsaktion »Arbeitsscheu Reich« (ASR) verhaftet und kam mit einem Sammeltransport der Kripo Dresden am 30. Mai 1938 in das KZ Buchenwald. Auf der gleichen Seite des Einlieferungsbuches steht ein weiterer Name eines Radebeulers. Wie viele insgesamt aus Radebeul von der Aktion betroffen waren, bedarf noch der Nachforschung. Eingesetzt wurden die »ASR-Häftlinge« vorwiegend zu schwerer körperlicher Arbeit in Schachtkommandos oder im Steinbruch. 6

Zurück zu dem damals 55-jährigen Albert Eulitz. Ob bei seiner Verhaftung auch andere Gründe eine Rolle spielten? Der Willkür waren kaum Grenzen gesetzt. Eulitz war Funktionär in der SPD gewesen. Ein Eulitz war Ende 1892 Mitbegründer der Ortsgruppe der SPD im damaligen Serkowitz. Ob und wie Albert Eulitz mit ihm verwandt war, ist noch festzustellen. Albert Eulitz überlebte in Buchenwald nur wenige Tage. Am 2. Juni 1938 wurde er »auf der Flucht erschossen«. Fiel er einem schießwütigen Wachmann zum Opfer, suchte er den Tod oder wollte er unbedacht eine scheinbar günstige Gelegenheit nutzen? Eine vorbereitete, organisierte Flucht war nach dieser kurzen Zeit im Lager kaum möglich. Seine Lagernummer 4636 wurde noch dreimal vergeben. Zuletzt 1944 an einen 16-jährigen Russen.

Wolfgang Tarnowski

[V&R 3/2011, S. 2f.]

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  1. Zwangsarbeit. die Deutschen, die Zwangsarbeiter und der Krieg. Weimar 2010, S. 183.
  2. Karin Orth: Das System der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Zürich 2002, S. 47f.
  3. Carsten Dams und Michael Stolle: Die Gestapo. München 2008, S. 124.
  4. Ebenda, S. 123.
  5. Zwangsarbeit (wie Anm. 1), S. 72.
  6. Ebenda.

Die Mietvilla Ludwig-Richter-Allee 17 in Radebeul

Seit längerem schon habe ich in Vorschau + Rückblick kein Denkmalobjekt vorgestellt; ich bin ja auch nicht mehr im Dienst und damit vom amtlichen Geschehen etwas abgehängt. Nun will ich vorwiegend aus der Erinnerung von einem Kulturdenkmal berichten, an das ich gerne denke – die Ludwig-Richter-Allee 17. Jahrelang kannte man sie nur als »graue Maus«, in wichtigen Details verändert und dringend einer Sanierung bedürfend. Heute ist diese Mietvilla – sach-, fach- und materialgerecht saniert – ein Hingucker in der an schönen Häusern wahrlich nicht armen Ludwig-Richter-Allee!

Das repräsentative, zweigeschossige Gebäude wurde durch den bekannten Architekten und Baumeister Adolf Neumann 1888 im Dreikaiserjahr geplant und bis 1889 fertig gestellt. Stilistisch gehört diese Mietvilla (hier zwei gleichwertige Wohnungen für gehobenen Standard in jeder Etage mit separatem Treppenhaus) zur Bauepoche des Spätklassizismus in der Folge der Nicolai-Schule (Architekt Georg Hermann Nicolai, 1812-1881, ab 1850 Professor und Nachfolger Sempers an der Dresdner Akademie). Vergleichbare Wohnbauten finden wir in Dresden etwa zwischen 1860 und 1880, z. B. »Villa Martha«, Leipziger Str. 43, Gebr. Ziller, 1871/72. Die betrachtete Mietvilla von 1888 liegt zwar später als vergleichbare Dresdner Beispiele, jedoch kann man das auch bei anderen Bauten beobachten – Radebeul erlebte einige »Moden« zeitversetzt später als Dresden.

Im Laufe der Zeit wechselte auch hier der Besitz des Hauses. Nachdem der vorletzte Eigentümer 1957 die DDR illegal verlassen hatte, fiel das Haus an den Staat und die Gebäudewirtschaft verwaltete es. Dieser Betrieb hatte seit etwa 1988 die Absicht, das Haus zu verkaufen, was dann im Sommer 1990 (also noch zur DDR-Zeit) an den jetzigen Eigentümer, Torsten Herrmann, auch geschah. Kurz darauf hörte bekanntlich die DDR auf zu existieren, nun herrschte BRD-Recht. Das heißt, die Erben des Eigentümers von 1957 stellten bezüglich der Immobilie einen Restitutionsantrag, der nach Prüfung 1998 bewilligt wurde. Für Herrn Herrmann bedeutete das, dass der Kauf von 1990 ungültig wurde und rückabgewickelt werden musste. Da die Alteigentümer jedoch keinen Wohneigenbedarf hatten, konnte Torsten Herrmann das Haus nun erneut kaufen, jetzt aber von privat an privat. Abgeschlossen war der Vorgang dann 1999, als der Grundbucheintrag erfolgte. In zehn Jahren der Ungewissheit durfte Herr Herrmann, dessen Verwandte mütterlicherseits seit 1947 als Mieter im Hause wohnten, noch keine Bau- oder Sanierungsarbeiten beginnen. Solch komplizierte Regelungen von Eigentumsfragen waren nach der Wiedervereinigung leider kein Einzelfall!

Jetzt galt es, Geschichte und Wert des Hauses, das seit 1991 als Kulturdenkmal registriert war, zu erkennen und die richtigen Bau-, Sanierungs- und Ergänzungsmaßnahmen einzuleiten. Der zweigeschossige Bau wurde aus Bruchsteinen (Syenit) und verputztem Ziegelmauerwerk errichtet, nach der Straße erhielt er fünf Fensterachsen, nach den Seiten jeweils zwei bzw. drei Achsen, das abgeplattete Walmdach hatte ursprünglich und heute wieder eine Schieferdeckung. Hervorgehoben ist auf der Straßenseite ein dreiachsiger Mittelrisalith mit Loggia, Balkon und Dreiecksgiebel. Folgende Detailmerkmale unterstreichen den spätklassizistischen Charakter der Mietvilla: variierte Säulenordnungen im Risalith – vollplastische Eck- und Rundsäulen im EG, halbplastische Säulen vor der Wand des OG, der Wechsel unterschiedlicher Fensteröffnungen – im EG solche mit Segmentbogen-, im OG mit geradem, im Risalith jedoch mit Rundbogenabschluss. Die Fenster des OG zeigen mit Verdachungen und Konsolen schmückendes Beiwerk, die des EG werden allein durch ein System von Putznutungen (sogen. Rustika) gestalterisch eingebunden. Eine ausgewogene vertikale und horizontale Putzgliederung (Gesimse, Putzbänder und -spiegel sowie Lisenen) und dazwischen fein ausgeriebener Glattputz wurden zur Wandgestaltung eingesetzt. Hinzu kommen die Schmuckformen (Pfeiler und Docken) der Balustrade sowie das reich geschmückte Giebeldreieck mit mittig aufgesetztem Akanthusblatt. Die Kastenfenster, bestehend aus je zwei Flügeln und separatem Oberlicht, konnten aufgearbeitet werden.

Wahrscheinlich wollte man bei einer Sanierung in den 1930er Jahren die Fassaden modernisieren und vereinfachen. Seitdem fehlten alle Putzgliederungen einschließlich der Rustika. Eine geänderte, massivere Brüstungsgestaltung – die Originalzeichnung von 1888 zeigt dagegen Sandsteindocken wie heute – kann noch während der Bauphase oder später veranlasst worden sein. Die optische Wirkung der geschlossenen Balustrade erschien über den EG-Säulen zu flächig und kopflastig, sodass die durchbrochene Balustrade viel besser zur ansonsten filigran geschmückten Fassade passt. Die alte Bauzeichnung ließ drei bekrönende Akroterien (Akanthusblätter, Material unbekannt) auf dem Giebel erkennen. Vorläufig ergänzte der Bauherr nur das mittlere in Kupfer, die seitlichen, als Ecken ausgebildeten Blätter können ggf. auch später noch hinzugefügt werden. Zu Beginn der Sanierung im Jahre 2000 war am Haus nur noch eine einzige Jalousie mit Blende vorhanden. Hier bat Herr Herrmann den Denkmalschutz, auch auf diese Jalousie verzichten zu dürfen. Viel Mühe machte die Abstimmung hinsichtlich der Fassadenfarben. Durch Neuputz in den 30er Jahren (s.o.) waren keine originalen Putzfarben von 1889 mehr zu finden. Spätklassizistische Häuser waren in der Regel nicht bunt oder mit kräftigen Farben gestrichen, eher in gebrochenen Weißtönen, grauen Tönen oder hellen Steinfarben gehalten. Über Probefarbflächen konnte für den Fond der Fassaden eine hellgraue Sandfarbe und für die Architekturglieder ein Eischalenfarbton gefunden und festgelegt werden.

Der Bauherr achtete auch darauf, Handwerker zu binden, die bereits Erfahrungen im Umgang mit Denkmalobjekten vorweisen konnten, darunter die Firma Robert Bialek. Da Herr Herrmann die Baumaßnahme gut vorbereitet hatte, war nach ein paar auf hohem fachlichem Niveau geführten Gesprächen mit dem damaligen Gebietsreferenten des Landesamtes für Denkmalpflege, Herrn Dr. Pinkwart, eine denkmalschutzrechtliche Genehmigung leicht zu erteilen. Das gute Ergebnis der 2002 abgeschlossenen Sanierung führte fast folgerichtig dazu, dass das Objekt 2004 mit dem Bauherrenpreis der Stadt Radebeul ausgezeichnet wurde, und zu einer Anerkennung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, Bonn. Inzwischen konnten auch der straßenseitige Eisenzaun und die Einfriedungsmauern repariert und die Gartengestaltung vollendet werden.

Dietrich Lohse

[V&R 3/2011, S. 6-8]

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