Sehnsucht nach dem Paradies

Arbeiten von Irene Wieland in der Hoflößnitz

IW. Scherenschnitt o.T, 2024, A. Dreessen

Die Radebeuler Künstlerin Irene Wieland (*1968) untersucht im Dialog mit den Vogelgemälden Albert Eckhouts (1610–1665) an der Festsaaldecke der Hoflößnitz Mythen und Projektionen unserer Paradiesvorstellungen. In lichtechten, farbintensiven Acryltuschen auf leichten Pappelhölzern oder Büttenpapieren entwickelt sie ihre spontanen, reduzierten und doch freien lyrischen Formulierungen. Die Zeichnung ist stets Ausgangspunkt für ihr Schaffen: ob als autonomes Werk in großformatigen Kompositionen mit Pigmenten angeriebener Tuschesteine auf Japanpapier oder als vorbereitende Studie für Adaptionen im Genre keramischer Plastik oder Skulptur aus Aluminium und Corten-Stahl. In ihrer stilisierenden Bildsprache wandeln sich naturalistisch skizzierte Tierdarstellungen kaum merklich zu eigenen grafischen Inventionen und phantastischen Mischwesen, eine Parallele zu den subtilen Chimären der Deckengemälde Albert Eckhouts. Doch Wieland steigert die Entfremdung und entfernt sich zusehends von ihrem gegenständlichen Vorbild. Es entstehen abstrahierte Vogelleiber mit Janusgesicht, auf einer Seite das Profil eines Vogels, auf der anderen maskengleich das menschliche Pendant andeutend.
Für den historischen Festsaal der Hoflößnitz schuf Irene Wieland anlässlich des 100-jährigen Museumsjubiläums eine eigens für diesen Raum konzipierte Wandinstallation. Erstmals wird das tradierte ikonologische Bildprogramm des Saals für einen Dialog mit der zeitgenössischen Kunst geöffnet. Die seit dem 19. Jahrhundert leeren Felder oberhalb des Kranzgesimses, die in der ursprünglichen Ausstattung Fürstenbildnissen vorbehalten waren, werden nun von formatfüllenden Arbeiten der Künstlerin bedeckt, in denen sie charakteristische Phänotypen einzelner Vogelarten der Eckhoutschen Gemälde in autonomen Anverwandlungen aufgreift.

IW, Prachhaubenadler, A. Dreessen

Dem Prinzip des grafisch-ornamentalen Scherenschnitts folgend, schneidet Wieland mit einem Cutter ihre Kompositionen aus schwarzem und rotem Filzgrund. Unseren Bildeindruck prägen die alternierenden, inversiven Leerstellen der Figuration und ihre markanten Konturen und fragilen Stege, die die Künstlerin in freihändiger, fast zeichnerischer Virtuosität als Positiv während des Schneidevorgangs herausstellt und somit als eine Art bildgebendes Raster inszeniert. Aufgelegt auf einem hellen Fond erhalten die dunklen Textilschnitte eine räumlich und optisch kontrastierende Füllung.
Angeregt durch Eckhouts brasilianische Vogelwelt entwickelt die Künstlerin ein imaginäres Paradies, in dem Menschen, Tiere und Geister in idealer Weise koexistieren. Wir sehen an japanische Drachenschutzgötter gemahnende, maskengleiche Gesichter, deren wehrhafte Züge mit goldfarbenen Pigmenten gehöht und Stickereien konturiert werden – gewissermaßen die Wächter des Idylls. Folgen wir dem räumlich friesartig angelegten Arrangement, wechseln stilisierte schemenhafte Wolken und dichte Landschaften einander ab, in denen Vögel und menschliche Gesichter in Zwiesprache verwoben sind. In phantastischen Pflanzengebilden blickt uns das »Antlitz der Natur« aus anthropomorph gestalteten Augenpaaren entgegen. Chimären aus Fauna, Flora und Mensch gehen symbiotische Verbindungen ein.
In der Schilderung der Genesis erscheint das irdische Paradies, die Urwohnung der Menschen, als ein blühender Garten mit einer Vielfalt an Bäumen, Früchten und friedlicher Tierwelt. Allein die Unzulänglichkeit des Menschen führt zum Verlust des Idylls. Doch ist die Vorstellung eines idealen Ortes, zu dem wir zurückkehren könnten, nicht vielmehr eine Metapher, die eine Perspektive für eine Orientierung im Leben gibt? Sie kann bewirken, dass wir uns gegen Leid und Elend in der Welt zur Wehr setzen. Zugleich ist sie eine Parabel für die menschliche Sehnsucht nach Sinn und Erkenntnis und die damit einhergehenden Prozesse von Entfremdung und Abspaltung.

Arbeiten von Irene Wieland im Festsaal der Hoflößnitz, Foto: F. Andert

Die nicht allein im biblischen Mythos geschilderte Störung des Paradieses findet auch in Wielands Bildwelt ihren Widerhall. In ihren Décollagen fotografischer Abbildungen der Deckengemälde Albert Eckhouts verändert die Künstlerin die ursprünglichen Kompositionen des niederländischen Malers durch gezielte Entfernung und Abtragung bestimmter Partien von der Oberfläche der fotografischen Prints. Mittels Cutter schält und schabt sie das für sie relevante dystopisch und bewusst fragmentarisch zurückbleibende eigene Bild aus der von Eckhout angelegten Komposition heraus. Die freigelegten weißen Leerstellen werden mitunter farbig getuscht oder bleiben als weiße, blinde Flecken und Ritzungen zurück. Wunden, Verletzungen und Verlust werden so zu Zeichen der Mündigkeit und des Aufbruchs zu einem neuen, anderen Sehnsuchtsort.
Katharina Arlt


Die Ausstellung »Paradies« mit Arbeiten von Irene Wieland und Vogelpräparaten aus den Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen Dresden ist noch bis 28. Juli im Weinbaumuseum Hoflößnitz, Radebeul, Knohllweg 37, zu sehen (Di–So, 10–18 Uhr). Der vorstehende Text ist die gekürzte Fassung eines Beitrags im Ausstellungskatalog.

Ein Od geht verloren

Das ist nun wirklich nicht mehr lustig!
Auch wenn davon ausgegangen werden kann, daß es Zeitgenossen gibt, die ihren Spaß haben am Verlust (in dem Wort steckt ein gerüttelt Maß an Masochismus: Ver-Lust), ist es doch schmerzlich zu sehen, wie ein Alleinstellungsmerkmal der Stadt einfach so verschwindet: Wir hatten mal ein Lügenmuseum, kurz Lüseum, eine Bildungsstätte ganz eigener Prägung, von kundiger Hand aus alten Brettern zusammengeschraubt.
Gerade das Fragile, scheinbar Unfertige, hielt uns so viele Spiegel vor, wie sie in keine Badestube passen. In einer Zeit, in der nicht erst seit und nicht nur durch einen blonden Amerikaner „alternative Wahrheiten“ zum guten Ton gehören, wäre ein Ort, an dem frei und herzlich drüber gelacht werden kann, jede Urlaubsreise wert. Es könnten Scharenweise Touristen in die Stadt kommen …
Es hat an dieser Stelle keinen Zweck, in mögliche und unmögliche Schuldzuweisungen zu verfallen (der hat … die hat nicht…), auch wenn es manchmal erleichtert, einen Schuldigen in die Wüste schicken zu können. Da wäre er dann dort, wo das Lügenmuseum auch ist. Das wäre erst lustig…
Ich bedaure zutiefst, daß auch meine nun angepaßte Rente nicht ausreicht, an diesem Fiasko etwas zu ändern.
So geht es also verloren, das Kleinod – Kleinod? Nein! Es erschwindet ein großes Od und eine große Öde wird bleiben …
Thomas Gerlach

Alles vergeigt!

Sind die Tage des Lügenmuseums gezählt?

Zurück auf Anfang. Der Serkowitzer Gasthof vor 2012. Foto: Karl Uwe Baum

Wird erneut ein Museum die Stadt verlassen? Radebeul bietet offensichtlich keinen guten Nährboden für museale Einrichtungen. Auch die nahe Kunst- und Kulturmetropole Dresden bleibt hier ohne nachhaltige Wirkung. Dieser wahrlich nicht gerade Image fördernde Umstand scheint sich nun in der letzten Amtsperiode des Oberbürgermeisters Bert Wendsche gerade zu einem negativen Markenzeichen der Großen Kreisstadt Radebeul entwickelt zu haben.
Ein Heimatmuseum sucht man hier vergeblich. Fast jede halbwegs große Stadt in Sachsen besitzt eine derartige Einrichtung. In Radebeul erfährt man über die Entwicklung des Ortes fast nichts. Schlimmer aber noch ist, dass die Bewohner kein Museum haben, wo sie ihre historischen Dokumente, Zeugnissen und Erzählungen über die Stadt hingeben können. Die Erben von Ernst Edler von Schuch hätten sicher gern entsprechendes Material dem Heimatmuseum überlassen…
Dabei sind erst 24 Jahre vergangen, seit die Stadtbevölkerung nach der Neujahrsrede des Oberbürgermeisters Bert Wendsche Hoffnung schöpfte, dass seinen Worten auch Taten folgen mögen. So verkündete er in den Landesbühnen Sachsens zur Freude der Anwesenden: „Wir feiern in diesem Jahr den 75. Geburtstag unserer Stadt, den 75. Jahrestag des Zusammenschlusses von Kötzschenbroda und Radebeul zum heutigen Radebeul. Die öffentliche Einweihung des ,begehbaren Depots‘ unseres potenziellen zukünftigen Stadtmuseums in den ersten Januartagen war dabei sicher ein sehr gelungener Startschuss des Jubiläumsjahres.“.

Das einstige Radebeuler Heimatmuseum wurde endgültig Anfang der 1990er Jahre in das Sächsischen Weinbaumuseum umgewandelt. Die Puppentheatersammlung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden befand sich bis 2003 im Radebeuler Hohenhaus. Deren Wegzug war sicher keine Radebeuler Entscheidung, wohl aber das Ausschlagen des Kaufangebotes für die geschichtsträchtige Anlage Hohenhaus durch die Stadt. Das Zeitreisemuseum musste endgültig 2016 aufgeben, als die erhöhte Miete nicht mehr aufzubringen war. Eine Unterstützung für die einmalige Sammlung wurde von keiner Seite her gewährt, auch nicht von der Stadt. Der einstige Güterboden mit dem Schmalspurbahnmuseum in Radebeul wurde mit großem Pomp 2012 eingeweiht, und als schließlich die 2004 gegründete Museums-gGmbH 2016 in die Liquidation ging, hatte das kaum Schlagzeilen verursacht.

In diese traurige Bilanz des Museumssterbens in Radebeul reiht sich nun vermutlich auch das Lügenmuseum ein. Die Stadtverwaltung hat die Kündigung für den 31. August dieses Jahres ausgesprochen. Manch einem in der Stadt schien das ohnehin recht zu sein, war für ihn das Museum doch eine Ansammlung von Plunder. Erinnert sei hier nur an die Schmähschrift aus der Kulturstiftung des Freistaates.
Nun ist nicht zu übersehen, dass die Stadtverwaltung mit dem Mieter Reinhard Zabka wahrlich einen gewissen Großmut über all die Jahre gezeigt hat. Auch deshalb hält sich dort und in der Bevölkerung das Verständnis in Grenzen, ist das Lügenmuseum in breiten Kreisen durchaus nicht unumstritten wie auch sein selbst ernannter Direktor Reinhard Zabka. Aber welcher Vollblut-Künstler, der der Gesellschaft unentwegt den Spiegel vorhält, ist schon stromlinienförmig? Schon 1972 sah die Kunstkritikerin Karin Thomas in der Avantgarde eine „Herausforderung an das kritische Denkvermögen“ und ein bewusstes Infragestellen des gelebten Alltages. Dem Tradierten aber kann man im Lügenmuseum nicht begegnen. Schon deshalb würde die Einrichtung in Radebeul ein „Stein des ewigen Anstoßes“ bleiben. Das Interessante bei dieser Geschichte aber ist, wie gering die Toleranzschwelle einiger Zeitgenossen ist und wie wenig das komplexe Denken ausgeprägt zu sein scheint. Man kann natürlich Reinhard Zabka „unkooperatives Verhalten“ vorwerfen. Lässt man die Hintergründe der Verhandlung mit dem potentiellen Käufer im Dunklen, bleiben sie bloße Behauptung, wenn sie nicht gar als rufschädigend aufzufassen sind.

Nun will ich keinesfalls irgendjemandem einseitig den „schwarzen Peter“ zuschieben. Die Details aller Gespräche sind mir nicht bekannt – ein Urteil darüber ist anmaßend. Gleichwohl werden Verhandlungen erst durch die Bereitschaft der Parteien zu einem tragfähigen Kompromiss zu kommen, erfolgreich geführt. Dies aber kann nur gelingen, wenn alle dasselbe große Ziel anstreben, auch wenn die Wege dahin verschieden sein mögen, weil sie sich im Klaren sind, was auf dem Spiel steht. Diese gemeinsame Basis schien gefehlt zu haben. Zu unterschiedlich waren die Ausgangsstandpunkte. Schon in der Mai-Ausgabe 2022 von SAX, Das Dresdner Stadtmagazin, äußerte der Oberbürgermeister recht eindeutig seinen Standpunkt zum Lügenmuseum und zu Reinhard Zabka: „Seine Installationen haben in Brandenburg und in Serkowitz funktioniert, warum nicht auch an einem anderen Ort? Sie sind nicht an das Haus gebunden.“.
Die Prinz-Rupi-Kulturstiftung, vertreten durch Wilhelm Ruprecht Frieling, hatte eigene Vorstellungen von der Verwendung des Objektes und deshalb nur einen Fünf-Jahres-Mietvertrag für das Lügenmuseum angeboten. Und Zabka – er glaubte wohl, das alles so weitergehen könne, wie bisher.
Mit solchen doch recht unterschiedlichen Standpunkten war kein gemeinsamer Blumentopf zu gewinnen. Den Schaden werden alle tragen, auch jene, die sich als heimliche Sieger fühlen und besonders diejenigen, die sich mit viel Kraft und Elan für dieses, in der Bundesrepublik einmalige Museum eingesetzt haben. Die Bekundungen für den Verbleib des Lügenmuseums sind zahlreich und mannigfaltig. Man kann sie auf der Webseite des Museums einsehen.

Wenn der Vorgang nicht so unendlich traurig wäre, könnte man sich freilich vor Lachen auf die Schenkel klopfen. Die Republik wird verwundert die Köpfe schütteln über diese unsägliche Posse! Hat Kultur und Kunst in dieser Stadt überhaupt noch einen Wert? Von den kulturell-künstlerischen Leistungen des Lügenmuseums ist in der Pressemitteilung der Großen Kreisstadt Radebeul vom 23.05.2024 an keiner Stelle die Rede. Die hat es offensichtlich nie gegeben.

Karl Uwe Baum

100 Jahre Museum Hoflößnitz, Teil 7

Das Haus wolle »immer mehr ein Sammelpunkt aller heimatlichen Werte sein und wieder ein Kulturmittelpunkt der Lößnitz werden, wenn auch im neuzeitlichen Sinne.« So heißt es im »Kleinen Führer durch das Heimathaus Hoflößnitz«, der zur Saison 1925 erschien und fortan an alle Besuchenden als Eintrittskarte ausgegeben wurde. Nach einer Zusammenfassung der Geschichte des Anwesens folgte darin, stichpunktartig zusammengefasst,

Ein »Rundgang durch das Heimathaus«

Dieser war seinerzeit recht kurz, denn vom ohnehin nicht großen Erdgeschoss waren zweieinhalb Zimmer – ein Teil des Foyers, der »Zehrgarten« und die »große Tafelstube« auf der Ostseite – als Hausmannswohnung abgeteilt worden. Die vier Museumsräume boten folgendes:
»1. Eingangshalle: Der Winzerzug aus dem Jahre 1840 gez. von Retzsch; dargestellt: Der Herbst, Gott Baccus, Amor, Herstellung der Weinfässer, Weinbereitung. – Über der Tür ein Bildnis Knolls, des ›ersten Winzers‹, war 1661 Bau- und Bergschreiber in der Hoflößnitz, wirkte tatkräftig für Verbesserung des Weinbaues. – Ein großes Ölgemälde: Die Huldigung des Hauses Wettin. – In dem Wandschrank das Heldengedenkbuch, gewidmet den im Weltkrieg 1914/18 gefallenen Söhnen der Gemeinde Oberlößnitz.
2. Guckkastenzimmer: Vier naturgetreue Bilder, die vier Jahreszeiten darstellend (Rundgang rechts herum!) – Der Frühling: Die Lößnitz um 1800. Das Spitzhaus in der alten Gestalt, links das Bennoschlößchen, wahrscheinlich früher ein bischöflicher Wirtschaftshof, Winzer bei ihrer Arbeit. – Der Sommer: Die Lößnitz um 1800 [recte: 1900]. Spitzhaus nach dem Umbau. Der Wald ist heute bereits zum größten Teil wieder dem Wein gewichen. – Der Herbst: Winzerfest zur Zeit Augusts des Starken. Vorn Gebäude des unteren oder Holzhofes. – Der Winter: Aufbruch zur Jagd.
3. Geologisches Zimmer: Eine farbige, erdgeschichtliche, erhabene Karte der Heimat, in zwei Schaukästen die Gesteine der heimatlichen Erde, an der Wand zwei Geländeschnitte aus der, Umgebung u.a.m.
4. Heimatzimmer: Alte Bilder aus der Lößnitz. Holztafel mit Aufzeichnungen über den in der Hoflößnitz gepreßten Wein. Nachtwächterhorn von Oberlößnitz. Bildnisse der Gräfin Cosel und eines Regimentsnarren u.a.m.«
Um das eingangs zitierte Ziel zu erreichen, bedurfte es freilich mehr als dieser kleinen Präsentation. Das war auch dem Architekten Dr.-Ing. Alfred Tischer, ehrenamtlicher Museumsvorstand, klar. Schon kurz nach Eröffnung des Museums lancierte er deshalb ein zweites ehrgeiziges Projekt, ein großes »Winzerfest der Lößnitz«. Nachdem der von ihm geleitete Arbeitsausschuss am 1. August erstmals zusammengetreten war, ging dieses Volksfest, an dem sich fast 100 einheimische Vereine aller Art und Richtungen beteiligten, vom 3. bis 5. Oktober 1924 glanzvoll über die Bühne. Den Höhepunkt bildete am Schlusstag ein gewaltiger Festzug, der von der Hoflößnitz über Radebeul nach Kötzschenbroda führte und, was Teilnehmer- und Zuschauerzahlen angeht, sein historisches Vorbild von 1840 bei weitem in den Schatten stellte. Darauf wird zu gegebener Zeit zurückzukommen sein.

Archiv Stiftung Hoflößnitz

Die erste Sonderausstellung im neuen Museum Hoflößnitz ging ebenfalls auf Dr. Tischers Initiative zurück und eröffnete eine Tradition, der sich unser Haus nach wie vor verbunden fühlt, die Förderung der zeitgenössischen bildenden Kunst. Vom 7. bis 14. Dezember 1924 lud das Heimathaus zur »Kunstwoche der Lößnitz« ein, während derer »den gerade in dieser schweren Zeit oft bittere Not leidenden heimischen Künstlern« die Möglichkeit gegeben wurde, ihre Arbeiten – Erzeugnisse der Bildhauerei, Malerei, der graphischen Künste, des Kunstgewerbes, der Buchdruckerkunst usw. – zu zeigen und gegebenenfalls auch zu verkaufen. Über die Annahme der Ausstellungsgegenstände entschied ein Fachgremium, dem u.a. Landeskonservator Dr. Walter Bachmann, der ehemalige Direktor der Dresdner Kunstgewerbeakademie, Prof. Bernhard Grohberger, und der am selben Institut tätige Prof. Max Frey angehörten. Die Besprechung in den ›Dresdner Nachrichten‹ am 8.12.1924 zählt die bemerkenswertesten Arbeiten dieser bunt gemischten Schau auf, darunter solche von noch heute namhaften Malern/Grafikern wie Käthe Kuntze, Georg Richter-Lößnitz, Hans-Theo Richter und Karl Sinkwitz. Beteiligt waren auch damals in der Lößnitz ansässige Künstler, die inzwischen weitgehend vergessen sind, u.a. Arthur Götze, Curt Voigt, Rudolf Wirth und Werner Zehme. Gezeigt wurde die Ausstellung im Obergeschoss des Lusthauses, wo durch einfache Stellwände und elektrische Beleuchtung provisorische Voraussetzungen dafür geschaffen worden waren. »So wandert man ›mit vergnügtem Sinne‹ durch diese kleine Heimatschöpfung«, fand der Rezensent. (Fortsetzung folgt.)
Frank Andert

Editorial 7-24

Radebeul kann sich im Jahreskreis zweifellos eines reichen kulturellen Angebots erfreuen.
Und doch, es lohnt sich überaus, auch mal über die Stadtgrenzen hinauszuschauen! So fand Mitte Juni in Meißen das nunmehr 15. Literaturfest statt. Nicht irgendeins! – Es hat sich in all den Jahren immerhin zum deutschlandweit größten eintrittsfreien Lesefest etabliert. Allein beim Durchstöbern des über dreißigseitigen Programmheftes schlägt einem die Fülle an Veranstaltungen entgegen. Weit über hundert Lesungen, Gesprächsrunden und Musik luden in die verwinkelten Gassen und unter die Dächer der idyllischen Altstadt ein. Zahlreiche Bücherstände auf den Märkten machten die literarischen Welten für die flanierenden Interessenten dann greifbar.
Großer Respekt gilt an dieser Stelle dem Meißner Kulturverein, der es versteht, Vereine, Institutionen, Betriebe und vor allem die ansässigen Bewohner zum Mitmachen zu begeistern.
Als ein Programmhöhepunkt kann sicher das Podiumsgespräch des Musikers und Literaten Hans-Eckardt Wenzel mit dem politischen Lokalmatador Frank Richter angesehen werden. Fazit des rund einstündigen Gesprächs war die heute oft überaus verschärfte Debatten-(Un-)Kultur, resultierend in der Mahnung, einander das Zuhören nicht zu verlernen. Dies gilt für das große Weltenrad ebenso wie für eine intime Lesung.
Erstaunlich, was bürgerliches Engagement – mit nur wenig Geld – bewirken kann! Vielleicht davon auch noch mehr in Radebeul?

Sascha Graedtke

Glosse

Da haben wir den Salat

Können sie sich nicht auch des Eindrucks erwehren, dass der Salat seit geraumer Zeit immer mehr in Mode gekommen ist? Früher höchstens als Beilage geduldet, hat er sich heutzutage regelrecht in den Vordergrund gedrängt und nicht nur auf dem Mittagstisch. Manchen Orts ist er gar zum Hauptgericht aufgestiegen. Auch daran kann man erkennen, dass sich die Extreme in dieser Zeit immer mehr ausgebreitet haben, was natürlich besonders bei den Wahlen in Erscheinung tritt. Aber dazu später. Die gute alte Hausmannskost ist da ohnehin schon eher meine Geschmacksrichtung. Dabei will ich jetzt gar nicht nur auf die deutsche Küche verweisen. Auch die Polen kochen gut, der deutschen Küche nicht unähnlich, aber mit Anlehnung an die östlichen Nachbarn und mit reichlich Gewürzen versehen. Tut man hierbei allerdings zu viel des Guten, ist nicht nur der ganze Salat verdorben, sondern auch so manche Partnerschaft.

Und wenn man bedenkt, dass das Wort Salat bis ins 15. Jahrhundert zurückreicht und von dem italienischen insalare kommt, was so viel wie einsalzen bedeutet, hat man eigentlich keine Fragen mehr. Da mag es nicht überraschen, wenn besonders der Deutsche ab dem 19. Jahrhundert bei dem Wort Salat – einer Mischung verschiedener Zutaten – auf ganz andere Gedanken kommt. Da tauchen dann Begriffe wie Wirrwar, Schweinestall, Unordnung oder gar Chaos auf. Und schon sind wir, ehe wir uns versehen, mitten in der schönsten politischen Diskussion. Die Missverständnisse häufen sich, das Durcheinander und die Aufregungen nehmen zu, bis schließlich alles in einem Desaster endet. Wer kennt sich denn noch bei den vielen kleinen und großen „Gurkentruppen“ aus, die der kleinen Frau, dem kleinen Mann und dem kleinen Es beständig erklären, wo es angeblich langgehen soll. Etwa wie gegenwärtig beim Gebäudeenergiegesetz. Da trifft man überstürzte Entscheidungen, und über 40 Prozent der Betroffenen können da überhaupt nicht mehr mithalten. Sollen dann die Bulldozer kommen und die Einfamilienhäuser einfach wegschieben? Wäre doch eine Idee, warum nicht auch von anderen Demokratien lernen?

Mit dem Begriff „Demokratie“ komme ich auch nicht so richtig klar. Ich bin da noch nicht dahinter gestiegen, was man sich darunter vorstellen soll. Alle paar Jahre die Regierung wählen, damit die dann hinterher etwas anders macht, als sie vor den Wahlen versprochen hat? Man soll ja in der Demokratie mitreden können. Aber wie macht man das, wenn das Meiste hinter verschlossenen Türen besprochen wird? Da fällt mir ein markantes Beispiel aus Radebeul-West ein. Eigentlich wollte ich nicht schon wieder auf die verunglückte Bahnhofstraße zu sprechen kommen. Sie ist eh ein Sonderfall. Wo sonst findet man auf ca. 100 Meter noch acht Lichtmasten? Vermutlich wird dann dieser Abschnitt besser ausgeleuchtet sein als ein Fußballstadion. Da fehlt eigentlich nur noch die Rasenfläche. Kann ja noch werden. Alles nur, weil man eine Alleestraße haben wollte. Warum eigentlich? Lag das eventuell daran, dass die einst zur Entscheidung gestandenen Alternativen am Ende gar keine waren? – Mal mehr, mal weniger Bäume?

Das Ding mit den Parkplätzen ist auch so eine Sache. Kann sich noch jemand an das INSEK erinnern? Ist schon eine Weile her. Nächstes Jahr wird es Zehnjähriges feiern. Damals hatte man eine ca. 5-prozentige Steigerung beim PKW-Besitz in der Stadt festgestellt. Da ergiebt es Sinn, die Parkplätze auf der und um die Bahnhofsstraße herum zu reduzieren. „Aber die neuen Stellplätze auf der Güterhofstraße…“, wird mancher einwenden. Die waren schon vor der Baumaßnahme weitgehend belegt. Vielleicht hilft der bereits 2022 prognostizierte Bevölkerungsrückgang, die Lage in dem Revier wieder zu entspannen.

Ist schon seltsam: Wenn Wahlen bevorstehen, sind die Parteien immer ganz kuschlig. Da kann man sie kaum noch auseinanderhalten, und schon ist der schönste Salat fertig. Da halt ich mich doch lieber an einen leckeren Platterbsensalat. Da weiß ich wenigstens was drin ist, meint

Euer Motzi

HAUS BREITIG – Maxim-Gorki-Straße 22 (Teil 2)

Nutzungen des Anwesens Haus Breitig

Der Zweck zur Errichtung 1650 war natürlich der Weinbau, um den sich alles drehte – die Weinkeller, die Wohnung eines Winzers war zunächst im EG, nach 1735 dann im östlichen Seitengebäude. Ein Pressraum kann im EG vermutet, aber bisher nicht nachgewiesen werden. Räume im OG waren für die adlige oder wohlhabende Besitzerfamilie (sie hatte in der Regel einen Hauptwohnsitz in Dresden) vorbehalten. Sie kamen zu gelegentlichen Aufenthalten, wie zur Weinlese. Nebenbei fanden auch ein paar landwirtschaftliche Arbeiten zur Selbstversorgung der Winzerfamilie statt, so sollen zeitweilig zwei Kühe zum Hof gehört haben.

Ansicht Haus Breitig von S-W, 2024

Nach dem Niedergang des Weinbaus im ganzen Elbtal durch die Reblaus – nach 1885 – lagen die Weinberge lange Zeit brach, bzw. dienten ersatzweise dem Obstanbau. Es gab keine Weinlese und demzufolge auch keine Kelterei. So wurden viele brachliegende Weinberge in den flacheren Bereichen von 1885 bis etwa 1912 parzelliert und nach und nach mit Wohnhäusern bebaut. Die bekannte Serkowitzer Fa. Gebr. Ziller bebaute damals die mittlere Eduard-Bilz-Straße mit Villen und Landhäusern. Die Flächen vom Haus Breitig wurden bis in die 1960er Jahre dagegen langsamer bebaut, sodass Familie Breitig bis zum Verkauf 1952 noch als Gartenbaubetrieb wirken konnte. Dann betrieb Frau Rödenbeck hier noch einen Reitstall mit bis zu sechs Pferden, wo auch einige Radebeuler Kinder das Reiten gelernt haben dürften. Diese Nutzung erwies sich aber für Haus und Grundstück als eher nachteilig, der Verfall schritt fort. 1972 übernahm die Stadt Radebeul / Gebäudewirtschaft das Grundstück ohne dass saniert worden wäre. Schließlich konnte die Familie Jäger das Grundstück kaufen und begann ab 1984 mit der Rekonstruktion mit dem Ziel einer eigenen Wohnnutzung. Bald schon wurden im südlichen Vorland wieder Weinstöcke gesetzt, sodass man beim Einzug schon mit eigenem Wein anstieß!

Andere Ansätze das Haus zu erhalten

Nachrichten über historische Erhaltungsmaßnahmen sind leider nicht dokumentiert. Von 1953 gibt es Teile einer studentischen Bauaufnahme durch den Studenten Herrmann Kraft an der TH Dresden, Fachrichtung Architektur, darunter sehr gute Fensteraufmaße. Es war aber nur eine Übung ohne praktische Bedeutung. In der Denkmaltopografie der Stadt Radebeul wird für Haus Breitig eine unbekannte Sanierung von 1964 erwähnt – nach Auskunft des LAfD war da eine Dachreparatur geplant aber nicht zustande gekommen.


Aber ich erinnere mich an noch einen Ansatz um 1975, das fast zur Ruine gewordene Haus zu retten: die jungen Radebeuler Familien von Dietmar Kunze, Peter Richter und Dietrich Lohse wollten das Haus erwerben und Dr. Dietmar Kunze hatte eine Studie mit zwei Nutzungsvarianten zu Papier gebracht. Die eine Variante sah einen Dreispänner (wie ein Reihenhaus) mit drei Treppen vor, die realistischere Variante ging von drei übereinander liegenden Wohnungen mit nur einem Treppenhaus aus. Der Plan scheiterte nicht am Kaufpreis, wohl aber, man ahnt es, an den Kosten von Sanierung und Umbau. Die Skizzen von damals existieren heute leider nur noch in Resten.

Dr. Wolfram Jäger, inzwischen zum Professor ernannt, hatte mit dem Erwerb 1983 und dem Baubeginn 1984 mehr Glück und vor allem den eisernen Willen, die Rettung von Haus Breitig zu stemmen. Hinzu kam, dass seine berufliche Laufbahn – Lehre als Zimmermann, Bauingenieurstudium an der TU Dresden, Anstellung bei der Bauaufsicht und danach im Bauamt der Stadt Radebeul – auf diese Bauaufgabe geradezu zugeschnitten schien. Dass sich die Realisierung schließlich bis 1990 hinzog, lag an der Größe der Aufgabe und an der schwierigen Materialsituation in der damaligen DDR. Allein die Holzbeschaffung in der Größenordnung stieß immer wieder auf Probleme – zugewiesen bekam man nur den Teil, der für einen Neubau Typ EW 65 nötig gewesen wäre. Es blieb nicht aus, nach anderen Quellen zu suchen, so ein kirchlich verwaltetes Waldstück in der Lausitz.

Stabiles Fachwerk über zwei Geschosse (S-O-Ecke), 2024

An dieser Stelle will ich an zwei nicht mehr lebende, einander bekannte Persönlichkeiten – den Radebeuler Baumeister Franz Jörissen und Prof. Hans Nadler vom Landesamt für Denkmalpflege Dresden – erinnern, die so oder so immer ein Auge für diese Baustelle hatten und gute Ratschläge und anerkennende Worte fanden.

Wenn ich mich heute an die Situation von Haus Breitig vor 1983 und an den drohenden Verlust denke, muss ich sagen, daß der Kauf durch Familie Jäger ein wahrer Glücksfall für das Kulturdenkmal war. Die Arbeit ging nicht nur ins Geld, sondern auch in die Knochen!

Teil des Wohnraumes im 1. OG, 2024

Ob Wolfram Familie Jäger, inzwischen Professor geworden, und seine Familie den 400. Geburtstag des Hauses im Jahr 2050 feierlich begehen kann, weiß heute noch niemand, schön wäre es ja.

Dietrich Lohse

Anhang Besitzerfolge (soweit nachweisbar)

1627 Besitz des Flurst. / Weinberg: kurfürstl. Schösser Johann Täucher
1650 Errichtung des Winzer- u. Herrenhauses
1714 Besitz der Witwe von Hofrat Schramm
um 1730 Besitz von Weinbg. u. Haus Frau Sekretär Wernerin
1735 Stallanbau u. zT. neue Gaupen wohl unter Hoftäschner Girkhoff
1786 Besitz der Erben von Johann Gottfried Allich
1791 Verkauf an Johann Gottlieb Findeisen, Kaditz
1897 Erwerb durch Familie Breitig, zuletzt bis 1952 Hermann Breitig, Gärtner
1952 Besitz von Frau Rödenbeck, Reitstall
1972 Erwerb durch die Stadt Radebeul / Gebäudewirtschaft
1983 Erwerb durch Familie Jäger, bis jetzt

Literaturhinweise:
Landesverein Sächs. Heimatschutz, Band XIII, Heft 5/6, 1924 (Grüne Hefte)
Vorschau 03/58, „Eckenbreitig u. Russenbreitig“, Curt Reuter
„Radebeul – Stadtführer durch Vergangenheit u. Gegenwart“, Liselotte Schließer,
Verl. Edition Reintzsch, 1996
„Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland – Stadt Radebeul“, Volker Helas
u. Mitwirkende, Sax Verlag, 2007
* „Sächs. Weinland – historische Weingüter und Winzerhäuser im Elbtal“, Matthias Donath,
Redaktions- u. Verlagsgesellschaft Elbland mbH, 2010
* „Stadtlexikon Radebeul“, Große Kreisstadt Radebeul, 2021

Der Kneipp-Verein Radebeul stellt sich vor

Seit 1990 besteht in Radebeul ein Kneipp-Verein, der das ganzheitliche Gesundheitskonzept von Sebastian Kneipp allen gesundheitsbewussten Menschen und allen Interessierten in der Umgebung nahebringt. Unser Verein ist der älteste Kneipp-Verein in Sachsen und zählt zurzeit 71 Mitglieder. Wir sind in enger Freundschaft mit dem Kneipp-Verein Donauwörth e.V., Bayern, verbunden. Neue Mitglieder und engagierte Ehrenamtler*innen sind jederzeit herzlich willkommen.

Der Kneipp-Verein beim Vereinstag in Radebeul


Sebastian Kneipp – unser Namensgeber

Sebastian Kneipp (1821-1897) war ein katholischer Pfarrer aus Bayrisch-Schwaben, der durch die Kaltwassertherapie und Naturheilkunde berühmt geworden ist – nicht nur in Deutschland. Er hat sogar den Papst behandelt und war zu Lebzeiten auch in den USA eine bekannte Persönlichkeit. Seine Wasserkur wurde zwar schon früher angewandt, aber durch ihn erst populär. Die Kraft des Wassers entdeckte er durch seine eigene Tuberkulose-Erkrankung, die zur damaligen Zeit als unheilbar galt.

Die fünf Elemente unserer Vereinsarbeit

Kneipp wusste schon früh um den ganzheitlichen Ansatz, wenn es um Gesundheit und Wohlbefinden geht. Darum ergänzte er sein Heilwissen um weitere Elemente, die auch Inhalt unserer Vereinsarbeit sind: Wasser als Vermittler von Temperaturreizen (z.B. Winterschwimmen, Wassertreten, Kneipp´sche Güsse, Wickel), Bewegung als Wechselspiel von Belastung und Entspannung, Heilkräuter mit ihrer großen therapeutischen Vielfalt, Ernährung als Aufnahme gesunder Nährstoffe in ausreichender Menge und im richtigen Verhältnis, Lebensordnung als Kernstück für den Einklang von Körper, Geist und Seele – heute sprechen wir auch von einem gesunden „Lifestyle“ oder „Mind-Body-Medizin“.

Wanderung des Kneipp-Verein Radebeul


Das Anliegen der Kneipp´schen Lehre hat die Zeit überdauert und wurde stetig auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse weiterentwickelt. So hat es auch heute noch große Bedeutung: nämlich die Menschen nicht erst krank werden zu lassen, sondern – im Sinne der Salutogenese – vorbeugend gesund zu erhalten.

Gerne bieten wir Ihnen einen Einblick in unser vielfältiges Vereinsprogramm, wobei Gäste (außer bei vereinsinternen Weihnachtsfeier und Mitgliederversammlungen) immer willkommen sind. Die Veranstaltungen sind in unserem Halbjahresprogramm zusammengefasst, das in der Tourist-Information auf der Hauptstraße in Radebeul kostenfrei für Sie ausliegt. Es lohnt sich!

Wir bieten an

Vorträge zu medizinischen und naturheilkundlichen Themen sowie zu gesunder Ernährung und Kräuterheilkunde, kulturelle Veranstaltungen, Fahrradtouren, mehrere Wanderungen, wöchentliche Rückengymnastik und Seniorengymnastik oder Tanzkurs.

Unser besonderes Angebot ist das Winterschwimmen

Dieses Highlight wird von Oktober bis Mai Sonnabend, Sonntag und an Feiertagen von 10 Uhr bis 11 Uhr im Lößnitzbad Radebeul West von unserem Verein angeboten. Es ist ein herrliches Vergnügen, das die Lehre nach Kneipp über die Kraft des Wassers zur Immunstärkung unterstützt.

Exklusiv für Mitglieder

Im Rahmen ihrer Mitgliedschaft erhalten unsere Mitglieder alle zwei Monate gratis das umfassende Kneipp Journal „aktiv & gesund“, das vom Verlag des Kneipp-Bundes herausgegeben wird. Es enthält viele Fachartikel rund um die Themen Kneipp-Medizin, Naturheilkunde und Prävention hat ist zu einem wertvollen Ratgeber geworden. Darüber hinaus erhalten Sie Vergünstigungen beim Einkauf von Gesundheitsprodukten im online-Shop des Kneipp-Verlags und bei unserem Kursprogramm.

Kommen Sie vorbei und überzeugen Sie sich selbst. Neue Mitglieder und engagierte Ehrenamtler sind jederzeit herzlich willkommen.

Manuela Hamann & Jana Hentzschel

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Kneipp-Verein Radebeul e.V.
Vereinshaus Dr.-Külz-Str. 4
01445 Radebeul
Telefon: 0351 41890799, nur Die 17-19 Uhr und Do 9-11 Uhr
E-Mail: radebeul@kneipp-sachsen.de
Internet: www.Kneippverein-Radebeul.de
Beiträge: Einzelperson/Familie 5/8,50 Euro pro Monat

Der Kneipp-Verein beim Vereinstag in Radebeul

Wanderung des Kneipp Verein Radebeul

7. Bauherrenpreiswanderung

In und um die Villenkolonie Altfriedstein

Bild: M. Mitzschke

Wie lange reicht der Vorrat an Bauherrenpreisträgern noch, um neue Wanderungen zusammenstellen? Es stellte sich die Frage, ob sich nach den vergangenen 6 Wanderungen noch genügend nicht besuchte Objekte, die untereinander in angenehmer Entfernung liegen, für eine 7. Auflage der Bauherrenpreiswanderung finden lassen. Wo waren wir schon alles;

2 x Niederlößnitz, 2 x Oberlößnitz, Zitzschewig mit Naundorf, Radebeul-Ost südlich der Meißner Straße.

Aber das Nachdenken hat sich gelohnt, das Gebiet zwischen Moritzburger Straße und Wackerbarth war noch nicht unser Ziel und auch dort gibt es eine Reihe Bauherrenpreisträger.

Als Startpunkt haben wir Münch´s Backstube auf der Moritzburger Straße 34, oder für versierte Altradebeuler, den ehemaligen Heiteren Blick gewählt. Der Verein für Denkmalpflege und neues Bauen Radebeul e.V. lädt alle Interessierten zur diesjährigen öffentlichen, nun 7. Bauherrenpreiswanderung

für Freitag den 28. Juni, 18 Uhr dorthin ein.

Wie gewohnt wird bei der Einladung zur Wanderung noch nicht so viel über das Programm verraten. Die Wegstrecke wird wieder nicht besonders weit sein und eine etwas anspruchsvollere Treppe brauchen nur die begehen, die sich das zutrauen. Anfangs- und Endpunkt liegen wieder weniger als einen Kilometer auseinander. Am Ende können die, die es möchten, danach in gemütlicher Runde bei Wein noch etwas zum Gedankenaustausch zusammenzusitzen bleiben. Letztes Jahr konnte der Verein bei dieser Gelegenheit sogar ein neues Mitglied gewinnen, mal sehen, was dieses Jahr bringt.

Auch diesmal möchte ich hier die Gelegenheit nutzen, einen kleinen Rückblick auf unsere letzte Bauherrenpreiswanderung am 30.06.2023 zu halten – zur Erinnerung und vielleicht möchten Nichtdabeigewesene diese einmal nachwandern. Es trafen sich ca. vierzig Interessierte am ehemaligen Armenhaus von Ober- und Niederlößnitz mit der Adresse An der Jägermühle 12.

Der Mut zu kommen wurde belohnt, denn der Wettergott räumte uns eine Regenpause ein, so dass die mitgebrachten Regenschirme nur bei einem kräftigen Schauer am Ende zum Einsatz kamen.

»Armenhaus«, An der Jägermühle
Bild: M. Mitzschke

Zur Geschichte des Armenhauses sei auf einen Artikel mit dem Titel „Der Oberlößnitzer Weinbergsverein“ im Dezemberheft 2011 von V&R verwiesen. Der Bauherr der Sanierung des Hauses Renno Dudek erhielt 1998 den Sonderpreis „kreativer Umgang mit alter Bausubstanz“. Es lohnte sich in Ruhe mal die Details zu betrachten. In hervorragender Art wurde das schlichte Wohngebäude unter Verwendung traditioneller Materialien wiederhergestellt. Gleichzeitig wurden Ergänzungen in betont zeitgemäßem Design (Stahl und Glas) vorgenommen, die aber das Gebäude als stimmiges Ganzes erscheinen lassen. Geplant wurde der Umbau von Code Unique Architekten Dresden.

Das nächste Ziel lag gleich um die Ecke, der damalige Neubau Weinbergstraße 1a/1b. Dieser erhielt den Bauherrenpreis 2002 in der Kategorie Neubau. Architektin und gleichzeitig mit der Familie ihres Bruders Bauherrin ist Gabriele Schirmer.

Zwei modere Einfamilienhäuser stehen in sich zur Kreuzung hin öffnenden rechten Winkel zueinander und bilden ein Ensemble. Syenitmauer und Kirschbaum sollen das Bindeglied zur Vorbebauung darstellen. Die Architektur ist konsequente Formensprache der 90er Jahre des 20.Jhds, sachlich, sparsam. Die Materialien sind zeitgemäß, die Solartechnik zeigt das ökologische Denken der Bauherren.

Hierzu gab es schon stärker voneinander abweichende Meinungen der Teilnehmer, ob so ein Bauwerk an diese Stelle in Radebeul passt. Und gerade das soll auch ein Sinn dieser Wanderung sein, die aktive Diskussion zur Baukultur in Radebeul. Im Idealfall hat diese dann auch einmal Auswirkung auf das, was in Radebeul gebaut wird. Die eigene Meinung baut sinnvoller Weise auf Kenntnis und Respekt vor Anderem auf. Auch hier soll die Wanderung ein kleiner Beitrag sein, der verfallenden Diskussionskultur entgegenzuwirken.

Nächster Bauherrenpreisträger am Wege war die Familie Aust mit ihrem Meinholdschen Turmhaus. Hier wurde 2007 der Bauherrenpreis für die von unserem leider sehr früh verstorbenen Vereinsmitglied Tilo Kempe geplante Sanierung vergeben.

Wir erhielten die Gelegenheit das Ensemble vom Hof aus zu erleben und einen Blick in den Gartensaal zu werfen. Frau Elisabeth Aust konnte dazu ganz authentisch zur Geschichte, den Überraschungen und dem Ergebnis der Sanierung dieses Raumes berichten. Schön, dass dies alles für die Öffentlichkeit erlebbar ist. Zwischenzeitlich ist das Weingut um ein neues Kellergebäude ergänzt worden. Interessant waren die Gespräche, ob dies an diese Stelle passt oder nicht. Und in den Gesprächen bekommt man eine Ahnung, wie viele Komponenten in die Entscheidung hineinspielen, ob und wie an welcher Stelle gebaut werden kann.

»Retzschgut«, Weinbergstraße
Bild: M. Mitzschke

Weiter ging es zum Retzschgut. Die Familien Seifert und Tichatschke erhielten 2009 den Publikumspreis zum Bauherrenpreis. Die architektonische Beratung erfolgte durch das Büro Baarß und Löschner Radebeul.

Mit seinem hohen Walmdach und dem turmartigen Vorbau beherrscht das im Kern ins 17. Jhd. reichende zweistöckige Gebäude den Straßenraum an diesem Teil der Weinbergstraße. Die Bauherren standen vor der Aufgabe, die stark angegriffene Bausubstanz durch Schaffung von Wohnraum zu erhalten. Dazu wurde der Vorbau erhöht und mit einem durchgehenden Fensterband versehen. Viele historische Details wurden erhalten, als sympathisches neues Detail zeigt sich an der Südwestecke des Turmes ein sandsteinerner Wasserspeier. Das Gebäude ist eng mit dem Maler Moritz August Retzsch (1779-1857) verbunden. Sein Zeichnungen aus der Oberlößnitzer Zeit geben gutes Zeitzeugnis für das Erscheinungsbild dieser Gegend in dieser Zeit. Das ist aber wieder eine andere Geschichte, der es lohnt mal nachzugehen.

Kritisch schauten wir auf den östlich des Gutes entstehenden Neubau und das halb abgerissene Preßhaus. Hier stellen sich die am Aust´schen Keller gestellten Fragen ebenso.

Aber war der Wille ein Wohngebäude in hochwertiger Lage zu errichten Begründung genug, dort bauen zu müssen. Gleichzeitig wird an diesem Beispiel klar, dass der Verwaltung, der so oft ein Vorwurf bei Genehmigung problematischen Objekten gemacht wird, rechtliche Grenzen gesetzt sind, Bauanträge abzulehnen. Das ist es halt mit der Demokratie, dass der freie Bürger auch viel eigene Verantwortung für sein Tun in der Gemeinschaft hat. Nicht alles, was rechtlich geht, ist damit kompatibel.

Wir liefen die Retzschgasse zur Bennostraße hinunter und besichtigten bei der Hausnummer 11 Haus Friedland als nächsten Bauherrenpreisträger. Dieses Objekt erhielt 2005 auch den Publikumspreis. Da eine Bewohnerin des Hauses die Wanderung begleitete, konnten wir auch in den Hof. Immer wieder wurde dieses Haus im Laufe seiner Geschichte verändert. Es war sogar einmal ein von Carlowitzsches Weingut mit einem Grundstück von 4,5 Hektar. Von hier wurde einstmals Schloß Kuckuckstein mit Wein versorgt. Viele interessante historische Details, die man z.T. auch auf Wikipedia findet, ranken sich um dieses Anwesen. Eine entscheidende Veränderung des Anwesens trat ein, als der südliche Grundstücksteil 1876 an die Baufirma Ziller verkauft wurde. Diese legte die Friedlandstraße an und bebaute die an dieser gelegenen Grundstücksparzellen.

Am anderen Ende der Friedlandstraße warfen wir einen Blick auf den vom Verein in Zusammenarbeit mit der Stadt 2010 aufgewerteten Platanenplatz mit seinem von Langner geschnitzten Winzer und Gärtnerin. Wer aufmerksam geschaut hat, konnte bemerken, dass dieser im Frühjahr durch die neu gesteckten Krokusse, ein farblicher Höhepunkt war. Schade ist nur, dass das historische Trafohaus der Gröba-Werke immer wieder von Sprayern verunziert wird. 2023 dauerte es nach dem Neuanstrich nur 2 Wochen bis wieder die ersten Schmierereien entstanden. Nichts gegen Grafittis, die das Stadtbild aufwerten, dazu gibt es in Radebeul gute Beispiele. Aber aus welchem Grund werden Grafittis mit zerstörerischer Wirkung angebracht? Wie könnte man an deren Verursacher den Gedanken herantragen, den besonderen Charakter unserer Stadt zu bewahren, im Gemeinsinn weiterzuentwickeln und Achtung vor dem Wirken anderer zu haben?

Eine schöne Außenanlage besichtigten wir im Wohnpark Augustusweg 25, 25a, 25b. Diese erhielt 2008 den Publikumspreis und wurde von unserem Vereinsmitglied Kerstin Dietze geplant. Hier versuchten wir zu ergründen, warum wir diese Anlage auf engem Raum „schön“ finden, passende Proportionen, Materialien, Aufenthaltsqualität, stimmige Bepflanzung, stets etwas Blühendes…

»Villa Walter«, Bennostraße
Bild: M. Mitzschke

Ein starker Regenschauer schickte uns auf den Weg zur letzten Station Villa Walter Bennostraße 23, deren Bauherren 2007 eine Anerkennung erhielten. Dieser Ziller-Bau mit typischen Gestaltungselementen der Mitte der zweiten Hälfte des 19. Jhd. empfing uns gastlich. Vom Grundstück aus konnte das Haus in Begleitung des Eigentümers umrundet und dazu der schön angelegte Garten bewundert werden. Unter dem Carport standen dann Bänke, Wein und Häppchen bereit, der Regen hatte sich verzogen und der Abend klang bei angenehmen Gesprächen aus.

Michael Mitzschke

Braucht Radebeul eine Kulturentwicklungskonzeption?

Oder: Lebhafte Leserdiskussion erwünscht!

Bei der Frage, ob Radebeul eine Kulturentwicklungskonzeption braucht, scheiden sich die Geister. Die einen winken gleich ab und meinen: Die wandert doch sowieso in die Schublade. Schließlich hatte kaum einer mitbekommen, dass ein Integriertes Stadtentwicklungskonzept (2014: INSEK 2) existiert. Doch da sind auch noch die anderen, die Interessierten, die meinen, dass so Manches nicht in die Hose gegangen wäre, wenn es eine langfristige, im öffentlichen Bewusstsein verankerte Planung gegeben hätte. Nun sollen nicht gleich am Anfang dieses Beitrages die Radebeuler Stimmungskiller Erwähnung finden, wie der bedenkliche Zustand des Bahnhofs in Radebeul-West oder die lange Liste von opulenten Gebäuden, die nach 1990 dem Abriss zum Opfer fielen. Also: Schnitt! Was weg ist, ist weg, da hilft auch kein Gejammer mehr!

Soziokulturelles Zentrum »Weißes Haus« mit Graffitifassade (Detail), 2024


Viel sinnvoller ist es doch, man geht die ganze Sache von der positiven Seite an. „Radebeul bekennt sich zur Erhaltung seiner kulturellen Vielfalt“ – zumindest wurde das bereits mehrfach und mit Nachdruck postuliert. Na, wer sagts denn, das ist doch schon ein guter Anfang!

Die Leser seien in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass das INSEK 2 in verknappter Form wichtige Aussagen, Ziele und Handlungshinweise zur Kulturentwicklung von Radebeul enthält. Das umfangreiche Kompendium mal wieder in die Hand zu nehmen, lohnt sich durchaus. Spannend ist: Was wurde im Verlaufe von zehn Jahren umgesetzt? Was wartet noch heute auf seine Realisierung? Was wurde wieder verworfen? Was kam zwischendurch an Neuem hinzu?

Straßentheater zum Internationalen Wandertheaterfestival auf dem Dorfanger Altkötzschenbroda, 2013


Einige Gedanken zur Kultur in Radebeul wurden bereits vom scheidenden Bildungs- und Kulturamtsleiter Dr. Dieter Schubert (1940–2012) im Jahr 2005 fixiert und war mit der Empfehlung verbunden, dass eine Konzeption erforderlich sei. Danach trat eine längere Pause ein. Schließlich stellte die Fraktion der Freien Wähler im März 2017 den Antrag, die Stadtverwaltung damit zu beauftragen, eine Kulturentwicklungskonzeption für die Große Kreisstadt Radebeul zu erarbeiten. Im Juni 2018 einigte man sich im BKSA (Bildungs-, Kultur- und Sozialausschuss) auf die Bildung von Facharbeitsgruppen mit konkreten namentlichen Vorschlägen. Doch nun ging es Schlag auf Schlag – aber in die falsche Richtung. Was folgte waren ein rasanter Generationswechsel, strukturelle Veränderungen, personelle Umbesetzungen sowie die alles in Frage stellende Corona-Pandemie.

Jan Dietl und Uwe Wittig vom Theater Heiterer Blick in »Nosferatu«, Aufführung in der unsanierten Mittelhalle des Bahnhofs Radebeul-Ost, 2010


Im April 2023 wurde erneut Anlauf genommen und die Fraktion der Freien Wähler erinnerte an die ausstehende Kulturkonzeption. Endlich begann man in rasantem Tempo Nägel mit Köpfen zu machen. Unter Federführung der Kulturamtsleiterin Dr. Gabriele Lorenz fanden von Oktober 2023 bis Januar 2024 im Kulturbahnhof fünf themenorientierte Kulturforen statt. Parallel wurden zu unterschiedlichen inhaltlichen Schwerpunktsetzungen Arbeitsgruppen in neuer Personenkonstellation gebildet. Der erste Entwurf stand alsbald im BKSA zu Diskussion und wurde danach mit einigen Ergänzungen zur Beschlussfassung an den Stadtrat weitergeleitet. Das Ganze erfolgte „kurz vor knapp“, denn schon wieder geht eine Legislaturperiode zu Ende. Sollte die Kulturkonzeption also zur letzten Sitzung des alten Stadtrates im Juni 2024 beschlossen werden, wäre eine wichtige Hürde genommen. Nichts ist in Stein gemeiselt und alles kann immer wieder den aktuellen Bedingungen angepasst werden.

Sich als Radebeuler Bürger mit dieser Konzeption auseinanderzusetzen, lohnt sich schon deshalb, weil sie mehr oder weniger die Lebensqualität aller betrifft und weil sie für einen langen Zeitraum, genauer gesagt bis 2030, ausgelegt ist. Der Inhalt einer solchen Konzeption ist sehr komplex. Bereits im Integrierten Stadtentwicklungskonzept wurden Themen wie Bildende, Darstellende und Angewandte Kunst, Heimat- und Traditionspflege, Erinnerungs-, Medien-, Sozio-, Jugend-, Fest- und Weinkultur berührt. Beigefügt war eine Auflistung aller kulturellen Einrichtungen wie Museen, Galerien, Theater, Bibliotheken, Ateliers, Werkstätten, temporär offene Häuser, Spezialschulen, soziokulturelle Zentren, Archive und Sammlungen sowie aller kulturorientierten Vereine, Gruppen und Initiativen. Doch seitdem hat sich vieles verändert, denn die Kulturszene ist in ständiger Bewegung.

Auftritt des Lößnitzchores vor dem Kulturbahnhof zum Vereinstag, 2023


Einen roten Faden zu finden, ist für Zugezogene sicher nicht leicht. Da sind die Neubürgerempfänge im Stammhaus der Landesbühnen doch eine sehr gute Idee. Selbst alteingesessenen Radebeulern fällt es mitunter recht schwer, das aktuelle Kulturgeschehen in der Lößnitzstadt zu überschauen. Wenn boshafte Menschen behaupten, dass Radebeul eine Schlafstadt sei, entspricht das nicht der Realität. Die Fülle der Kultur- und Freizeitangebote ist erstaunlich. Doch das alles wäre nicht möglich ohne jene engagierten Vereine und Bürger, die Radebeul das ganze Jahr über als Stadt voller kreativer Energie und Lebensfreude zeigen.

„Kultur muss man sich leisten können“, ist wohl einer der blödesten Sprüche, der einem immer wieder zu Ohren kommt. Dabei ist das Bedürfnis nach Geselligkeit, kultureller Selbstbetätigung und Bildung im weitesten Sinne doch keine anmaßende Erfindung der Gegenwart. Bereits 1842 wurde in der Niederlößnitzer Schule die erste Jugend- und Gemeindebibliothek eingerichtet. Im Jahr 1844 gründeten in Kötzschenbroda 21 sangesfreudige Gewerbetreibende den Männergesangverein „Liederkranz“. Über das Auf und Ab des stark ausgeprägten Vereinslebens in den Lößnitzortschaften zu schreiben, wäre ein spannendes Kapitel für sich.

Radebeuler Grafikmarkt in der Elbsporthalle, im Vordergrund Universalkünstler Frank-Ole Haake, 2016


Das Bekenntnis von Politik und Verwaltung zum Erhalt der kulturellen Vielfalt ist nicht nur ein Bekenntnis zu den städtischen, sondern vor allem auch zu den nichtstädtischen Kultureinrichtungen wie den Landesbühnen Sachsen, dem Karl-May-Museum, dem Sächsischen Weinbaumuseum Hoflößnitz, der Musikschule und der Traditionsbahn, welchen durch die Dynamisierung der jährlichen Zuschüsse eine sichere Basis geboten wird. Sowohl für die großen Einrichtungen als auch die vielen kleinen Initiativen gilt es, belastbarer Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Kultur stattfinden kann und die Akteure eine sinnvolle Unterstützung erfahren. Eine Sonderstellung nimmt Radebeul mit seinen über 60 ortsansässigen Bildenden Künstlern ein. Hinzu kommen zahlreiche freischaffende Einzelkünstler und Künstlergruppen verschiedenster Sparten. Dieser Tatsache sollte auch die Kulturentwicklungskonzeption Rechnung tragen. Mit Unterstützung ist nicht nur die Ausreichung von Fördermitteln gemeint, sondern auch eine zielgerichtete Koordination, Vernetzung und Terminabstimmung. Ebenso wäre eine zentrale Plattform zur Vermittlung von Wohn-, Arbeits-, Ausstellungs- und Veranstaltungsräumen sehr hilfreich.

Allerdings findet Kultur nicht im luftleeren Raum statt. Die Bevölkerungsentwicklung, das Freizeitverhalten und das Fortschreiten der Digitalisierung spielen keine unwesentliche Rolle. Auch die stimulierende Wirkung einer sozial, kulturell und politisch offenen Atmosphäre ist nicht zu unterschätzen. Vieles war nach 1989 möglich. Neue Veranstaltungsreihen wurden in städtischer Regie etabliert wie das Herbst- und Weinfest (1991), die Karl-May-Festtage (1992) und das Wandertheaterfestival (1996). Bereits vor 1990 eingeführte Veranstaltungsreihen wie der Grafikmarkt (1979) und die Kasperiade (1987) wurden ab 1990 bzw. ab 2004 in städtische Regie übernommen. Allerdings war das u. a. auch der Fantasie, Weitsicht und Überzeugungskraft einzelner leidenschaftlicher Kulturakteure zu verdanken. Überlegungen diese kulturellen Großveranstaltungen zu privatisieren oder an Vereine zu übertragen, wurden verworfen. Das Bekenntnis zum Erhalt der kulturellen Vielfalt war über all die Jahre nicht nur ein Lippenbekenntnis. Die Frage, weshalb sich Radebeul ein Kulturamt „leistet“, beantwortet sich eigentlich von selbst.

In der gegenwärtigen kulturellen Praxis wird der öffentliche Stadtraum viel stärker in die Veranstaltungsplanung einbezogen. Neben der traditionellen Festwiese in Radebeul-West sind nun die Kultur-Terrassen in Radebeul-Ost ein häufig genutzter Veranstaltungsort, so wie auch die innerstädtischen Zentrumsbereiche und die Dorfkerne der Ursprungsgemeinden. Neue Open-Air-Veranstaltungsreihen wie „WeinbergKulTour“, „Fête de la Musique“ und „Kunst geht in Gärten“ konnten sich erfolgreich behaupten.

Radebeul schillert viel zu lebendig, als dass es sich in ein Schema pressen ließe. Bezeichnungen wie „Karl-May-Stadt“ oder „Wein- und Gartenstadt“ greifen hier zu kurz. Überregional bekannte Persönlichkeiten wurden nach 1990 wiederentdeckt. Das Wirken des Generalmusikdirektors Ernst Edler von Schuch, des Naturheilkundlers Friedrich Eduard Bilz, der Zirkusfamilie Sarrasani und der Baumeisterfamilie Ziller wird nach und nach aufgearbeitet und öffentlichkeitswirksam herausgestellt. Auch reift die Erkenntnis, das Radebeul nicht nur zu den nördlichsten Weinanbaugebieten gehört, sondern auch ein bedeutender Industriestandort war und ist.

Während die kulturelle Szene in Radebeul erfreulich pulsiert, schreitet der Verfall des historischen Bahnhofsgebäudes in Radebeul-West unerbittlich voran. Und schon bald werden mehr oder weniger melodische Klänge aus der gegenüberliegenden Musikschule den Prozess des Vergehens begleiten. Die Natur holt sich beharrlich den einstigen Bürgerstolz zurück. Dass für die Große Kreisstadt Radebeul nun endlich eine Kulturentwicklungskonzeption auf den Weg gebracht wurde, kommt für den Bahnhof vermutlich zu spät. Ob die Konzeption in einer Schublade verstaubt, liegt auch an jedem von uns selbst. Die stattgefundenen Kulturforen jedenfalls sollten auf mehrfach geäußertem Wunsch unbedingt eine Fortsetzung erfahren.

Karin (Gerhardt) Baum

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