Sie lieben ihre Stadt

Die Radebeuler (Basis)Kultur bereitet den 80. Jahrestag der Stadtgründung vor

Radebeul ist schon ein eigenartiges Gebilde. Zehn Ursprungsgemeinden liegen wie rein zufällig an, auf und hinter den Hängen sowie in den Niederungen des rechten Elbtales, als hätten sie nichts miteinander zu tun. Die Bergbewohner „ticken“ anders als die Talbewohner, die Kötzschenbrodaer scheinen sich mit den Radebeulern nicht grün zu sein und die Alt-Radebeuler „Am Kreis“ machen ohnehin ihr eigenes Ding. Kein Wunder, wurde doch am 1.1.1935 „zwangsvereinigt“, was sich über hunderte von Jahren getrennt entwickelt hatte. Noch immer tut man sich mit diesem Datum schwer und würde lieber so manche unschöne Begebenheit, die dem endgültigen Zusammenschluss der Städte Radebeul und Kötzschenbroda vorausgegangen war, in ein großes Schlagloch kehren.

Das "Theater Heiterer Blick" (Uwe Wittig und Jan Dietl) mit einer Persiflage zum 75. Stadtgeburtstag

Das „Theater Heiterer Blick“ (Uwe Wittig und Jan Dietl) mit einer Persiflage zum 75. Stadtgeburtstag Foto: K. Baum

Als vor nunmehr sechs Jahren das Städtische Kulturamt, genauer gesagt das Sachgebiet Kunst- und Kulturförderung auf den Gedanken kam, die 75. Wiederkehr dieses Verwaltungsaktes feierlich zu begehen, waren nicht alle davon begeistert. Geld gab es jedenfalls keins für dieses Vorhaben. Aber eingedenk des etwas abgewandelten Spruches „Gott denkt, das Volk lenkt“ entstand wie aus dem Nichts eine Initiative von unten. Das Jahr 2010 wurde kurzerhand zum Festjahr erklärt und ein Programm mit über fünfzig Veranstaltungen aufgelegt. Wie aber war das möglich?
Trotz aller Zwistigkeiten lieben die Radebeuler ihre Stadt. Und so bereicherten sie das Festjahr mit vielen interessanten Beiträgen. Wer dabei war, erinnert sich noch heute gern an den bunten Veranstaltungsreigen. Stellvertretend genannt sei die Aufführung des eigens aus diesem Anlass geschriebenen Theaterspektakels zur Entstehungsgeschichte der Stadt Radebeul, welche vom Naundorfer Dorf- und Schulverein in Szene gesetzt wurde und im Rahmen der Radebeuler Begegnungen im Hof des Rathauses sogar eine zweite Aufführung erlebte.
Nun steht wieder ein Jubiläum an: 80 Jahre Radebeul. Zur Anlaufberatung am 15. Januar im Lügenmuseum waren alle gekommen, die in der Radebeuler (Basis)Kultur zu den Aktivsten zählen und wieder gern etwas für ihre Stadt leisten möchten. Auch wenn die Aktion sehr kurzfristig angelaufen ist, gewissermaßen wurde aus der Hüfte geschossen, so liegen schon jetzt zahlreiche Angebote der Kulturvereine und -einrichtungen für das Festjahr 2015 vor. Da treten wieder die Radebeuler Chöre und das Theater „Heiterer Blick“ zu vielerlei Gelegenheiten auf, die Modelleisenbahner planen eine zusätzliche Aktion, der „verein für denkmalpflege und neues bauen“ will gemeinsam mit dem Radebeuler Kunstverein eine Plastik aufstellen, die Naundorfer werden die Veränderungen ihres Ortes in der jüngsten Vergangenheit zeigen, „Radebeul-West macht mobil“ mit einem Frühlingsspektakel, das Kunsthaus Kötzschenbroda, die Galerie mit Aussicht und der Kultur-Bahnhof zeigen Sonderausstellungen, die Stadtgalerie richtet mit ihrem Sommerprojekt den Blick in eine visionäre Zukunft und die AG Stadtmuseum, das Lügenmuseum sowie die Serkowitzer Volksoper planen mit den Anwohnern eine Veranstaltung unter dem Motto „700 Jahre Serkowitz“. Alles kann hier aus Platzgründen nicht aufgezählt werden. Dies ist auch nicht nötigt. Wie aus dem Kulturamt zu erfahren war, soll das komplette Programm bis Ende Februar in gedruckter Form erscheinen. Über Veranstaltungen, die vorher stattfinden, wird im kulturellen Monatsheft „Vorschau und Rückblick“ informiert.
Dass sich die Radebeuler immer mehr für die Radebeuler interessieren, ist wohl auch auf die Veranstaltungsreihe „Radebeuler Begegnungen“ zurückzuführen, die im Jahr 2000 ins Leben gerufen wurde und von Mal zu Mal wachsenden Zuspruch erfährt. In diesem Jahr führt der Weg von Lindenau in die Nieder- und Oberlößnitz und macht natürlich Station am ehemaligen Rathaus, wo der letzte Bürgermeister von Kötzschenbroda bis zur Zwangsvereinigung die Amtsgeschäfte führte.
KUB

Editorial 15-02

Bald ist es vollendet, das wohl ambitionierteste Großprojekt auf Radebeuler Flur. Nicht weniger als ein ganzer Stadtteil mit zahllosen Einfamilienhäusern ist in den letzten 15 Jahren am Rand der „Jungen Heide“ emporgewachsen. Rückschläge von Investoren blieben nicht aus, sodass das einst auf dem Reißbrett entworfene Gesamtgebilde nicht zustande kam. Nun treffen hier aber noch Orientierung suchende Häuslebauer auf eine ausstellungsreife Musterhaussiedlung par excellence, die wohl selbst im weiteren Umfeld seinesgleichen sucht. Vom Entwurf einer Kinderzeichnung, über die beliebte Doppelhaushälfte, bis hin zur gezähmt gediegenen Stadtvilla ist alles wohl verteilt und parzelliert.
Nur noch vereinzelt klaffen Baulücken, fast wohltuend für das Weite suchende Auge, im verdichteten Bebauungsplan vom „Dichterviertel Oberlößnitz“.
Selbstredend hat sich im übrigen Radebeuler Stadtgebiet im letzten Viertel Jahrhundert so einiges getan. Zahlreiche Villen haben den Charme im Geiste ihrer einstigen Bauherren zurückerhalten. Andere reizvolle Objekte blieben, wenn manchesmal sicher auch aus finanziellen Gründen, von den vielfältigen Angeboten der Nachwendeästhetik nicht verschont.
Insgesamt darf sich die Stadt mit ihrer weitgehend geschlossenen Bebauung aus ihrer Gründerzeit jedoch glücklich schätzen. Nicht wenige Neubauten haben das überwiegend homogene Gepräge durchaus bereichert und heiter ergänzt. Gleichwohl ist in den letzten Jahren die Tendenz nicht zu verleugnen, dass eine zu forcierte Lückenbebauung oder überdimensionierte Baukörper die einst angelegte Großzügigkeit durchaus gefährdet oder zerstört.
Es bleibt zu wünschen, dass Stadtplaner, Bauherren und Bürger auch zukünftig kritischen Auges geplante Bauprojekte in der Gemeinde begleiten.

Ilona Rau

Der »schwedische See-Hund« von Kötzschenbroda

Dass 1645 zu Kötzschenbroda der Waffenstillstand zwischen Sachsen und Schweden im Dreißigjährigen Krieg unterzeichnet wurde, ist allgemein bekannt. Anders steht es um ein Ereignis, das sich elf Jahre zuvor hier zugetragen hatte und von manchen Zeitgenossen ebenfalls, aber reichlich verfrüht mit dem bevorstehenden Ende der sächsisch-schwedischen Auseinandersetzungen in Verbindung gebracht wurde. Mehr »

Eine Emigration aus Labenbrod

Jörg Bernig hat in Kötzschenbroda seinen neuen Roman vorgestellt

Nach einer ganzen Reihe von Ehrungen in der weiten Welt erhielt Jörg Bernig dann im vergangenem Herbst auch den Kunstpreis von Radebeul, wo er sich als Schriftsteller niedergelassen hat. Sein literarisches Werk ist hier entstanden. Das sind drei Gedichtbücher, vier Romane und ein Essayband. Die landschaftlichen und kulturhistorischen Beziehungen von Radebeul, aber auch ganz beiläufige Beobachtungen auf den Wiesen und Mauern von Kötzschenbroda, speisen manche seiner Gedichtzeilen. Mehr »

„Segne oder ich schieße!“

Slawomir Mrožeks schrille Komödie „Tango“ hatte an den Landesbühnen Sachsen Premiere

Es sind bereits die ersten Minuten dieses Abends die so ganz anders verlaufen, als man das eigentlich vom Theater gewohnt ist. Denn die Distanz zwischen Zuschauerraum und Bühne wird quasi schon in der ersten Szene aufgehoben. Als die Familie nämlich die Oma ins Bett schickt. Die alte Dame (Olaf Hörbe) hört auf den Namen Eugenia, trägt ein knallbuntes Kleid, schmückt sich mit einer überdimensionalen Halskette und trägt zudem quer auf dem Kopf ein Basecap spazieren. Schriller kann eine Bühnenfigur kaum gezeichnet werden. Mehr »

Dietrich Lohse zum Geburtstag

Offener Brief an einen würdigen Adressaten

Lieber Dietz,

um es gleich vorwegzunehmen: Ja, ich weiß, dass es Dir gar nicht recht ist, diesen offenen Geburtstagsbrief an Dich hier in „Vorschau & Rückblick“ abgedruckt zu sehen, denn Du nimmst Dich gern zurück. Deine Verdienste gelten Dir wenig, weshalb Du nicht gern im Mittelpunkt stehst. Du wirst mich spätestens bei der nächsten Redaktionssitzung Anfang Januar dafür tadeln, dass ich Dir auf diese Weise zum 70. Geburtstag gratuliere und mit Bestimmtheit darauf beharren, dass Du eine solche öffentliche Würdigung gar nicht verdient hast. Mehr »

Radebeuler feiern 80. Stadtgeburtstag

auf heitere, phantasievolle, nachdenkliche und tolerante Weise

Die Idee, den Jahrestag eines umstrittenen „Verwaltungsaktes“ festlich zu begehen, reifte während der Veranstaltungsreihe „Basiskultur im Dialog“. Und so bot der 75. Stadtgeburtstag erstmals im Jahr 2010 den Anlass für Radebeuler Kulturvereine, Initiativgruppen, Kultureinrichtungen, Künstler und aktive Bürger, ein ganzjähriges Programm auf die Beine zu stellen. Was ursprünglich als einmaliges Langzeitexperiment angedacht war, hatte schließlich so gut funktioniert, dass es sehr schade wäre, wenn es keine Fortsetzungen geben würde. Mehr »

Editorial

Vor ein paar Tagen, mein Mann und ich kamen gemütlich von einem Bummel über den Coswiger Weihnachtsmarkt, hörten wir in unserer Straße heftiges Geschrei. Als wir näher kamen sahen wir, wie unser Nachbar und ein junger Mann sich um dessen Rucksack stritten. Mehr »

Zum Titelbild Dezember 2014

Zur Titelbildserie

Den Helden auf unserem Dezember-Titelbild ist die Erschöpfung anzusehen. Ein Jahr mit so viel Alkohol, dass halten weder Elefant noch Affe aus. Die schwankende Fassade lässt sich nur noch mühsam aufrecht erhalten. Trotz Frack, Zylinder und Zeremonienstock ist die Eleganz dahin. Nun müssen jüngere, noch Unverbrauchte ran. Die neue Generation steht in der Warteschleife. Schlaue Füchse, selbstverliebte Affen, aufgeblasene Frösche, bockige Böcke oder Elefanten im Porzellanladen wachsen immer wieder nach und Porzellan gilt es schließlich nicht nur in Meißen zu zerschlagen. Das neue Jahr wird wohl beginnen wie das alte endet. Das Chaos lauert überall. Ein Verdacht beschleicht mich allerdings in zunehmendem Maße. Lautet die Kernbotschaft unserer Titelbildserie etwa, dass sich das Leben nur im Suff ertragen lässt? Doch bevor meine Phantasie wieder Purzelbäume schlägt, sollte besser die Schöpferin der Titelbild-Helden selbst zu Wort kommen, die meint: Also Alkohol ist wirklich kein empfehlenswertes Mittel, um die Probleme vor der eigenen Haustür, geschweige denn der ganzen Welt zu lösen. Da helfen schon eher ein wacher Sinn, Einfühlungsvermögen, Haltung, Tatkraft und Humor.
Im Namen der Redaktion und wohl auch der Leserschaft möchte ich mich bei Lieselotte Finke-Poser ganz herzlich dafür bedanken, dass sie uns ihre Tierkarrikaturen kostenlos für die Titelbildserie zur Verfügung stellte. Die Zusammenarbeit war sehr vergnüglich und ein extra großer Blumenstrauß zum 89. Geburtstag am 29. Dezember ist ihr gewiss, was auch als ein versteckter Hinweis auf das bevorstehende Jubiläum im kommenden Jahr zu verstehen ist. Wir wünschen Lieselotte Finke-Poser (nicht ganz uneigennützig), dass sie noch recht lange künstlerisch tätig sein kann, denn das ist unbestritten ihr wichtigstes Lebenselixier.
Da sie zur Stammleserschaft von Vorschau und Rückblick gehört, wird sie sich bestimmt auch an der folgenden Titelbildserie erfreuen. Im Verlauf des Jahres 2015 geht es auf eine fotografische Erkundungstour ins „überelbsche“ Terrain.

Karin (Gerhardt) Baum

EISKELLER IN MORITZBURG

Eiskeller in Nähe von Schloss Moritzburg

Eiskeller in Nähe von Schloss Moritzburg    Foto:  D. Lohse

Einer oder mehrere? – da ist unsere Sprache offenbar variabel! Keller gehört im Deutschen wie u.a. auch Teller, Gebäude zu einer Wortgruppe, die keine unterschiedliche Schreibweise für Singular und Plural kennt. Nach meinen Recherchen vor Ort müssen wir, um auf die Überschrift zurück zu kommen, von Plural, also von mehreren Eiskellern ausgehen, die hier einmal gebaut und über eine Zeit lang betrieben wurden. Eiskeller ist ein Relikt aus einer anderen Zeit, Sinn und Nutzen für heutige Menschen kaum noch zu erkennen. Sie sind, sofern überhaupt noch erhalten, meist in Vergessenheit geraten, anders genutzt und es erscheint mir erforderlich, am Beispiel von Moritzburg einmal zu erläutern, wozu man früher solche Eiskeller brauchte.
Am Anfang meiner Beschäftigung mit diesem Thema war schon klar, dass es einen großen, dem Moritzburger Schloss zugeordneten Eiskeller gibt, aber welche anderen Eiskeller hat oder hatte Eisenberg, wie Moritzburg ursprünglich hieß, noch?
Also fragen wir erst mal nach dem Sinn von Eiskellern und wann sie wichtig waren? Sie dienten in Zeiten vor der Erfindung von elektrischem Strom, genauer gesagt, vor der Erfindung elektrisch betriebener Kühlschränke, also im 17., 18. und auch 19. Jahrhundert, als relativ sicherer Aufbewahrungsort von natürlich erzeugten Eisplatten oder Eisstangen für ein knappes Jahr. In diesen Eiskellern selbst wurden demzufolge keine leicht verderblichen Nahrungsmittel wie Fleisch oder Fisch gelagert, sondern nur Eis. In den frühen Morgenstunden, wenn die Luft von der Nacht her noch kühl war, wurde dann jeweils eine benötigte Portion Eis vom Eiskeller in die jeweilige Küche geholt und damit hier in einem Eisschrank für die Kühlung von verderblichen Waren gesorgt. In den meisten Fällen waren Eiskeller an einem anderen Standort als das Gebäude mit der Küche. Der Aufwand, einen Eiskeller zu bauen und zu betreiben, dürfte sich nur für größere Einrichtungen wie Schlösser, Klöster, Guts- oder Gasthöfe gelohnt haben, bei kleineren Bauernhöfen werden wir solche kaum finden. In den späten 40er und 50er Jahren, also in meiner Kindheit, erinnere ich mich noch gut daran, dass der „Eismann“ in regelmäßigen Abständen mit seinem Auto durch Radebeuls Straßen fuhr, an bekannten Stellen hielt und durch lautes Betätigen einer Handglocke die Hausfrauen aufmerksam machte, dass es Eis für die Eisschränke zu kaufen gab. Auch meine Großmutter besaß noch solch einen Eisschrank.
Wie müssen wir uns einen Eiskeller nun lagemäßig und baulich vorstellen? Seine Lage sollte schon mal ein kühles Umgebungsklima haben, also ein abgetrennter Keller unter einem Wohnhaus oder einer Scheune, freistehend im Schatten eines größeren Gebäudes (das ist zumeist die Nordseite) oder auch im Schatten von größeren Bäumen. Die Lage eines Eiskellers wird möglichst in der Nähe eines sauberen, stehenden Gewässers (Teiche gibt es ja in Moritzburg genug) und auch der zugehörigen Küche sein, um unnötig weite Transportwege zu vermeiden. Und der Eiskeller sollte eine geeignete Zufahrt für Pferdefuhrwerke bzw. –schlitten haben. Baulich finden wir verschiedene Möglichkeiten für einen Eiskeller: in einem bestehenden Hügel eingegraben oder bei Fels ausgehöhlt, in flachem Gelände aufgemauert und hernach mit Erdreich überdeckt (künstlicher Hügel), als gemauertes Gebäude in einen Hang zum Teil eingegraben, man könnte von Halbkeller sprechen. Der Eiskeller ist in der Regel dickwandig und fensterlos, der Eingang erfolgt von der Nordseite, meist über ein doppeltes Türsystem (Wärme- bzw. Kälteschleuse). Ist der Eiskeller ein Zubehör von Schlössern, finden wir auch gestalterisch, entsprechend der herrschenden Baustile geschmückte Eingänge, was aber im Moritzburger Fall nicht zutrifft, er ist eher schlicht und zweckmäßig. Fußböden von Eiskellern bestehen häufig aus einem Natursteinbelag, hier sind es die bekannten einelligen Sandsteinplatten, und sie haben ein Gerinne für mögliches Schmelzwasser. Manche Eiskeller sind gegenüber dem Vorraum noch mal abgesenkt oder haben einen hohen Luftraum. Nach den Gesetzen der Physik steigt bekanntlich warme Luft nach oben und kalte bleibt unten, wo das Eis liegt. Hinzu kamen innere Isolierschichten aus Stroh, Schilf oder Torf (letzteres in Moritzburg nicht vorhanden), die bei der Eiseinlagerung erneuert wurden.
Die „Eisernte“, also das Lösen von Teilen der Eisdecke eines Moritzburger Teiches, war auch schwieriger als wir uns das heute vorstellen. In den meisten Teichen wird von alters her Fischwirtschaft (Karpfen) betrieben. Mindestens seit dem 18. Jahrhundert werden im Herbst zum Fischfang die Teiche abgelassen und füllen sich durch Niederschläge (man spricht von Himmelsteichen) und geringen Zulauf. Es musste also im November und Dezember viel regnen oder schneien, damit die Teiche im Januar bzw. Februar (entsprechende Kälte vorausgesetzt) genug Wasser/ Eis hatten zum „Ernten“. Trotz dieser Unwägbarkeiten ist keine Nachricht überliefert, dass einmal die „Eisernte“ ausgefallen wäre. Die Tätigkeit des Eislösens ist schwere Arbeit – Männer brachen oder sägten das Eis in Blöcke, hoben diese auf die Eisfläche und bugsierten sie ans Ufer und ohne Verzug weiter in den Eiskeller.
In der Moritzburg-Literatur fand ich einen Hinweis, dass in historischer Zeit der Versuch gemacht wurde, in einem Teil des Hohburgtunnels – eine Investruine aus Augusts Zeiten (1729) – Eis zu lagern, was sich aber gar nicht bewährt hatte.
Der wichtigste Moritzburger Eiskeller befindet sich etwa 200m nordwestlich vom Schloss im sogenannten „Eiskellerhügel“. Für eine kühle Umgebung sorgt an dieser Stelle ein alter Baumbestand, vorwiegend Laubbäume. Es ist schade, dass er kürzlich vom Schlossensemble abgetrennt und der Forstverwaltung übergeben wurde. Wenn die Schlossküche im Sockelgeschoss für Besucher erschlossen werden wird, könnte man auf den früheren funktionellen Zusammenhang mit dem Eiskeller hinweisen und ihn in spezielle Führungen einbeziehen.
In einer baumbestandenen Böschung zwischen Fasanenschlösschen und Marcolini-Vorwerk gibt es mehrere Keller, von denen sicherlich mindestens einer ein Eiskeller war. Hier bot sich der Großteich als Eislieferant an. Klarheit könnte, wie auch in anderen Fällen, durch eine offizielle Begehung und Untersuchung geschaffen werden.
Im Grundstück des Rüdenhofs (heute Käthe-Kollwitz-Museum) befindet sich auch ein ehem. Eiskeller, dessen Eingang von der Meißner Straße aus gut zu sehen ist. Das Eis kam sicherlich aus dem Schlossteich, der nur etwa 20m entfernt ist. In jüngerer Zeit, d.h., als kein Eis mehr gelagert wurde, seien hier Kartoffeln bevorratet worden.

Eiskeller in Nähe von Schloss Moritzburg

Eiskeller in Nähe von Schloss Moritzburg Foto: D. Lohse

Noch bis in die 50er Jahre des 20. Jh. wurde ein Eiskeller unter dem Hauptgebäude von „Adams Gasthof“ betrieben, der für die Gaststättenküche nötig war. Ganz nahe im Grundstück wurde die Marche zu einem Teich angestaut, von dem das Eis geholt wurde.
An der Kötzschenbrodaer Straße finden wir ein kleines freistehendes, knapp zur Hälfte eingegrabenes Gebäude, was funktionell zur alten Försterei gegenüber gehörte und früher auch ein Eiskeller war, auch wenn der Volksmund hier wohl irrtümlich vom „Wildbretkeller“ spricht. Es steht im Schatten des bäuerlichen Wohnhauses Kötzschenbrodaer Straße 1 und an der Gebäude- und Dachform ist zu sehen, dass der Keller offensichtlich einen Vorraum hat.
Etwas weiter südlich im Ort befindet sich das alte Brauhaus, dem auch ein Eiskeller unter dem Gebäude zugeordnet war. Auch hier existiert noch ein Teich, der von der Marche gespeist wird, und der früher auch Eis lieferte.
Ich kann nicht garantieren, dass diese Aufzählung von Eiskellern in Moritzburg vollständig ist – es könnte noch eine Dunkelziffer geben. Ein Keller mitten im Wald, nein hier muss man schon von Kellerruine sprechen, ca. 200m westlich von der Wildfütterung sowie ein noch existierender Keller im Gelände der Wildfütterung waren, bzw. sind immer als Rübenkeller genutzt worden, haben also nichts mit dem Thema Eiskeller zu tun.Ob einer der von mir aufgezählten Eiskeller unter Denkmalschutz steht, weiß ich nicht, es wäre aber sinnvoll einen oder mehrere der Keller im Sinne eines technischen Denkmals zu schützen, ehe sie ganz in Vergessenheit geraten und verschwinden.
Nicht unerwähnt möchte ich die Tatsache lassen, dass während meiner Recherche die Zeitschrift „MONUMENTE“ der Deutschen Stiftung Denkmalschutz im Oktoberheft 2014 unter dem Titel „Ewiges Eis“ einen guten Überblick über Eiskeller in Deutschland brachte, ohne jedoch auf Moritzburg einzugehen.

Ich möchte mich bei zwei Moritzburgern, Frau Burk und Herrn Dr. Timmler sowie Herrn und Frau Roßberg aus Zitzschewig herzlich bedanken, die mich zu dem Thema anregten und mir freundlicherweise Auskünfte gaben.

Dietrich Lohse

Copyright © 2007-2025 Vorschau und Rückblick. Alle Rechte vorbehalten.