Wie bunt ist Coswig wirklich?

Ein Spaziergang mit Carl Sigismund Romer durch die Große Kreisstadt Coswig (1. Teil)

 

Büste Romers. Einst auf dem Gelände seiner
Gärtnerei, jetzt in den Grünanlagen vor
der Karrasburg, dem Stadtmuseum Coswigs
Foto: I. Rau

Unlängst, als ich aus dem Rathaus kam, beschäftigt mit den aktuellen Problemen um Coswig, führten mich meine Schritte an der Grünanlage vor der Karrasburg vorbei. Dort stieß ich auf die Stele mit der Büste von Carl Romer. Er winkte und stieg von der Stele. Was wird das nun, dachte ich. Darauf begann er mir zu erzählen, wer er war und was er für Coswig geleistet hat. Also machten wir uns gemeinsam auf die Suche, seine Spuren zu finden bzw wie sein Erbe in Coswig geachtet wird. Zunächst zog er mich in die Dauerausstellung des Museums Karrasburg und verwies auf die Gedanken von Petra Hamann in ihrem Buch- Coswig hat Geschichte/1/. Daraus erfuhr ich, dass Carl Romer von 1872-1949 lebte. Er war ein Gartenunternehmer der ersten Stunde und Stadtverordneter von 1902-1932 sowie erster Ehrenbürger der Stadt (1932). Er hatte seine Gärtnerei in der heutigen Romerstraße. Dort spendete er auch die noch heute die Straße säumenden prächtigen Linden. Er legte den Grundstein für die Produktion von Moorbeetkulturen, errichtete Gewächshäuser incl. eines speziellen Pflanzenüberwinterungshauses in “seiner” Straße. Die Produktion von Azaleen, Kamelien Eriken gingen seitdem auf die Reise in die kleine und große Welt und machten Coswig bekannt. Dazu erwähnte ich ihm, dass z.B. die heutigen Gartenbaubetriebe Risse und Türke an der Dresdner Straße und Rudolph an der Grenzstraße sein Erbe als Groß- bzw. Einzelhändler wirtschaftlich fortführen. Daneben hat Coswig mit seinen Ortsteilen diverse weitere kleinere Gartenbaubetriebe und Verkaufsstätten für Gemüse, Pflanzen und Blumen. Coswig sollte damit einen guten Namen als grüner Standort haben. Ob das jedoch stimmt, das wollten wir beide nun wissen und ich spazierte mit wachen Augen von Kötitz bis in den Spitzgrund und auch durch die Ortsteile Sörnewitz, Brockwitz und Neusörnewitz, immer Herrn Romer im Nacken.Ich erläuterte ihm dabei, dass der Bauhof der Stadt heute sehr bemüht ist, mit jahreszeitlich abgestimmten Bepflanzungen der Stadt ein buntes Aussehen zu geben und zu den Festen um Ostern und Weihnachten das Auge zu erfreuen, ob z.B.um den Wettinplatz, dem Kreisverkehr oder am Bahnhof. Übrigens war auf dem Vorplatz des Bahnhofes mal ein Gemüsegarten, meinte spontan Herr Romer dazu/1/. Viel Engagement investiert man heute auch in die strassenbegleitenden Bepflanzungen in der Industriestraße, der Dresdner- oder der Hauptstraße. Soweit so gut, sagte er, aber wie stehen die Bürger der Stadt heute zu ihrem grünen Erbe? Überrascht war er schon, dass die Coswiger Bürger sich in 18 Kleingartensparten organisiert haben und somit ihrer Freizeit eine sinnvolle Beschäftigung geben und ihren grünen Daumen ausleben können. Dabei berichtete ich ihm über die z.T. harten Auseinandersetzungen um den neuen Flächennutzungsplan und der Absicht, dazu ggf. Garten- in Bauland zu wandeln. Hut ab vor den Bürgern, die dazu ihre Stimme erhoben und diese Absicht, egal wem der Boden gehörte, verhinderten, stimmte er mir zu. Sein spontanes Motto: “Coswiger, gärtnert dort weiter wie bisher und sichert Coswig auch im Zentrum weiter die grüne Luft und die Bindung von CO2!” Wie kam er aber jetzt auf CO2? Naja, ich flüsterte ihm zuvor Neuigkeiten aus der Jetztzeit zu, wie z.B., dass da noch die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens auch über Coswig und das mit einem Superschnellzug durch die Bundesregierung umgesetzte Klimaschutzgesetz vor uns stehen. Ah, meinte er, ähnliches gab es zu meiner Zeit auch schon im Stadtrat. “Ich begreife”, sagte er, “nun geht auch den letzten Politikern ein Licht auf, aber wir sind in Coswig, hat man hier dieses Zeichen noch rechtzeitig verstanden?” “Ja”, rief ich ihm sehr laut zu, “2020 hat der Rat einen Beschluß zur Erarbeitung eines “Integrierten Klimaschutzkonzeptes” gefasst und mit finanzieller Förderung die Stelle eines Klimabeauftragten eingerichet”. Diesen Gedanken nahm ich ohnehin aus dem Rathaus bzw. dem Stadtrat mit, als ich zur Büste von Herrn Romer ging. Vom Umweg über den Klimabezug lenkte ich seine Schritte zunächst weiter in den Interkulturellen Garten Coswig e.V. in der Jaspisstr., wo Stadträtin Cornelia Obst die Harke schwingt. Als Geschenk an die Stadt hat sie dazu 3 Pflanzen-/Blumenbänke hinter der Mauer des neuen Festplatzes gestaltet. “Donnerwetter, man ist also auch heute bemüht, ausserhalb der Hauptwege, Farbe in die Stadt zu bringen”. Dabei staunte er dort auf der Wiese auch über die neu gepflanzten Bäume und das Schild mit den dazu gehörenden Erläuterungen. Ich verwies ihn dabei auf eine Aktion des Stadtrates, auf Initiative der Fraktionen BnC (Bündnis für ein nachhaltiges Coswig) und der damaligen CDU- Fraktion, zunächst 150 Begrüßungsbäume für ehrenvolle Bürger und Neugeboren an verschiedenen Standorten der Stadt zu pflanzen. “Kann man sich mit eigenem Geld auch an der Finanzierung beteiligen?” wollte er wissen. “Natürlich, das ist sogar gewollt und kostet 50 €/Baum ohne Namensschild”. Leider war es ihm aber nicht vergönnt, Euros bei sich zu haben, sonst hätte er sich neben seinen Linden auf der Romerstraße auch hier beteiligt.

Carl Sigismund Romer

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1 Coswig hat Geschichte von Petra Hamann
Wissenswertes und Amüsantes aus dem Stadtarchiv
NOTschriften Verlag

Herausgegeben von der Großen Kreisstadt Coswig
1. Auflage 2012 ISBN 978-3-940200-82-2

Museum der Zukunft in Radebeul?

Aus einer Gesprächsrunde im Lügenmuseum

„Das Museum of the Future an der bekannten Schnellstraße der Stadt, der Sheikh Zayed Road, ist eine der berühmtesten Sehenswürdigkeiten von Dubai. Das von der Dubai Future Foundation gegründete Museum, das am 22. Februar 2022 eröffnet wurde, erforscht, wie die Gesellschaft sich mithilfe von Wissenschaft und Technologie in den kommenden Jahrzehnten entwickeln könnte.“

Mit diesem Text und dem Abbild einer riesigen stählernen Plastik mit arabischen Schriftzeichen inmitten einer von Hochhäusern geprägten Stadtlandschaft lockt eine Webseite die Nutzer an, sich auf ihr und natürlich besonders vor Ort in der Stadt und im Museum umzusehen. Den Aufenthalt in Dubai kann man da gleich mit buchen. Und wie selbstverständlich ist auch der Text der Seite natürlich in Deutsch verfasst.

Die Plastik entpuppt sich schließlich als das eigentliche Museum, in welchen der Besucher erfährt, wie unserer Leben in 50 Jahren aussehen könnte. In der Hauptsache geht es um Themen wie Raumfahrt, Lebensstil, Klimawandel, Umweltschutz, Gesundheit und Spiritualität. Wer dieses Museum betritt, wähnt sich, bereits in der Zukunft angekommen zu sein. Die Karte ist schon ab 35 Euro zu haben.
 
So spektakulär freilich und so teuer ging es am 1. März dieses Jahres in Radebeul nicht zu. Auch das Gebäude, in das zu der Diskussion um das „Museum der Zukunft“ eingeladen wurde, wirkt nicht gerade zukunftsweisend. Die Einladung, auch wenn sie vom Lügenmuseum ausgesprochen wurde, war aber durchaus ernst gemeint, was man schon an den zahlreichen Teilnehmern und deren Zusammensetzung erkennen konnte. Unter den Besuchern aus Radebeul und dem Umland befand sich auch eine ganze Reihe mit einschlägigen fachlichen Kenntnissen zur Thematik ausgestatteten Persönlichkeiten. Unter anderem Prof. Dr. Oliver Rump von der Berliner Hochschule für Technik und Wissenschaft, wo er in den Studiengängen Museumskunde / Museologie sowie Museumsmanagement und -kommunikation lehrt.

Auch die Redaktion von Vorschau & Rückblick war mit einer ansehnlichen Delegation vertreten.
 
Für manchen Teilnehmer der Diskussionsrunde mag freilich das Thema wie aus „heiteren Himmel“ gefallen sein. In der Museumslandschaft nicht nur der Bundesrepublik jedenfalls geht es mindestens seit 2019 in der Angelegenheit heftig zur Sache. Diese kontroverse Debatte wird nicht nur im musealen Kreisen ausgetragen, sondern in öffentlichen Streitgesprächen, wie beispielsweise am 30. Januar 2020 im Lichthof des Jüdischen Museums Berlin vor 500 Zuhörern. Ausgerechnet dort trafen mit Léontine Meijer-van Mensch, Direktorin der Staatlichen Ethnographischen Sammlungen Sachsens sowie Mitglied des ICOM Executive Boards und Markus Walz, Professor für Theoretische und Historische Museologie an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK) sowie Mitglied des Vorstandes von ICOM Deutschland, zwei Experten aufeinander, die gegensätzlicher nicht hätten sein können. Zur Erläuterung: ICOM steht für Internationaler Rat von Museen. Auf die gesamte Problematik und die Kontroversen soll hier aber nicht weiter eingegangen werden. Wer will kann sich zu dieser Thematik ausreichend im Internet informieren.
 
Anlass zu den zahlreichen Debatten bot die vom Internationalen Rat von Museen in die Diskussion gebrachte Neubestimmung der Definition des Begriffs „Museum“, die mittlerweile in abgeänderter Form Ende des Jahres 2022 beschlossen wurde. Die Notwendigkeit dafür ergebe sich, so eine weit verbreitete Auffassung, aus den Veränderungen der Gesellschaft und den neuen Formen der Kommunikation. Auf diese Situation müsse auch das Museum reagieren, wenn es eine Zukunft haben wolle. Ob nun aber der Slogan „Hauptsache Publikum!“ des Deutschen Museumsbundes hierfür der richtige Ansatz ist, möge dahingestellt bleiben, fragwürdig scheint der allemal zu sein. Haftet ihm doch die allzu bekannte „Tonnen-Ideologie“ und die Verwertbarkeit dieser Einrichtungen an. Und so spiegelte sich das dann auch, wenngleich nicht so heftig, in der regen Diskussion zu dieser Thematik im ehemaligen Serkowitzer Gasthof wider.
 
Das Museum, so Prof. Oliver Rump, solle mehr an die Menschen herangetragen werden, denn mit der ständig voranschreitenden Digitalisierung verändert sich auch deren Wahrnehmung. Sowohl die Besucher als auch die Museen müssten deshalb stärker mit einander interagieren. Und wie zur Bestätigung des gerade Gesagten unterbrach der Musiker Gabriel Jagieniak die Redner, um mit seinem Akkordeon eine musikalische Zusammenfassung der bisherigen Diskussion den Gästen zu bieten.
 
Schnell gelangten die Gespräche allerdings auf das Praktisch-Machbare, und so beschrieb die Leiterin des Dresdner Kunsthauses Raskolnikow Iduna Böhning ihre Erfahrungen bezüglich der Sicherung des Objektes, bei der auch außergewöhnliche und schmerzhafte Wege beschritten werden mussten. Reinhard Zabka, der die Diskussion recht unkonventionell führte, informierte die Gäste unter anderem über die produktive Zusammenarbeit des Lügenmuseums mit der Stadt Riesa.
 
Museen „sammeln, erhalten, erforschen, interpretieren, stellen aus und erweitern das Verständnis der Welt, mit dem Ziel zur Würde des Menschen, sozialer Gerechtigkeit, globaler Gleichheit und dem Wohlbefinden des Planeten beizutragen“, so ein Auszug aus der neuen Definition. Museum aber ist auch ein gemeinnütziger Ort, eine „der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtung im Dienste der Gesellschaft und ihrer Entwicklung, die zu Studien-, Bildungs- und Unterhaltungszwecken“ dient, meint Claudia Thom von der Stadtverwaltung Kreuzlingen. Und schaut man in das Besucherbuch des Lügenmuseums, so kann man förmlich das Wohlsein der Gäste herauslesen, die aus aller Herren Länder kommen.
 
Gewissermaßen als Quintessenz des Abends konnte deshalb der Professor Rump zusammenfassend feststellen, dass das Lügenmuseum aus fachwissenschaftlicher Sicht erhalten bleiben muss, weil es schon heute erfüllt, was die neue Definition des Internationalem Rates von Museen fordert, das interaktive Museum.                                                          

Karin und Karl Uwe Baum
 
 
 

Zauberhaft

Die 25. Ausstellung in der Galerie mit Weitblick zeigt
Besondere Figuren von Rita Goldschmidt

Der Himmel hatte es gut gemeint mit der Galeristin Doro Kuhbandner und ihren Gästen zur Eröffnung der Ausstellung mit Arbeiten der Radeburger Künstlerin Rita Goldschmidt am 19. Februar.

Foto: R. Goldschmidt

Der Hof vor dem schmucklosen Nebengebäude in der Oberen Bergstraße war trocken, hin und wieder zeigte sich eine blasse Sonne und die Temperaturen waren – dem Klimawandel sei Dank – für Februar ausgesprochen mild. So konnten sich die zahlreichen Besucherinnen und Besucher Zeit nehmen und bei Gesprächen und dem einen oder anderen Glas Wein im Freien auf eine Gelegenheit warten, den „zauberhaften“ keramischen Wesen der Künstlerin persönlich entgegen zu treten.

Foto: R. Goldschmidt

Wohl in Form gebracht atmen die Figuren ihrerseits selbstbewusst und mit Schalk im Nacken den Lebensmut und -willen ihrer Schöpferin.

Foto: R. Goldschmidt

Foto: R. Goldschmidt

Die studierte Betriebswirtschaftlerin Rita Goldschmidt hat lange Jahre als Projektmanagerin und Ausstellungsgestalterin an der Staatlichen Porzellanmanufaktur Meißen engsten Kontakt zur „AG Künstlerische Entwicklung“ um Prof. Heinz Werner pflegen können. Hier hatte sie die Aufgabe, die Unikate der Meister zu beschreiben und ins rechte Licht zu rücken. So konnte sie tief in die künstlerische Welt der „Olympier“ eindringen. Noch heute sieht sie darin weitere Studienjahre: Farbenlehre, Formenkunde, Materialtechnik erlebte sie aus erster Hand. Diesen Fundus konnte sie schließlich neben ihrer eigenen Kreativität einbringen ins eigene Atelier, als eine der für unvermeidlich gehaltenen Umstrukturierungswellen auch sie ins Freie spülte. Hier nun, wo sie selbstbestimmt agieren kann, drückt sie ihre weltweit gewonnenen Reiseeindrücke, ihre vielen Freuden und ja, sicher auch so manchen Kummer in den weichen Ton. In ihrem Ofen erwachen die Figuren dann zu eigenem Leben, und sie wollen ihrerseits in die Welt hinaus. Spontan beteiligte sich die Künstlerin 2019 am ersten Karikaturenwettbewerb ihrer Heimatstadt. Ihre Betrachtungen zum Thema Hunger und deren Umsetzung brachten ihr gleich einen Sonderpreis ein. Wenn sie darin für das „Jahr 2110“ eine künstliche Intelligenz „Hunger“ als „Energiemangel im analogen Körper“ erklären lässt, offenbart sie zugleich ein gerüttelt Maß an sarkastischem Realismus.

Foto: R. Goldschmidt

Foto: R. Goldschmidt

Im Ganzen aber erweist sich Rita Goldschmidt mit ihren Arbeiten als heitere Spielerin, die das Leben und seine durchaus (noch) vorhandenen schönen Seiten zu genießen und zu nutzen versteht.

Der Galerie mit Weitblick sei im elften Jahr ihres Bestehens weiter viel Erfolg bei größtmöglicher Heiterkeit gewünscht. Rita Goldschmidt hat das Ihre dazu beigetragen.

Im Rahmen der Ausstellung findet am 16. April 17 Uhr eine Lesung statt. Thomas Gerlach liest aus dem gemeinsam mit Rita Goldschmidt gestalteten Buch „Im Licht der Blauen Sonne“ Geschichten aus und über Island. Herzliche Einladung auch dazu.

Thomas Gerlach

Jubiläumskonzert des Lößnitzchor Radebeul e.V.

Eine Reise quer durch unser Repertoire

Der Lößnitzchor e.V. Radebeul lädt herzlich zu seinem Jubiläumskonzert anlässlich des 35jährigen Bestehens des Chores ein. Dieses findet am 15.4.2023 um 16 Uhr in der Lutherkirche in Radebeul statt. Aus unserem umfangreichen Repertoire werden unter der Leitung von Eric Weisheit Lieder verschiedenster Epochen und Stilrichtungen erklingen, teilweise instrumental begleitet. Auch unser kleiner Chor, die Gruppe „fEinklang“, wird ihr Können präsentieren. Als besonderes Highlight werden wir Teile der Messe D-Dur von Antonin Dvo?ák mit Orgel darbieten. Dabei unterstützt uns der Kammerchor des Friedrich-Wolf-Chores Dresden, die „Zwischentöne“, der unser Programm als Gast mit einigen eigenen Beiträgen bereichern wird.

Tagesfahrt am 30.4.22
Foto: W. Papke

1987 als Betriebschor der LPG Frühgemüsezentrum gegründet, erhielt der Lößnitzchor 1990 seinen heutigen Namen. Sechs Chorleiter haben sich bisher unseres Chores angenommen, und jeder brachte neue Lieder und Stilrichtungen in unser Repertoire ein. So ist dieses in den letzten 35 Jahren auf inzwischen fast 600 Lieder angewachsen. Seit 2013 ist Eric Weisheit unser Chorleiter. Unsere langjährige Chorleiterin Frau Lore Weise steht uns weiterhin treu zur Seite.

Im letzten Jahr konnten wir unser Jubiläum aufgrund von Corona leider nicht gebührend begehen. Es fand eine gemeinsame Tagesfahrt statt, aber das war vielen nicht genug. Der Wunsch nach einem Konzert zum Jubiläum war groß, weshalb wir uns entschlossen haben, dieses einfach 2023 nachzuholen. Danke an die Lutherkirche Radebeul!

Wir freuen uns auf viele interessierte Zuhörer, die uns auf der Reise quer durch unser Repertoire begleiten.

Laura Hackeschmidt
Lößnitzchor e.V. Radebeul

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http://www.loessnitzchor.de

30 Jahre !

Das Ziel des „vereins für denkmalpflege und neues bauen radebeul e.V.“, gegründet am 25.Februar 1993 war es, die Erhaltung des besonderen Charakters unserer Stadt zu fördern.

Waffenstillstandstafel, Radebeul
Foto: J. Bergner

Welchen Charakter? Das individuelle Gepräge unserer Umgebung, die über Jahrhunderte, Jahrzehnte, Jahre entwickelten Eigenschaften, Besonderheiten, Eigenarten unserer, durch die Elbe, die Elbaue, die Weinberghänge, die Hochflächen geprägten Stadt-Landschaft. Laut Lexikon würde man bei einem Menschen von ererbten und erworbenen Eigenschaften sprechen, die in seinem Wollen und Handeln zum Ausdruck kommen, zu einem guten oder schwierigen Charakter führen. Trifft das bei einer Stadt ebenso zu? Die „ererbten“ und „erworbenen“ Eigenschaften umgeben uns täglich, lassen uns genießen, gleichgültig sein oder auch erschaudern. Ein guter oder ein schwieriger Charakter? Auch hier gibt es die vielen berühmten Grautöne. Das Schöne ist nicht nur die Abwesenheit des Hässlichen. Das Schöne ist Geborgenheit, Stimmigkeit, Vertrautheit, Heimat, das Weiterführen von Traditionslinien, ohne diese nur zu kopieren, auch das behutsame Einfügen des Neuen. Und das wollen wir auch noch immer fördern.

„Verblüffen Sie die Pessimisten“ lautete der Slogan im Gründungsaufruf, unterzeichnet von Thomas Gerlach, Jens Baumann und dem leider viel zu früh verstorbenen Tilo Kempe. Und es kamen (und blieben) die Optimisten. Die Verblüffung ist nun auf unserer Seite, sind wirklich schon 30 Jahre vergangen?

Begonnen hat es in den 90er Jahren im Haus Lotter, unserem Domizil, mit Vorträgen zu Denkmalschutz und Denkmalförderung, Archäologie, Restaurierung. Begleitet von Exkursionen und Ausstellungen, von der Mitgestaltung des Tages des offenen Denkmals und immer auch von kulturellen Höhepunkten, ging es um Orientierung, Horizonterweiterung, Wissensaneignung, Schärfung des eigenen Blicks und des Urteilsvermögens, um Diskussionsbereitschaft und –fähigkeit und letztlich auch den kritischen Umgang mit Stadtplanung und Bau. Baustellenbesuche und Weiterbildungen aus und für den Mitgliederkreis und Gäste rundeten das Programm ab.

1995 dann die erste Vereinsspendenaktion: die Stiftung und Enthüllung einer Tafel anlässlich der 350- Jahr-Feier des Waffenstillstandes von Kötzschenbroda, bedeutsam, wie die Zeit lehrt.

Es begann die intensive Beschäftigung mit der Planung von Radebeul mit der Vorstellung und Diskussion zur Stadtentwicklungskonzeption (1996). Es wurde über die Notwendigkeiten und Möglichkeiten von Erhaltungssatzungen informiert und diskutiert, 25 Jahre bevor diese nun beschlossen ist. Die erste Ausstellung zum „Neuen Bauen in Radebeul“ wurde eröffnet, neben der permanenten Einbindung der Arbeit der Denkmalpflege vor Ort. Der Auftakt zur Reihe „Kunst im öffentlichen Raum“ war gelungen, der erste Fotowettbewerb zu „Stadtansichten“ wurde ins Leben gerufen und der erste „Parkeinsatz“ im Hohenhaus-Park startete. 1997 begann die Verleihung des Bauherrenpreises gemeinsam mit der Stadtverwaltung. Die vom Verein erneuerte Gedenktafel am Hohenhaus wurde enthüllt.

Radebeul, Heimkehrerstein
Foto: X-Weinzar

In den ersten fünf vielfältigen Jahren hatte der Verein schon umfangreiche Fähigkeiten erworben und konnte sich zunehmend in der Stadt einbringen und die Stadt profitierte durch das erlebbare Erinnern an die „ererbte“ Eigenart.

Der Bauherrenpreis wurde nun jährlich vergeben. Vorträge, Exkursionen, Wanderungen, Atelier- und Werkstattbesuche sowie Ausstellungen setzten sich fort, literarische Programme ergänzten das Vereinsleben. Die Figurengruppe „Chronos und die Trauernde“ rückte 1999 in den Blickpunkt, ebenso der Schutz der Weinberge durch eine Hangsatzung.

Das Jahr 2000 war besonders intensiv mit durchschnittlich monatlich zwei Veranstaltungen, u.a. mit der ersten Veranstaltung zum Bismarckturm, unserem späteren „Großprojekt“. Private Spenden ermöglichten unserem Verein, gemeinsam mit dem Denkmalschutzamt, eine neue sichere Aufstellung des über Jahre anderweitig gelagerten Heimkehrersteins (Dreimännerstein) am ursprünglichen Standort an der Kaditzer Straße.

Auch 2001 und 2002 ging es intensiv weiter, bis uns und andere 2002 die Flut ausbremste. Geplante Wanderungen und Vorträge fielen aus und wurden durch operative Arbeitseinsätze ersetzt.

Ab dem 10. Jahr des Bestehens war der Verein nun auch online vertreten. Zu unserem Jubiläum startete der Spendenaufruf für das Projekt „Chronos und die Trauernde“, verbunden mit Vorträgen und Veröffentlichungen. 2005 war es dann soweit, die Figurengruppe konnte mit unserer Unterstützung feierlich eingeweiht werden. Ab Frühjahr 2005 gestalteten Mitglieder unseres Vereins einen kleinen Platz um den 1989 sanierten Wettin- bzw. Weiberstein an der ehemaligen Poststraße in Serkowitz. Die Sanierung des Muschelpavillons am oberen Ende der Spitzhaustreppe wurde durch den Verein koordiniert und unterstützt.

Seit 2006 wurde der Tag des offenen Denkmals durch den Tag der offenen Aussicht ergänzt und vom Verein mitbestritten. Bei der Anerkennung der Bauherren ist nach zehn Jahren der 50. Preis erreicht. Der Fontainenplatz in der Dr. Schmincke- Allee wird 2007 Gegenstand eines Vortrages und der Planung durch den Verein. Gleichzeitig, anlässlich des 100 jährigen Jubiläums der Einweihung des Bismarckturms, weitete ein Vortrag über Bismarcktürme unseren Blick. Ganz konkret wurde für sechs Wochen eine mobile Stahltreppe im Inneren des Turms aufgebaut, um eine Nutzung als Aussichtsturm zu testen.

Das 15. Jahr im Vereinsleben begann mit der Anbringung der Gedenktafel für Richard Steche. Eine Baustellenführung auf der Niederwarthaer Brücke rückte die Weite des Elbtales und den Zusammenklang der Elbtalgemeinden in den Blick. Das Projekt Fontainenplatz nahm Gestalt an, das Brunnenbecken wurde freigelegt, die Fontaine aktiviert, am 30. Mai die Informationstafel installiert und am 16. November der mit Vereinsunterstützung fertiggestellte Schmuckplatz durch den Oberbürgermeister eingeweiht. Die 2009 komplettierte Bepflanzung nach historischem Vorbild mit Eibenkegeln, Berberitzen-Hecken und Rosen, war einem vom Verein organisierten „Pflanzeinsatz“ zu verdanken.

Radebeul, Fontainenplatz 5
Foto: X-Weinzar

Das Pro und Kontra von Gestaltungsregeln wurde 2010 diskutiert. Als Beitrag unseres Vereines zum 75-jährigen Stadtjubiläum konnte der Grabstein von Graf von Wackerbarth aufgestellt werden. Der Tag des offenen Gartens wurde ins Leben gerufen unter reger Teilnahme der Bewohner der mittleren Eduard-Bilz-Straße. Zum Bilzplatz wurde eine Bachelorarbeit betreut als Auftakt einer bürgerschaftlichen Planung. Der Platanenplatz wurde zum Pflanztag aufgewertet.

Der Vortrag „Radebeuler Häuser und ihre Bewohner“ und Besuch der Villa Sommer im Jahr 2011 war Auftakt der gleichnamigen Veranstaltungsreihe. Seit 2011 wirken wir beim Moritz-Ziller-Preis für Stadtgestaltung mit, dafür wurde der Bauherrenpreis nun nicht mehr jährlich ausgelobt.

2012 stand der Bismarckturm im Fokus, im März mit der Eröffnung Ausstellung Bismarckturmideen, im April mit der Präsentation der ersten Ideen, im November mit der Vorstellung des Zwischenstandes „Bismarck“. Gleichzeitig erfolgte die Aufstellung der zwei Schautafeln zur Villenkolonie Altfriedstein. Der Schlussstein des Weinbergtors zur Lage „Goldener Wagen“ und die Toranlage wurde von Schloss Wackerbarth saniert. Unser Beitrag war die anschließende Vergoldung des Schlusssteins.

Das 20. Vereinjubiläumsjahr war wieder ein sehr intensives, es startete im März mit unserer Festveranstaltung und es folgten neben vielen Fachvorträgen nun schon etablierte Veranstaltungsreihen (Pflanztag, Gartentag, Tag der offenen Aussicht, Tag des offenen Denkmals, Radebeuler Häuser). Am Pflanztag im Frühjahr unterstützte der Verein die Verschönerungsaktionen der kleinen Fußgängerinsel gegenüber der Ziegeninsel von Kötzschenbroda. Hervorzuheben ist das, über das Jahr laufende, Schülerprojekt „Putzschnitte“, dessen Ergebnisse im Oktober vorgestellt wurden. Am 29.5.2013 erhielt unser Verein eine einstimmige Genehmigung durch den Stadtrat, den Bismarckturm für seine neuen Ideen nutzen zu dürfen. Daraufhin startete unsere große Spendenaktion.

Am 01.04. 2014 bot der Vortrag „Bismarck und die deutsche Kultur“ im Rahmen eines Spendenessens die Gelegenheit um Unterstützung für unser Treppenbauvorhaben zu werben. Der „stürmische“ erste Spatenstich erfolgte am 1. April 2015, verbunden mit der Festveranstaltung anlässlich des 200. Geburtstages Bismarcks. Acht Wochen später erreichte das Spendenaufkommen bereits 100.000 Euro. Ein trauriger Einschnitt in jenem Jahr: Tilo Kempe, einer unserer Mitbegründer, verstarb im Herbst. Seine klaren Worte fehlen uns noch immer. Von unserem geliebten, stilvollen Domizil im Winzerhaus „Haus Lotter“ mussten wir uns verabschieden und zogen in unseren neuen, ebenso kulturvollen Vereinssitz im „Haus Helmich“.

Das Jahr 2016 begann mit Sanierungsgebieten und städtischen Bauaktivitäten sowie den Planungen zu den Hochwasserschutzmaßnahmen in Radebeul. Unser Bismarckturmprojekt wurde nun neben der planerischen Tätigkeit jährlich mit einem Bismarck-Herings-Essen aktiviert. Der 1. April 2017: die Spendenzusagen erreichen 247.000 €. Am 16.Juni 2017 weihten wir Brunnen, Skulptur und Freiflächen am Bilzplatz ein, ein Vorhaben, das Stadtplanung, Bewohner und Verein förderten und gemeinsam realisierten.

Laut Kalkulation waren für den Bismarckturm- Gesamtprojekt inkl. Aussichtsplattform ca. 280.000 € erforderlich. Es fehlten noch ca. 20.000 €. Erneute Spendenaufrufe zur Akquirierung der fehlenden Gelder waren erfolgreich. Im August 2017 erreicht der Spendenstand 268.309 €. Im Herbst war die Vergabe der Bauarbeiten abgeschlossen, im September 2018 begann das Einbringen der Treppenspirale, ein Erfolg im 25. Jahr des Vereins. Der Spendenstandanzeiger hatte die Summe von 295.000,- € erreicht. Am Sonntag, den 8.September 2019 wurde die Treppenspirale und Aussichtsplattform im Bismarckturm eingeweiht. Geschafft! Der Turm hat mehr als 100 Jahre nach seinem Bau, nun eine Treppe und eine Plattform, von der die Radebeuler und ihre Gäste sich im Rundumblick, Weitblick und Überblick üben können. Wieder ein großer Schritt zum „guten Charakter“ unserer Stadt.

2020 sollten die Erhaltungssatzungen Ober- und Nieder-Lößnitz eine Rolle spielen und vieles mehr, bedingt durch Corona-Pandemie mussten zahlreiche Veranstaltungen abgesagt werden, nur unsere 2018 begonnenen Bauherrenpreis-Wanderungen fanden jährlich statt. Und wir konnten unseren Beitrag zur Aufstellung des Wendesteins vor den Landesbühnen leisten.

Im „beruhigten“ Jahr 2021 verlegten wir unseren Vereinssitz in die Villa Walter. 2022 konnten wir aufatmen. Seitdem steht die Untere Denkmalschutzbehörde vor Ort im Familienzentrum in Altkötzschenbroda gemeinsam mit Vereinsmitgliedern zur Beratung Radebeuler Bürger zur Verfügung. Und mit einem Arbeitseinsatz im Pavillon Mohrenhaus begann inhaltlich unser neues Spendenprojekt.

Nicht alles kann hier berücksichtigt werden. All die vielen engagierten Mitglieder und Unterstützer aufzuzählen, sprengt den Rahmen des Beitrages. Über Vieles kann und muss mehr berichtet werden, z.B. die Spielgruppe Hohenhaus, die aktive Mitarbeit/ Auseinandersetzung mit dem ersten Flächennutzungsplan 2006, die umfangreichen Stellungnahmen seit 2007, die wir als Mitglied im „Landesverein Sächsischer Heimatschutz e. V.“ verfassten, der als TöB (Träger öffentlicher Belange) gilt. Die vergriffenen Veröffentlichungen der Beiträge zur Stadtkultur (Loseblattsammlung) von 2001 bis 2011 sind zu erwähnen, ebenso das Bauherren-Doppel als Merk- und Ratespiel über 10 Jahre Bauherrenpreis Radebeul. Unvergesslich sind die zahlreichen Exkursionen und auch die jährlichen Weihnachtsfeiern im Haus Lotter, Haus Sorgenfrei, in Schwarzes Tonne, im Haus Lorenz, in der Hoflößnitz, in der Grünen Linde, immer wieder in der Diakonie und in der Familieninitiative. Auch diese Aufzählung zeigt unsere Vernetzungen im Stadtgefüge.

Über 100 Bauherrenpreise wurden inzwischen vergeben, 2025 steht das nächste Jubiläum, die 20. Bauherrenpreisverleihung an. Die Berufung in das Gestaltungsforum der Stadt Radebeul seit 2022 und unsere „30 Jahre Festveranstaltung“ am 26.03.2023 hat das Interesse an und die Wertschätzung unserer Arbeit bestätigt. Und oft sind es neben den großen gerade die vielen kleinen Aktivitäten, die den Kitt einer Stadtgemeinschaft ausmachen.

Unsere neue frische Website lädt ein: Erkunden Sie unseren Verein, verblüffen Sie die Pessimisten, treten Sie ein und fördern auch Sie die Erhaltung des tatsächlich besonderen Charakters unserer Stadt Radebeul.

Ganz konkret bietet auch unser Spendenaufruf zur Wiederherstellung des Pavillons am Mohrenhaus dazu Gelegenheit. Der Verein will das Bemühen der Stadtverwaltung, den Pavillon in seiner alten Pracht wieder herzustellen, nach Kräften unterstützen. Dafür werben wir Spendenmittel ein. Näheres erfahren Sie auf unserer Website www.denkmalneuanradebeul.de und in der kommenden Ausgabe.

Dr. Grit Heinrich, erste Stellvertreterin des vereins für denkmalpflege und neues bauen radebeul e.V

Editorial

Frühlingserwachen in Radebeul!

Stellen Sie sich vor, es ist Frühling und alle machen wieder mit.

Stellen Sie sich vor, die Menschen können sich begegnen ohne Masken, Tests und jeglicher Beschränkungen.

Undenkbar für ganze drei Jahre. Und nun ist das eigentlich Normale wieder möglich, was fast unmöglich, ja utopisch schien. So wandeln sich die Zeiten. Doch Vorsicht, wir wurden wiederholt belehrt, wie fragil das Selbstverständlichste ist.

Und schon sind wir bei der nächsten Frage: Was ist so selbstverständlich in diesen Tagen? Das ist an dieser Stelle nicht zu diskutieren.

Immerhin, Kultur, in all seinen Facetten, bleibt immer eine gute Antwort gegen den Wahnsinn der weltlichen Realität.

Und Kultur befindet sich endlich wieder im Aufwind, hier in Radebeul und im Umland!

Als Redakteur war es eine Freude all die kreativen Ideen und Projekte hier zusammenzuführen zu dürfen. Stöbern Sie und nutzen Sie die zahlreichen dargebotenen Angebote!

Ein besonderes Ereignis in diesem Monat ist das 30-jährige Bestehen des „verein für denkmalpflege und neues bauen e.V.“, das in diesem Heft in der Überschau über die letzten Jahrzehnte mit einem zweiteiligen Beitrag aufwartet. Der Verein wurde in all den Jahren mit zahlreichen Beiträgen intensiv von uns begleitet. Auch für die folgenden Hefte sind themenspezifische Beiträge angekündigt. Darauf freuen wir uns.

Liebe Leserinnen und Leser, leben Sie den kulturellen Reichtum der uns – noch – umgibt!

Wie kürzlich den Gazetten zu entnehmen, steht das traditionsreiche Elbhangfest in Dresden kurz vor dem Aus, da bisher zu wenige Karten verkauft wurden! Dies sollte uns eine Warnung sein!

Also Frühling, und alle machen mit!

Sascha Graedtke

Zum Titelbild V&R März 2023

Meißner Straße 79 „Vier Jahreszeiten“

Dieser Name für ein gutbürgerliches Restaurant mit Hotelbetrieb hatte in Radebeul Ost mal einen guten Klang. Bei schönem Wetter saß man auch gern im Garten unter Kastanien. Den Saal hatte ich nie im eigentlichen Sinne erlebt, nur geschlossen oder als Interimsverkauf für Schuhe, glaube ich. Das Errichtungsdatum ist hier durch Erweiterung schwer auf den Punkt zu bringen: 1877 bis 1889. An den spärlichen Stilmerkmalen erkennt man sowohl spätklassizistische als auch gründerzeitliche. Der Gebäudekomplex stand zu keiner der beiden Straßen parallel und erzeugte so einen interessanten Freiraum zur Kreuzung hin.

Foto: D. Lohse

Der Abriss (es war kein Denkmal) erfolge 1994. Mit dem Neubau an gleicher Stelle wollte Fleischermeister Hermann Lehner expandieren, er scheiterte daran aber. Der Neubau mit Geschäften, Büros und Wohnungen korrespondiert städtebaulich mit der kürzlich eröffneten Passage gegenüber. Früher bildete das alte Gehöft von Bauer Haase das Gegenüber. An die Gaststätte erinnern nur noch ein paar alte Bäume, Linden und Kastanien.

Dietrich Lohse

6. Thematischer Filmclubabend

 

Ein Jahr Film Club Mobil liegt hinter uns. Neben den in Radebeul bereits etablierten und sehr erfolgreichen Veranstaltungsreihen „Literaturkino“ und „Traumfabrik“ wollten wir ein eigenständiges Profil entwickeln. Seitdem haben wir mit unserem flexiblen „Wanderkino“ viele bemerkenswerte und filmvernarrte Partner kennengelernt. Guten Rat und fachliche Unterstützung bekamen wir durch den Filmverband Sachsen, den Kulturverein der Stadtbibliothek, die DEFA-Stiftung, die Bundesstiftung Aufarbeitung, das Studio Klarheit und die Filmgalerie Phase IV. Selbst mit der Vorführtechnik, an der wir anfangs fast verzweifelt wären, klappte es zunehmend besser. Geschätzt wurde die gastfreundliche Atmosphäre an den wechselnden Aufführungsorten und so bildete sich nach und nach ein kleiner Stamm von Interessierten, welche mit dem Film Club Mobil auch weiterhin gern auf Wanderschaft gehen und mit anderen Menschen über Filme diskutieren möchten.

am 16. und 17. März 2023, Beginn 19.00 Uhr
in der Heimatstube Naundorf, Fabrikstraße 60, 01445 Radebeul

Schneewittchen

1961, DDR, DEFA-Märchenklassiker, P 0, 62 Minuten, Farbe, Spielfilm
Regie: Gottfried Kolditz, Drehbuch: Günter Kaltofen
Literarische Vorlage: Gebrüder Grimm „Schneewittchen“

In das diesjährige Veranstaltungsjahr starten wir mit dem Klassiker „Schneewittchen“ aus dem Jahr 1961. Dieser zählt zu den frühen Märchenfilmen der DEFA. Aus heutiger Sicht ist es erstaunlich, dass diese Studioproduktion ganz ohne aufwändige technische Raffinessen auskommt. Die junge Schauspielerin Doris Weikow (geb. 1941), welche die Figur Schneewittchen darstellte, kann man nur in wenigen Filmen erleben. Bereits ab 1965 war sie als Nachrichtensprecherin und Moderatorin beim DDR-Fernsehen tätig. Ein Wiedersehen gibt es u. a. mit bekannten, jedoch bereits verstorbenen DDR-Schauspielern wie Harry Hindemith (Jäger), Fred Delmare (Zwerg Naseweis), Arno Wyzniewski (Diener der Königin) und Steffie Spira (Alte). Regie führte Gottfried Kolditz (1922-1982), der auch bei den außerordentlich erfolgreichen DEFA-Filmen wie „Frau Holle“, „Geliebte weiße Maus“ und „Spur des Falken“ maßgeblich mitgewirkt hat. Das Drehbuch für die Märchen-Adaption „Schneewittchen“ schrieb der vielseitige Kinderbuchautor, Drehbuchautor, Dramaturg und Regisseur Günter Kaltofen (1927-1977). Als Dramaturg war er zu Beginn der 1950er Jahre übrigens auch am Stadttheater Meißen tätig. Für über 20 Film- und Fernsehproduktionen hatte er das Drehbuch geschrieben, darunter „Frau Holle“, „König Drosselbart“, „Käuzchenkuhle“, „Zwerg Nase“, „Schlafwagen Paris-München“…

Kurze Beschreibung zur Einstimmung

Aus Eifersucht und Neid will die böse Königin ihre Stieftochter Schneewittchen töten lassen. Doch der damit beauftragte Jäger bringt es nicht übers Herz. Er lässt das Mädchen am Leben. Schneewittchen irrt durch den Wald und findet hinter den sieben Bergen bei den sieben Zwergen freundliche Aufnahme. Schon bald erfährt die Königin durch ihren Spiegel davon. Sie ist außer sich vor Zorn und will Schneewittchen nun selbst töten…

Wenngleich sich die Verfilmung dicht an das Märchen der Gebrüder Grimm gehalten hat, bleibt der Königin (und den Zuschauern) so Einiges erspart, da diese nicht wie in der Originalvorlage so lange in rotglühenden Eisenpantoffeln tanzen muss, bis sie tot umfällt.

Übrigens wurde „Schneewittchen“ in den USA bereits 1916 als Stummfilm und 1937 als einer der ersten abendfüllenden Trickfilme vom Walt-Disney-Studio verfilmt, später folgten Verfilmungen u. a. auch in der Sowjetunion, der DDR, der BRD, in Japan, Frankreich, Rußland und Südkorea.

Karin Baum und Michael Heuser
Sprecher der Cineastengruppe „Film Club Mobil“ im Radebeuler Kultur e.V.

 

PROGRAMM

19.00 Uhr Vorstellung der Heimatstube Naundorf
durch deren Leiterin Cornelia Große
19.30 Uhr Dies und das rund um Schneewittchen
19.45 Uhr Filmvorführung „Schneewittchen“
21.00 Uhr lockere Gesprächsrunde bei einem
Schneewittchenmenü

Da die Platzkapazität sehr begrenzt ist,
findet die Veranstaltung an zwei Abenden statt.
Reservierungen unbedingt erbeten!

Kontakt: 0160-1038663, 0160-2357039
info@radebeuler-kultur.de

eine Veranstaltung der Cineastengruppe
des Wanderkinos „Film Club Mobil“
im Radebeuler Kultur e.V.

 

Radebeuler Miniaturen

400 Jahre Haus Möbius
III
Donnerwetter! Haus und Verstand

Tethys, Schwester und Gattin des alten Meergottes Okeanus, hat als „Geosynklinalmeer“ ihre Mittlerrolle genutzt und seit dem beginnenden Erdmittelalter mächtige Schichten bedeutender Sedimente abgelagert. Zwischenzeitliche Faltungen haben die Schichtungen in abenteuerliche Höhen geschoben; und nicht wenige Menschen glauben immer noch, dies alles sei unsretwegen geschehen. Die Annahme ist insofern nicht ganz von der Hand zu weisen, als der Boden unter unseren Füßen zu guten Teilen von der Göttergattin vorbereitet worden ist.
Mit solcherlei Gedanken spielend, halte ich mein Glas länger als zum Trinken nötig in der Luft.
Sieh mal, hier, sage ich dann. Ich greife hinter mich ins Fensterbrett und ziehe einen beigefarben schimmernden Stein hervor, ein knappes halbes Pfund schwer, länglich mit angedeuteter geschliffener Schneide und überhaupt im Ganzen künstlich in Form gebracht.
Sieht aus wien Steinbeil, sagt Ulrike mäßig interessiert.
Ja, sag ich, ist aber keins, ist eine Fälschung.
Wie jetzt? Ulrike schaut ungläubig.
Es war einmal …, beginne ich, da waren die Menschen noch sehr ungebildet. Ich weiß, die Zeit ist noch nicht vorbei, aber als der selige Aegidius Strauch das Haus baute, wars fast noch schlimmer. Damals jedenfalls lagen auf den fruchtbaren Lößäckern viele Steinbeile umher, die noch aus der Zeit stammten, als die ersten Siedler vom Goldenen Halbmond her genau diese Böden suchten. Unsere unmittelbaren Vorfahren jedenfalls wußten mit den Dingern nicht viel anzufangen, bis im späten Mittelalter findige Händler darauf kamen, die steinzeitlichen Artefakte zu Donnerkeilen zu erklären und als Blitzschutz zu verkaufen. Die ängstlichen Hausbesitzer, ohnehin schon vom Krieg verunsichert, haben sie dann unter der Schwelle vergraben oder im Dachgebälk aufgehängt. Und wenn sie keine fanden, nun dann haben die fliegenden Händler selber welche gemacht. Und das hier, sage ich, und wiege den Stein in der Hand, ist genau so ein Exemplar. Der Stein, es ist ein Pläner aus dem Plauenschen Grund – ein später Gruß der Tethys – ist seit tausend Jahren als Baumaterial beliebt, aber für ein Werkzeug viel zu weich.
Aber – das ist ja Betrug, stöhnt Ulrike.
Doppelter Betrug sogar, sage ich, hat aber funktioniert. „Alternative Fakten“ haben zu allen Zeiten gezogen, und derartige Scharlatane rennen uns ja immer noch die Türen ein. Der sogenannte „gesunde
Menschenverstand“ ist bis heute dünn gesät auf der Welt, aber wenn einer damit käme, wollte ihn keiner haben…
Der falsche Donnerkeil dürfte damals jedenfalls schon das Pressenhaus „geschützt“ haben – ich fand ihn ohne Zusammenhang mit der derzeitigen Bebauung beim Ausschachten des Fundamentes für unsern Schornstein. Die Angst vor Gewittern war bei den wenigen Häusern damals natürlich viel größer – heute hätte so ein Blitz deutlich mehr Auswahl …
Und woher weißt du das mit dem Pläner?
Unser Nachbar von Gegenüber, der Herr Lange, ist Geologie-Professor und kennt sich da aus. Er steht sozusagen mit Tethys auf du und du. Ich hab ihm den Stein mal mitgegeben.
Du hast das Ding aus der Hand gegeben?
Na klar, wie soll ers denn sonst bestimmen? Er hatte es nur zwei Tage, außerdem war Januar, da ist die Gefahr von Blitzschlägen naturgemäß eher gering – ich bin also kein Risiko eingegangen …
Jetzt ist es Ulrike, die zum Weinglas greift …

Thomas Gerlach

Auch eine Glosse

Erziehung…?

Lange habe ich gegrübelt, wo dieses schreckliche Wort herkommt und wie lange sich die Menschen schon damit gegenseitig tyrannisieren. Das Wort beginnt ja mit den drei Buchstaben E R Z, und blitzartig schoss mir dann dieser vermaledeite Spruch „des großen Führers“ durch den Kopf, den ich sicher jetzt nicht zitieren muss. Der Spruch stammt wohl von 1935. Erz ist hingegen seit dem 9. Jahrhundert im Althochdeutschen als aruz (Roherz) bekannt. Über den Begriff „Erziehung“ bin ich mir eher unschlüssig, seit wann der durch die Welt geistert und alle verrückt macht. Forscher meinen gar, dass es ein derartiges Wort oder eben eine anverwandte Bezeichnung rein hypothetisch schon im Urgermanischen, etwa im 1. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung, gegeben haben könnte. Gut möglich! Auch an mir wurde und wird schon immer herumerzogen. Da will ich jetzt nicht ins Detail gehen. Gefruchtet hat es vermutlich kaum, so glaube ich zumindest. Aber man kann ja nie wissen… Denn das ist ja bei dieser Sache das Perfide: Die Erziehung erfolgt meist über das Unterbewusstsein. Da nützt es wenig, wenn beständig der Ruf nach mehr Respekt laut wird. Hier fragt man sich doch wofür und vor wem? Vor einem vergeigten Sanierungsgebiet, einer verkorksten Schulplanung, einem unfähigen Beamten oder einer desolaten Pandemiebewältigung? Von den anderen Dingen ganz zu Schweigen. Meine Erfahrung ist, dass wir ein Leben lang damit beschäftigt sind, die eigenen und die Unzulänglichkeiten der Anderen auszubügeln. Und vermutlich wird das auch nicht anders – mit und ohne Respekt.

Respekt, was für ein fürchterliches Wort! Es ist sicher kein Zufall, dass es erst im 16./17. Jahrhundert aufgekommen ist und aus dem Französischen stammt. Wie war das gleich nochmal? Hatte nicht das absolutistische Frankreich unter Louis XIV. im Dreißigjährigen Krieg gerade die Vorherrschaft über Europa gewonnen? Da bekommt das Wort „Respekt“ zwangsläufig einen ganz andern Klang, mal davon abgesehen, dass dieser Begriff in verschiedenen Sprachräumen ganz unterschiedliche Gebrauchsgeschichten aufweist und verschieden ausgedeutet wird. Im englischsprachigen Raum versteht man darunter mehr die Achtung vor jedem Menschen. Hierzulande wird es eher als eine Art von soldatischer Unterwerfung verstanden, die auch noch heute zu spüren ist in der Form von Hörigkeit vor Vorgesetzten oder Amts- und Uniformträgern. Der Herr Schutzmann war in Deutschland schon immer eine Respektsperson, schien er doch das Gesetz an sich zu sein. So ist es eben nur ein kleiner Schritt vom eingeforderten Respekt zum unbedingten Gehorsam. Freilich hat sich da im Laufe der Zeit viel geändert. Vor der Polizei hat man schon lange den Respekt verloren, auch weil sie ihrerseits mitunter den Respekt vorm Volk vermissen lässt.

Nun ist der Begriff „Erziehung“, wie die Experten sagen, reichlich „unscharf“. Er hängt sicher maßgeblich von der politischen Wettererlage ab und die schwankt ja bekanntlich, wie man nicht nur an dem Spruch vom „auch so lieben Adolf“ sehen kann. So wie ich aber vermute, erziehen nicht nur die Erziehungsbeauftragten, sondern auch der Staat und die Behörden pausenlos an ihrem Volk herum. Da klingen mir Worthülsen wie „unsere sozialistischen Menschen“, von einem „Land, das sich unterhakt“ oder vom „fruchtbringenden Zusammenleben“ in den Ohren.
Ganz allgemein sieht der österreichische Erziehungswissenschaftler Wolfgang Brezinka in der Erziehung die Beeinflussung von Menschen mit dem Ziel, sie „dauerhaft zu verbessern oder ihre als wertvoll beurteilten Komponenten zu erhalten“. Hm…, Naivität oder Absicht?
Und wenn ich mich recht an meine Kindheit erinnere, hatten die allgemeinen moralischen Gardinenpredigten meiner Erziehungsberechtigten und derer, die sich dafür hielten, keinerlei Einfluss auf mich und taugten bestenfalls dazu, deren persönliches Gewissen zu beruhigen. Da hatte die Zwangsmitgliedschaft in der HJ ab 1939 schon eine ganz andere Wirkung. Aber diese Zeiten haben wir ja glücklich hinter uns gelassen. Schließlich muss in einer Demokratie auch was für die kleine Frau und den kleinen Mann herauskommen, wenn schon alles teurer geworden ist.

Ich für meinen Teil halte es lieber mit der englischen Auslegung des Wortes Respekt, meint

Euer Motzi

 

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