Radebeuler Miniaturen

Hoffnung 2.1

Ulrike weint.

Patenkind Tobias hat zur Schuleinführung einen lange gehegten Wunsch erfüllt bekommen: Er hält nun eine dieser nervigen grellbunten Kalaschnikows aus Kunststoff in seinen immer noch zarten Händen, die bezeichnender Weise auf den schönen Namen „nerv“ (was, damits nicht so auffällt, „nörf“ gesprochen wird) hören und für die seelische Gesundheit der Heranwachsenden angeblich so unerläßlich sind.

Wie bitte? frage ich staunend, was hat denn ein Schießeisen mit „seelischer“ Gesundheit zu tun?!

Der Besitz eines solchen Gerätes, erklärt die plötzlich geduldige Ulrike und wischt sich die Tränen aus den Augen, schützt vor psychischen Schäden. Hast du noch nichts davon gelesen? Die Zeitungen – sie wühlt im Altpapier – sind voll von tiefgründigen Forschungsergebnissen profunder Kinderpsychologen, die eindeutig nachweisen, daß die Verweigerung derartiger Dinge durch „Erziehungsberechtigte“ zu bleibenden und schwerwiegenden seelischen Beeinträchtigungen führt. Die Hochrüstung in unseren Kinderzimmern dient demnach der Persönlichkeitsbildung!

Sind auch Frauen unter den „Experten“? frage ich lachend.

Experten sind immer Männer, sagt sie schnippisch, aber bestimmt gibt’s auch infizierte Expertinnen. Es gibt ja auch Soldatinnen – manchmal sind eben Frauen auch nur Männer, fügt sie lachend hinzu.

Zurück zu dir, wende ich ein, worin siehst du nun den konkreten Grund für deine Tränen, wenn das alles so gesund ist?

Tränen brauchen keinen Grund, sie drängen von selbst ans Licht, wenns an der Zeit ist. Bis jetzt ist das alles ja tatsächlich noch harmlos: Er schießt nur seine bisher so heißgeliebten Playmobilmänneln vom Fensterbrett, wobei er glücklicherweise meistens nicht mal trifft. Ich stelle mir nur vor, wie das weitergeht … ich sehe da schon Blutspuren im Kinderzimmer…

Ich weiß schon, sage ich solidarisch, wenn eins erstmal in die Fänge der Waffenlobby geraten ist, ist der Weg zum Amoklauf nur noch kurz – Amerika läßt grüßen.

Ulrike blickt mich dankbar an: Es ist so selten, daß wir in einem Feindbild übereinstimmen. Dennoch wage ich einen Einwand: Siehs doch einfach mal so: Wenn der Junge auf die Weise seelisch gestärkt und tatsächlich erwachsen werden kann, ist er später vielleicht erhaben über die infantilen Waffenspielereien der Uniformträger. Wer sein Mütchen am Spielzeug kühlt, braucht dann (was freilich eine wirtschaftspolitische Katastrophe wäre) möglicherweise keine Rüstungsindustrie mehr…

Ulrike schließt die Augen und läßt die langersehnte Septembersonne auf sich wirken. Das klingt viel zu schön, um wahr werden zu können, sagt sie dann …

Thomas Gerlach

Titelbilder Bauernhäuser in Radebeul Oktober 2021

Altwahnsdorf 62

Heute möchte ich einen der größeren Wahnsdorfer Bauernhöfe, den Behrischhof, vorstellen. Eine Sandsteintafel an der Scheune verrät uns, daß Ernst Herman Kuntzsch zumindest die Scheune 1811 errichtet hat, seitdem ist der Hof in derselben Familie auch wenn sich der Name geändert hat. Ich schätze aber ein, daß die Gebäude großes Wohnhaus und Stall sowie Auszugshaus mit Stallanbau ebenfalls in der ersten Hälfte des 19. Jh. gebaut worden sind. Der Dreiseithof ist zwar kein Denkmal, gibt mir aber die Gelegenheit, hier auf ein paar selten gewordene technische Dinge aufmerksam zu machen, die die Arbeit auf dem Bauernhof erleichterten. Da finden wir zwei Lukarnen, das sind große, in der Trauffront stehende Gaupen mit Türen und Seilzugvorrichtungen, die sich auf der Hofseite des Wohnhaus- und Stalldaches befinden. Damit konnten zB. Heuballen zur Bevorratung eingelagert werden. Mitten auf dem zT. terrassierten Hof steht ein eher moderner Mistkran mit dem der schwere Mist aus den Ställen zu Haufen aufgesetzt und dann später auf die Felder gefahren werden konnte. Interessant ist eine rundbogige Tür mit kleinem Dach neben dem Scheunentor. Durch diese Tür gelangt man in den großen Keller unter der Scheune, wo ganz früher der Wein und heute die Kartoffeln eingelagert werden. All diese Elemente haben sich hier erhalten, weil Familie Behrisch noch Landwirtschaft im Nebenerwerb betreibt und wir seit Jahren unsere Einkellerungskartoffeln von hier beziehen.

Dietrich Lohse

Die Glosse

Toll im Trend?

Neulich ist mir doch wieder mal das peinliche Wort aus der Jugendsprache der 1980er Jahre „mega-super-galaktisch“ eingefallen. Es stammte aus jener Zeit, in der es anfing, dass jeder jeden auch sprachlich übertreffen wollte. Also, nicht mit klugen Worten, sondern eher mit einer überzogenen sprachlichen Ausgestaltung der beschriebenen Ereignisse. Da war es üblich, wenn einem etwas ganz besonders gut gelungen schien, dafür dann immer das Wort „mega-super-galaktisch“ anzufügen. Bei diesem Wort sträubte sich mir regelmäßig das „Gefieder“. Diese Bezeichnung war so albern, dass sie sich schon nach kurzer Zeit wieder erledigt hatte.

Wie ich darauf komme? Bei einer Bekannten erlebte ich unlängst, wie sie in jedem zweiten Satz das Wort „toll“ einfügte, um ihr Entzücken über einen Vorgang zu beschreiben. – Na toll!

Nun sind Modeworte natürlich nichts Außergewöhnliches. Derartiges hat es vermutlich zu allen Zeiten gegeben. Früher waren solche Worte wahrscheinlich keine Neologismen (Wortneuschöpfungen), sondern Begriffe, die zu einem bestimmten Zeitpunkt häufiger gebraucht wurden. Im Barock benutzte man beispielsweise besonders das Wort „Empfindsamkeit“, was für eine Zeit, die von Dekadenz, moralischer Krise und Krieg gekennzeichnet war, einigermaßen verblüfft, aber andererseits möglicherweise gerade deswegen auch erklärlich erscheint. Natürlich ist auch „toll“ keine Neuschöpfung, erhält aber aktuell eine bestimmte umgangssprachliche Ausdeutung.

An umgangssprachliche Floskeln wie „geil“, „ups!“ oder etwa „echt mal“ kann ich mich noch gut erinnern. Jeder kennt vermutlich noch weitere solche Begriffe, und wenn man mal in sich hinein hört, findet man bestimmte Wörter, die man gerne und öfters benutzt, als es notwendig wäre. Zugegeben, auch ich bin davor nicht ganz gefeit. Wer kann schon ständig auf sich selber aufpassen? Meine Bekannte findet eben immer alles „toll“. Damit liegt sie ja auch voll im Trend, wird doch gerade „Der große Neustart“ (The Great Reset) in der Gesellschaft und besonders der Wirtschaft beschworen, der vermutlich aber nur für einige wenige günstig ausfällt.

Gern auch wird statt des Begriffs „Modewörter“ die Bezeichnung „Trendwörter“ verwendet. Damit möchte der Benutzer suggerieren, mit der neusten Entwicklung Schritt halten zu können, im Trend zu liegen oder einfach dazuzugehören. Und wer will sich denn schon selbst ins Abseits stellen? Schließlich wollen wir doch alle geliebt werden. Aber Vorsicht mit den neuen „Sternen“! Die meisten sind nach kurzer Zeit schon wieder verglüht. Wer erinnert sich noch an das Modewort „Kids“ oder „Slow-Food“? Ist ja auch schon eine Ewigkeit her, glatte sechs Jahre! Die „Moden“ wechseln halt heutzutage schneller. Da lohnt es sich nicht, jeden Gaul hinterher zu rennen und mag er noch so „toll“ aussehen.

Mit diesem Wort „toll“ verbinden sich aber auch eine ganze Reihe von Begriffen wie „einfältig“, „töricht“ oder gar „tollwütig“. Hier stand sicher das verrückte Nachtschattengewächs „Tollkirsche“ Pate, welches nach dem Genuss seiner Früchte delirante, halluzinogene Effekte hervorbringt. Bekanntermaßen aber liegen Wahnsinn und Genie dicht beieinander. Umgangssprachlich wird das Wort „toll“ auch gern mit „cool“, „großartig“, „klasse“ oder „spitzenmäßig“ assoziiert. „Toll aussehen“ oder eben ein „toller Hecht sein“, ist in heutigen Zeiten für viele erstrebenswert. Schon weil sich Modewörter in gefährlicher Nähe zu Imponierwörtern befinden, muss ich höllisch aufpassen, nicht am Ende als aufgeblasener Gockel in irgendeiner „literarischen Pfanne“ zu landen. Eh man sich ja versehen hat, schleichen sich die Modewörter in den eigenen Sprachgebrauch ein. So habe ich bei mir beobachtet, dass ich das Wort „geil“ öfters benutzte, was natürlich die ältere Generation verstört hat. Vor der Benutzung solcher unspezifischen Zeitwörter muss ich mich natürlich künftig in acht nehmen, könnten mir doch schnell fachliche Unkenntnisse untergeschoben werden, wenn mir zu dem Vorgang außer „toll“ keine andere Beschreibung einfallen will. Modewörter sind halt auch ein Spiegel vom Geist und Ungeist einer Zeit. Sprachforscher stehen der Sache sowieso kritisch gegenüber. Aber wer hört schon auf die? Meint

Euer Motzi

Seit Mitte des Jahres ist die Sgraffitoarbeit Glöckners im Turnerweg 1 wieder zu sehen



Wir berichten darüber im Novemberheft.

Dietrich Lohse

Der OB hat Wort gehalten!

Vielleicht erinnern sich die werten Leser an unsere Ausgaben vom September und Dezember letzten Jahres. In zwei Beiträgen hatten wir den traurigen Zustand der Stahlplastik des Radebeuler Künstlers Wolf-Eike Kuntsche in Wort und Bild zugewendet, da diese vollkommen von wilden Wein überwuchert war.

Stehle „Weintraube“
Stehle mit Stahlplastik Weintraube im Außengelände des Gymnasiums Luisenstift. Aufnahmen vom 14. September 2021.
Foto: Karin Baum


Auf unsere Kritik hin und einer Anfrage des Abgeordneten Uwe Wittig im Bildungs-, Kultur- und Sozialausschuss des Stadtrates in dieser Sache, erfolgte eine Antwort des Oberbürgermeisters Bert Wendsche, welche die Sächsische Zeitung im Oktober veröffentlichte. Darin versprach er, den Freischnitt der Plastik und versicherte aber gleichzeitig: „Im nächsten Jahr werden dann wieder die Weinranken die Stahlplastik in Besitz nehmen.“ Dies erzürnte den Herrn Kuntsche sehr.

Wie beigefügtes Foto belegt, hat der OB Wort gehalten. Ob man Künstlern aber empfehlen kann, der Stadt ein Kunstwerk zu anzuvertrauen, scheint bei dieser Behandlung eher zweifelhaft.

Karin (Gerhardt) Baum

Texträtsel gelöst

Der aufmerksame Leser hat es natürlich schon längst herausgefunden, dass der Gründer des weltberühmten Zirkus „Sarrasani“ im letzten Heft auf der Seite 16 nicht Ernst, sondern Hans Stoch-Sarrasani war, der 1873 in Lomnitz/Provinz Posen (heute Polen) geboren wurde und 1901 auf der Gartenstraße in Radebeul eine Wohnung bezog hatte. Von dort aus startete er mit seinem Zirkus über Meißen und Dresden in die Welt. Am 2. April 1934 verstarb er in Sao Paulo, Brasilien.

Ein entsprechender Hinweis über den „Fehler“ im letzten Heft ist allerdings bis Redaktionsschluss nicht in der Redaktion von Vorschau & Rückblick nicht eingegangen.

Von der Idee zur Tat

Wie weiter mit dem Lügenmuseum?

»Hilla-Tanz«


Das Lügenmuseum ist seit 2012 im historischen Gasthof Serkowitz zu Gast. Von Anfang an fand es begeisterte Aufnahme beim Publikum; es hat sich im Laufe der Jahre zu einem stabilen Besuchermagneten entwickelt.

Der Ideenmillionär Reinhard Zabka hatte das Museum in einem verfallenden Gutshof bei Kyritz aus der Taufe gehoben. Die Kyritzer Knatter verfrachtete er mit nach Radebeul, wo er das Museum zur Blüte gebracht hat.

Allerdings blieb sein Status fragil.

Einmal wurde das Haus sogar zum Verkauf ausgeschrieben. Zabka bewarb sich, eine Entscheidung blieb aber aus. Der Plan, dort Wohnungen einzubauen, wurde abgelehnt.

Inzwischen sind die Preise gestiegen.

Zabka hat nun Gelegenheit, das Bauwerk zu einem mittleren sechsstelligen Betrag zu erwerben.

Nun weiß auch der Ideenmillionär, dass Ideen allein noch nichts zählen. Da erinnerte er sich des „Klassikers“: „Die Idee wird zur materiellen Gewalt, wenn sie die Massen ergreift.“

Warum, fragt er sich, sollen nicht viele können, was einer allein nicht kann??

Und so begibt er sich gemeinsam mit Frau Dorota und dem Verein Kunst der Lüge auf die Suche:

„Wir suchen entweder 4.000 Kunstliebhaber, die 100 € spenden für eine Museumsbox, oder 400 Bürger, die einen Quadratmeter Kunst mit einem Quadratmeter Grundstück tauschen. Mit 400 Eigentümern wird der Boden dann der Spekulation entzogen, und die Sache wäre vom Tisch. Wir haben bereits einen Ablassbrief zur Sicherung des historischen Gasthofes entwickelt. Erst mal wünschen wir uns Interessenbekundungen und ein Feedback. Wir werden eine Kampagne entwickeln.

Spendenkonto für ethisches Investment:
IBAN: DE48850550000500117250, BIC: SOLADES1MEI
Vereinsregister: VR 5684 DD

Thomas Gerlach

Museum für alle

Heimatmuseen an der Spitze

Thomas Kliemann schwärmte neulich in der Aachener Zeitung davon, dass Nordrhein-Westfalen „das Land mit der größten Museumsdichte Europas, vielleicht sogar der Welt“, sei. Allein diese Sicht muss Wunschgedanke bleiben. Baden-Württemberg und Bayern führen die Tabelle der Museen in der Bundesrepublik an, in der Sachsen einen beachtlichen 7. Platz einnimmt. Immerhin kommt auf knapp 10.300 Einwohner im Freistaat ein Museum! Diese Zahl liegt deutlich unter dem Bundesdurchschnitt und ist damit weit besser als Nordrhein-Westfalen, wo sich immerhin etwa 26.400 Einwohner ein Museum teilen müssen.

Radeburg – 3190
Heimatmuseum Radeburg, Straßenansicht.
Foto: Karl Uwe Baum


Sieht man sich in der näheren Region von Radebeul um, so kommt man aus dem Staunen, ob der Vielzahl von großen und kleinen musealen Einrichtungen, nicht heraus. Schon im Umkreis von 10 Kilometern kann man Ausstellungen von ca. 30 Museen, Heimatstuben und technischen Schauanlagen bewundern, von den großen „Dampfern“ in Dresden, Meißen und Moritzburg mal ganz abgesehen. Und zählt man die kleineren Einheiten in der Landeshauptstadt noch dazu, beläuft sich die Zahl gut und gerne um die 100 Museen. Wird der Radius gar um 10 Kilometer erweitert, gestaltet sich die Lage schier unübersichtlich. Ein Jahr würde dann kaum ausreichen, um allen Einrichtungen einen Besuch abzustatten. Im Freistaat Sachsen gibt es offiziell mehr Museen, als das Jahr Tage hat. Die nicht offiziell anerkannten einmal beiseitegelassen!

Und gegen alle zeitweiligen Befürchtungen steigen sogar die Besucherzahlen kontinuierlich an, um über vier Prozent (Stand 2019) gegenüber 2009. „Museum“ aber darf sich nur die Einrichtung nennen, welche die „Standards für Museen“ erfüllt. Auch wenn es keine festgelegte Definition für Museen gibt, nützt das den Betreibern wenig, denn jedes Bundesland verfährt nach eigenen Vorstellungen. Was im Bundesland Brandenburg ein Museum ist, braucht in Sachsen noch lange nicht auf diesen Status zu hoffen. Während der Internationale Museumsrat (ICOM) auch die Unterhaltung als eine legitime Aufgabe von Museen ansieht, fehlt dieser Zweck in den Empfehlungen des Deutschen Museumsbundes. Die Präambel zu den Standards für Museen formuliert ganz im Bildungsverständnis der Deutschen, dass „Sammeln, Bewahren, Forschen, Ausstellen/ Vermitteln“ die Hauptaufgaben der Museen zu sein habe. Bildung und Spaß gehören nun mal nicht zusammen. Folgerichtig erwarten die meisten Besucher von einem Museumsbesuch die Erweiterung ihres Wissens. Dies habe natürlich auf altbekannten pädagogischen Wegen zu erfolgen, sicher nicht mehr mit Rohrstock, immer aber mehr oder weniger didaktisch. Darüber hat sich schon vor nahezu 200 Jahre Herrmann Fürst von Pückler-Muskau echauffiert, der partout nicht einsehen wollte, „weshalb man das Schöne vom Nützlichen ausschließen sollte“. Hoffen allerdings sollte man nicht darauf, dass dem Radebeuler „Lügenmuseum“ eines Tages doch noch der offizielle Status als „Museum“ in Sachsen zuerkannt wird.

Radeburg – 3192
Werbeausleger des Heimatmuseums Radeburg mit dem stilisierten Maler Heinrich Zill.
Foto: Karin Baum


Auch wenn historische und archäologische Einrichtungen und Kunstmuseen stärker von der positiven Besucherentwicklung profitieren, wird die Museumslandschaft der Bundesrepublik von den orts- und regionalgeschichtlich sowie den volks- und heimatkundlich ausgerichteten Häusern dominiert. Ihr Anteil beträgt 44 Prozent in einer neun Punkte umfassenden Klassifizierung. Von den 27 bei Wikipedia in der Kategorie „Heimatmuseen in Sachsens“ registrierten Einrichtungen liegen immerhin 30 Prozent in unmittelbarer Nachbarschaft zu Radebeul. Unter ihnen befindet sich als einzige Einrichtung der Lößnitzstadt auch die „Heimatstube Kötzschenbroda“. Dabei hätte die Stadt mit dem Bilzmuseum und der Heimatstube Naundorf durchaus weiteres zu bieten.

So klar, wie sich die Museumslandschaft auf den ersten Blick im Internet darbietet, ist sie in Wirklichkeit natürlich nicht. Da ist es schon sinnvoll, sich ein eigenes Bild zu verschaffen. Zugegeben, das ist mit ein wenig Aufwand verbunden. Viele Museen, die in ihren Sammlungen regionale und örtliche Geschichte zeigen, sind nicht als reine Heimatmuseen ausgewiesen, andere wiederum als Heimatmuseum nicht anerkannt und die Heimatstuben sind zumeist nicht erfasst.


Velocium-1
Titelblatt des Imageflyers der „Sächsischen Fahrrad-Erlebniswelt“ in Weinböhla.


Viele dieser Einrichtungen befinden sich in öffentlicher Hand (62,7 %), ein reichliches Drittel (35,3 %) hat private Träger und der Rest existiert in einer sogenannten Mischform. So kann beispielsweise die Gemeinde Besitzer der Räumlichkeiten bzw. das Sammelgutes sein, aber das Museum von einem Förderverein oder einem Heimatkreis betreut werden, wie etwa die Heimatstube in Kesselsdorf. Als private Träger treten nicht nur Personen auf, wie zum Beispiel beim Automuseum Hertrampf in Nossen oder dem Schloss Lauterbach, welches man nur zu Veranstaltungen besichtigen kann. Als private Träger gelten auch Vereine. So unterhält der Heimatverein Großerkmannsdorf die dortige Heimatstube und das Schmalspurbahnmuseum Löthain wird vom Heimatverein Käbschütztal e. V. gemanagt.

Auch das DDR-Museum in Pirna arbeitet auf rein privater Basis, was sich natürlich in den relativ hohen Eintrittspreisen niederschlägt. Die Stadtverwaltung soll laut der Internetseite des Museums wiederholt eine Unterstützung abgelehnt und in einem Schreiben an den Betreiber formuliert haben, dass man „doch froh sein sollte[n], dass die DDR Vergangenheit ist“. Dabei erfährt das Museum von Besuchern aus dem gesamten Bundesgebiet viel lobenden Zuspruch.

Dass auch in Zeiten knapper Kassen die Verwaltungen der Gemeinden und Kommunen anders reagieren können, ist in der Nachbargemeinde Weinböhla zu beobachten. In der gerademal knapp 10.400 Einwohner zählenden Kleinstadt eröffnete im vergangenen Jahr mit der „Sächsischen Fahrrad-Erlebniswelt“ eine neue kulturelle Einrichtung ihre Pforten. Sie musste zwar wegen der Pandemie sofort wieder schließen, zeigte aber zum diesjährigen Stadtfest den Besuchern ihre Schätze.

Als im Zuge des Ausbaus des Stadtzentrums von Weinböhla für die historische Scheune am Kirchplatz ein neuer Verwendungszweck gesucht wurde, fragte man den Radfahrerverein Weinböhle, ob er nicht Lust hätte…? Und der Verein hatte Lust, betreibt er doch seit über hundert Jahren das Fahrradfahren mit großer Inbrunst und widmete sich auch der Geschichte des Fahrrades. So entstand eine fruchtbare Partnerschaft zwischen der Stadt, dem Verein und weiteren Akteuren, und die Idee zur Errichtung eines Museums war geboren. Als das Vorhaben aber wegen fehlender Fördermittel zu scheitern drohte, schrieb man die Konzeption um. Aus dem geplanten Museum wurde die Fahrrad-Erlebniswelt „Velocium Weinböhla“, in der man alles über das Fahrrad erfahren und sogar so manches ausprobieren kann. Die Stadtverwaltung machte noch „Nägel mit Köpfen“ und stellte eine Planstelle zur Verfügung. Und so findet der Besucher heute eine Einrichtung vor, die einen professionell aufgebauten Ausstellungsbereich vorweist und an vier zusammenhängenden Wochentagen geöffnet hat.

Teilansicht der Ausstellung im „VELOCIUM Weinböhla“.
Foto: Karl Uwe Baum


In der Ausstellung erfährt der Besucher etwas zur Geschichte der Radfahrervereine in Weinböhla und der Fahrradindustrie in Sachsen sowie des Weinböhlaer Fahrradsports nach 1945. Bewundern kann man Laufräder, Tretkurbelräder, Hochräder aber auch neuere Produkte. Die Mitglieder des Radfahrervereins stellten zahlreiche Leihgaben für die Ausstellung zur Verfügung.

Auch anderenorts kann man solch ein Hand-in-Hand-gehen bei identifikationsstiftenden Aktivitäten beobachten, so zum Beispiel in der Gemeinde Goppeln, als bei der denkmalregerechten Sanierung der „Alten Schule“ im Ort gleich die Einrichtung einer Heimatstube mit eingeplant wurde und in Großerkmannsdorf baute man an das Dorfgemeinschaftshaus einen Fahrstuhl an, um auch Behinderten den Besuch der Heimatstube zu ermöglichen.

Es lohnt sich also, eine „Reise“ ins Umland von Radebeul zu wagen, bei der man sicher nicht nur so manche musealen Schätze entdecken kann, sondern auch erfährt, wie andere Gemeinden damit umgehen.

Karl Uwe Baum

Auf den Spuren von Friedrich Eduard Bilz

Unter dem Thema “Gesunde Lebensweise nach F.E.Bilz” wanderten am Sonntag, den 22.08.2021 interessierte Radebeuler und Dresdner zu bedeutenden Wirkstätten des sächsischen Altmeisters der Naturheilkunde in Radebeul. Diese vom Bilz-Bund organisierte Wanderung führte größtenteils entlang des Bilz-Rundweges.

Begonnen hat die Wanderung am Bilz-Platz. Dieser 2017 neugestaltete Platz bot eine schöne Kulisse, um einen Überblick über das schöpferische Leben von Bilz zu geben. Von dort führte der Weg über den Promenadenweg Weinbergstraße mit dem herrlichen Blick über Radebeul bis nach Dresden und ins Erzgebirge. Am Abzweig Eggersweg ging es nun bergauf Richtung Spitzhaus und über die Spitzhaustreppe wieder hinab in den malerischen Lößnitzgrund – eine Landschaft, so wie sie Bilz liebte – Natur pur – Wasser, Luft und Licht.

Über den Jagdweg wanderten wir durch das Spittelholz entlang des Bilz-Rundweges zum “Bilz-Bad”. Mit der Errichtung dieser Erholungseinrichtung erfüllte sich der Naturheilkundler den Traum, auch für die weniger bemittelte Bevölkerung seine “Gesundheitssäulen“ Luft, Licht, Wasser und Bewegung erlebbar zu machen. Diese für damalige Zeiten in ihrer Art einzigartige Einrichtung konnte F.E.Bilz durch den erfolgreichen Verkauf seines “Naturheilbuches” finanzieren. Herausragend ist die durch Bilz 1911 auf der I. Internationalen Hygieneausstellung in Dresden erworbene und noch heute funktionierende Wellenanlage.

Vom Bilzbad wanderten wir weiter auf dem Meiereiweg bergab zum Bilz-Kurhaus. Hier gab es eine kleine Trinkpause – natürlich mit der bekannten und seit neuestem wieder verfügbaren Bilz-Brause nach alter Rezeptur.

Gestärkt ging es nun durch den schön bewaldeten Rehgrund bergauf zum Langenwiesenweg. Hier angekommen, zeigt sich von der Wahnsdorfer Hochfläche ein herrlicher Ausblick zur Moritzburger Kirche und zu Schloss Moritzburg. An dieser Stelle bot es sich an, eine, wie es Bilz nannte, Luftmahlzeit zu nehmen, d.h. frische Luft tief ein- und wieder auszuatmen. Außerdem konnte die Bilz`sche Anwendung “Barfußlaufen auf der Wiese” ausprobiert werden.
Von der Wahnsdorfer Hochfläche erreichten wir den alten Dorfkern von Wahnsdorf. Hier gab es die Möglichkeit, leckeres Obst und Gemüse sowie Eis, z.B. das außergewöhnliches Eis mit Kürbisöl, von Wahnsdorfern zu kaufen. Schließlich erreichten wir die Bäckerei Jacob, die schon früher das Bilz-Sanatorium belieferte und die noch immer Brot und Brötchen nach Originalrezeptur von F.E.Bilz bäckt.

Wir folgten weiter dem Bilz-Rundweg und gingen rechts in Richtung Straken bergab, der uns direkt zum Bilz-Sanatorium führte. Noch heute lässt sich erahnen, welche Anziehung von diesem Ort und der “schlossähnlich” erbauten Naturheilanstalt ausging. In Spitzenzeiten konnten hier 180 Kurgäste aufgenommen und mit verschiedenen Wasseranwendungen, Sonnen- und Luftbädern behandelt werden.

Schließlich erreichten wir wieder unseren Ausgangspunkt “Eduard-Bilz-Platz”. Wir waren dankbar, dass wir trotz schlechter Wetterprognosen den Spuren von Bilz nahezu trocken folgen konnten.

Diese Wanderung hat viel Spaß gemacht und bot körperliche Anregung durch die teilweise recht steilen Anstiege, Wissenswertes über F.E.Bilz, naturheilkundlichen Impulse sowie interessanten Gespräche mit den Wandergefährten.

Der Bilz-Bund freut sich auch in Zukunft solche Wanderungen anbieten zu können. Diese werden in Tageszeitungen, auf der Homepage des Bilz-Bundes und in den sozialen Medien wie Instagram und Facebook angekündigt.

Petra Eppinger

4. Bauherrenpreiswanderung – diesmal in Naundorf und Zitzschewig

Bild: M.Mitzschke

Nun schon das vierte Jahr in Folge lädt Sie der Verein für Denkmalpflege und neues Bauen zur einer Bauherrenpreiswanderung ein (siehe V&R 06/18, 06/19, 06/20). 2018 spazierten wir am Stadtpark beginnend an über 10 Bauherren – Preisträgern in der Niederlößnitz vorbei. 2019 starteten wir vom Alvslebenplatz durch die Oberlößnitz über Eduard-Bilz-Straße, Augustusweg zur Weinbergstraße. 2020 erwanderten über 40 Baukultur – Interessierte Bauwerke von Bauherrenpreisträgern in der Niederlößnitz diesmal zwischen Landesbühnen und Winzerstraße 46 .

Das große Interesse, prämierte Baukultur zu besichtigen, sich daran zu erfreuen, aber auch aus verschiedenen Blickwinkeln darüber zu diskutieren, macht Mut, in diesem Jahr eine Wanderung anzubieten, die Bauherrenpreisträger außerhalb der bekannten „Villen“-Gebiete der Stadt Radebeul zeigen will. Zitzschewig und Naundorf sollen unser Ziel sein. Hand aufs Herz – fallen Ihnen Bauherrenpreise in diesen ehemals dörflichen Ursprungsgemeinden ein?

Für alle, die von unserer Bauherrenpreiswanderung noch nichts gehört haben, sei die Idee nochmals kurz umrissen:

In Zeiten des sich schnell entwickelnden, pulsierenden Baugeschehens in Radebeul wurde der Radebeuler Bauherrenpreis vom Verein für Denkmalpflege und neues Bauen Radebeul e.V. gemeinsam mit der Stadt Radebeul ins Leben gerufen. Von 1997 bis 2011 wurde der Preis jährlich für Neubau, Denkmalpflege und Außenanlagen verliehen. Mittlerweile ist die Intensität des Bauens in der Stadt zurückgegangen und der Preis wird alle 3 Jahre vergeben, zuletzt 2019 (siehe V&R 12/19).

Dieser Preis soll ein Element sein, um die Diskussion zu Auffassungen zur Baukultur in Radebeul zu fördern und öffentlichkeitswirksam zu machen. Er ist auch von der Hoffnung getragen, Bauherren und Investoren zu erreichen und anzuregen, im Vorfeld über die Wirkung ihrer geplanten Bauwerke in der Stadt nachzudenken. In der Satzung unseres Vereins geht es um den Erhalt des „besonderen Charakters von Radebeul“. Was das ist, diese Diskussion ist nie abgeschlossen. Nur die aktive, stetige Auseinandersetzung mit diesem Thema in der Stadtgesellschaft wird uns diesen ahnen, bewahren und gestalten lassen.

Daraus ist im Verein auch die Idee entstanden, mit einer Bauherrenpreiswanderung, sich die Preisträger vergangener Jahre wieder mal ins Bewusstsein zu rufen und diese erneut zu Fuß in Ruhe und mit offenem Blick zu betrachten und sich darüber auszutauschen. Und auf dem Weg zwischen den Preisträgern ergeben sich auch so manche Ansichten und Einsichten in unseren städtebaulichen Raum, die Gesprächsstoff liefern.

Dass die Notwendigkeit zur Meinungsbildung und Einflussnahme zur weiteren baulichen Gestaltung unserer Stadt von aktueller Bedeutung ist, zeigt u.a. dass die Stadtverwaltung 2020 für Nieder- und Oberlößnitz eine Gestaltungssatzung in Auftrag gegeben hat. Diese soll den Rahmen bilden, so dass „Bausünden“ wie sie zuletzt häufig als Ersatz vorher eher bescheidener Bauwerke in Radebeul passieren, so nicht gebaut werden können. Dass angemessene Regeln gefunden werden, die nicht als Bevormundung, sondern als Sicherung gemeinsamer Werte für die Baukultur begriffen werden, dafür ist die offene Diskussion über diese Wertebildung von großer Bedeutung. Und diese Diskussion kann in Foren, wie zum Wasapark oder zum Neujahrsempfang des Vereins 2020 im Kulturbahnhof geführt werden, aber auch spazierend, die bestehende Baukultur im Blick, z.B. bei unserer Bauherrenpreiswanderung.

Restaurant »Gaumenkitzel«, Coswiger Straße 23
Bild: M.Mitzschke

Aus organisatorischen Gründen findet die diesjährige Wanderung am

8. Oktober, 17.30 Uhr mit Startpunkt Restaurant Gaumenkitzel, Coswiger Str. 23 statt.

Empfohlen wird, die Straßenbahn Linie 4 bis Gerhart-Hauptmann-Straße zu nutzen und dann zur Meißner Straße und links abbiegend die wenigen Meter zum Gaumenkitzel zu laufen. Endpunkt wird Altnaundorf sein, von wo die Straßenbahnhaltestelle am OBI für die Rückfahrt gut erreichbar ist.

Zu den Zielen der Wanderung möchte ich noch nicht zu viel verraten. Sicher ist aber, dass es dort mehr Preisträger gibt, als wir erwandern können. Gerade die Preisträger im Gewerbegebiet Friedrich – List – Straße und im Rietzschkegrund liegen zu weit entfernt, als dass wir sie auf dieser Runde erreichen könnten. Diese Preisträger möchte ich aber nicht unerwähnt lassen und vielleicht wird der eine oder andere neugierig und schaut sich diese bei Gelegenheit an. Darum sollen sie hier kurz vorgestellt werden:

Bauherrenpreis 1998, Kategorie neues Bauen, Rang 1 – Rietzschkegrund 25

Bauherrengemeinschaft: Jörg und Dr. Angelika Baarß, Klaus und Bettina Löschner

Architekten: J. Baarß & K. Löschner, Bauzeit 1995 -1997

Die Architekten entwickelten drei moderne Bauten in einem archaischen, scheunenartigen Haustyp, der im Rietzschkegrund Tradition hat. Der Reiz des Ensembles liegt in der Variation des Grundtyps, in der Materialauswahl, der Einfügung in das Gelände und der Farbigkeit. Die Architekten haben als Bauherren für sich selbst ein Bürogebäude (Mitte) und je ein Wohnhaus geschaffen. Es galt, zwei Stützmauern aus Syenit zu erhalten. Alle drei Häuser lagern auf der oberen Weinbergsmauer, die teilweise sogar in die Innenraumgestaltung einbezogen wurde. Durch Staffelung der straßenseitigen Giebel und der Abstände zwischen den Häusern entstehen städtebauliche Räume, die jedoch den Gesamtzusammenhang nicht auflösen.

Dem Besucher sei noch der in der Nähe liegende Winzerhof Rößler empfohlen.

Rietzschkegrund 25
Bild: M.Mitzschke

Bauherrenpreises 2004 – Anerkennung, Kategorie Öffentliche/ Gewerbliche Bauten
Plakatfabrik Ellerhold – Friedrich – List – Straße 4

Bauherrenpreis 2008, Kategorie Bauen im Bestand
König & Bauer AG, Werk Radebeul – Friedrich – List – Straße 47
Architekt: IPRO, Ulrich Krüger

Bauherrenpreis 2016, Kategorie Neubau, Fabrikbau
Verwaltungsgebäude LTB Leitungsbau – Friedrich – List – Straße 27

Verwaltungsgebäude LTB Leitungsbau – Friedrich-List-Straße 27
Bild: Wikipedia

Alle sind herzlich eingeladen (besonders auch Leute, die Bauherren sind oder werden wollen). Schon um des Erlebens und des Austauschs willen und weil die Nacht früher hereinbricht als im Sommer wird die ca. 2 stündige Wanderung eher gemächlich verlaufen und ist von der Strecke nicht weit.

P.S. Anregung: Über die Losen-Blatt-Sammlung, die Internetseite des Vereins (www.denkmalneuanradebeul.de) oder Wikipedia findet man die Bauherren-Preisträger und kann sich, wenn man Lust hat, auch mal selbst eine Bauherrenpreiswanderung für einen Sonntagsspaziergang zusammenstellen.

Michael Mitzschke

Quellen:
Losen-Blatt-Sammlung des Vereins

Christian Manss „Wie Blumen in der Wüste“

Eine Ausstellung in der Stadtgalerie Radebeul

Vor einem Jahr lernten wir, dank Gabriele und Björn Reinemer, Christian Manss und seine Frau Anne in ihrem Atelier in Dresden-Niedersedlitz kennen und es war sofort klar, dass wir mit seinen Arbeiten eine Ausstellung gestalten werden. Das Ergebnis ist nun seit dem 5. September in der Radebeuler Stadtgalerie zu besichtigen.

Installation: »Ruhepuls«


Christian Manss 1978 in Eisenach geboren, studierte bis 2007 an der HGB in Leipzig, lebte drei Jahre in Zürich und ist seit 2010 in Dresden zu Hause. Stipendien führten ihn in eine ganze Reihe von Städten Europas sowie in die USA und nach Südkorea. Ausstellungen waren bereits ebenfalls zahlreich zu sehen und Werke von Christian Manss sind in vielen Sammlungen beheimatet.

Installation: »Ruhepuls«


Die sparsam ausgestattete Ausstellung beschränkt sich auf drei Werkgruppen, collagierte Fotografie, Lithografie und Installation, sorgfältig ausgewählt vom Künstler. So wie er eine Ausstellung vorbereitet, agiert er auch im Atelier.

Ein überlegtes Herangehen bestimmt die Arbeitsweise – nicht spontanes Agieren. Christian Manss hat einen genauen Plan. Das Bild ist im Kopf und wird genauso bis zum letzten, vermeintlich zufällig gemalten Punkt, umgesetzt. Dabei bedarf der Künstler Ordnungsprinzipien, die dem Wunsch, die Wirrnis der Empfindungen in eine Ordnung zu bringen, das Chaos zu ordnen, entgegenkommen.

In Radebeul zeigt Christian Manss in einem langen Prozess überarbeitete Fotografien. Übermalte, dekonstruierte Fotografien sind sein Markenzeichen. Gleichwertige, sowohl künstlerische als auch technische Schritte, lassen sich einteilen. Fotos werden auf blankes Zeitungspapier (Reste von Bahnen aus einer Druckerei) gedruckt, geschnitten und wiederum in Überschneidungen und nicht genau passenden Schrägstellungen auf eine zuvor bemalte Leinwand aufgetragen.

Schichten verbergen, können aber auch offen legen, deshalb die Transparenz, die in der Überarbeitung mit Bootsinnenlack entsteht. Danach erfolgt die mehrfache Übermalung. Die Farbe wird aufgetragen, wieder abgewaschen, wieder aufgetragen, usw., Farbspuren in ihrem Verlauf kontrolliert, bis das gewünschte Bild mit der entsprechenden Wirkung entstanden ist. Auch transparente Schichtungen verhüllen und manchmal muss man Verhüllen, um sichtbar zu machen. Es ist dasselbe Prinzip, welches Christo und Jeanne-Claude nutzen, um die Ästhetik oder Einzigartigkeit eines Bauwerkes oder einer Landschaft erst wahrnehmbar zu machen.

Man glaubt Bekanntes genau zu erkennen, wird aber doch getäuscht. Es lohnt sich genau hinzuschauen. Architektur und Figuren werden in neue Zusammenhänge gestellt und können szenisch agieren. Fast wirken die Arbeiten wie Reliefs. Diese Wirkung ist neben der szenischen mit Sicherheit beabsichtigt, denn das Relief bildet die Schnittstelle zwischen Bild und Plastik. Architektonische Elemente tauchen in den Bildern auf. Einem Bühnenbild ähnlich, geben sie Figuren einen Rahmen. Es existiert jedoch keine wesentliche Handlung, nur eine magische Bindung zwischen den Elementen.

Für Christian Manss ist es entscheidend, „dem Dunklen nicht auszuweichen“, tief blicken zu lassen. Anklänge an Landschaften und Architekturen sind Anklänge an Vergangenes. Es geht nicht um die Landschaft an sich, sondern eher um charakteristische Eindrücke, Vielleicht hat er sie verlassen zugunsten einer Seelenlandschaft. D.h., dass die im Traum oder der Vorstellung lebenden Bilder begonnen haben, sich zu materialisieren. Die Werke sind Extrakte aus langen Betrachtungen – durchaus auch Selbstbetrachtungen. In diesem Sinne arbeitet er teilweise in Serien. Serielle Bilder können den festgehaltenen Augenblick verlängern und – ganz wesentlich – von verschiedenen Blickwinkeln aus beleuchten. Das Schaffen in Folgen ist ab und zu unerlässlich, denn diese können Geschichten erzählen vom Werden und Vergehen. So ist eine Serie aus der Lockdownzeit zu entdecken, die sich mit dem Selbst beschäftigt. Auffällig in der klassische Bildanlage in „Die Heilung“ ist die vom Licht überflutete, in den Raum ragende Figur, verstörend beim genauen Hinschauen. In dieser Zeit entstanden auch eine Reihe von Lithografien, von denen sieben in der Ausstellung zu sehen sind. Sie wurden sehr aufwendig, mit bis zu acht Farben im ständigen Fernaustausch mit dem Drucker in Schweden entwickelt. Sehr schwer, den genauen Ablauf zu steuern, wenn man nicht im direkten Kontakt und am Stein steht. Auch hier finden sich sehr persönliche Erlebnisse, z.B. in Schweden.

Gemeinsam allen Arbeiten ist das Auftauchen eines Zeichens, eines grafischen Objektes. Es kann ein Rechteck oder ein Dreieck (Pyramide) sein. Es stört eventuell die Harmonie, die ohnehin nur eine scheinbare ist. Oder lenkt den Blick in einen zentralen Bereich.

Inmitten der Tafeln und Lithografien steht in der Galerie ein Objekt, wie ein riesiger Brocken, der aus dem Weltall gelandet ist. Von außen schwarz und abweisend, eröffnen sich im Inneren tatsächlich neue Welten. „Ruhepuls“ ist eine Installation mit der der Künstler in die dritte Dimension vorstößt und mit verschiedenen künstlerischen Techniken experimentiert. Das Prozesshafte ist ihm wichtig, denn das Leben ist ein Prozess und wir überschreiten in unserem Leben mehrfach Grenzen, wie sie auch mit jeder neuen Werkphase überschritten werden müssen. Das Objekt, eine zusammenfaltbare Installation, die zusammen mit einem Tapeziertischhersteller entwickelt wurde, passte geradeso in die Galerie hinein. Sie ist ein wahres Gemeinschaftswerk mit einem Musiker aus Prag, zwei Übersetzern, einer Viedeokünstlerin, Manja Kuhl, und vier Videokünstlern, Volker Schlecht, Knut Amor, Eric Vogel und Alexander Nast. Jeweils zu einem Gedicht von Christian Manss, welches vom ihm gesungen wurde, erfolgte eigenständiges Umsetzen in eine andere Musik (ohne Verständnis des Textes), zu welche dann die VideokünstlerInnen, ebenfalls unbeeinflusst von Christian Manss, in filmische Szenen wandelten. Nach diesen Videos entstanden schlussendlich die korrespondierenden Tafeln. Mit dieser Arbeitsweise schuf der Künstler eine Verbindung von Plastik, Malerei, Architektur, Fotografie und neuen Medien.

„Nichts ist im Verstand, was nicht vorher in den Sinnen war, außer dem Verstande selber.“ (Gottfried Wilhelm Leibnitz). In dieser Bedeutung schärfen wir an Bildern unsere Sinne, dem Verstande zu dienen.

Alexander Lange

Die Ausstellung ist noch bis zum 17. Oktober in der Stadtgalerie zu erleben.

Am 17. Oktober findet als Finissage um 16.00 Uhr ein Künstlergespräch statt.

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