Porzellandesign und Keramik

Antje Kempa, Teile eines Bürogeschirrs aus Porzellan, realisiert 1990 bei Weimar-Porzellan in Blankenhain Foto: A. Kempa

Arbeiten von Antje Kempa im Weinbaumuseum Hoflößnitz

Seit einigen Jahren wächst das Interesse am ostdeutschen Design. Es wird nach den Köpfen hinter so populären Produkten wie den Montagemöbeln des VEB Deutsche Werkstätten Hellerau (MDW), dem Moped S 50 und dem Mitropa-Geschirr gesucht. All diese Gestalter vereinte das Ziel, im Aufbau klare, funktionale und ästhetisch ansprechende Gebrauchsgegenstände zu entwerfen. Diese Haltung machte Schule, z.B. an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee, wo Antje Kempa, der das Sächsische Weinbaumuseum Hoflößnitz in Radebeul gegenwärtig eine kleine Personalausstellung widmet, zwischen 1987 und 1992 Keramik-Design studierte.
Aufgewachsen in Radebeul, erwarb Antje Kempa (* 1967) das handwerkliche Rüstzeug hierfür mit einer Töpferlehre in der Werkstatt »Karl Louis Lehmann« in Neukirch/Lausitz. In Berlin-Weißensee absolvierte sie, der Idee des berühmten Weimarer Bauhauses folgend, zunächst das Grundlagenstudium. Hier wurde gezeichnet, gemalt und modelliert, was ihren Neigungen entsprach.

Antje Kempa, Vorstufen aus Porzellan zum Diplomgeschirr Lufthansa Partyservice, 1991 Foto: A. Kempa

Im Fachstudium erfolgte die enge Verzahnung von Theorie und Praxis. Bei den eigenen Geschirrentwürfen standen ihr so exzellente Gestalterpersönlichkeiten wie Prof. Christa Petroff-Bohne, Margarete Jahny (sie entwickelte mit Erich Müller das Mitropa-Geschirr) und Ludwig Zepner, Leiter des Kollektivs »Künstlerische Entwicklung« der Staatlichen Porzellan-Manufaktur Meissen, zur Seite. Nach dem Diplom und beruflichen Stationen in Paris und Berlin kehrte Antje Kempa 1996 in ihre Heimat zurück, wo sie bis 2010 als Fachlehrerin für keramische Berufe am Beruflichen Schulzentrum Meißen tätig war.

Antje Kempa, Entwurf für ein Teeservice, 1993 Foto: A. Kempa

Antje Kempas Gefäßformen tragen oft einen runden, klassischen Charakter. Beim Werkstoff Porzellan muss gegen statische Verformungsprozesse im hohen Brand um die 1400 °C gearbeitet werden. Deshalb werden zunächst Prototypen hergestellt. Den gesamten Weg bis dahin gestaltete Antje Kempa selbst.

Antje Kempa, Schmuckdosen aus Porzellan, realisiert 1994 bei der Staatlichen Porzellan-Manufaktur Meissen Foto: A. Kempa

Dies ist in der Ausstellung im Bergverwalterhaus der Hoflößnitz anschaulich dargestellt. Bei anderen keramischen Werkstoffen wie Steingut, welches im Brand nicht so empfindlich ist, arbeitet Antje Kempa freier. Das Likör-Service »Karneval in Rio« ist dafür ein gutes Beispiel.
Im Zentrum der Ausstellung steht der Diplom-Entwurf eines Buffetgeschirrs für den Lufthansa Party Service. Die Formenwelt ist an die Flugzeugnasen, die Triebwerke und die Turbinenschaufeln angelehnt. In den Vorstufen zum eigentlichen Geschirr spiegelt sich zusätzlich das runde Logo der Lufthansa mit dem Kranich wider. Neben funktionalen Aspekten wurden auch ökologische Überlegungen aufgenommen. So kann die Untertasse sowohl für die Tassen, die Dressingkännchen und die Dessertschalen eingesetzt werden.
Einen weiteren Teil der Ausstellung bilden frei gedrehte Schalen mit Reduktionsglasuren sowie Fotos von großformatigen Keramik-Objekten, deren Entstehung durch den Radebeuler Bildhauer Prof. Detlef Reinemer begleitet wurde. Neben Entwürfen und Modellen, die den Prozess von der Idee bis zum gebrauchsfertigen Produkt nachvollziehbar machen, sind auch künstlerische Arbeiten Antje Kempas auf Papier zu sehen.

Frank Andert

___________

Die Ausstellung »Antje Kempa – Porzellandesign und Keramik« im Sächsischen Weinbaumuseum Hoflößnitz in Radebeul, Knohllweg 37, läuft noch bis zum 9. Oktober, geöffnet Di-So 10-18 Uhr. Zur Ausstellung ist ein Begleitheft erschienen.

 

Editorial September 2022

Und es geht doch! – Gelungene Neubebauung im Ortsteil Serkowitz

An der Ecke Serkowitzer Straße/ Südstraße gehen die seit Frühjahr 2021 begonnenen Bauarbeiten allmählich dem Ende zu. Initiiert von der Besitzgesellschaft Radebeul mbH ist an einer städtebaulichen bisher weitgehend unbeschriebenen Kreuzung vom Architekturbüro Stadtprojekt Rogge.Pfau GmbH, Dresden ein ungewohnt attraktives Bauensemble entstanden. (Abb. 3. Umschlagseite)
Die Kubatur der vier giebelständigen „Ackerbürgerhäuser“ orientiert sich ohne Imponiergehabe an der umgebenden dörflichen Bebauung. Und doch werden mit den – baulich zurückgesetzt – durchstoßenden Verbindern, behutsam, aber durchaus mit Gestaltungswillen ganz moderne Akzente gesetzt. Als besonders spannend ist hier der Eckbau zu nennen, wo das 2. OG frech die Dachfläche bis zur Fassadenkante straßenseitig durchstößt.
Die großen und bodentiefen Fenster geben eine Ahnung von der lichtdurchfluteten Heiterkeit der 20 Wohneinheiten, die aus Zwei-bis Fünf-Raum-Wohnungen und Flächen zwischen 49 m² bis 136 m² bestehen. Erwähnenswert ist zudem, das jeweils ein Treppenhaus sparsam zwei Häuser erschließt und die Erdgeschossebenen barrierefrei gestaltet sind.
In heutigen Zeiten dürften sich die künftigen Mieter besonders auch darüber freuen, dass die Wärmeversorgung des gesamten Areals über ein nachhaltiges Wärmeerzeugungssystem mittels Grundwasserwärmepumpe erfolgen wird.
Im vierten Quartal 2022 sollen die ersten Wohnungen nun bezugsfertig sein.
Man darf auf weitere Projekte gespannt sein!

Sascha Graedtke

 

 

 

Zum Titelbild



… von flüchtigen Momenten …

Datenwolke, gestrandet
begehbare Installation

Habichtswald in Nordhessen | 2018
Stadtpark Großenhain | 2019

 
… ein Sturm weht vom Paradiese her …,

wohin treibt es den Angelus Novus,
wie offenbart sich die Geschichte heute seinem Blick?

unaufhaltsam
die Zeit
und
wir glauben
ihr mit Fortschritt
zu begegnen

die Geschichte
nicht mehr
verwahrt
in papiernen Archiven
gespeichert
in einer digitalen Welt
unsichtbar
scheinbar unendlich zu füllen
steten Zugriff und Überblick versprechend

Was aber,
wenn unsichtbare Datenwolken stranden?

Constanze Schüttoff

Mit Gerhard Schöne poetisch durch das Jahr

Leserbrief

Sehr geehrter Herr Graedtke,

dem Artikel von B. Zscheischler, „Reden kostet nix, …“, möchte ich ausdrücklich beipflichten. Prima, dass Sie und Ihre Redaktionskollegen ihn ins Heft aufgenommen haben!

Die Analyse des Autors betreffend die schon seit einigen Jahren bis heute bestehende tatsächliche und rechtliche Situation rund um – privates – Bauen (Wohnungsbau) in Radebeul ist m.E. brilliant formuliert.

Ich plädiere daher nachdrücklich dafür, dass der Artikel von Herrn Zscheischler aus dem Juni-Heft mit dem m.E. vorbildlichen 6-Punkte-Plan zur „informellen Einwirkung“ auf potentielle Bauwillige und deren Architekten umgehend von der V&R-Redaktion dem Oberbürgermeister Wendsche formell zugeleitet wird. Herr Wendsche möge bitte den Artikel lesen und Sorge dafür tragen, dass der Vorschlag Herrn Zscheischlers in kurzer Zeit realisiert werden kann. Die Bauvorhaben in Radebeul werden m.E. davon positiv beeinflusst werden.

Mit herzlichem Gruß
Stephan Fussel, Radebeul

Eine Glosse

Oma und Opa

Schon meine Oma hat mir immer Geschichten erzählt, wahre, erdachte, erdichtete, erträumte und sicher auch gelesene – etwa Grimms Schauermärchen oder gar aus der Bibel. Das war die Zeit als Omas noch tief gläubig waren. Ob die Geschichten vielleicht erfunden, erlogen, erstunken oder im Rausch erlebt sein könnten, kam mir damals überhaupt nicht in den Sinn. Von so etwas hatte ich ja auch keinen „blauen Schimmer“. Völlig unvorstellbar! Da habe ich noch an das Gute im Menschen geglaubt. Obwohl…, so manches kam mir denn doch etwas spanisch vor. Aber meine Oma war wirklich eine liebenswürdige, hochanständige Frau, die keiner Seele je etwas zu Leide tun konnte. Die würde doch nicht…? Und wenn ich mir das jetzt so genau überlege, dann hat Oma auf gar keinem Fall gekifft! Zu jener Zeit dachte ich auch noch, dass alles wahr sei, was Erwachsene mir erzählten. Heutzutage würde ich da nicht einmal mehr für alle Omis die Hand ins Feuer legen.

Wenn ich beispielsweise an Politiker denke, da frage ich mich mitunter, ob die selber an den Unsinn glauben, den sie erzählen. Namen will ich jetzt lieber keine nennen: Nicht, das am Ende der Eine oder Andere noch einen hochroten Kopf bekommt, etwa wie mein Opa, der bei der kleinsten Kleinigkeit immer wie eine Rakete abging und an die Kinder Backpfeifen verteilte und der Oma auch noch gleiche welche anbot, wenn sie sich dazwischen stellte.
Da wird von sicherer Gasversorgung geschwafelt, aber die Speicher sind nur mäßig gefüllt. Die Einen sollten vor Jahren Waffen zu Pflugscharen schmieden, um ohne Waffen Frieden zu schaffen, und bei den Anderen sollen eben diese Waffen den Frieden bringen. Nach dieser Logik ist der Verkauf eigener Immobilien, um sich in fremde einmieten zu können, eigentlich nur eine Frage der geschickten Argumentation. Mein Opa hatte auch immer Recht, und wenn nicht…!

Die Krux war nur, dass ich damals nicht klein bleiben wollte, etwa wie „Eddy – Der Elefant“ von Hans Traxler. Als Opa mir später erklärte, dass der Regenwurm auch so ein Herz habe wie er, glaubte ich das natürlich nicht mehr und habe ihn müde belächelt. Was wir beide damals aber nicht wussten, ist die Tatsache, dass der Regenwurm gar über 10 Herzen (sogenannte Gefäßschlingen) verfügt, die aber mit Nichten so aussahen wie unsere Herzen. Die Wirklichkeit ist eben verzwickter, als wir beide sie uns vorzustellen vermochten. Das mussten in der letzten Zeit auch so manche Minister erfahren.

Da bewahrheitet sich eben, dass sich der Mensch in einem lebenslangen Lernprozess befindet. Nur hat sich das leider noch nicht überall herumgesprochen. Deshalb fängt man mitunter immer wieder von vorn an, bestimmte Dinge zu erklären. Beispielsweise, dass der Neubau einer Schule in einem dicht besiedeltem Wohngebiet keine gute Idee ist oder die Erhaltung eines Gebäudes mitunter besser und nachhaltiger ist als dessen Abriss.

Klar, geschwindelt habe ich auch manchmal, aber nur ein wenig. Erwachsene aber sagen immer die Wahrheit – so glaubte ich jedenfalls. Weil…, ja, warum eigentlich? Weil sie eben Erwachsene sind! Und wenn sie, die immer Recht haben, nicht gestorben sind, dann ist das eben auch heute noch so!

Euer Motzi

Weingut Haus Kynast – das kleinste Haus des Ensembles wurde jetzt in Stand gesetzt

Dieses ehemalige Weingut hat seine freie Lage in der Landschaft weitestgehend beibehalten können, mehr als andere Weingüter in Radebeul und ist allein schon deshalb etwas Besonderes. Die unter Denkmalschutz stehenden Gebäude des Weingutes Haus Kynast, Radebeul-Zitzschewig, Kynastweg 26, wurden nach 1990, nachdem die Eigentumsfrage zugunsten der Familien Klaus und Hans-Peter Muth geklärt war, in Etappen saniert. Da diese Baugruppe recht groß ist, traten zwischen den Bauzeiten der einzelnen Häuser auch Phasen der Bauruhe ein, was in diesem Falle sinnvoll war. Bisher fertiggestellt sind das Fachwerkhaus mit Durchfahrt, das Gärtnerhaus mit ehem. Stall, jetzt Wohnhaus und das Herrenhaus als das größte Gebäude. Entsprechend der verschiedenen Baualter der Gebäude wurden die Fassadenfarben, sofern nicht Originalbefunde da waren, etwas differenziert, jedoch einer Farbgruppe (Gelb, Ocker, Weiß) zugehörig, angewendet. Das Turmhaus und das Badehaus standen mit der Instandsetzung bis 2021 bzw. 2022 auf der Warteliste. Jetzt laufen Voruntersuchungen für die Baumaßnahme Turmhaus (errichtet im 18. und 19. Jh.).

Jan. 1992 (kaputter Zustand)
Bild: D. Lohse


Für mich überraschend (dienstlich bin ich als Rentner in das Geschehen nicht mehr eingebunden) wurde im Herbst vorigen Jahres damit begonnen, das kleinste Gebäude, das sogen. Badehaus, zu sanieren. Ich war aber angenehm überrascht. In den letzten 30 Jahren lag das Badehaus, von einer Notsicherung mit einer Lage Wellbit auf dem Dach mal abgesehen, brach, weil keine neue Nutzung zu finden war. Im Laufe des 20. Jh. war das Badehaus auch als Waschhaus und später nur noch als Abstellraum genutzt worden. Da der Verfall voranschritt, musste offenbar jetzt eine Planung und die Instandsetzung zur Rettung des barocken Badehauses eingeleitet werden. Die Planung der Maßnahme lag wieder in den Händen von Architekt Volker Röhricht, der auch bei den bisherigen Sanierungen im Kynast tätig war. Es ist ein gutes Verhältnis zwischen dem derzeitigen Bauherrn Hans-Peter Muth und dem Radebeuler Architekten ersichtlich.

Bild: V. Röhricht


Bei gelegentlichen Spaziergängen sah ich die verschiedenen Bauzustände an dem kleinen Gebäude: die Erneuerung des Dachstuhls (Fa. Damm / Reichenberg), die Dachdeckung mit roten Biberschwanzziegeln (Fa. Theile / Radebeul), Maurerarbeiten (Herr Bormke / Radebeul), Putzarbeiten (Fa. Hentschel / Ebersbach-Neugersdorf) und Tischlerarbeiten (Fa. Holz u. Glas / DD-Cossebaude).

Okt. 2021 (im Gerüst)
Bild: D. Lohse


Aber woher kam eigentlich der Name Badehaus und welche Stellung nimmt das Haus von 1724 innerhalb des Ensembles ein? Offenbar hatte das Herrenhaus (1. Bau wohl 1578, in der heutigen Form 2. Hälfte 17. Jh.) kein Bad und man wünschte sich zu Beginn des 18. Jh. unter gestiegenen hygienischen Ansprüchen ein solches. Da man aber den Einbau eines Feuchtraums in das Herrenhaus scheute, wurde das Badehaus als kleines, separates Gebäude östlich des Herrenhauses angeordnet. Der damals innerhalb des Ensembles gewählte Standort liegt sozusagen im Schatten des Herrenhauses – es war ein Funktionsbau und er sollte kurze Wege zum Hauptgebäude haben. Das Badehaus wurde früher über eine Rohrwasserleitung von einem eigenen, etwa 200m entfernten Brunnen am Krapenbergweg mit Frischwasser versorgt. Es zeigt sparsame barocke Formen im Dach (Mansarddach), bei den Gaupen sowie an den Wölbungen des Traufgesimses. Unser beschriebenes, eingeschossiges Badehaus sitzt in der das Gelände von Südost nach Nordwest verlaufenden Stützmauer, wie im beigefügten Lageplan von Herrn Röhricht ersichtlich ist. Die lange Syenitstützmauer bildet die funktionelle Trennung der Bereiche Weinberg sowie Wohnen, Hof und Park. Ein paar Veränderungen weist das Projekt auf, sie sind aber wegen des Denkmalcharakters gering: Etwa mittig im Dach war ein Schornstein, der nun wegfiel. Das alte Badehaus brauchte keine Treppe, ins Dachgeschoss kam man über eine Außentreppe innerhalb der Stützmauer. Im EG wird ein Wohnraum mit Miniküche sein und im DG soll der Schlafbereich mit WC und Dusche entstehen. Für eine bescheidene Wohnnutzung kommt jetzt eine hölzerne Innentreppe dazu. Die neue Nutzung – Wohnung für minimale Ansprüche, Ferienwohnung oder eine ähnliche Nutzung – steht jetzt, da die Ausbauarbeiten beginnen, aber noch nicht endgültig fest.

März 2022 (fast fertig)
Bild: D. Lohse


Der Anblick des äußerlich fertiggestellten ehemaligen Badehauses ist erfreulich und wertet das Ensemble auf, viele Jahre war an dieser Stelle nur der Verfall zu sehen. Ich hätte nichts dagegen, wenn die Farbe Weiß, bzw. ein gebrochenes Weiß, so bliebe. So könnte sich das kleinste Haus besser neben dem Hauptgebäude behaupten. Darüber, also über die Instandsetzung, hätte sich sicherlich auch Regine Muth (Ehefrau von Klaus Muth, gestorben am 6. Juni 2012) gefreut, deren Herz sehr am Kynast hing.

Andere Themen zu Haus Kynast wurden von mir bereits in Vorschau & Rückblick, Heft 1/96 und 2/16 vorgestellt.

Dietrich Lohse

Weiterführende Literatur:
„Radebeul, Stadtführer durch Vergangenheit und Gegenwart“, Liselotte Schließer, Edition Reintzsch, 1996
„Denkmaltopographie Stadt Radebeul“, Volker Helas, Michael Müller, Mathis Nitzsche, Sax Verlag, 2006
„Sächsisches Weinland, historische Weingüter im Elbtal, Matthias Donath, Edition Sächsische Zeitung, Redaktions- u. Verlagsgesellschaft Elbland mbh, 2010

Schreibwerkstatt (6. Teil)

Mein winterlicher Schulweg in Radebeul

Es ist kalt draußen. Die Bäume haben kein einziges Blatt mehr und eisiger Wind wirbelt das Laub auf die Straße. Dunkle Wolken sind am tief schwarzen Himmel kaum zu erkennen. Ich ziehe meinen Schal noch etwas tiefer in mein Gesicht und stecke meine Hände weiter in die Taschen meines dicken Mantels. Zum Glück bin ich gleich bei der Haltestelle, um in die Bahn zu steigen. Rechts fahren schnelle Autos an mir vorbei und ihre Lichtkegel streifen meinen Ranzen. In manchen Häusern leuchten noch die Schwibbögen vor den Fenstern oder Christbäume in den Gärten.

Endlich bin ich auf der Bahnhofstraße, beim „Netto“, und gehe den kleinen Weg entlang zur Haltestelle. Da ist auch schon meine Bahn, fast hätte ich sie verpasst. Gerade noch rechtzeitig. Ein wohlig warmes Gefühl beschleicht mich, als ich in die Bahn steige. Ziemlich viele Menschen sitzen in der Bahn.

Ungefähr zehn Minuten später steige ich an der Zillerstraße aus und sehe die andere Straßenbahn aus der anderen Richtung. Aus ihr steigt eine Freundin und wir laufen den kleinen, aber ziemlich steilen Berg hoch.

Links, in einer anderen Straße, ist eine Kirche kaum zu erkennen. Die Lichter in den Fenstern leuchten hell. Wir laufen die Zillerstraße weiter, an den Gärten und Zäunen vorbei. Wenn ich ausatme, schwebt eine kleine Wolke vor meinem Mund. Gleich haben wir es geschafft. Da sind wir auch schon an der Kreuzung bei der Tanzschule Linhart und überqueren die Straße. In der Tanzschule brennt noch kein Licht.

Schnell sind wir im Gymnasium Luisenstift und suchen unseren Klassenraum. ‚Wo haben wir jetzt Unterricht?‘, frage ich mich.

Helena Meißner
Klasse 6 – Luisenstift Radebeul

Aufgetankt

Eindrücke von der Buchmesse in Altkötzschenbroda am 3. Juli 2022

Bertram Kazmirowski lauscht der Rezitation von Uta Hauthal
Bild: S. Graedtke


Die Mittagssonne hatte den Dorfanger in Altkötzschenbroda in ein fahlweißes Licht getaucht, die Menschen schmausten, meist beschattet auf dem Grünstreifen platziert, behaglich in geselliger Runde, kaum ein Geräusch störte den nahezu stillgestellten Moment, kurz: das Leben floss gemächlich dahin an diesem Julisonntag. Wohl auch deswegen erfüllte den Hof der Stadtgalerie nicht gerade ein überbordendes Vibrieren, obwohl es allemal Grund wenigstens zur freudigen Erregung gab, fand doch die zweite Auflage der Radebeuler Buchmesse statt. Ausgerichtet von Jens Kuhbandner, seines Zeichens Kunstpreisträger der Stadt Radebeul (2018) und Inhaber des Notschriftenverlages, sollte diese Messe in Fortsetzung der Premiere des Jahres 2021 einen literarischen Impuls setzen und Buchmenschen zusammen bringen. Wenn schon nicht Leipzig in Groß, dann wenigstens Altkö in Klein. Wir von „Vorschau und Rückblick“ waren uns schnell einig gewesen, dass wir mit einem Stand diese kleine, aber feine Messe bereichern wollten. Einerseits ist jede kulturbezogene Initiative unterstützenswert, andererseits ist auch uns jede Gelegenheit willkommen, unser Monatsheft durch Präsentation in der Öffentlichkeit noch bekannter zu machen. Offenbar hatte ich das Glück, einen besonders lebendigen Tagesabschnitt erleben zu dürfen, denn es ergaben sich mehrere gewinnbringende Gespräche. Kurz nach 13 Uhr rollte ein Rad in den Hof, das sich als „Poesie-Tankstelle“ zu erkennen gab. Wenig darauf schon hatte ich die Dresdner Autorin und Musikerin Uta Hauthal in ein Gespräch verwickelt, in welchem sie mir ihr verblüffend sinnreiches Konzept erläuterte und praktisch vorführte: So, wie Straßenmusiker musizieren, rezitiert Uta Hauthal auf öffentlichen Plätzen im In- und Ausland Gedichte verschiedener Autoren. Ich entschied mich dafür, mir kein bestimmtes Gedicht auszusuchen, sondern den Zufall walten zu lassen, und siehe da: Für mich wurde es Uwe Kolbes „Beim Zeitungslesen“, was insofern stimmig war, als dass ich ein passionierter Zeitungsleser bin. An einem benachbarten Stand bot die Dresdner Grafikdesignerin und Illustratorin Sylvia Graupner diverse Artikel zum Kauf an, nachdem sie zuvor aus ihrem ersten eigenen Kinderbuch gelesen hatte. Gleich daneben waren zwei Verlage vertreten, die mich durch ihr regional ausgerichtetes Sortiment begeisterten. Michael Schmidt mit seinem Sonnenblumenverlag und der bekannte Kulturjournalist und Verleger Holger Oertel mit seinem Dresdner Verlag boten eine Fülle interessanter Bücher, Broschüren, Landkarten und Postkarten an, was die Auswahl schwer machte. Noch weitere kleinere Verkaufsstände mit handgemachten Kunstgegenständen und Papierwerken sowie natürlich auch der Gastgeber selbst verlockten zum fachlichen Gespräch und freundlichen Austausch. Gut, dass es diese Initiative vor Ort gibt, die Bibliophile versammelt, die es Autoren in kleiner Runde gestattet, aus ihren Texten zu lesen, kurz: die es mir und anderen ermöglicht hat, Literatur zu tanken und auch jeweilige „Tankstellen“ zu betreiben, ob nun mobil wie Uta Hauthal oder stationär wie die anderen Aussteller inklusive der „Vorschau“. Ein Dank geht deshalb besonders an Initiator Jens Kuhbandner, aber auch an alle anderen, die zum Gelingen des Tages beitrugen, nicht zuletzt an jene unbekannte Gönnerin, die Sascha Graedtke und mir ein Stück selbst gemachter Obsttorte kredenzen ließ. Auch wenn im kommenden Jahr die Leipziger Buchmesse wieder stattfinden sollte, so wäre es doch wünschenswert, wenn es eine dritte Auflage der Radebeuler Buchmesse gäbe – die im Vorfeld unbedingt stärker beworben werden müsste als es dieses Jahr der Fall war!

Bertram Kazmirowski

Und nochmal in eigener Sache

Bild: S. Graedtke


Da unser zweiter „Jungspund“ Sascha Graedtke im August seinen 50. Geburtstag feiert, gratulieren wir auch ihm ganz herzlich. Ohne seinen beherzten Entschluss, 2011 die „Chefredaktion“ zu übernehmen, wäre die „Vorschau“ heute vielleicht nicht mehr da. Aber, das Wunder geschah, und so können wir Dir, lieber Sascha, für Deine Mühen sehr, sehr danken. Trotz Job, trotz familiärer Pflichten, trotz Wehwechen oder Urlaub: Jeden Monat ab dem 15. hältst Du Dich bereit, für das Gelingen unseres Heftes verantwortlich zu zeichnen. Wir wünschen Gesundheit und weiterhin Lust am Schreiben und Organisieren

sowie gute Einfälle…

Im Namen des Vorstandes und der Redaktion
herzlichst

Ilona Rau

Copyright © 2007-2025 Vorschau und Rückblick. Alle Rechte vorbehalten.