Säulen bei Bauwerken der Ziller-Familie

Säulen waren für mich früher immer mit großen Prachtbauten wie Schlösser, Theater oder Museen verbunden, die Baumeister Ziller hatten aber kaum Schlösser gebaut, allenfalls Ernst Ziller in Athen, die kennt man aber hier kaum. In Radebeul ist auch nicht jedes Zillerhaus mit Säulen versehen worden, aber doch einige. Wir finden Säulen vor allem bei den frühen Bauten, etwa von 1860 bis 1880. Hierbei kann man von einer Nachwirkung des Klassizismus von Schinkel sprechen, der, als Ernst (1837-1923), Moritz (1838-1895) und Gustav (1842-1901) Ziller auf Bau- und Hochschulen in Dresden und Wien ausgebildet wurden, noch im Lehrplan war. Der Klassizismus stand am Anfang des 19.Jh. in seiner Blüte und sein Einfluss wirkte bis etwa 1880 nach. Er wollte die üppigen Formen von Barock und Rokoko überwinden und entwickelte neue, strengere Formen aus der griechischen Antike heraus.

»Villa Falkenstein« Eduard-Bilz-Str. 44

Foto: D. Lohse

 

Nach der Definition ist eine Säule eine Stütze von zylindrischer Form, welche eine darauf ruhende Last auf den Boden überträgt. Die Säule besteht aus einem oberen Teil, dem Kapitell, dem Schaft und einer Basis. Sie hat in der Regel zwei Funktionen, eine statische und eine schmückende. Manchmal finden wir als Sonderform Halbsäulen, längs geschnittene und an die Hauswand gestellte Säulen. Die antiken Säulen werden durch drei Kapitellformen unterschieden und deren Namen – dorische, ionische und korinthische Säule – beziehen sich auf griechische Landschaften bzw. Städte. Die baugeschichtlich ältesten sind die dorischen Säulen, gefolgt von den ionischen, dann den korinthischen. Beim genaueren Betrachten der Radebeuler Zillerhäuser erkennen wir, dass hier alle drei klassischen Säulen Verwendung fanden.

Dr.-Schmincke-Allee 9

Foto: D. Lohse

Der älteste der Zillerbrüder, Ernst, war in Radebeul kaum in Erscheinung getreten, hatte aber in Griechenland und Athen Staatsbauten und viele Villen realisiert: u.a. das Nationaltheater Athen, die Villa für seinen Freund und Archäologen Heinrich Schliemann und eine Villa für O. u. A. Stathatos, natürlich auch mit Säulen. Die waren durchaus Vorbilder für seine Brüder in der Lößnitz, Moritz und Gustav Ziller, die ab 1867 als Gebr. Ziller firmierten. Sie wollten in Ober- und Niederlößnitz sowie Serkowitz Häuser für breite Schichten der Bevölkerung, Villen, Mietvillen und Landhäuser (darunter Schweizerhäuser), bauen. Säulen finden wir aber nur bei Villen und Mietvillen, also bei Häusern für die obere Klientel. Für das Studium der Säulen bieten sich Spaziergänge in der Zillerstraße, der Dr.-Schmincke-Allee und der Eduard-Bilz-Straße an. Im Vergleich mit hier zeitgleich tätigen Kollegen, u.a. F.E. Kießling, Gebr. Kießling, Gebr. Große, A. Neumann oder F.W. Eisold, erkennen wir, sie verwendeten vergleichsweise weniger Säulen als die Gebr. Ziller bei ihren Bauten.
Bei den Zillervillen fällt die Baugruppe Loggien mit Balkonen ins Auge, wo wir immer wieder Säulen in Kombination mit quadratischen Stützen erkennen – Stütze, Säule, Säule, Stütze eine Reihe bildend, z.B. „Villa Falkenstein“ Eduard-Bilz-Str. 44. Oder als andere Kombination Säulen verschiedener Form übereinander bei zweigeschossigen Loggien, unten 2 dorische Säulen, darüber 2 ionische (Dr.-Schmincke-Allee 9).

Das Grabmahl von Karl May Foto: D. Lohse

Diese Anordnung erfolgte offensichtlich bewusst: unten die ältesten Säulen, darüber jüngere Säulenarten. Bei den Säulenschäften aus Sandstein dominieren glatte Schäfte. Gelegentlich sehen wir auch kannelierte Säulen wie an der Zillerstr. 1, Meißner Str. 150 und Friedhofstr. 11. Die Basen variieren weit weniger, sie ähneln in der Form am ehesten den dorischen Kapitellen. Im Falle des Kindergartens Mohrenhaus, Moritzburger Str. 51, finden wir 4 korinthische Säulen, deren Schäfte mit Netz- und Blattwerk verziert wurden. Bei einem Objekt gibt es den Hinweis auf eine Athen-Radebeuler Zusammenarbeit. Nach einer in Athen 1901 von Ernst Ziller auf Wunsch gefertigten Zeichnung (Verkleinerung der Front der Athener Akademie) baute Paul Ziller (1846-1931), er betrieb unabhängig von der Firma Gebr. Ziller ein eigenes Baugeschäft, im Friedhof Radebeul Ost das spätere Grabmal für Karl May. Aber eigentlich gebaut wurde es für den 1901 verstorbenen Mann von Klara Plöhn, Mays späterer Ehefrau – etwas komplizierte Zusammenhänge, die bei o.g. Thema
aber nicht weiter dargelegt werden müssen. Bei diesem Grabmal dominieren in der Front (von Süden gesehen) 4 ionische kannelierte Säulen, links und rechts im gleichen Abstand, in der Mitte etwa mit doppeltem Abstand, d.h., die Säulen sind hier rhythmisch geordnet. Hier fällt auf, dass die jeweiligen Enden der Säulenreihe nicht durch eckige Stützen sondern durch Säulen mit vierseitigen ionischen Kapitellen (eine Sonderform!) gebildet wurden. Als weitere Möglichkeit des Einsatzes von Säulen können wir Eingangsbereiche betrachten, wie z.B. beim historischen Hauptgebäude des Krankenhauses, Heinrich-Zille-Str. 13 oder der alten Schule Serkowitz, Straße des Friedens 35 (die bunte Gestaltung dieser Säulen dürfte nicht im Sinne der Zillers erfolgt sein), wo auffallend ähnliche Säulen die jeweiligen Haupteingangstüren flankieren.

Alte Schule Serkowitz, Straße des Friedens 35, Foto: D. Lohse

Wir sehen an den o.g. Beispielen, die Säulen können vom Architekten in verschiedenen Kompositionen angeordnet und variiert werden. Durch die Säulen wird die Gestaltung eines Hauses bereichert, das Haus wird dadurch auch einprägsamer und schöner. Bei den Zillerschen Säulen erkennen wir, dass der Faktor „Schönheit“ im Vordergrund steht und die „Statik“, zweifellos vorhanden, aber nur zu erahnen ist, also in den Hintergrund tritt. Die hier mit Adresse aufgeführten Gebäude sind bis auf die Straße des Friedens alle Kulturdenkmale.

Dietrich Lohse

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Erbsünde

Die Welt ist schon eigenartig. Je länger sie existiert, umso komischer und verzwickter wird sie. Es entsteht der Eindruck, als wüsste sie nicht ein noch aus und schlägt nun wild um sich. Ob daher die ewig gültige Auffassung herrührt, dass zu Großmutters Zeiten immer alles besser war? Oder liegt das etwa daran, dass einfach das Gedächtnis nicht mehr so will, wie man selber? An die schönen Dinge des Lebens erinnert sich jeder natürlich auch viel lieber. Da kann man schon mal all die Backpfeifen vergessen, die es gesetzt hat, wenn wieder Bockmist gebaut wurde. Und Bockmist gibt es auf dieser schönen Welt mehr als die Menschheit verkraften kann.
Schaut man also in die Geschichtsbücher – mal beiseitegelassen, dass man da auch nur lesen kann, was gerade noch so durchgeht – fallen einem die Schuppen von den Haaren. Da kann man feststellen, dass es nur so vor Katastrophen, Hungersnöten, Gewaltverbrechen, Revolten und Kriegen wimmelte. Allein beim Letzteren führt das vergangene Jahrhundert die Schreckenliste unangefochten an, was sicher auch daran liegen mag, dass man besser zählen gelernt hatte. Will sagen, dass das mit der Kommunikation besser zu klappen schien. Man wusste also mehr von einander aber wiederrum auch nicht. Sonst hätte man sich sicher noch an den weisen Satz des Dichters Aristophanes erinnert, der schon 423 vor unserer Zeitrechnung feststellte, dass „Ein wahres Elend, der verdammte Krieg!“ sei.

Der Mensch aber ist so ungeheuerlich vergesslich. Und Athen spielte in jenen Jahren den „starken Max“ in der Ägäis und dem östlichen Mittelmeer und war gewillt seine Hegemonie auszuweiten. Die Demokratie stand da nur noch auf der Papyrusrolle. Keine zehn Jahre nach Aristophanes Erkenntnis griff eine mächtige Athener Kriegsflotten Syrakus an. Der Größenwahn endete 413 v. u. Z. für die Athener in einer Katastrophe und für viele ihrer Kämpfer in der Sklaverei. Nichtsdestotrotz griff man zwei Jahre später erneut zu den Waffen. Gegner gab es ja in dieser Stadtstaatenregion genügend. Und so schlug man die Seeschlacht von Kynossema, bei der die Athener Flotte die von Sparta besiegt haben soll. Die wiederum hatte im vorangegangenen Krieg Syrakus gegen Athen geholfen. Der Sieg der Athener aber war eher ein Papyrussieg, denn die Spartaner und ihre Verbündeten konnten sich nach Verlusten erfolgreich zurückziehen. Der positive Aspekt bestand allerdings darin, dass in Folge dieses „Sieges“ die zuvor in Athen installierten Oligarchen gestürzt wurden und die Demokratie wieder errichtet werden konnte. Ob die Führer der Russen und der Amerikaner daher einen Faible für derartige Spielchen haben, konnte bisher nicht geklärt werden. Bedauerlich aber war bei diesem Gemetzel im nassen Element der Saga nach, dass auch der attische Komödiendichter Eupolis sein Leben lassen musste. In Gegensatz zu Aristophanes soll dieser allerdings dem Krieg mehr zugeneigt gewesen sein.

Fakt aber ist, dass seit diesen Zeiten Kriege auf Kriege folgten, die Natur und die Menschen keine Ruhe und kein friedliches Leben mehr finden sollten. Die Seeschlachten aber sind mittlerweile regelrecht aus der Mode gekommen, was eigentlich zu bedauern ist, hielten sich doch dabei die Verluste an Menschenmaterial in Grenzen. Besser wäre auch, wenn alle Armeen sich in einer kilometerlangen Schlachtordnung gegenüber aufstellten – wie das noch im Siebenjährigen Krieg üblich war – und auf Kommando aufeinander losstürmen würden. Noch besser wäre allerding, das Spiel den Feldherren selbst zu überlassen und die Mannschaft könnte sich die Sache genüsslich ansehen. Das würde Ausrüstung und Menschen schonen, die für das nächste Spiel wieder zur Verfügung stünden, sobald neue Feldherrn gefunden wurden. Kriegsspiele sind leider seit der Antike nicht aus der Mode gekommen. Soll man doch den Herren ihr martialisches, mörderisches „Spiel“ lassen, dann aber eng eingezäunt in einem Reservat mit Ein- und Ausgangskontrolle. Denn wie merkte einst Heinrich Mann in seinem berühmten Essay Freundschaft. Gustav Flaubert und George Sand an: „Der Krieg ist eine Schande, unter der ein Kulturmensch erbebt…“. Aber dieses Bürgertum, von dem Mann schrieb, für die die Ästhetik, der zwar eine gewisse Lebensfremdheit anhaftete, eine unverzichtbare Maxime gewesen sein soll, ist spätestens mit dem Ersten Weltkrieg untergegangen.

Wie verkommen muss man eigentlich sein, wenn man mit wehenden Fahnen und Liedern auf den Lippen in die Barbarei zieht? Wie abgebrüht ist der Mensch, der immer perfektere Waffen entwickelt? Schon der Schauspieler Kurt Böwe stellte ernüchternd fest: „Die Menschheit ist zu allem fähig; die Erbsünde kriegen wir nicht wieder los.“

kuba

„…dann kommt Leben in die Bude!“

Foto: I. Rau

Wer dies sagt, ist Edith Maria Breuer, in der Region seit sieben Jahren, nun in Radebeul beruflich auf der Bahnhofstraße 19d in Radebeul-West ansässig. Ihre klassische Gesangsausbildung absolvierte sie 1991-1997 in Essen an der Folkwang Hochschule und in Leipzig an der Hochschule für Musik und Theater „ Felix Mendelssohn Bartholdy“.
Zusätzlich zur direkten Arbeit an der Stimme möchte E.M. Breuer Wege zeigen, den eigenen Körper durch die Gesangs- und Sprechstimme zu erleben.
Dabei möchte sie die Frage beantworten: Wie gelingt es einem Menschen, lebendig, authentisch und mit Leichtigkeit zu sprechen und zu singen (zu kommunizieren). Beantwortet ist die Frage dann, wenn alle am Ton Beteiligten, also Körper, Geist und Seele beieinander sind und der Mensch so lebendiger spürt, was er aussenden möchte.
Um es mit Theresa von Avila zu sagen:
„Sei gut zu deinem Körper, damit Deine Stimme (Seele) Lust hat, darin zu wohnen!“
Je bewusster das „System Mensch“ ist, um so leichter gelingt Kommunikation, sprachlich und gesanglich. Ihr dazu entstandenes Logo bildet dieses Prinzip ab. (s.Foto)
Das Entdecken der Wirkung der eigenen Körpersprache ist dabei ein spannendes Erlebnisfeld.
Und hier setzt Edith Maria Breuer an: Sowohl Stimmbildungsarbeit mit Chören oder einzelnen Personen als auch Kommunikationsseminare für sprechende Berufe gehören zu ihren Angeboten.
Als Sängerin liebt sie die Vielfalt: Ihre Liebe zu Oratorien-Konzerten und das Projekt, eine Crossover-Band zu gründen, sind für sie keine Gegensätze, sondern Ergänzung.
All diese Tätigkeitsfelder kann sie nun in ihrem neuen Gesangsstudio auf der Bahnhofstraße anbieten und verwirklichen.
Das erste Konzert in diesen Räumen wird ein „Duftkonzert“ sein und findet am 26. März statt. Dieses soll der Auftakt zu einer Veranstaltungsreihe im Zwei-Monats-Rhythmus sein.
Zudem plant sie eine monatlich stattfindende „Freitagsmusik“, die jeweils am ersten Freitag des Monats von 18–19 Uhr in ihren schönen Räumen stattfinden wird. Beginn ist Freitag, der 2.6.23. All jene, die Lust auf Musik und Gesang (auch dem eigenen..) haben und denen Treppen steigen möglich ist, sind dazu herzlich eingeladen. (Eintritt 10 €)

Ilona Rau

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Alle weiteren Termine und Veranstaltungen finden Sie auf ihrer Webseite unter www.impulssein.com und zukünftig auch im Kultur-Terminkalender von „Vorschau & Rückblick“.
Hauseröffnung gemeinsam mit der „Galerie Gisbert“ wird als TAG DER OFFENEN TÜR am 22.4.2023 von 17 -22 Uhr gefeiert.
Alle Neugierigen sind dazu herzlich eingeladen.

„Lößi lebt !“

Vorspiel
Viel Wasser ist inzwischen die Elbe hinab geflossen, dass ich es erleben durfte! Es sind siebzig Jahre seitdem vergangen. Aber jetzt endlich muss ich es aufleben lassen…
Eigentlich hatten wir beschlossen zu heiraten. Doris, die Radebeulerin und ich, der Harald aus Meißen.
Wir wollten eine Mischehe führen. Unsere Söhne sollten katholisch, die Mädchen jedoch im Sinne von Moshe Rabenu erzogen werden, Moses unserem Vater, wie wir den Begründer unserer Religion nennen.
Sie war das schönste und liebenswerteste Mädchen meines bisherigen Knabendaseins. Alles war fein an ihr, voller Liebreiz, nichts Grobes. Ihre Frisur bestand aus kunstvollen, hochgesteckten Zöpfchen. Das Gesicht zart wie ein Meisterpastell. Ihre Haut ein Farbspiel aus Olivgrün und Haselnussbraun. Die Gestalt anmutig, ihre Bewegungen graziös.
Und! Sie mochte mich auch. Das war für mich ein ganz besonderes Geschenk.
Denn in meiner Schule war ich doch mehr geduldet als gelitten; ein echtes ADHS-Kind. Bin ich ja heute immer noch. Bei den Lehrern war mit mir „kein Blumentopp zu gewinnen“.
Manche Klassenkameraden mochten mich meiner hohen Singstimme wegen, weil ich gern mit ihnen kleine Theaterstücke einübte und unentwegt mir Geschichten ausdachte…
Unser Überleben im Versteck, das meiner Mutter und meines, musste auch nach dem Krieg verschwiegen und wenn möglich verdrängt werden. Kein Mensch wollte davon hören.
Überstandene Pein war kein Thema öffentlichen Interesses.
Für die Auswirkungen, sprich seelischen Schäden, gab es kein Verständnis. Der allgemeine Tenor: Wir haben alle gelitten…
Ja, was macht denn dann so ein halbwüchsiger Judenbengel, wie ich? Der ist immer auf dem Sprung. In allem fühlt er sich verletzt, bedroht immer verfolgt.
Da hilft ihm auch alles Zureden nichts ,keine liebevoll gemeinte Ermahnung…
Und dann dieses wunderbare, kluge, weibliche Geschöpf, das mich so bereitwillig annahm. Das so bereitwillig unseren kleinen Ausflügen in die nahen Weinberge zustimmte.
Da hockten wir uns nieder und tauschten ohne Scham und endlos die liebsten, kindlichen Zärtlichkeiten. Ich denke heute, dass dies die ersten zaghaften und unendlich beglückenden Schritte ins „Frau und Mann werden“ waren…
Im folgenden Sommer, 1954, lag ich mit einer schweren, damals sagte man Volkskrankheit, ein halbes Jahr im Meißner Kinderkrankenhaus. Wir hatten keine Gelegenheit voneinander Abschied zu nehmen. Der Vater von Doris, ein promovierter Chemiker bei „Matthaus“ fand im „Westen“ offensichtlich bessere Arbeitsbedingungen. Es wurde unsere lebenslange Trennung. Die unvergessene Liebste hatte mir ihre Rollschuhe hinterlassen und das Fahrrad ihres Vaters, das ich bis ins fünfzigste Lebensjahr auch benutzte, dann wurde es mir entwendet.
Ihr noch einmal im Leben zu begegnen, war wohl mein Wunsch wenn ich in sehr großen Abständen im Turmhaus an der Weinbergstraße immer wieder nach ihr fragte. Einmal wären wir uns fast begegnet. Wenige Wochen vor meiner Nachfrage erfuhr ich von ihrem Besuch in der Weinbergstraße und dass sie jetzt in Heidelberg lebe. Ich fand Ihre Telefonnummer, rief sie an; ein unverhofft liebes, kurzes Gespräch, das aber keine Wiederholung fand: Hatten doch ereignisreiche Zeiten mildtätig die Patina romantischer Verklärung über unsere Erinnerungen gegossen und gar keinen Neuaufguss, von was eigentlich, zugelassen.
Das feine Sommerkind von damals, Doris, blieb mir im Sinn und die Weinberge von Radebeul: das Spitzhaus, das „Weiße Ross“, Schmalspurbahn und Lößnitzgrund, und eben das Turmhaus in der Weinbergstraße, dem gegenüber das dunkel wettergebräunte Holzhaus noch immer steht, mit seinem Garten, unserem, in der Zeit versunkenem Paradies.
Heute gedenke ich dankbar meinem Leben gegenüber, dass nach einem mehr als holprigen Start, durch die glückreiche Begegnung mit einem ganz besonderen Menschen, einem, der für mich gemacht schien, ein sonniger Zeitraum genügte, an das Leben zu glauben, ihm zu vertrauen um immer genügend Optimismus aufzubringen, die Frage zu stellen und auch zu beantworten: „Was kann ich dem Leben geben?“ Manchmal hieß das nur, meine eigene Würde mir nicht nehmen zu lassen.
Viel Wasser war die Elbe hinabgegangen, als mir dann endlich in einer Frau, meiner Frau, die mich auch heiratete, dann endlich der Mensch begegnete, den ich anhaltend lieben konnte und für den ich auch leben wollte, noch immer leben will.
Zusammen haben wir unseren sechs Kindern in die Welt hineingeholfen. Die beschenkten uns bisher mit sieben Enkeln.
Aus diesem Lebensglück speist sich nun der Wunsch, ein bisschen von allem Lebensgewinn dahin abzugeben, wo mein erfülltes Leben begann – nach Radebeul…
Da haben sich nun ein paar Leute, „mit bunter Knete im Kopf“ ein Projekt ausgedacht zur Ermunterung von Leuten, die das Leben nicht besonders verwöhnt hat.
Und wo soll das realisiert werden?
Unter dem Motto : „Lößi lebt!“ an einem besonders sonnigen Ort Deutschlands, in R A D E B E U L.

Chajim Grosser
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…mehr darüber in der nächsten V&R Ausgabe im April

Ein persönlicher Nachruf

Foto: privat

Hanno Schmidt
* 12.02.1937
† 03.02.2023

Im bedeutungsvollen Jahr 1989 arbeitete Hanno Schmidt als Pfarrer in der Coswiger Gemeinde. Damals lernte ich ihn kennen.
Er gehörte zu den Pfarrern, die nicht unpolitisch sein konnten. So war er Mitbegründer des Neuen Forums im September 1989 in Grünheide bei Berlin. In Coswig legte er in der Peter-Pauls-Kirche eine Liste des Neuen Forums zur Eintragung auf Mitgliedschaft aus. Mit der Kirche als Institution hatte ich nichts zu tun. Der Kirchenraum war allerdings 1989 der einzige Ort in Coswig, in dem sich kurzfristig viele Menschen versammeln konnten – und Pfarrer Schmidt öffnete dessen Tür.
In den folgenden Monaten wurde Hanno Schmidt zusammen mit den Mitgliedern des Kreises für Gerechtigkeit, Umwelt und Frieden (GUF) eine der Leitfiguren für alle Reformwilligen in Coswig. Später erlebte ich ihn immer wieder bei Veranstaltungen, die die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit thematisierten. Unser Verhältnis war offen und herzlich. Ich erinnere mich an gemeinsame Fahrten in die Partnerstadt von Coswig, nach Ravensburg. Wir wurden gebeten, in Schulklassen zum Thema Leben in der DDR als Zeitzeugen zu berichten, was wir gern taten. Das waren spannende Erlebnisse für uns und die Schülerinnen und Schüler vor Ort.
Hanno hielt immer Kontakt, Neuigkeiten und Interessantes wurde ausgetauscht, kein Geburtstag ohne seine Glückwünsche!
Nun mussten wir von ihm nach seiner kurzen, schweren Erkrankung Abschied nehmen.
Noch nie habe ich eine so überwältigende Abschiedsfeier miterleben dürfen. Etwa 500 Trauergäste lauschten in der Striesener Versöhnungskirche den Worten seines Freundes, des Pfarrers i.R. Klaus Vesting. Er brachte uns den kritischen Geist Hanno Schmidt noch einmal nahe, nachdenklich, aber auch Anlässe zum Schmunzeln gebend. Alle, die konnten, sangen gemeinsam die von Hanno ausgewählten Lieder, darunter auch das, welches in der Friedensbewegung oft gesungen wurde.
Das letzte Lied erklang an seinem Grab.
Hanno, Du wirst fehlen!

Ilona Rau

Ein Opernklassiker neu entdeckt

Der aktuelle „Don Giovanni“ an den Landesbühnen bricht gekonnt mit der Tradition

Inszenierungsfoto | mit: Michael König, Franziska Abram, Doheon Kim, Yuliya Pogrebnyak, Marie-Audrey Schatz, Dustin Drosdziok (v.l.) und Paul Gukhoe Song (vorn liegend), Foto: C. Beier

Die Landesbühnen Sachsen als Mehrspartentheater sehen sich, anders als die auf eine bestimmte künstlerische Form spezialisierten Theater, Musiktheater und Orchester, vor die Herausforderung gestellt, aus dem gewaltigen Repertoire jene Stücke auszuwählen, die unter den Bedingungen vor Ort (und auf Reisen) überhaupt möglich sind. Diese Aussage ist keineswegs so trivial, wie sie auf den ersten Blick erscheint. Nicht ohne Grund kommt kein Operndirektor auf die Idee, Wagner-Opern in Radebeul aufzuführen oder mutet sich Bruckner-Sinfonien zu, denn für Teile des Repertoires sind Bühne und Orchestergraben im Radebeuler Stammhaus schlichtweg viel zu klein. Anders sieht es dagegen mit dem Sprechtheater aus: Mir fällt kein kanonisches Werk ein, dass sich nicht entweder im Großen Saal oder auf der Studiobühne umsetzen ließe. Insofern ist die Spielplangestaltung nicht nur künstlerischen und personellen Ressourcen unterworfen, sondern auch räumlich-technischen. Die Landesbühnen in Gestalt von Operndirektion und Intendanz machen seit jeher aus diesen Umständen das Beste, indem sie im Bereich des Musiktheaters diejenigen Stücke auswählen, die zu Ensemble und Elblandphilharmonie passen – und davon gibt es zum Glück eine ganze Menge! Ein besonders glückliches Händchen hat die seit dieser Spielzeit wirkende neue Operndirektorin Kai Anne Schuhmacher dabei mit der Wahl von Mozarts „Don Giovanni“ gehabt, deren Inszenierung sie selbst verantwortete und am 21. Januar als ihre insgesamt zweite Regiearbeit dieser Spielzeit zur Aufführung brachte. In „Don Giovanni“, den die Regisseurin selbst als den „bekanntesten Außenseiter der Operngeschichte“ bezeichnet, wird durch das Libretto von Lorenzo da Ponte ein bereits seit dem Barock in der europäischen Literatur- und Kunstgeschichte stetigen Wandlungen und Erweiterungen unterworfenes Sujet verarbeitet, welches durch die geniale Musik Mozarts eine im wahrsten Sinne des Wortes bis dato un-erhörte Ausdruckskraft gewann. Die Rezeptions- und Aufführungsgeschichte seit der Prager Premiere von 1787 ist kaum zu überschauen, weshalb es mutig ist, dass Kai Anne Schuhmacher einen ganz frischen Blick auf dieses zweiaktige Werk wirft. Denn allzu leicht erliegt man ja der Versuchung, ausgetretene Pfade noch ein bisschen breiter zu machen, womit man sich auf der sicheren Seite wähnt und die Erwartungen des tendenziell konservativen Opernpublikums in der Regel bedient. In der aktuellen Radebeuler Fassung jedoch werden die Zuschauer mit einer vom (Lebens-) Ende her gedachten Interpretation konfrontiert und nehmen an einer Art Lebensbeichte teil, die der altgewordene Don Giovanni (Michael König) sich selbst ableistet. Nur, dass ihm die Absolution versagt bleibt – denn wer sollte sie ihm auch spenden? Die von ihm verführten, verlassenen und betrogenen Frauen? Sie wären vielleicht dazu noch gewillt, würde es nur um sie selbst gehen, denn der junge Don (Johannes Wollrab) ist ja eine reizvolle und galante Gestalt. In einem (w)irren Erinnerungsrausch tauchen vor dem inneren Auge des alten Don all die Figuren aus dem Früher wieder auf und treten in (s)ein halluziniertes Jetzt, wie Anna (Yulia Pogrebniak) und Don Ottavio (Dustin Drosdziok), Elvira (Mary-Audrey Schatz), Zerlina (Franziska Abram) und Massetto (Do-Heon Kim), um nur die wichtigsten zu nennen. Aber Don Giovanni ist eben nicht nur Schwerenöter, sondern auch ein skrupelloser Mörder. Der Mord an Donna Annas Vater liegt wie ein Fluch über seinem Leben. Durch immer dreistere Lügen und Ausreden versucht sich Don Giovanni der Verantwortung gegenüber sich selbst und der Welt zu entziehen, was ihm aber schließlich nicht mehr gelingt. Da hilft auch nicht sein Diener Leporello (Paul Gukhoe Song), der die Affären seines Herrn nolens volens mitträgt. Auf diese neue Lesart muss man sich erst einmal einlassen, weshalb die Pausengespräche am Premierenabend sich auch darum drehten, ob das denn noch die Oper sei, die man zu kennen glaubte. Kai Anne Schuhmachers Inszenierungsidee mit der doppelt besetzten zentralen Figur funktioniert mit der Zeit erstaunlich gut. Nur am Anfang ist es etwas gewöhnungsbedürftig, den alten und den jungen Don Giovanni gemeinsam auf der Bühne zu sehen, ohne dass der alte Mann mit irgendeiner Figur sichtbar interagiert. Er ist, um ein Sprichwort wörtlich zu nehmen, der Schatten seines Selbst.
Die Regie verlegt die zeitlose Handlung – man denke sich statt des barocken Don Juan/Giovanni einfach skandalös-skrupellose Männer der jüngeren Zeitgeschichte wie Harvey Weinstein oder noch ein paar Jahre früher Dominique Strauss-Kahn – in eine unbestimmte Moderne. Modern genug aber für Fahrstuhl und Leuchtreklame in einer Pension, die vom alten Giovanni und seinem lahm gewordenen Diener geführt wird (Ausstattung: Lisa Däßler). Zwar mag es traditionsbewussten Opernfreunden schwer fallen, sich diese Handlung ohne klischeegeschwängerte Ästhetik vorzustellen, aber dafür entschädigt allemal die unsterbliche Musik. Die Elblandphilharmonie unter Ekkehard Klemm begleitet die Akteure mit einem schlanken Orchestersound, der den Erfordernissen einer originär für die Bühne komponierten Musik ebenso gerecht wird wie sie den Gesangssolisten stets stimmliche Entfaltungsräume eröffnet. Viel Schönes ist in italienischer Sprache zu vernehmen, wobei am Premierenabend vor allem Yulia Pogrebniak, Paul Gukhoe Song und Johannes Wollrab aus einem insgesamt sehr gut aufgelegten Ensemble noch herausragten. Für die Zuschauer angenehm ist die eingeblendete Übersetzung in Deutsch, wodurch der gelegentlich durchscheinende sprachliche Witz erfahrbar wird, etwa in der bekannten Registerarie des Leporello, in der er die Eroberungen seines Herrn in verschiedenen Ländern genüsslich aufzählt.
Am Ende des dreieinhalbstündigen Abends gab es langen und begeisterten Beifall des Publikums für alle Akteure. Im März wird diese gelungene Inszenierung insgesamt vier Mal im Radebeuler Haus gezeigt. Eine eindeutige Besuchsempfehlung gleichermaßen für alle Kenner dieser Oper, die sich einer neuen Lesart öffnen wollen, aber ebenso auch für jene, die „Don Giovanni“ bislang noch nicht auf einer Bühne erlebt haben und sich davon überzeugen (lassen) wollen, dass man klassische Opern stimmig als eine heutige Geschichte erzählen kann.
Bertram Kazmirowski
Nächste Aufführungen: 3.März 20 Uhr,  5. März 15 Uhr, 11. März 19.30 Uhr, 31. März 19.30 Uhr

Rückblick auf unsere Jahresversammlung

Unsere diesjährige Jahresmitgliederversammlung fand am 10.2.23 erstmalig im Café der FAMI statt. Turnusgemäß wurde der alte Vorstand von seinen Pflichten entlastet und schließlich in gleicher bewährter Besetzung einstimmig wieder neu gewählt.
In gemütlicher Atmosphäre saßen die Vereinsmitglieder, einschließlich der kompletten Redaktion, bei anregenden Gesprächen bei Schnittchen und Wein zusammen. Ein Wermutstropfen bleibt die bisher fehlende Verjüngung unserer Redaktion.


Die Redaktion

(alle Fotos: Karain (Gerhardt) Baum)

Gelungener Start ins 41. Jahr

oder ein ungewöhnliches Experiment in der Stadtgalerie Radebeul

Der 40. Geburtstag der Stadtgalerie Radebeul bot den Anlass für ein recht ungewöhnliches Experiment. Unter dem Motto „Reflexionen zwischen gestern, heute und morgen“ wurde erstmals ein Konzept mit offenem Workshopcharakter erprobt. Bis zum letzten Tag der Ausstellung kamen immer wieder neue Exponate hinzu.
Als Gastkuratorin war es mir ein großes Vergnügen, an diesem komplexen Projekt mitwirken zu dürfen. Die offene Atmosphäre beförderte die wechselseitige Kreativität und wurde zur spannenden Herausforderung. Werke aus dem reichhaltigen Bestand der städtischen Kunstsammlung sowie Chroniken, Besucherbücher, Fotoserien, Modelle, Entwürfe, Filmaufnahmen, Gestaltungselemente usw. ermöglichten diese lebendige und informative Präsentation. Eine angedeutete Kunstbibliothek mit Katalogen und Spezialliteratur hielt zusätzlichen Lesestoff bereit.

Foto: Karin (Gerhardt) Baum

Von der ersten Idee im Herbst des vergangenen Jahres bis zur letzten Veranstaltung am 6. Februar war es ein intensiver Marathon. Auf den Jubiläumstag genau wurde die Ausstellung am 16. Dezember eröffnet. Ein merkwürdiger Termin, so kurz vor Jahresende! Man wollte wohl, wie auch schon vor 40 Jahren das Plansoll noch rechtzeitig erfüllen. Kamen zur Eröffnung der Jubiläumsausstellung 80 Besucher, waren es am darauffolgenden Sonntag (4. Advent!) gerade mal 7 Personen. So richtig wurde dann am 8. Januar durchgestartet. Obwohl man die Ausstellung auf der Städtischen Homepage, in der Tagespresse und auch in Vorschau und Rückblick beworben hatte, wären zwei Banner in den Kreuzungsbereichen von Radebeul-Ost und -West wohl ganz hilfreich gewesen. Allmählich sprach es sich herum und am letzten Ausstellungssonntag wurden 73 Besucher gezählt. Die Statistik weist exakt 523 Besucher aus. Im Rahmen der relativ kurzen Ausstellung fanden 10 Sonderveranstaltungen statt.

Die reiche Bebilderung vergangener Projekte weckte Erinnerungen und wirkte sich belebend auf die Diskussionsfreudigkeit der Besucher aus. Kunstfreunde, die seit Jahrzehnten zum festen Besucherstamm gehören und der Stadtgalerie von Radebeul-Ost nach Radebeul-West gefolgt sind, waren natürlich über diese Ausstellung besonders erfreut. Plakate, Bild- und Textmaterialien erinnerten an die ehemalige „Kleine Galerie“, an externe Ausstellungsorte, an Projektreihen, verstorbene Künstler, intermediale Gemeinschaftsaktionen, an die Zusammenarbeit mit Vereinen und an herausragende Persönlichkeiten, die die Kunst- und Kulturszene in Radebeul über viele Jahre mitgeprägt haben. Strukturelle Veränderungen brachten auch Verschiebungen von Aufgabenschwerpunkten mit sich. So wechselte die „Kasperiade“ von West nach Ost, fiel die „Kulturbörse“ ganz weg und für die „Radebeuler Begegnungen“ muss sich erst noch ein neues Organisationsteam finden.
Zwischen Vernissage und Finissage waren den Einladungen zu Gruppenführungen der Rotary Club Radebeul, der Dorf- und Schulverein Naundorf, die Redaktion Vorschau und Rückblick, der Förderverein Internationales Wandertheaterfestival, der Radebeuler Fremdenverkehrsverein, der Kulturverein Radebeul, die AG Kötzschenbroda, die Kultur- und Werbegilde Kötzschenbroda sowie kunst- und kulturinteressierte Bürger und Stadträte aller Fraktionen gefolgt. Erstaunen löste die Fülle und Vielfalt der künstlerisch-kulturellen Projekte aus. Angesprochen wurden aber auch Probleme, die einer weiteren Thematisierung dringend bedürfen.

Sehr bedauert wurde, dass keine Verlängerung der vierwöchigen Ausstellung möglich war. Die durchschnittliche Verweildauer der Besucher betrug zirka eine Stunde. Erinnerungen wurden ausgetauscht, neue Ideen geboren und künftige Pläne geschmiedet. Einig war man sich, dass die Kommunikation zwischen Kunst- und Kulturschaffenden intensiviert werden müsste. Veranstaltungen sollten längerfristig angekündigt werden. Menschen, die keinen Internetzugang haben und über keine Tageszeitung verfügen, fühlen sich mitunter kulturell ausgeschlossen. Und nicht alles findet man im Veranstaltungsflyer oder Amtsblatt der Stadt Radebeul.

Das Galerieteam Magdalena Piper und Alexander Lange mit der Gastkuratorin Karin Baum, Foto: Karl Uwe Baum

Vierzig Jahre Stadtgalerie stehen für vierzig Jahre Kontinuität. Selbst wenn es so manche Turbulenzen zu überstehen galt, wurde die Existenz der Galerie von den Entscheidungsträgern nie in Frage gestellt. Jahr um Jahr wurde das notwendige Budget für die Bewirtschaftung der Räume, für Versicherungen, für Personal- und Materialkosten, für Honorare der ausstellenden Künstler, Eröffnungsredner, Musiker usw. in den städtischen Haushalt eingestellt. Ohne die ständige Sorge um die nackte Existenz, können sich die Mitarbeiter der Stadtgalerie viel stärker auf die fachliche Arbeit konzentrieren und öfters mal einen Blick übern kulturellen Tellerrand werfen.

Eine kommunale Galerie ist ja kein Solitär. Sie ist ein Ort der öffentlichen Präsentation, der aktiven Vernetzung, der Kommunikation, der Kunst- und Künstlerförderung, des künstlerischen Experiments und der Entwicklung neuer Präsentations- und Vermittlungsformen. So wurden, bedingt durch die Corona-Pandemie, erstmals virtuelle Ausstellungsrundgänge angeboten und die erfolgreiche Veranstaltungsreihe „Kunst geht in Gärten“ initiiert.

Über 60 Bildende Künstler leben allein in Radebeul. Ihr Interesse, sich in der städtischen Galerie zu präsentieren ist immens. Die Priorisierung erfordert von den Galeristen fachliche Kompetenz und ein hohes Maß an Diplomatie, denn nicht jeder, der vorgibt ein Künstler zu sein oder wie ein solcher aussieht, ist auch einer. Beurteilungskriterium ist deshalb einzig und allein die künstlerische Qualität.

Die Jubiläumsausstellung hat viele Menschen miteinander ins Gespräch gebracht. Anregungen wurden gegeben, Wünsche geäußert und immer wieder viele Fragen zum Gestern, Heute und Morgen gestellt. Darunter: Wann wird der wunderbare Sammlungsbestand endlich auch im Netz zusehen sein? Wohin mit der Städtischen Kunstsammlung, wenn diese ihr Domizil im Wasapark verlassen muss? Wie geht es weiter mit dem dringend erforderlichen Galerieerweiterungsbau?

Selbst wenn es auf diese Fragen zurzeit keine Antworten gibt, wird das den Tatendrang der Künstler und Galeristen nicht bremsen, denn die nächsten Ausstellungsvorhaben mit und ohne Jubiläen sind bereits in Sicht.

Karin (Gerhardt) Baum

 

Editorial

Jegliches hat seine Zeit!
Dieser Ausspruch trifft nach Jahrzehnten der Blüte nun mehr und mehr auch auf die bisher verstreuten Bankhäuser zu. Spätestens seit der Weltwirtschaftskrise von 2008 spricht man gar herzerwärmend von „notleidenden“ Banken.
Ab 1990 und eingeführter neuer harter Währung konnte es zahlreichen Geldinstituten gar nicht schnell genug gehen sich auf dem wohl betuchteren Radebeuler Pflaster häuslich einzurichten.
Nach über dreißig Jahren scheint die Zeit des lohnenden Abfischens nun jedoch vorbei zu sein.
Zumal die um sich greifende Digitalisierung mit all ihren Sparpotentialen die physische Präsenz der Geldhäuser faktisch obsolet macht und die R…, respektive Bänker das sinkende Schiff verlassen, um im Bilde zu bleiben.
In der Tat war das banking wohl noch nie so einfach wie heute und zahlreiche Bankgeschäfte lassen sich online ganz bequem vom häuslichen Schreibtisch oder ganz hip mobil per Smartphone tätigen.
Diese brave new world stößt allerdings nicht bei jeder Altersgruppe auf ungeteilte Gegenliebe. Insbesondere die ältere Generation ist – verständlicherweise – nicht immer willens die Bocksprünge der Technik noch mit zu vollführen. Für sie gibt es eben nicht mehr den gewohnten Schalter und Berater um die Ecke, sodass einfache Bankgeschäfte, sofern die Mobilität auch nicht gegeben, zur fast unüberwindbaren Hürde werden können. Die altbekannte Redewendung „etwas auf die lange Bank schieben“ erhält hier so ganz ungewollt eine völlig neue Lesart!
Heutzutage erlebt nun in Form der aus dem Boden schießenden und allseits prosperierenden Sanitätshäuser eine neue Branche an Aufschwung, die nun ihrerseits und nicht minder geschäftstüchtig für Hilfestellungen ganz anderer Art um ihre Kundschaft buhlt.

Sascha Graedtke

Mit Texten der brachialromantischen Hausapotheker Dieter Beckert und Jürgen B. Wolff durchs Jahr

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